Ernst Pfister

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Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP/DVP-Fraktion begrüßt diese Regierungserklärung. Sie stellt gleichzeitig fest: Ohne die FDP/DVP hätte der Ministerpräsident diese Regierungserklärung heute nicht abgeben können.
Ich stelle weiter fest: Ohne die FDP/DVP hätte es keine Zukunftsoffensive gegeben. Ich stelle weiter fest: Die FDP/ DVP war es, die sich im Wesentlichen gegen die Bremser auf allen Seiten dieses Hauses durchgesetzt hat.
Herr Kollege Oettinger – er ist jetzt nicht da –: Damit die Bremser auch in der Zukunft in der Minderheit bleiben, ist es wichtig und gut, dass es im nächsten Landtag von Baden-Württemberg eine starke FDP/DVP geben wird.
Dies ist ein guter Tag für das Land Baden-Württemberg.
Dies ist ein guter Tag für die Zukunftschancen und Zukunftsaussichten des Landes Baden-Württemberg, Herr Ministerpräsident. Dies ist ein schlechter Tag für all diejenigen, die Nörgler und missgünstig waren.
Dies ist ein schlechter Tag für die Neider.
Dies ist ein schlechter Tag für die Kritiker dieser Zukunftsoffensive. Ich weiß: Sie hätten gerne das Scheitern gesehen; Sie hätten uns dieses Scheitern gegönnt. Sie, die falschen Propheten, haben einen schlechten Tag erwischt.
Aber ein schlechter Tag für die Opposition ist alle Mal noch ein guter Tag für das Land Baden-Württemberg.
Herr Kollege Salomon und andere, hören Sie bitte mit dem Unsinn auf, hier würde Tafelsilber des Landes BadenWürttemberg verscherbelt.
Das Gegenteil ist richtig: Wir handeln strikt nach dem Prinzip „Vermögen gegen Vermögen“. Wir lösen uns auf der einen Seite von Vermögen und setzen auf der anderen Seite dieses Vermögen an einer Stelle ein, an der wir den größten Produktivitätsfortschritt für die Menschen des Landes haben,
nämlich im Bereich von Bildung, Ausbildung, Wissenschaft, Forschung und neuen Technologien.
Meine Damen und Herren, es gibt keine bessere Vermögensbildung, es gibt keinen besseren Weg, dem Land Baden-Württemberg zu dienen, als in die Köpfe der jungen Menschen zu investieren. Genau dies machen wir.
Es gibt einen Unterschied zwischen Ihnen und der FDP/ DVP. Vielleicht sprechen wir zwar gemeinsam davon, dass Wissenschaft und Bildung ein Topthema sein müssten. Der Unterschied zwischen uns besteht jedoch darin: Die Opposition schwätzt, und wir handeln! Das ist der entscheidende Punkt.
Baden-Württemberg ist heute schon das hochschulreichste Land der Bundesrepublik Deutschland. Wir haben in der Hochschulpolitik, in der Wissenschafts- und Technologiepolitik heute schon eine Spitzenstellung. Das ist bekannt. In allen Rankings, die veröffentlicht worden sind, wird diese Spitzenstellung immer wieder eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Baden-Württemberg nimmt in allen Bereichen der Wirtschaftspolitik eine Spitzenstellung ein. Es ist kein Wunder und kein Zufall, dass die meisten Anmeldun
gen beim Bundespatentamt in München gerade aus dem Land Baden-Württemberg kommen. Es ist auch kein Wunder, dass Baden-Württemberg über die besten Zahlen in der Arbeitslosenstatistik verfügt.
Der entscheidende Punkt, meine Damen und Herren, ist jedoch: Nirgendwo steht geschrieben, dass dies auch in den nächsten Jahren, etwa in zehn Jahren, so sein muss. Niemand hat dafür eine Garantie. Deshalb sagen wir: Weil wir uns mit dieser Spitzenstellung, die wir heute haben, nicht zufrieden geben, wollen wir eine Zukunftspolitik betreiben, die garantiert, dass wir auch noch in fünf, acht und zehn Jahren diese Spitzenstellung haben. Baden-Württemberg muss auch in Zukunft Spitze sein.
Deshalb kündige ich für die FDP/DVP-Fraktion natürlich an, dass der Weg der Privatisierung auch in der nächsten Legislaturperiode fortgesetzt wird.
Es gibt für mich überhaupt keinen Grund, daran festzuhalten – um nur ein Beispiel zu nennen –, dass das Land Baden-Württemberg an der BW-Bank Anteile hält. Ich will diese Privatisierung; denn sie ist ordnungspolitisch geboten. Wir Liberalen sagen: Nicht der Staat, sondern die Wirtschaft soll wachsen!
Meine Damen und Herren, die Privatisierung ist auch finanzpolitisch geboten, weil wir auf diese Art und Weise die Möglichkeit haben, Vermögen in Bereiche hinein umzulenken, in denen für das Land Baden-Württemberg der höchste Nutzen erreicht werden kann. Ich habe Ihnen dafür Beispiele genannt.
Jetzt reden Sie, Herr Maurer und andere, von Wahlgeschenken.
Meine Damen und Herren, das ist ja so etwas von lächerlich.
Ich mache Ihnen das jetzt einmal klar: Wenn Sie heute durch das Land Baden-Württemberg fahren und die Hochschulstätten, die Fachhochschulstätten, die Stätten, an denen berufliche Bildung betrieben wird, anschauen, werden Sie feststellen:
Ganz Baden-Württemberg ist bildungspolitisch und hochschulpolitisch eine einzige Baustelle. Sie werden das dadurch feststellen, dass überall – –
Vielen Dank für den Beifall. – Überall werden Fachhochschulen gebaut, überall werden neue Fakultäten eingerichtet, überall werden neue Bildungsstätten gebaut, überall werden Lehrstuhlerneuerungsprogramme auf den Weg gebracht. Es gibt kein Land, in dem so viel in die Hochschullandschaft investiert wird, wie das gerade in unserem Land Baden-Württemberg der Fall ist.
Sie müssen einmal den Leuten, die an diesen Hochschulstätten tätig sind – also den Professoren, den Forschern, den Studierenden, beispielsweise den Klinikchefs, dem Pflegepersonal, aber auch den Existenzgründern –, erläutern, wieso dies alles Wahlgeschenke sein sollen, wie Sie behaupten. Die Leute gucken Sie an, als kämen Sie von einem anderen Stern, und denken, Sie seien nicht ganz bei Trost. Und die Leute haben Recht, meine Damen und Herren.
