Protokoll der Sitzung vom 18.05.2000

Herr Teufel, falls Sie mir eventuell einmal kurz zuhören wollen –: Die Unternehmen haben diese Leute damals auf die Straße gesetzt. Dieselben Unternehmen kommen jetzt und sagen, sie brauchten dringend Kräfte. Wäre es jetzt nicht eine Frage der gesamtwirtschaftlichen Verantwortung, die man auch einmal den Unternehmen deutlich machen müsste, festzustellen, dass es nicht angehen kann, aus reinen Kostengründen zu sagen: „Mein Verhalten vor vier oder fünf Jahren interessiert mich überhaupt nicht mehr. Die Leute haben wir rausgesetzt; wo die bleiben, interessiert uns nicht.

(Abg. Deuschle REP: Eben!)

Für die ist die Bundesanstalt für Arbeit verantwortlich oder nachher der Steuerzahler,

(Abg. Haasis CDU auf die SPD zeigend: Dort! Dort sind die Ansprechpartner! Die machen es doch! Der SPD müssen Sie das sagen!)

und wir fordern jetzt, dass neue Leute aus aller Herren Länder kommen.“ Ich sage Ihnen, diese Arbeitsteilung, dass nur der Profit – –

(Abg. Haasis CDU: Rot-Grün müssen Sie das sa- gen! Die machen das doch so!)

Nein, ich rede jetzt mit dem Ministerpräsidenten, nicht mit Rot-Grün. Die kommen noch dran. – Es geht nicht an, dass wir der Industrie den Profit lassen und auf der anderen Seite der Rest der Gesellschaft die Verantwortung trägt. Das funktioniert nicht.

(Beifall bei den Republikanern)

Noch ein Wort zur Greencard, zu der Anwerbung von ITFachleuten. Ich möchte nur daran erinnern, dass nach den neuesten Aussagen der Bundesanstalt für Arbeit allein in

diesem Jahr mit einem Zugang von 47 000 neu ausgebildeten Personen in diesem Bereich gerechnet wird.

(Zuruf von den Republikanern: Hört, hört!)

Wenn ich jetzt die Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit hinzunehme, wonach etwa 22 000 arbeitslose Kräfte vorhanden sind, dann ist das ein Potenzial von insgesamt etwa 60 000 Leuten.

(Abg. Haas CDU: 70 000!)

Ja, 47 000 plus 22 000 sind ca. 70 000. Wenn Sie jetzt die Rechnung aufmachen, dass wir einen Bedarf von maximal 70 000 Leuten haben – es gibt ja sehr hoch geschraubte Zahlen, die bei etwa 70 000 liegen –, kann ich nur sagen: Wer jetzt für Zuwanderung in diesem Bereich plädiert, negiert die Zahlen auf dem eigenen Markt. Es läuft darauf hinaus, dass Kräfte geholt werden, weil man die billiger einstellen kann. Die eigenen Leute, die wir ausbilden, stehen nachher auf der Straße. Das halte ich für unverantwortlich.

(Beifall bei den Republikanern)

Nun zu einem Punkt, der hier in der Diskussion, nicht zuletzt durch das 11-Punkte-Papier der CDU, eine Rolle spielt, nämlich die Frage, wie man mit der Zuwanderung umgehen soll.

Es ist ja völlig richtig, wenn Herr Bundesinnenminister Schily im letzten Jahr festgestellt hat, dass für eine weitere Zuwanderung kein Platz mehr ist. Richtig ist auch, dass die Integrationspolitik, die hier in den letzten Jahren beschworen worden ist, im Kern gescheitert ist. Es war hochinteressant, was Herr Maurer, der jetzt wieder einmal im Saal fehlt, vorhin ausgeführt hat – eine späte Erkenntnis: Ethnifizierung, Gettoisierung, Parallelgesellschaften, Gegengesellschaften. Das sind die Kennzeichen und die klaren Tatbestände im Bereich der Integration.

