Protokoll der Sitzung vom 12.04.2000

(Abg. Wintruff SPD: Wo denn?)

Herr Kollege Wintruff, Sie haben doch das Verdienst, dass die Landesregierung dies dieser Tage darlegen durfte. Sie haben doch einen entsprechenden Antrag eingebracht. Das ist eine Erfolgsgeschichte, was Ihnen die Landesregierung hier in der Stellungnahme zu Ihrem Antrag vorlegen konnte.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Lesen Sie doch nach! Da steht es drin! – Abg. Zeller SPD: Da stimmt vieles nicht! Wir werden es diskutieren!)

Wir haben beispielsweise – ich wollte hier eigentlich nur noch mäßig mit Zahlen operieren – seit 1997 die Zahl der Ausbildungsverträge in IT-Berufen bei uns im Land verdreifacht.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das ist doch etwas!)

Wir haben heute 3 600 Schülerinnen und Schüler, die hier im dualen Bereich ausgebildet werden. Wir haben 1995 die Berufskollegs für Technik und Medien eingerichtet und im Jahr 1998 die Aufbaustufe – –

(Abg. Wintruff SPD: Aber nicht genug! Die Schü- ler stehen vor der Tür! Fragen Sie doch die Eltern und Schüler!)

Ja, das übliche Lamento derer, die gar nichts hinkriegen: Ihr macht nicht genug. Das kennen wir schon.

Wir werden schließlich etwas für die nächste Legislaturperiode vorbereiten, und zwar etwas, was Sie überhaupt nicht wollen. Sie wollen ja keine Zukunftsoffensive. Ich kenne doch Ihre Reden hier noch aus der Haushaltsdebatte. Wir werden in Einigkeit mit dem Koalitionspartner die Privatisierungserlöse dazu einsetzen, auch in der nächsten Legislaturperiode dafür zu sorgen, dass die Dinge,

(Abg. Wintruff SPD: Alles Verkündigungen!)

die wir vorbereitet und eingeleitet haben, die also auf dem Weg sind, vernünftig und gut weitergeführt werden, sodass Baden-Württemberg auch weiterhin an der Spitze der Entwicklungen in Deutschland marschiert.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Drexler SPD: Ganz schwache Rede, Herr Rau! – Abg. Heiler SPD: Das war nichts!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Maurer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist, glaube ich, für einen Moment spannend geworden, Herr Kollege Pfister, als Sie sich einmal so ansatzweise auf das Thema „berufliche Schulen“ eingelassen haben. Sie haben es aber rasch wieder abgebrochen.

(Abg. Zeller SPD: Weil es peinlich wäre!)

Herr von Trotha, ich weiß gar nicht, ob Sie jetzt in der Geschichte der richtige Redner waren. Das Kernproblem bei der ganzen Angelegenheit ist, dass begriffen werden muss, dass die Qualifikationen für diese Wissens- und Informationsgesellschaft in der ganzen Breite gelegt werden müssen.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: So ist es!)

Das ist das, was Kollege Salomon mit dem Vergleich des Volkssports Mathematik bei den Indern und des Volkssports Fußball bei den Brasilianern gemeint hat. Sie müssen einfach einmal sehen: In der Welt von morgen wird sich jemand, der mit diesen Medien nicht umgehen kann, in derselben Situation befinden wie ein Analphabet im vergangenen Jahrhundert. Das ist das Kernproblem. Es geht überhaupt nicht um die Frage, ob man irgendwie eine Elitediskussion hierzu führt, sondern es geht darum, ob wir alle jungen Leute, Mädchen genauso wie Jungen, in diesem Land dafür befähigen, mit dem Medium selbstverständlich umzugehen. Das ist die Basis, auf der auch die ökonomische Entwicklung stattfinden wird. Das Ganze ist eine Frage der Situation an unseren Schulen und an unseren Berufsschulen, Herr Kollege von Trotha. Dabei kann man an den Realitäten nicht vorbeigehen.

Die ganze Entwicklung hat zunächst einmal ein Generationsproblem. Das wissen Sie doch. Das ist ein Problem unserer Generation. Sie und ich und viele andere sind nicht mit dieser Medientechnologie groß geworden, und wir haben große Mühe damit, uns das anzueignen. Solange Sie in unseren Schulen einen Altersaufbau mit einem Durchschnittsalter der Lehrerinnen und Lehrer von weit über 50

Jahren haben, transportieren Sie unser Generationsproblem zulasten junger Leute weiter. So einfach ist das.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Zuruf des Abg. Deuschle REP)

Nein, es geht überhaupt nicht um die Jugendlichen. Ich rede über meine Erfahrungen, dass ich von meinem Sohnemann mühsam lernen muss, wie man mit dem Zeug umgeht. Das ist die Realität. Ich rede über mich selbst. Ich glaube auch nicht, dass Sie von der ganzen Geschichte eine große Ahnung haben.

(Abg. Deuschle REP: Vielleicht mehr als Sie! – Abg. Drexler SPD: Der hat überhaupt keine Ah- nung! Nicht nur von dieser Geschichte! – Zuruf des Abg. Döpper CDU)

Uns geht es um Folgendes: Wenn das das Problem ist, dann geht es nicht, dass Ihr Ministerpräsident in der Gegend rumrennt und sagt: „Ich bin aber als Einziger gegen die Altersteilzeit bei Lehrern, weil ich das nicht haben will“, weil er immer noch nicht kapiert hat, dass es nicht um die Altersteilzeit für alte Lehrer, sondern um die Berufschancen für junge Lehrer geht.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Um Gottes willen, wann merkt ihr das endlich?