Wir werden aus den Erlösen in Höhe von netto 3,7 Milliarden DM in einem ersten Schritt eine Zukunftsoffensive mit 1,1 Milliarden DM Investitionen auf den Weg bringen: 480 Millionen DM für die Bereiche allgemeine berufliche Bildung, Qualifizierung, Existenzgründungen, Hochschulausbau, Medienland Baden-Württemberg und 590 Millionen DM für den Bereich der anwendungsorientierten Technologien, für die Weiterentwicklung – obwohl wir schon viel getan haben – im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie im Bereich der Energie-, der Umwelt- und der Verkehrsforschung.
Meine Damen und Herren, ich sage noch einmal: Das, was wir hier tun, das, was wir hier auf den Weg bringen, ist Zukunftsvorsorge par excellence. Sie als Opposition schwadronieren von der Zukunft, aber diese Regierung handelt für die Zukunft!
Ich halte auch die Konstruktion der Landesstiftung für richtig. Mittel werden für gemeinnützige Zwecke ausgegeben, für echte Zukunftsaufgaben, aber nicht, um Haushaltslöcher zu stopfen. Die FDP/DVP hat angekündigt – und sie wird das auch durchsetzen –, dass Mitte dieses Jahrzehnts keine Neuverschuldung mehr stattfinden wird. Das heißt, diese konsequente Haushaltskonsolidierung wird kommen, wie wir es angekündigt und beschlossen haben, und wir werden das auch umsetzen.
Nur eines darf nicht sein – da bin ich völlig anderer Meinung als Sie, Herr Salomon –: Wir dürfen Zukunftsaufgaben, also das, was wir heute besprechen, und Haushaltskonsolidierung nicht miteinander vermischen. Ich will nicht, dass Haushaltskonsolidierung durch Privatisierungserlöse erreicht wird. Dies wäre ein Scheinerfolg.
Ich will, dass die Defizite des Haushalts beseitigt werden, aber dies darf man nicht mit Privatisierungserlösen ma
chen, sondern dies muss man durch Strukturmaßnahmen erreichen,
zum Beispiel durch eine Personalkostenpolitik und durch eine generelle Modernisierung der Verwaltung.
Hier wird kein Tafelsilber verscherbelt. Das Stiftungsvermögen, Frau Kollegin, bleibt in vollem Umfang erhalten. Es wird nichts angeknabbert; an keiner Stelle wird etwas angeknabbert. Aber wir haben Erträge aus diesem Stiftungsvermögen, jedes Jahr dreistellige Millionenbeträge, die uns dauerhaft zur Verfügung stehen für Wissenschaft, für Forschung, für Opferschutz und für anderes, was für dieses Land Baden-Württemberg wichtig ist.
Jetzt frage ich Sie ernsthaft, noch einmal zusammengefasst: Was soll an dieser Politik falsch sein?
Ich nenne Ihnen die drei entscheidenden Punkte, die richtig sind.
Erster Punkt: Mit dieser Politik werden Wissenschaft, Bildung, Forschung und neue Technologien gefördert.
Punkt 2: Die Wettbewerbsfähigkeit – das hat auch die Europäische Kommission ausdrücklich gesagt – der EnBW wird nicht etwa geschwächt, sondern sie wird gefördert, sowohl auf dem deutschen als auch auf dem europäischen Markt.
Und drittens: Ich bin froh darüber, dass es innerhalb Europas – zumindest in Ansätzen – jetzt auch in Frankreich zu einer stärkeren Liberalisierung des Strommarkts kommt.
Wenn dies das Ergebnis dieser Operation war, dann bin ich froh; dann bin ich froh, dass diese Liberalisierung jetzt auch in Frankreich endlich auf den Weg kommt.
Herr Kollege Maurer, Sie können hier Untergangsstimmung verbreiten, solange Sie wollen. Sie betreiben hier ein billiges Wahlkampfscharmützel.
Sie machen hier Wahlkampfgetöse. Das, was Sie hier von sich geben, ist alles Geschwätz.
Fragen Sie mal die Öffentlichkeit, fragen Sie mal Ihre Gewerkschaften, dann werden Sie feststellen, dass Ihre Gewerkschaftsgenossen diese Politik für richtig halten.
Sie haben sich als Opposition – das kann man sagen – hier in der Kritik verrannt. Sie wollen
ein Wahlkampfthema ansprechen, aber das wird Ihnen nicht gelingen. Denn unter dem Strich steht dreierlei:
Erstens: Die Opposition ist gescheitert. Zweitens: Das Projekt ist gelungen. Und drittens: Gewinner sind die Bürgerinnen und Bürger des Landes Baden-Württemberg und die Zukunft dieses Landes.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundeskanzler hat Recht, wenn er sagt, dass es gerade in einer so schweren Krise wie der BSE-Krise nicht darum gehen kann, einen Wettlauf bei Rücktrittsforderungen und Schuldzuweisungen zu veranstalten. So der Bundeskanzler. Wo er Recht hat, hat er Recht.
Deshalb sage ich: Auch in Wahlkampfzeiten muss gelten, dass man bei einer Rücktrittsforderung genau hinschaut,
und auch in Wahlkampfzeiten muss ein Mindestmaß an Objektivität und an Fairness gelten.
Ich halte es, um diesen Punkt gleich aufzugreifen, für unfair und für fahrlässig, Vorgänge und Entscheidungen von gestern mit dem Wissen und mit dem Problembewusstsein von heute zu beurteilen. Dies ist nicht fair, und so kann es nicht sein, meine Damen und Herren.
Ich nenne als konkretes Beispiel den Umgang mit Tiermehl. Nehmen wir bitte zur Kenntnis, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass über lange Zeit hinweg der versammelte wissenschaftliche Sachverstand in der Bundesrepublik Deutschland davon ausgegangen ist, dass die Herstellung von Tiermehl inklusive der Verwendung von Risikomaterial dann überhaupt kein Problem sei, wenn man
drei Dinge tut: wenn man erstens auf 133 Grad Celsius erhitzt, zweitens bei einem Druck von 3 Bar arbeitet und drittens das Ganze in 22 Minuten abwickelt.
Bis vor kurzem ist man davon ausgegangen, dass die Herstellung von Tiermehl, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, überhaupt kein Problem sei.
Natürlich weiß ich, dass heute eine andere Betrachtungsweise, eine andere Sichtweise, eine andere Beurteilung herrscht, aber ich bitte doch um ein Mindestmaß an Verständnis dafür, dass man, wie gesagt, mit dem Wissen von heute Vorgänge aus der Vergangenheit, als man dieses Wissen noch nicht hatte, nicht beurteilen kann und deshalb auch nicht vorschnell zu Schuldzuweisungen kommen darf, meine Damen und Herren.