Herr Salomon, noch ein Wort zu Ihnen.

(Zuruf des Abg. Dr. Hildebrandt Bündnis 90/Die Grünen)

Ach, Herr Hildebrandt, Sie haben schon bessere Zwischenrufe gebracht.

Herr Salomon, Sie sagen, Sie seien kein Multikulti-Apostel. Sie sind hier aber der Vertreter des Multikulti-Narrensaums bei uns in der Gesellschaft,

(Beifall bei den Republikanern)

der nach wie vor dieser Idee anhängt. Da genügt es nicht, jetzt mal so pro forma ein bisschen zurückzurudern.

Im Übrigen will ich an dieser Stelle noch eines deutlich machen: Diese Debatte hat schon einen gewissen historischen Stellenwert, denn heute habe ich gerade bei RotGrün Töne gehört, für die wir Republikaner vor wenigen Jahren in diesem hohen Haus noch als Ausländerfeinde und Menschenfeinde bezeichnet wurden. Das ist jetzt das stückweise Zurückrudern, nachdem Sie feststellen mussten, dass hier eine Entwicklung abgelaufen ist, die Sie immer geleugnet haben und die Sie immer moralisch tabuisiert haben.

(Abg. Christine Rudolf SPD: Das ist doch absolu- ter Quatsch, was Sie hier behaupten! Wir lassen uns doch nicht von Ihnen vereinnahmen!)

Aber die Fakten holen Sie jetzt ein. Das ist Ihr Problem.

(Beifall bei den Republikanern)

In dieser Situation, wo diese ganze Multikulti-Illusion wie eine Seifenblase platzt,

(Abg. Christine Rudolf SPD: Ach, Sie haben eine Seifenblase im Kopf?)

kommen jetzt die Forderungen: Wir brauchen mehr Zuwanderung. Denn – so Hochrechnungen – wir haben irgendwann das Problem, dass wir aufgrund der Demographie die Rentenversicherung im Umlageverfahren nicht mehr finanzieren können, und wir haben irgendwann Arbeitskräftemangel. Ich stelle da nur zwei Fragen: Wer sagt denn überhaupt, dass die einzige Lösung zur Sicherung dieser Sozialversicherungssysteme die Zuwanderung ist?

(Abg. Deuschle REP: Richtig!)

Ich kann Ihnen genügend Studien beispielsweise aus der Schweiz vorlegen, die klipp und klar deutlich machen, dass das nicht funktioniert, dass sich das nicht rechnet,

(Abg. Deuschle REP: Im Gegenteil!)

sondern im Gegenteil sogar das Scheitern vorprogrammiert ist. Die Frage ist in der Tat: Wann steuern wir endlich in der Rentenversicherung um?

Und die andere Problematik ist die: Wir wissen doch ganz genau, dass die technische Entwicklung bei uns nicht stehen bleibt. Wir werden weiterhin eine Umstrukturierung haben, und wir werden weiterhin die Situation haben, dass gerade im industriellen Bereich mehr und mehr Arbeitskräfte überflüssig werden, weil durch die weiter steigende Automatisierung diese Dinge eben von dem berühmten Stück Silikon übernommen werden. Daher halte ich die Forderung, man müsse unbedingt die Bevölkerungszahl in der jetzt vorhandenen Höhe halten, auch für illusorisch.

Im Übrigen kann ich nur eines sagen: Eine offene Gesellschaft mag ja schön sein. Aber eines hat sie immer zur Voraussetzung: ein Mindestmaß an innerer Homogenität. Sie braucht auf jeden Fall eine Leitkultur. Nun ist das Interessante, dass allein diese Aussage uns auch schon wieder als angeblich nationalsozialistischer Denkansatz vorgehalten wurde.

(Abg. Deuschle REP: Ein Schwachsinn!)

