Protokoll der Sitzung vom 28.06.2000

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir vergeben eine Chance, wenn wir hier so weitermachen. Es ist doch so, dass in der Umweltpolitik immer dort Dynamik aufkam, wo man sich Ziele gesetzt hat und dann auch wirklich fragte, ob das, was wir tun, zu diesen Zielen führt, und nicht fragte, ob das, was man bisher gemacht hat, in irgendeiner Weise gut war. Diese Debatte können wir jetzt hier nicht mehr führen, weil meine Zeit auch gleich abläuft.

(Heiterkeit)

Meine Redezeit wohlgemerkt.

(Heiterkeit – Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Restlaufzeit! – Zurufe von der CDU)

Ich werde Ihnen hier noch erhalten bleiben. Das ist kein Problem.

Aber meine Redezeit geht jetzt zu Ende, und ich kann ankündigen: In der Diskussion im Ausschuss werde ich mich durch solche Larifaribeiträge, wie ich sie hier von Ihnen erlebt habe, nicht abspeisen lassen. Da werden wir wirklich konkret fragen: Was heißt es, hier Solarsiedlungen voranzutreiben, aber im Wirtschaftsausschuss dann kein Geld dafür zu haben? Was heißt es, Hackschnitzelheizungen zu fördern, weil die die große Masse der erneuerbaren Energie

bringen können, wenn aber im Landwirtschaftshaushalt, Herr Reddemann, kein Geld dafür da ist? Dabei sind das gerade wichtige Beiträge, um auch Arbeitsplätze im ländlichen Raum zu schaffen.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien, meine Damen und Herren, ist ja nicht etwas, was wir Grünen nur aus Jux und Tollerei machen wollen, was die Landesregierung auch machen will, sondern der Ausbau der erneuerbaren Energien schafft Arbeitsplätze, sichert Wertschöpfung im ländlichen Raum und erhält unsere Umwelt. Das sind viele Vorteile, die da zusammenkommen. Deshalb lohnt es sich, sich dafür einzusetzen, und deshalb lohnt es sich, hier verstärkte Anstrengungen zu unternehmen; denn das Ziel der Verdoppelung des Anteils der erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2010 ist ein gutes Ziel. Wir sollten gemeinsam daran arbeiten.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, bei Abschnitt I Ziffern 1 bis 6 des Antrags Drucksache 12/4971 handelt es sich um einen Berichtsantrag, der wohl mit der heutigen Debatte als erledigt betrachtet werden kann. – Kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Bei Abschnitt II handelt es sich um einen Sachantrag. Ich schlage vor, diesen Antrag – Abschnitt II – an den Ausschuss für Umwelt und Verkehr zu überweisen. – Sie stimmen der Überweisung zu.

(Abg. Drexler SPD: Jawohl! Zugestimmt! – Zuru- fe: Wirtschaftsausschuss!)

Oh, Entschuldigung. An den Wirtschaftsausschuss.

(Abg. Drexler SPD: Es war schon beschlossen!)

An den Wirtschaftsausschuss. Denn das Wirtschaftsministerium hat die Stellungnahme abgegeben. – Vielen Dank.

Damit ist Punkt 3 der Tagesordnung erledigt.

Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP – Gesetz zur Änderung des Landesreisekostengesetzes – Drucksache 12/5186

Mir ist mitgeteilt worden, dass die Fraktionen übereingekommen sind, den Gesetzentwurf ohne Aussprache an den Finanzausschuss zu überweisen. –

(Beifall – Zurufe: Sehr gut!)

Sie stimmen dem zu. Damit ist es so beschlossen.

Punkt 4 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:

a) Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes Baden-Württemberg – Drucksache 12/5236

b) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Eckpunkte zur Reform des Gymnasiums und der gymnasialen Oberstufe – Drucksache 12/5221

c) Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Praxisgerechte Reform der gymnasialen Oberstufe – Drucksache 12/4962

(Abg. Drexler SPD: Machen wir hier das Gleiche! – Abg. Brechtken SPD: Damit machen wir das Gleiche; einverstanden?)

Meine Damen und Herren, die Regierung wird den Gesetzentwurf begründen. Für die Aussprache über die Punkte 5 a bis c hat das Präsidium eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion festgelegt,

(Abg. Drexler SPD: Ist das nicht ein bisschen viel?)

wobei gestaffelte Redezeiten gelten.

Das Wort erteile ich der Frau Ministerin für Kultus, Jugend und Sport.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Weiterentwicklung der Schule bedeutet in Zukunft Konzentration in Bezug auf Inhalte, Modernisierung in Bezug auf Didaktik und Methodik, Straffung und Überschaubarkeit der Strukturen. In diesem Sinne hat die Kultusministerkonferenz im Oktober des vergangenen Jahres einhellig Öffnungsklauseln für die Weiterentwicklung der gymnasialen Oberstufe genehmigt.