Wer dies bestreitet und wer behauptet, die Politik hätte es schon in der Vergangenheit besser machen können und schon viel früher besser machen können, der darf nicht nur den Rücktritt von Frau Staiblin fordern, sondern der muss auch alle Agrarminister, alle Ernährungsminister in der Bundesrepublik Deutschland ebenso zum Rücktritt auffordern, weil auch sie in der Vergangenheit genau diese Position hatten und alle Agrarminister insofern wirklich in einem Boot saßen.
Wer A sagt, der muss auch B sagen. Wer heute den Rücktritt von Frau Staiblin fordert, der muss auch den Rücktritt von rot und grün angemalten Agrarministern in der Bundesrepublik Deutschland fordern, meine Damen und Herren.
Ich habe in der Zwischenzeit den Eindruck, dass natürlich diese Zusammenhänge und diese Hintergründe auch bei den Grünen und der SPD so gesehen werden. Anders kann es ja nicht sein, dass praktisch jeden Tag der Versuch gemacht wird, eine neue Skandallandschaft hier aufzubauen.
Damit Sie mich recht verstehen: Es ist selbstverständlich auch die Aufgabe eines Parlaments, wenn irgendwo Verstöße vorgekommen sind, auf diese hinzuweisen. Sie haben das aktuelle Beispiel angesprochen, welches den illegalen Handel und den Einsatz von Tiermitteln angeht. Aber eines ist klar: Wer hier schwere Vorwürfe erhebt, Herr Kollege Schäfer, der muss auch den Mut und den Mumm haben, diese Vorwürfe dann zurückzuziehen und zu relativieren,
wenn erwiesen ist, dass diese Vorwürfe zum Beispiel vom Landesverband der Tierärzte eindeutig zurückgenommen worden sind.
Wer dies nicht tut, der ist kein Agrarsprecher, Herr Schäfer, sondern ein Skandalsprecher, und diesen Vorwurf mache ich Ihnen.
Nein, jetzt nicht. Ich komme zum Ende, Herr Präsident.
Meine Damen und Herren, ich möchte doch noch auf zwei Punkte hinweisen, damit auch dies klar ist: Baden-Württemberg braucht sich in Sachen BSE – auch Bewältigung und Bekämpfung von BSE – von keinem anderen Bundesland etwas vormachen zu lassen, meine Damen und Herren.
Wir haben schneller und konsequenter Programme vorgelegt und dafür gesorgt, dass das, was notwendig ist, auf den Weg gebracht wird. Wer im Rückblick behauptet – aber das wird niemand tun –, dass er keine Fehler gemacht hat, der handelt falsch. Natürlich sind Fehler gemacht worden, aber dieses Land hat Programme auf den Weg gebracht. Wir waren die Ersten, die flächendeckende BSE-Tests durchgeführt haben. Wir haben sie selbst bezahlt. Der Bund weigert sich bis zur Stunde, Geld bereitzustellen, und erklärt: Wir geben nichts.
Wir haben das bis zur Stunde selbst finanziert. Wir haben eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel eines generellen und unbefristeten Tiermehlverfütterungsverbots auf den Weg gebracht. Das war eine Bundesratsinitiative von BadenWürttemberg. Wir haben die Kontrollen bei den Futtermittelherstellern verschärft. Wir haben den Bundesgesetzgeber aufgefordert, dafür zu sorgen, dass Verstöße nicht einfach eine Ordnungswidrigkeit sind, sondern in Zukunft einen Straftatbestand darstellen –
diese Initiative kommt aus Baden-Württemberg –, und, meine Damen und Herren, wir haben Liquiditätshilfen auf den Weg gebracht. Der niedersächsische Landwirtschaftsminister Bartels ruft die Bundesregierung an, im Interesse der Metzgereien und der Landwirtschaftsbetriebe Liquiditätshilfen auf den Weg zu bringen, die der Bund bezahlt. Das ist der Unterschied zwischen roter SPD-Politik und liberal-bürgerlicher Politik: In Niedersachsen wird der Bund aufgefordert, Liquiditätshilfen zu zahlen; in Baden-Württemberg wird dazu nicht aufgefordert, sondern es wird gehandelt und selbst bezahlt.
Wir haben zusätzliche Mittel für die Forschung – ganz wichtig – zur Verfügung gestellt,
und wir haben den Gesundheits- und Verbraucherschutz – schon vor vier Jahren, darauf wurde hingewiesen – neu organisiert. Wir haben im Grunde vor vier Jahren schon das getan, was der Bund erst jetzt tut.
Meine Damen und Herren
ich komme zum Schluss, Herr Präsident –, gerade die beiden letzten Punkte, also die Forschungsintensivierung und der Gesundheits- und Verbraucherschutz,
werden durch die Berufung von Herrn Professor Beyreuther ausdrücklich unterstützt. Ich sage Ihnen, ich halte es für einen Glücksfall, dass ein so renommierter Fachmann wie Professor Beyreuther künftig dieser Landesregierung mit Rat und Tat zur Verfügung steht. Darüber sollten wir uns freuen und nicht daran herummäkeln, meine Damen und Herren.
Und weil dies – –
Ich komme zum Schluss.
Meine Damen und Herren, weil dies alles so ist, wie ich gesagt habe, gibt es allen Anlass, auch weiterhin aktiv zu sein bei der Bekämpfung der BSE-Krise. Aber es gibt keinen Anlass, Frau Ministerin Staiblin zu entlassen.
Deshalb mein letztes Wort an Sie, Herr Kollege Salomon
wirklich mein allerletztes Wort –, gut gemeint:
Wenn Sie Ihren Vergleich Honecker/Teufel in ein Plakat umgesetzt hätten, dann hätte ich Sie aufgefordert, dieses Plakat so schnell wie möglich zurückzuziehen.
Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die gesamtwirtschaftliche Lage ist, gerade auch in Baden-Württemberg, als gut zu bezeichnen.
Wir haben zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen, wir haben genügend Ausbildungsplätze für die junge Generation, die Investitionsquote steigt.
Das sind Zeichen für die gute Lage in Baden-Württemberg.
Allerdings ist dies kein Grund zur Selbstzufriedenheit. Ich rate dringend, den Mahnungen des Sachverständigenrats zu folgen, der darauf hinweist, dass man strukturelle Schwächen überwinden muss, wenn man einen nachhaltigen Aufschwung erreichen will. Zur Überwindung dieser strukturellen Schwächen bedarf es einer mittelstandsfreundlichen Steuergesetzgebung, aber auch weniger Regulierung und weniger Strangulierung des Arbeitsmarktes, mehr Flexibilität.
