Also: Warum führen Sie den behördlichen Datenschutzbeauftragten nicht ein, nachdem es so viele gute Gründe gibt, dies zu tun? Machen Sie es doch von mir aus in dem Stil, wie Sie die Bestellungskriterien
für den Landesdatenschutzbeauftragten geändert haben, bei dem wir einmal davon gesprochen haben, dass es nicht immer ein Volljurist sein muss, sondern auch jemand mit der Befähigung zum höheren Dienst sein könnte.
Damals hat hier Herr Reinhart gewissermaßen den Untergang der juristischen Welt heraufbeschworen – er ist jetzt wohlweislich nicht da –, übrigens auch Herr Kiesswetter. Aber jetzt führen Sie das selbst ein. Das heißt, hier hat sich offensichtlich ein Erkenntnisprozess durchgesetzt.
Sie könnten doch in der Weise die Erkenntnis gewinnen wie beim Datenschutzbeauftragten mit den dortigen Kriterien. Dies könnte auch für den behördlichen Datenschutzbeauftragten gelten. Vielleicht können wir bei den Ausschussberatungen noch zu diesem Ergebnis kommen. Das würde uns sehr freuen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister Schäuble, das, was in diesem Gesetzentwurf steht, ist wahrscheinlich weniger strittig. Zu reden ist vielmehr über die Dinge, die nicht im Gesetzentwurf stehen.
Die Fortschritte mit der europäischen Datenschutzrichtlinie sind dem Europäischen Parlament und der europäischen Ebene zu verdanken. Der Landesgesetzgeber vollzieht in den meisten Punkten nur das nach, was vorgegeben ist.
Sie haben bereits darüber gesprochen, dass diese Richtlinie eigentlich schon lange hätte umgesetzt werden sollen. Dazu will ich jetzt nichts mehr sagen. Ich will aber sagen, dass dieser Entwurf im Hinblick auf das, was über das, was durch Europa vorgegeben worden ist, hinausgeht, schon eine Enttäuschung und eine verpasste Gelegenheit darstellt.
Der Datenschutz als politisches Thema ist jetzt 20 Jahre alt. Die Diskussion kam in Deutschland Ende der Siebziger-, Anfang der Achtzigerjahre in der Zeit auf, als heftig über die Volkszählung gestritten wurde. Zu Anfang war das eine ganz andere Konstellation. Da war es die Konstellation: auf der einen Seite der Bürger oder die Bürgerin und auf der anderen Seite der Staat. Orwells „1984“ wurde damals viel diskutiert: die Bürger unter der Kontrolle eines Big Brother. Aber der Big Brother war ein totalitäres System. Der gläserne Mensch damals war gläsern für den Staatsapparat.
Jedenfalls wurde dieser Begriff in der politischen Diskussion so verwendet. Heute ist das ganz anders. Heute ist Big Brother die Gesellschaft. Gläsern wird der Mensch, durch die digitale Technik letztlich hervorgerufen, für viele privatwirtschaftliche Unternehmen wie zum Beispiel für Telefongesellschaften, für Banken, für Versicherungen, für Versandhäuser oder sogar für Supermärkte.
Die Quantität der erhobenen Daten hat sich enorm weiterentwickelt, hat sich quasi fortlaufend potenziert. Damit potenziert sich auch das Gefahrenpotenzial, das mit diesen Daten verknüpft ist. Die Möglichkeit des Missbrauchs entwickelt sich mit der Zunahme der Daten. Das geschieht ganz automatisch und ist logisch verständlich.
Ich will hier kein Horrorszenario malen. Niemand kann und niemand will den technischen Fortschritt aufhalten. Aber es geht schon darum, dass dann auch die Datenschutzgesetze an die weiterentwickelte Technik angepasst werden müssen. Hier liegt eben immer noch vieles im Argen.
Die Frage ist also: Was bringt der Gesetzentwurf? Der Gesetzentwurf sieht zunächst einmal vor, dass in den Behörden ein Datenschutzbeauftragter bestellt werden kann. Das ist ein guter Vorschlag. Er geht auf Artikel 18 der EURichtlinie zurück und muss in Landesrecht umgesetzt werden. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unterstützt ausdrücklich, dass die Möglichkeit fakultativ vorgesehen wird.
Wir sind hier also nicht ganz einig mit dem, was Datenschutzchef Schneider sagt. Wir erwarten, dass ein Teil der Behörden diese Möglichkeit ausnutzen und einen Datenschutzbeauftragten einsetzen wird. Wir sind aber auch davon überzeugt, dass der anfangs noch unwillige andere Teil der Behörden durch Druck, nicht zuletzt auch durch den Datenschutzbeauftragten, schon dahin gebracht werden kann. Für uns ist das ein Punkt, mit dem auch kommunale Selbstverwaltung in den Praxistest kommt. Kommunale Selbstverwaltung kann man eigentlich nur dann begriffen haben, wenn man sagt: Immer dann, wenn es konkret wird, muss man der Versuchung widerstehen, von oben verbindliche Vorgaben zu machen.