Es geht darum, dass Sie Lehrkörper haben müssen, in die junge Leute hineinstoßen und in denen diejenigen eine Chance haben, die über diese Qualifikationen verfügen, weil sie ganz selbstverständlich damit groß geworden sind. Es genügt nicht, einmal im Jahr jemanden für einige Tage – einmal drei oder sieben Tage – zur Weiterbildung abzuordnen, der das dann allen anderen klarmachen soll. So wird das nicht funktionieren.

Dann redet Herr Rau von „Schule ans Netz“. Lieber Gott, was ist denn das, wenn Sie einen Onlinezugang im Rektorat eingerichtet haben? Sie meinen, damit hätten Sie den Sprung in die Informationsgesellschaft gemacht.

(Lachen bei der SPD)

Herr Kollege Rau, ich kann Sie auch mit dem Büro von Kissinger – einem strategischen Großmeister der Politik – vernetzen, aber das wird bei Ihnen überhaupt nichts bewirken,

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD)

weil Sie nicht vorher die entsprechenden Weiterbildungsmaßnahmen durchlaufen haben.

(Zuruf des Abg. Seimetz CDU)

Wir haben bei den letzten Haushaltsberatungen – ich finde es ja nett, dass Sie das angesprochen haben – 40 Millionen DM zusätzlich, mit Deckung unterlegt, für die Informationsgesellschaft und den Einstieg in die Medientechnologie an unseren Schulen beantragt. Sie haben das abgelehnt. Das ist doch die Realität. Wir brauchen das Geld gar nicht für Computer; die kriegen wir von den Herstellern,

die ein Interesse daran haben, demnächst geschenkt. Wir brauchen das Geld aber für die Qualifikation von Menschen.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben das abgelehnt.

Wir haben am 24. Mai 1999 – das war ja bescheiden – 70 zusätzliche Lehrerstellen in den Jahren 1998 und 1999 für die zusätzlichen Berufskollegs Technik und Medien verlangt. Antwort der Kultusministerin: Sie könne die Aufstockung nicht vornehmen, sie brauche diese Stellen – das ist ja verräterisch – dringend, um noch bestehende Unterrichtsengpässe in anderen Bereichen zu schließen. Das ist die Realität. Sie sind nicht einmal in der Lage, die Unterrichtserteilung beim alten Stoff zu garantieren, schieben Ihre Stellen hin und her und sind deswegen nicht in der Lage, zusätzliche Man- und Womanpower für die Einführung dieser neuen Technologien an unseren Schulen zu bringen.

(Beifall bei der SPD – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Maurer, ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Ich komme gleich zum Ende, Herr Präsident.

Das hat auch gar nichts mit EdF und sonstigen Verkaufsgeschichten und Ihren neuen Sonderprogrammen zu tun. Es geht um den ganz normalen Landeshaushalt. Es geht darum, ob Sie die Schulden des Landes zurückführen und Spielräume im Bereich der Bildung eröffnen, damit das erforderliche Potenzial eingestellt werden kann. Es geht darum, dass Sie begreifen müssen, dass Sie qualifizierte junge Leute nicht mehr für irgendwelche Feuerwehrverträge für sechs Monate kriegen werden, sondern nur noch für ordentliche Beschäftigungsverhältnisse. Das alles kapieren Sie nicht. Da liegen die Blockaden der Zukunft. Sie befähigen unsere Kinder nicht in der Breite.

(Abg. Fleischer CDU: Hoffentlich bleiben Sie uns lange erhalten, Herr Maurer!)

Im Übrigen herrscht bei Ihnen – das muss ich Ihnen sagen – mittlerweile der ideologische Irrsinn. Das gestatten Sie mir, Herr Präsident, zum Schluss. Es ist doch unglaublich, dass der Kollege Oettinger jetzt in Zeitungsbeiträgen erklärt, wir brauchten auch noch eine Greencard für das Handwerk und für die Gärtnereien.

(Abg. Drexler SPD: Für alle!)

Ich finde das leicht übertrieben, aber vor allem finde ich es so lange übertrieben, wie Ihr Innenminister parallel dazu auch noch den letzten hoch qualifizierten Bosnier aus dem Land drückt,

(Beifall bei der SPD – Abg. Deuschle REP: Hoch qualifiziert doch nicht!)

und zwar aus ideologischen Gründen. Was ist denn das?

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Deuschle REP: Gering qualifizierte Bosnier!)

Man muss sich das einmal vorstellen: Der CDU-Fraktionsvorsitzende sagt, es sollten noch viele zusätzlich kommen, mit Greencard, und zwar auch außerhalb der IT-Berufe. Ich sage Ihnen noch einmal: Das Problem sehe ich so noch nicht. Aber dieselbe Regierung schickt einen, der noch übrig geblieben ist und dringend in einem Handwerksbetrieb gebraucht wird, aus ideologischer Verbohrtheit auch noch heim.