Wer also über einen nachhaltigen Aufschwung redet, der muss auch über die Steuerpolitik reden. Ich sage gerne, dass die Steuerreform in Ordnung ist, was das Entlastungsvolumen insgesamt angeht.
Ich füge aber hinzu, übrigens in Übereinstimmung mit dem Sachverständigenrat, dass der eindeutig größere Teil der Entlastung bei den Kapitalgesellschaften stattgefunden hat, nicht bei den kleinen Personengesellschaften und nicht bei den Einzelunternehmen, die aber 90 % der Unternehmen in Baden-Württemberg ausmachen. Das heißt, diese Steuerre
form ist ein Schritt in die richtige Richtung, sie muss aber im Sinne einer mittelstandsfreundlichen Steuerpolitik unbedingt nachbearbeitet werden.
Ferner wird darauf hingewiesen, dass die Bürokratiekosten im Land Baden-Württemberg hoch sind. Bei Kleinunternehmen mit bis zu neun Beschäftigten machen diese Bürokratiekosten heute schon 7 000 DM pro Person aus. Das ist zu viel, meine Damen und Herren,
und deswegen sage ich, dass Schluss sein muss mit dieser Regulierungswut.
Aber die rot-grüne Bundesregierung in Berlin macht eigentlich genau das Gegenteil,
sie setzt noch einen obendrauf. Das gilt für die geplante Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes. Meine Damen und Herren, hierdurch entstehen zusätzliche Kosten, und es ist zu fragen, ob dies überhaupt noch verfassungsgemäß ist. Entscheidend ist aber vor allem, dass wir mit dem neuen Betriebsverfassungsgesetz, wenn es so verabschiedet werden sollte, nicht mehr Flexibilität bekommen. Vielmehr wird genau das Gegenteil eintreten. Das heißt, die Betriebe werden dadurch in ein noch engeres Korsett geschnürt. Das ist Gift insbesondere für die mittelständische Wirtschaft und eine Abschreckung für ausländische Investoren, meine Damen und Herren.
Der zweite Punkt, der zur Debatte steht, ist der Rechtsanspruch auf Teilzeit. Dazu möchte ich Ihnen eine Passage aus einem Interview mit einem nicht ganz unbekannten Bundestagsabgeordneten vorlesen. Er meint – ich zitiere wörtlich –:
Es ist idiotisch, schon in Betrieben mit 15 Angestellten einen Anspruch auf Teilzeitarbeit zu gewähren. Das hat zur Folge, dass weniger Frauen eingestellt werden... Wer die Arbeitslosigkeit dauerhaft senken will, muss auf so einen bürokratischen Unfug verzichten.
Der Mann hat Recht. Er heißt Oswald Metzger und ist Bundestagsabgeordneter der Grünen. Kollege Salomon, richten Sie Ihrem Kollegen Metzger einen schönen Gruß aus, und sagen Sie ihm, er könne morgen in die FDP eintreten.
Es würde mich sehr interessieren, Herr Kollege Salomon, was Sie zu dieser Frage sagen. Es würde mich sehr interessieren, ob die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bereit ist, diese Politik der SPD mitzutragen. Machen wir uns nichts vor: Dass die SPD mit Mittelstand nichts am Hut hat, das wissen wir alle seit langer Zeit.
Aber es kommt jetzt darauf an, wie die Grünen zu dieser Frage stehen.
Gerade Kollege Kuhn, aber auch Kollege Salomon und andere haben sich hier immer gern zu Hütern des Mittelstands aufgeschwungen.
Wenn Sie erleben, dass Kollege Metzger ein einsamer Rufer in der Wüste sein wird, kann ich nur sagen:
Sie haben mit Mittelstandspolitik auch nichts am Hut. Andernfalls würden Sie dafür sorgen, dass in der rot-grünen Koalition ein solcher Unsinn, wie ich ihn gerade beschrieben habe, nicht durchgesetzt werden kann.
Ich kann Ihnen nur sagen: Sie sind auch als Grüne reformunfähig. Andernfalls würden Sie diesen Unsinn nicht zulassen. Es geht letztlich nur darum, meine Damen und Herren, dass wir mit der Zementierung des Arbeitsmarkts nicht fortfahren dürfen.
Vielmehr ist genau das Gegenteil richtig. Gerade die neue Regulierungswut wirkt sich verheerend auf den neuen Mittelstand aus.
Deshalb sage ich: Hören Sie auf mit dem Unsinn der 630DM-Regelung, dem Rechtsanspruch auf Teilzeit und vielem anderem mehr.
Sorgen Sie dafür, dass wir nicht zu einer Zementierung, sondern zu einer Liberalisierung und Flexibilisierung unserer Arbeitsmärkte kommen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind der Meinung, dass diese Beschlussempfehlung des Finanzausschusses heute nicht abschließend beraten und entschieden werden kann. Wir sind dieser Meinung, weil wir glauben, dass noch Hausaufgaben zu erledigen sind.
Bei der Debatte um die Vorwürfe gegen den Landesrechnungshof, auf die ich im Einzelnen überhaupt nicht eingehen möchte, sind für die FDP/DVP-Fraktion zwei Punkte wichtig. Erster Punkt: Wir sind der Meinung, dass erst dann, wenn hinreichend und klar zu den Vorwürfen gegen den Landesrechnungshof Stellung genommen worden ist, nach einem sauberen und rechtsstaatlichen Verfahren eine Entlastung zur Debatte steht. Heute kann bei der Unklarheit über die Dinge eine Entlastung nach unserer Überzeugung nicht zur Debatte stehen.
Zweiter Punkt: Die Vorwürfe, die hier im Raum stehen, müssen aufgeklärt werden. Wir sind der Überzeugung, dass derjenige, der ausdrücklich im Landesrechnungshofgesetz zur Aufklärung solcher Vorwürfe erwähnt ist, jetzt aktiv werden muss. Das ist der Präsident des Landtags von Baden-Württemberg.
Deshalb ist es richtig, dass im Sinne von Vorermittlungen jetzt zunächst einmal geklärt wird, was Sache ist, dass dann dem Landtag ein Bericht erstattet wird und erst auf dieser Grundlage weitere Entscheidungen gefällt werden. Das heißt im Umkehrschluss: Heute kann aufgrund dieser Sachlage natürlich keine Entlastung stattfinden.