Der zweite Punkt, den wir auch unterstützen, ist die Vorabkontrolle. Hier ergibt sich eine neue Aufgabe für den Datenschutz. Es ist so eine Art TÜV, obligatorisch und als Vorabinstitution. Aber, meine Damen und Herren, auch die Regierungskoalition muss sicherlich einräumen, dass sich hier ein zusätzlicher Personalbedarf beim Landesbeauftragten für den Datenschutz ergibt, der künftig bei den Haushaltsplanberatungen berücksichtigt werden muss.
Erstens: Wir halten es nach wie vor für das Hauptmanko des Datenschutzes in Baden-Württemberg, dass man zwischen dem behördlichen Datenschutz einerseits und dem privaten Datenschutz andererseits trennt. Dies erweist sich zunehmend als unzweckmäßig.
Zweitens: Die meisten technischen Veränderungen werden jahrelang ignoriert. Um das einfach auszudrücken: Früher hat jeder Mitarbeiter seine Unterlagen genommen, in einem Ordner abgelegt und diesen ins eigene Regal gestellt. Heute werden die Daten meistens in einem zentralen Computer gespeichert. Aber diese Daten sind meistens nur für einen Mitarbeiter zugänglich; sie sind passwortgeschützt. Künftig werden aber immer mehr Daten in einem einheitlichen Datenpool gespeichert, wo sie dann losgelöst von der eigentlichen Verwendung sind, Stichwort Data-Warehouse. Hier kommen auf den Datenschutz neue Aufgaben zu.
Ein weiteres Stichwort: Videoüberwachung. Wir Grüne sagen, dass Videoüberwachung durchaus ein sinnvolles Instrument sein kann. Aber aus rechtsstaatlichen Gründen müssen enge Voraussetzungen und Schranken definiert werden. Wir diskutieren heute nur über den Datenschutzaspekt. Deswegen will ich mich auch darauf beschränken. Hier bringt der Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, keine Verbesserung.
Solche Regelungen – das ist ein Vorschlag von Herrn Schneider – sucht man im Gesetzentwurf vergebens.
Ähnlich ist dies, meine Damen und Herren, bei den Chipkarten. Die Bürgerinnen und Bürger müssen wissen, wer mit welchen persönlichen Daten arbeitet. Es geht also um folgende Fragen:
Das datenschutzrechtliche Grundverständnis des Innenministeriums kann man exemplarisch an § 11 a des Gesetzentwurfs ablesen. Er heißt auf Deutsch: Wenn die Daten weitergegeben werden, muss der Betroffene darüber informiert werden, wer die Daten erhält, aber nur, wenn der Betroffene nicht mit der Weitergabe rechnen muss. Das heißt also umgekehrt: Immer dann, wenn der Betroffene damit rechnen muss, dass seine Daten weitergegeben werden, dürfen diese Daten weitergegeben werden, ohne dass der Betroffene darüber informiert wird.
Was heißt eigentlich „rechnen muss“? Was muss sich ein Bürger oder eine Bürgerin konkret darunter vorstellen, dass mit Daten gearbeitet wird und dass sie weitergegeben werden? Wann muss man damit rechnen und wann nicht? Da gibt es eine riesige Bandbreite und einen großen Interpretationsspielraum. Die Regelung ist windelweich und bietet so gut wie keinen Schutz.
Fazit, meine Damen und Herren: Herr Schäuble hat selbst davon gesprochen, dass der Gesetzentwurf nur eine punktuelle Veränderung bringen wird. Außer dem, was von der EU kommt, enthält er wirklich kleinere Punkte. Der Gesetzentwurf ist enttäuschend und regelt gerade einmal das Nötigste auf niedrigstem Niveau.
Deswegen, meine Damen und Herren, können wir nicht sagen, dass das Datenschutzgesetz in Baden-Württemberg auf der Höhe der Zeit ist.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach langen und aufwendigen Beratungen liegt Ihnen heute der Gesetzentwurf zur Änderung des Landesdatenschutzgesetzes und anderer Gesetze vor. Wir hatten bei der ersten internen Abstimmung im Jahre 1998 noch Zweifel, ob es Sinn machen würde, das Gesetzgebungsverfahren einzuleiten, wenn nach der damals unmittelbar bevorstehenden Novelle auf Bundesebene das Landesgesetz erneut geändert werden müsste.