Das ist natürlich dummes Zeug. Ich verweise nur auf Bassam Tibi, der nicht ohne Grund betont hat, und zwar aufgrund eigener Anschauung, dass jede Gesellschaft eine verbindliche Leitkultur braucht. Ich bin wirklich gespannt, wie diese Diskussion im Blick auf die weitere Zuwanderung laufen wird.

Eines ist mir jedenfalls klar: Rot-Grün will weiter Zuwanderung laufen lassen und plädiert für so genannte pragmatische Lösungen, was aber nichts anderes heißt als Missstän

de bestehen lassen und dann und wann noch draufzusatteln. Die FDP will jetzt weitere Zuwanderung, aber gesteuert – wie es genau werden soll, weiß man noch nicht –, und die CDU will eigentlich Zuwanderung, aber sie will auch wiederum keine Zuwanderung.

Was haben wir als Resümee? Meine Damen und Herren, keine klare Konzeption von Ihnen.

Ich kann für die Republikaner nur eines feststellen: Wir haben immer gesagt, dass wir diese Zuwanderung stoppen müssen, dass wir ganz klar dafür sorgen müssen, dass der innere und soziale Frieden in diesem Land erhalten bleiben kann. Interessant, Herr Ministerpräsident, ist – das nehme ich gerne aus der Debatte mit –, dass Sie diese tiefere Einsicht inzwischen auch gewonnen haben. In Ihrem 11-Punkte-Papier steht es; gestern stand es in den Zeitungen. Wir werden das gerne auch bei allen Diskussionen darüber, was man uns als angeblich verwerfliche Ideen unterstellt, als Beleg für die Richtigkeit unserer Aussage vorlegen.

(Beifall bei den Republikanern)

Nach § 82 Abs. 4 der Geschäftsordnung erhält Herr Abg. Pfister das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte wirklich in aller Kürze noch einmal auf einen Punkt eingehen.

Ich habe, Herr Ministerpräsident, Ihrer Rede sehr genau zugehört und habe dann gesagt, dass ich der Landesregierung empfehlen würde, nicht isoliert eine Zustimmung zur Greencard zu geben, sondern dies gerne koppeln würde mit einem Entschließungsantrag der Landesregierung von Baden-Württemberg im Bundesrat, um deutlich zu machen, dass nicht eine Insellösung kommen soll, sondern dass sie mit anderen Gesichtspunkten verbunden werden soll. Ich möchte Ihnen sagen, dass die Punkte, die Sie heute in Ihrer Rede genannt haben, Herr Ministerpräsident, eigentlich zu einem sehr großen Teil auch die Punkte sind, die der FDP wichtig sind, in der Vergangenheit wichtig waren und auch vor 14 Tagen in dem Papier von Biberach festgehalten worden sind.

Ich möchte einfach noch einmal sagen: Auch ich meine, dass der bildungspolitische Teil selbstverständlich von großer Bedeutung ist. Ich will auch sagen, lieber Kollege Salomon: Baden-Württemberg braucht sich da wirklich nicht zu verstecken.

Übrigens ist das auch ein Kompliment an die große Koalition. Das geht, muss man der Ehrlichkeit halber sagen, zurück bis zur großen Koalition. Denn Sie wissen, dass die Nachfrage nach Computerfachleuten 1991/92 deutlich zurückgegangen ist. Sie sind nicht mehr eingestellt worden. Das Ergebnis der Nichteinstellung von Computerfachleuten Anfang der Neunzigerjahre war, dass die Nachfrage an den Hochschulen und Berufsakademien für diese Ausbildungsgänge deutlich zurückgegangen ist.

(Abg. Haas CDU: 1995!)

Aber obwohl die Kapazitäten damals, Anfang und Mitte der Neunzigerjahre, nur zu 50 % ausgelastet waren, hat Ba

den-Württemberg die Kapazitäten eben nicht abgebaut, sondern hat sie bestehen lassen und in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre weiter ausgebaut.