Meine Damen und Herren, es geht drittens um die Autorität des Rechnungshofs. Wir wollen durch ein sauberes und klares Verfahren einen Beitrag leisten, dass die Autorität des Rechnungshofs wieder hergestellt wird. Dazu sind noch einige Hausaufgaben zu leisten.
Das ist nicht von heute auf morgen zu machen. Deshalb bitten wir darum, dass dieser Tagesordnungspunkt heute abgesetzt wird, bis endgültige Klärung vorhanden ist, da erst dann Entlastung erteilt werden kann.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will auf die Vorwürfe der Opposition eingehen und für meine Fraktion noch einmal klar erklären, was Sache ist.
Richtig ist, dass die FDP/DVP-Fraktion gestern in ihrer Fraktionssitzung ihre Marschlinie festgelegt hat. Ich will Ihnen jetzt im Einzelnen sagen, was die Meinung der FDP/ DVP-Fraktion gestern war und heute noch ist.
Erster Punkt – so steht es auch in dem Antrag, den wir formuliert haben, drin –:
Es ist der Antrag, der gestern in der Fraktion beraten worden ist.
Der erste Punkt, um den es geht, ist: Es kann aus den bekannten Gründen, die ich schon genannt habe, heute keine Entlastung geben.
Das sagen Sie. Es kann jedenfalls heute keine Entlastung geben.
Der zweite Punkt – ganz wichtig – ist, dass wir den Landtagspräsidenten, der nach dem Landesrechnungshofgesetz zuständig ist, ersuchen, entsprechende Vorermittlungen gegen den Präsidenten des Landesrechnungshofs einzuleiten und dem Landtag über deren Ergebnisse zu berichten.
Das sind die zwei entscheidenden Punkte, auf die es uns ankommt.
Ich stelle fest, meine Damen und Herren, dass der Landtagspräsident heute auf keinen Fall in der Lage ist, uns einen entsprechenden Sachverhaltsbericht zu geben.
Dazu braucht er Zeit.
Die entsprechenden Ermittlungen sind bereits angelaufen; sie werden noch einige Zeit andauern, wie lange, weiß ich nicht.
Wenn dem so ist, dann ist gewährleistet, dass der Landtag von Baden-Württemberg erstens in absehbarer Zeit einen Bericht des dafür Zuständigen bekommt und zweitens bis dahin keinerlei Entlastungen vorgenommen werden.
Das waren die entscheidenden Positionen der FDP/DVP, und ich stelle fest, dass diese beiden Positionen mit der Absetzung des Punktes heute und seiner Vertagung hundertprozentig erreicht werden.
Ja, gerne.
Natürlich. Das ist doch selbstverständlich, Herr Kollege Birzele. Aber das eine hängt ja wohl von dem anderen ab.
Die Frage der Entlastung hängt doch wohl auch davon ab.
Deshalb, meine Damen und Herren, ist es doch ein geordnetes und klares Verfahren, wenn wir den Landtagspräsidenten jetzt auffordern, dieses Verfahren einzuleiten, das heißt also, diese Vorermittlungen durchzuführen und dann dem Landtag zu berichten. Anschließend können wir die Diskussion über eine Entlastung in neuem Lichte führen.
Ich finde, die beiden Punkte, die uns wichtig waren, können wir heute nicht abschließend diskutieren. Dafür brauchen wir noch einige Zeit.
Sie werden wieder auf die Tagesordnung kommen. Ich halte das für ein faires, vernünftiges und rechtsstaatlich einwandfreies Verfahren.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Wichtigste für mich ist: Wir brauchen noch in dieser Legislaturperiode des Deutschen Bundestags ein vernünftiges, gesteuertes Zuwanderungsgesetz, und wir brauchen ein Zuwanderungsgesetz, das möglichst im großen Konsens der demokratischen Parteien zustande kommt.
Ich freue mich darüber, dass die Einsicht in die Notwendigkeit eines solchen Zuwanderungsgesetzes ganz offensichtlich wächst. Die Situation war vor einem Jahr noch anders. Wir hatten allerdings schon vor einem Jahr die Gutachten aller renommierten Institute auf dem Tisch liegen, die klar gesagt haben: Wir brauchen ein solches Zuwanderungsgesetz. Der Baden-Württembergische Städtetag, die kommunalen Spitzenverbände und viele andere – auch Untersuchungen der Landesregierung –, alle sind zu diesem Ergebnis gekommen: Wir brauchen ein solches Zuwanderungsgesetz. Die Gründe hierfür sind hinreichend bekannt. Es sind demographische Gründe, es sind Gründe der Arbeitsmarktpolitik, auch Gründe der Stabilisierung unseres sozialen Sicherungssystems, aber eben auch arbeitsmarktpolitische Gründe.
Lieber Kollege Oettinger, Sie haben natürlich Recht, wenn Sie in Zusammenhang mit den Bosnien-Flüchtlingen sagen, dass dies eine Angelegenheit des Bundes sei. Das Ausländergesetz ist ein Bundesgesetz. Aber ich biete Ihnen an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich an: Wenn es darum geht, bosnischen Flüchtlingen, die hier in Brot und Arbeit sind und dem Steuerzahler noch keinen Tag auf der Tasche gelegen haben, hier auch weiter eine Beschäftigung zu geben, weil sie gebraucht werden, dann kann eine Bundesratsinitiative für eine kleine Änderung des Artikels 10 im Ausländergesetz Wunder wirken. Ich biete Ihnen ausdrücklich an, dies zu tun.
Wenn es aber wahr ist, dass wir diese Zuwanderung brauchen, wenn es wahr ist, dass wir ein Zuwanderungsgesetz brauchen, und wenn es wahr ist, dass dies möglichst in großem Parteienkonsens zu geschehen hat, dann sage ich, dass dieser Begriff, über den wir heute sprechen,
diesem Ziel aus meiner Sicht eher abträglich ist, meine Damen und Herren.
Ich will niemandem etwas unterstellen. Das Problem liegt ganz woanders. Das Problem liegt darin, dass dieser Begriff eine leere Hülse ist, dass dieser Begriff – bewusst oder unbewusst – zu Missverständnissen geradezu einlädt.
Ich möchte jedenfalls vermeiden, lieber Kollege Birk, damit wir uns da einig sind, dass mit der Nennung dieses Begriffs gewissermaßen ein falscher Zungenschlag mitgeliefert wird, der da heißen könnte: dominante Kultur, Hegemonialanspruch oder deutscher Überlegenheitsanspruch. Ich schiebe das niemandem in die Schuhe. Ich warne nur davor, dass mit solchen Begrifflichkeiten der Weg zu einer konsensfähigen Zuwanderung letzten Endes erschwert wird, meine Damen und Herren.
Deshalb kann ich von meiner Seite aus nur appellieren, solchen Entwicklungen und solchen falschen Zungenschlägen in der Sache, aber auch in der Sprache entgegenzutreten.
Meine Damen und Herren, die Kultusministerin dieses Landes, Frau Schavan, hat es genau dadurch auf den Punkt gebracht, dass sie darum bittet und dazu auffordert, zu einer sprachlichen Abrüstung zu kommen. Das ist genau der Punkt: Wir müssen zu einer sprachlichen Abrüstung kommen.
Wir müssen zur Vermeidung von Begriffen kommen, die missverständlich sind. Das ist der Punkt, um den es geht, meine Damen und Herren.
Wenn Sie aber nach einem Begriff suchen, mit dem künftige Anforderungen an Zuwanderung besetzt werden sollen – das kann man ja tun –, schlage ich vor, dass wir nicht von deutscher Leitkultur, sondern von einer Integrationskultur sprechen.
Ich denke, dass die Integration der entscheidende Punkt ist.
Bei Integration muss man sich überlegen, was man will. Was ist politisch notwendig, um den Weg einer Zuwanderung zu begleiten? Was ist auch unter den demokratischen Parteien konsensfähig? Darauf müssen wir uns besinnen, und ich denke, wir Demokraten müssen uns auf zwei Dinge konzentrieren. Wir müssen uns darüber klar sein, dass nur diese zwei Dinge auf dem Weg zu einem Zuwanderungsgesetz letzten Endes entscheidend sind.
Das Erste ist – deshalb spreche ich von Integrationskultur – der Erwerb der deutschen Sprache. Ohne Sprachkenntnisse, meine Damen und Herren, ist Integration nicht möglich. Ohne Sprachkenntnisse gibt es keine Teilhabe am öffentlichen Leben. Deshalb ist die Sprachkenntnis eine unabdingbare Voraussetzung für Integration und für Zuwanderung.
Das Zweite ist ganz eindeutig das Bekenntnis zum deutschen Grundgesetz.
Das Bekenntnis zum deutschen Grundgesetz ist deshalb notwendig, weil es ohne ein solches Bekenntnis Multikulti gäbe. Kein Land in der Welt hält aber ein unvermitteltes Nebeneinander verschiedener Kulturen aus. Was wir nicht wollen, ist Multikulti.
Aber was wir wollen,
ist ein klares Bekenntnis zum deutschen Grundgesetz. Dies ist neben der Sprache eine Voraussetzung für die Integration.
Das ist nicht mein Modell, Herr Kollege Birk.
Multikulti ist deshalb falsch. Integration ist das Gegenteil von Multikulti, damit das klar ist.
Ich will zwei Dinge erreichen, meine Damen und Herren. Ich will, dass wir Klarheit in der Sache und auch in der Sprache haben. Klarheit in der Sache heißt Integrationsbemühungen bestärken. Das heißt deutscher Spracherwerb, und das heißt Bekenntnis zum deutschen Grundgesetz. Das sind die Voraussetzungen für eine sinnvolle Zuwanderung, und das sind die Voraussetzungen für eine Integration, ohne die Zuwanderung nicht möglich ist.
Wenn wir uns als Demokraten auf diese Begriffe – deutsches Grundgesetz und deutsche Sprache – einigen können, dann allerdings glaube ich, dass solche missverständlichen Begriffe wie diejenigen, über die wir heute sprechen, unnötig sind. Deshalb sollten wir auf sie lieber verzichten.
Herr Kollege Brechtken, ich wollte Sie nur jetzt im Zusammenhang mit Präsidiumssitzungen fragen: Nehmen Sie mir ab, dass wir jederzeit bereit gewesen wären, diese Aktuelle Debatte von heute auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben,
wenn Sie das im Präsidium beantragt hätten?
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Deutschen haben vor zwei Tagen den zehnten Jahrestag ihrer neu gewonnenen Einheit gefeiert. Der 3. Oktober, der Tag der Deutschen Einheit, war nur möglich, weil davor eine Freiheitsbewegung gestanden hat, insbesondere in den neuen Bundesländern.
Meine Damen und Herren, diese neue Freiheit für 16 Millionen Deutsche dürfen wir uns nicht kaputtmachen lassen, nicht durch Fremdenfeindlichkeit, nicht durch Antisemitismus und auch nicht durch Gewalt.
Die Weimarer Republik ist nicht deshalb zugrunde gegangen, weil es zu viele Kommunisten oder Faschisten gegeben hätte; die Weimarer Republik ist zugrunde gegangen, weil es zu wenige Demokraten gegeben hat.
Deshalb rufe ich für die FDP/DVP-Fraktion von dieser Stelle aus und an diesem Tag alle Demokraten auf, im Kampf gegen den Extremismus nicht wegzuschauen, sondern sich für den freiheitlichsten Staat einzusetzen, den es jemals in der Geschichte der Deutschen gegeben hat.
Dies hat der Deutsche Bundestag genau heute vor einer Woche in einer viel beachteten und beachtlichen Debatte zu diesem Thema festgestellt. Dieser Tenor sollte auch heute im Vordergrund stehen und sollte auch unsere Debatte prägen, wenn es darum geht, einen Grundkonsens zwischen den demokratischen Fraktionen dieses Hauses herzustellen.
Dieser Grundkonsens gilt ausdrücklich nicht für die fünfte Fraktion dieses Hauses, für die Republikaner. Ich sage: Die Republikaner sind fremdenfeindlich. Ich sage: Die Republikaner sind intolerant,
und viele Äußerungen belegen das inhumane Denken dieser Partei. Der Verfassungsschutz sieht genügend Ansatzpunkte rechtsextremistischer Bestrebungen, um diese Partei dauerhaft zu beobachten. Er hat dies erst vor Wochen wieder nachdrücklich belegt und auch auf die geistig-politische Nähe zu NPD und DVU hingewiesen.
Sie, meine Herren von den Reps, reden zwar von einer Abgrenzung gegenüber dem Rechtsextremismus, Ihr tatsächliches Handeln spricht aber eine ganz andere Sprache.
Wer Menschen als Parasiten und Flöhe bezeichnet, wer Ausländer mit Schmarotzern und Ungeziefer gleichsetzt, der bekennt, dass die Wertvorstellungen des Grundgesetzes nicht die seinen sind.
Deshalb unterstütze ich ausdrücklich, was meine Vorredner gesagt haben. Es ist jetzt höchste Zeit, den Republikanern die Maske des Biedermanns vom Gesicht zu reißen. Die Republikaner sind nicht Biedermänner, sondern sie sind letztendlich Brandstifter und verantwortlich für den Nährboden, der in der Vergangenheit für Gewalttaten gelegt worden ist.
Der wichtigste Grundsatz im Grundgesetz lautet:
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Dieser staatliche Schutz gebührt allen Menschen in unserem Lande, meine Damen und Herren, gleich welcher Nationalität, gleich welcher Hautfarbe und gleich welcher Religion.
Wenn man in Gesprächen erfährt, dass es Menschen in unserem Lande gibt, die Angst haben, auf die Straße zu gehen, dann muss dies für uns heißen: Wir, die Politiker im demokratischen Rechtsstaat, tragen die Verantwortung dafür, dass sich jede Person an jeder Stelle des Landes aufhalten kann und dass sie sicher sein kann, unabhängig, ob Mann oder Frau, unabhängig davon, ob es Tag oder Nacht ist, unabhängig, ob Deutscher oder Ausländer, ob schwarzer, weißer oder gelber Hautfarbe.
Meine Damen und Herren, die FDP/DVP will, dass Deutschland eine gewaltfreie Zone ist und bleibt.
Der demokratische Rechtsstaat darf nicht gleichgültig bleiben, wenn Menschen zu Tode gehetzt werden, wenn Ausländerunterkünfte angezündet werden, wenn jüdische Friedhöfe geschändet werden, wenn Obdachlose erschlagen und wenn andere Gewalttaten begangen werden. Der demokratische Rechtsstaat muss sich dagegen mit allem Nachdruck zur Wehr setzen. Gegen rechtsextremistische Gewalt muss der Staat mit aller Entschiedenheit vorgehen. Gewalt darf nicht verharmlost werden und darf nicht verniedlicht werden. Es darf auch nicht der Eindruck entstehen, man ginge kurze Zeit nach solchen Vorfällen gewissermaßen zur Tagesordnung über.
Im Kern geht es dabei um die strikte und konsequente Anwendung geltenden Rechts. Ich halte nicht viel von einer Art symbolische Politik, die sich im Ruf nach schärferen Gesetzen erschöpft. Aber zugleich gilt natürlich, dass wir
alle miteinander die Bereitschaft aufbringen müssen, Vorschläge zur Ergänzung des geltenden Rechts daraufhin zu überprüfen, ob sie zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Gewalt geeignet sind, ob sie erforderlich sind und den freiheitlichen Rechtsstaat selbst nicht gefährden.
Eine schnelle Reaktion beispielsweise der Gerichte macht gerade auf jugendliche Straftäter oftmals mehr Eindruck als eine harte Strafe.
Das ist nun keinesfalls ein Plädoyer für den berüchtigten „kurzen Prozess“, sondern dafür, einfach unvoreingenommen zu prüfen, ob in geeigneten Fällen nicht auch bei jugendlichen Tätern ein beschleunigtes Verfahren, das ja im Augenblick noch ausgeschlossen ist, sinnvoll und notwendig sein kann.
Meine Damen und Herren, 75 % der fremdenfeindlichen Gewalttäter sind jünger als 21 Jahre. Schon diese eine Zahl belegt, welch wichtige Funktion das Jugendstrafrecht bei der Bekämpfung gewaltbereiter Extremisten hat.
Auch der Vorschlag des so genannten Warnarrestes, der neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe verhängt werden kann, verdient Beachtung. Ich halte diesen Vorschlag für sehr überlegenswert.
Drittens schließlich – und das ist mir das Wichtigste –: Wer gesehen hat, meine Damen und Herren – und Sie haben es alle gesehen –, wie Hunderte von Neonazis am 29. Januar dieses Jahres zum Andenken an den so genannten Tag der Machtergreifung grölend mit schwarz-weiß-roten Fahnen durch das Brandenburger Tor marschiert sind, muss bereit sein, zu prüfen, wie derart provokante Aufmärsche vor symbolträchtigen Orten oder auch Stellen wie dem künftigen Holocaustmahnmal unterbunden werden können. Wir können, wir müssen solche Aufmärsche verhindern. Sie sind eine Zumutung für unser Land, sie sind eine Zumutung für das Ansehen unseres Landes, sie sind vor allem eine Zumutung für unsere jüdischen Bürgerinnen und Bürger.
Wenn es zuverlässig im Rahmen des geltenden Rechts möglich ist, dies zu verhindern, dann besteht kein Änderungsbedarf. Geht dies nicht, bin ich dafür, dass das Versammlungsrecht in diesem Punkt geändert wird.
Meine Damen und Herren, unsere Polizei steht bei der Bekämpfung von Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt vor einer schwierigen Aufgabe. Wir haben allen Anlass, denen zu danken, die tagtäglich ganz konkret vor die Aufgabe gestellt sind, Freiheit und Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. In diesen Dank schließe ich ausdrücklich die Damen und Herren des Verfassungsschutzes ein, die gerade in der Vergangenheit hervorragende Arbeit geleistet haben.
Ich unterstütze, dass ein Verbotsverfahren gegen die NPD gründlich geprüft wird. Ein Verbotsantrag darf aber nicht aus politischer Opportunität gestellt werden, sondern nur dann, wenn man sich so sicher ist, wie man sich vor Gericht sein kann, dass dieses Verbotsverfahren zum Erfolg führt. Denn andernfalls wäre der Schaden unermesslich, der entstünde, wenn eine rechtsextremistische Partei vom Verfassungsgericht quasi eine TÜV-Plakette erhielte. Aber es bleibt dabei: Ein Verbotsantrag muss geprüft werden. Wir stehen dazu.
Dabei weiß ich ganz genau, dass Verbote Rechtsextremismus und Gewaltbereitschaft nicht über Nacht zum Verschwinden bringen. Was sich – und jetzt zitiere ich den Bundesinnenminister – „an neonazistischem, an antisemitischem, an rassistischem Unrat“ in den Köpfen eingenistet hat, was an Gewaltbereitschaft und Brutalität die Herzen junger Menschen vergiftet, das lässt sich nicht einfach durch Verbote beseitigen. Dazu bedarf es dauerhaft angelegter Strategien und Konzepte, die auf eine verstärkte Prävention abzielen. Einfach ist dies nicht, denn es gibt keine monokausalen Erklärungen für Rechtsextremismus und Gewalt, etwa nach dem Muster, Arbeitslosigkeit und Ausbildungsplatznotstand bewirkten eine rechtsextreme Einstellung.
Der Bundestagspräsident hat in seiner Rede am vergangenen Donnerstag mit Nachdruck gerade auf diesen Punkt hingewiesen. Dennoch ist die Verstärkung präventiver Konzepte und Ansätze unumgänglich. Dies gilt für die Schulen, dies gilt für die politische Bildung, dies gilt für die verbandliche und die offene Jugendarbeit, dies gilt für Angebote der Jugendsozialarbeit, und dies gilt auch für die kommunale Kriminalitätsprävention.
Überall aber, meine Damen und Herren, gilt: Es ist nicht nur einfach „mehr“ vom Vorhandenen erforderlich, sondern es müssen auch neue Konzepte, neue Initiativen für Demokratie und Toleranz und gegen Extremismus und Gewalt auf den Weg gebracht werden.
Richtig ist, dass rechtsextreme Gewalt anderswo schärfer zutage tritt als in Baden-Württemberg. Das ist wahr. Aber sie gibt es ohne Zweifel auch bei uns. Es wäre mehr als fahrlässig, sie als ein ostdeutsches Phänomen abzutun und sich bequem zurückzulehnen.
Die DVU ist, wie Sie wissen, in den Landtag von SachsenAnhalt eingezogen. Sie ist dort eingezogen, weil sie Strippenzieher hatte, weil sie Geldgeber hatte und weil sie Schreibtischtäter hatte. Diese Schreibtischtäter, diese Geldgeber, diese Strippenzieher sitzen alle im Westen, meine Damen und Herren. Und weil sie im Westen sitzen, haben sie auch dazu beigetragen, dass Republikaner in den Landtag von Baden-Württemberg eingezogen sind.
Wir müssen beide bekämpfen: die DVU im Osten und die Republikaner im Westen. Rechtsextremismus und Gewalt sind eine Herausforderung für alle. Sie sind keine Herausforderung für Ostdeutschland allein, sondern eine gesamtdeutsche Herausforderung. Alles andere wäre falsch.
Ich bin davon überzeugt, dass wir in Baden-Württemberg, in der Bundesrepublik Deutschland mehr Toleranz, mehr Mitmenschlichkeit besitzen und mehr aktiv gelebte Demokratie haben als braune Hemden, Springerstiefel und Bomberjacken. Ich bin der Meinung, unser Land ist ein tolerantes Land, ein demokratischer Rechtsstaat, eine funktionierende parlamentarische Demokratie.
Wir wollen sie nicht beschädigen lassen.
Wir wollen uns mit Entschiedenheit gegen all diejenigen zur Wehr setzen – jetzt schaue ich nach rechts –,
denen die Werteordnung dieses Grundgesetzes nichts gilt –
das hat der Verfassungsschutz in seiner Broschüre noch einmal Punkt für Punkt nachgewiesen –
und die Menschen verachtende Ideologien an die Stelle des demokratischen Rechtsstaats und der parlamentarischen Demokratie setzen wollen.
Die demokratischen Parteien, die demokratischen Fraktionen müssen dies gemeinsam tun. Sie müssen in der Lage sein, sie müssen die Kraft aufbringen, sich offen, mit gegenseitigem Respekt und ohne Tabus über die richtigen Wege und die richtigen Mittel auseinander zu setzen, wie Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Gewalt der Boden entzogen werden kann und wie sie bekämpft werden können. Dies ist eine Aufgabe für alle Demokraten in Baden-Württemberg. Wir alle wollen, dass Baden-Württemberg ein weltoffenes, ein tolerantes Land ist, ein Land mit einer weltoffenen und toleranten Zukunft. Wir wollen dies. In einem solchen Land, in einem solchen Parlament sollten Republikaner in der Zukunft keinen Platz mehr haben.
Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abg. Schlierer hat vorhin versucht – in seiner Verzweiflung, vermute ich einmal,
und in der Defensivhaltung, in der er sich heute zweifellos befindet –, der FDP/DVP Sympathie zu Parteien wie der
NPD und ähnlichen unterzujubeln. Hören Sie doch mit einem solchen Blödsinn auf, Herr Schlierer! Das wird Ihnen überhaupt nicht aus der Patsche heraushelfen.
Tatsache ist – und ich habe das jetzt noch einmal ausdrücklich überprüfen lassen –, dass es nirgendwo in der Bundesrepublik Deutschland, auch nicht in Sachsen,
eine Koalition der FDP mit der NPD gibt – damit das ein für alle Mal klar ist.
Wir wollen eine solche Koalition nicht, und wir werden sie in der Zukunft auch nicht machen. – Punkt 1.
Punkt 2: Ich glaube, meine Vorredner haben zum Schluss noch einmal sehr deutlich gemacht – ich will das unterstreichen –, was der Sinn und der Wert dieser Debatte war. Natürlich wird der Wähler darüber entscheiden – und nur der Souverän wird entscheiden –, wie der nächste Landtag von Baden-Württemberg zusammengesetzt sein wird. Wer denn sonst? Natürlich wird das nicht der Landtag von Baden-Württemberg tun.
Aber dieser Landtag von Baden-Württemberg hat heute eine gute Möglichkeit genutzt, nämlich die Möglichkeit, den Bürgerinnen und Bürgern draußen im Lande anhand von einwandfreien, nicht zu widerlegenden Fakten noch einmal deutlich zu machen und offen zu legen, wes Geistes Kind Sie bei den Republikanern sind. Dies muss man einfach noch einmal in den Vordergrund dieser Debatte stellen.
Ich sage noch einmal: Wer in Verlautbarungen und Worten, wie es von den Kollegen vorgetragen worden ist – ich wiederhole es noch einmal ausdrücklich, weil es für mich unerträglich ist, dies von einer Fraktion, die hier im Landtag von Baden-Württemberg sitzt, zu hören –, Menschen, in diesem Fall Ausländer, mit Parasiten, mit Flöhen und mit Ungeziefer vergleicht, meine Damen und Herren, der ist meines Erachtens nicht würdig, in einem frei gewählten Parlament zu sitzen.
Selbstverständlich, Herr Kollege Schlierer, sagen Sie: „Ich habe niemals Gewalt begonnen, und meine Kollegen, die da hinten sitzen, haben persönlich noch nie Gewalt begonnen.“ Das nehme ich Ihnen sogar ab.
Aber das ist doch nicht der Punkt. Der Punkt ist doch ein ganz anderer: Mit der Politik und den Äußerungen, die Sie hier gemacht haben, haben Sie doch den Boden bereitet, dass in diesem Land – auch im Land Baden-Württemberg, aber, noch schlimmer, in anderen Bundesländern – überhaupt die Grundlage für Gewalt geschaffen worden ist.
Hierfür sind Sie verantwortlich, und deshalb sind Sie die eigentlichen Brandstifter.