Allen ist klar: Die gymnasiale Oberstufe, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland seit 25 Jahren besteht, hat sich überlebt und ist veraltet. Sie gehört ins 20. Jahrhundert, taugt aber nicht für das Gymnasium des 21. Jahrhunderts.

Baden-Württemberg ist das erste Land, das die Möglichkeiten wahrnimmt, die die Kultusministerkonferenz geschaffen hat, und zukunftsfähige Perspektiven sowie eine moderne und zeitgemäße Ausbildung an unseren Gymnasien möglich machen will. Ich betone: Wir sprechen heute nur über einen Teilbereich, über die Oberstufe; aber was ich sage, gilt in gleicher Weise für die Weiterentwicklung des Gymnasiums ab Klasse 5.

Weiterentwicklung von Bildungsinhalten, die der Wissensgesellschaft gerecht werden, Weiterentwicklung von Methoden und Didaktik des Unterrichtes, die das Lernen nachhaltiger machen, neue Formen der Leistungsmessung, die wir an einigen Gymnasien in Baden-Württemberg schon praktizieren, Stärkung der Naturwissenschaften und Weiterentwicklung unserer Profile, das alles gilt für das Gymnasium ab Klasse 5. Das, worüber wir heute diskutieren, betrifft die Oberstufe, also die Klassen 12 und 13.

Was wollen wir? Wir wollen eine Stärkung der Allgemeinbildung, vor allem in den so genannten Kernkompetenzbereichen. Wir wollen die Rücknahme verfrühter Spezialisierungen. Wir wollen neue, schülerzentrierte Lern- und

(Ministerin Dr. Annette Schavan)

Arbeitsformen, eine Verstärkung der Methoden- und der Sozialkompetenzen, sprich: ein Lernen in den letzten beiden Klassen des Gymnasiums, das zu mehr Selbstständigkeit führt, das die Vermittlung von Wissen und Kompetenzen befördert, die in Zukunft bedeutsam sind. Wir wollen individuelle Schwerpunkte erhalten, Profilbildung möglich machen. Es ist richtig, dass Schülerinnen und Schüler in diesem Alter auch Schwerpunkte setzen können. Wir wollen schließlich eine Stärkung der Naturwissenschaften. Meine Damen und Herren, solange man in Deutschland mit nur einem naturwissenschaftlichen Fach Abitur machen kann, brauchen wir uns nicht zu wundern, dass viele Jugendliche nach dem Abitur keinen Mut haben, in eine Naturwissenschaft, in Technik, in ein Ingenieurstudium zu gehen. Deshalb wollen wir, dass künftig zum Abitur in Baden-Württemberg zwei Naturwissenschaften gehören.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wir haben eine Neuordnung also in pädagogisch-didaktischer, in inhaltlicher und in struktureller Hinsicht vorbereitet.

Meine Damen und Herren, die Diskussion läuft seit zwei Jahren. Beteiligt daran sind unsere Hochschulen, Unternehmen, die Wirtschaft, die Pädagogen in unseren Gymnasien, die Schulleiter. Das Ergebnis ist eine Neuordnung, bei der wir davon ausgehen: Die Stärkung der Grundbildung, der Allgemeinbildung für alle ist wichtiger als Spezialisierung für wenige. Deshalb in den Kernkompetenzbereichen keine curriculare Unterscheidung mehr, Lehrpläne – und das war ein besonderes Anliegen der FDP/DVP –, die über zusätzliche Module denen, die besondere Stärken in einem Fach haben, die Möglichkeit geben, diese Stärken auch zu zeigen.

Zweitens: Die neue Oberstufe gibt Möglichkeiten für individuelle Profilierung. Hier sage ich ganz deutlich: Was die GEW und einige andere sagen, ist schlicht nicht wahr. Wir schaffen nicht das Kurssystem ab, wir schaffen nicht Wahlmöglichkeiten ab, wir schaffen nicht Profilierung ab, wir schaffen nicht die Möglichkeit ab, individuelle Schwerpunkte zu setzen. Das alles bleibt. Es wird künftig sogar mehr Möglichkeiten der Verbindungen geben. Zum Beispiel sind alle bisherigen Beschränkungen der Kombinationen des Faches Deutsch mit künstlerischen und gesellschaftswissenschaftlichen Fächern aufgehoben. Neue Kombinationen werden möglich, die bislang nicht möglich waren.

Gymnasien in Baden-Württemberg haben neun verschiedene Profile – das ist einmalig in der Bundesrepublik Deutschland –: berufliche Profile, musische Profile, ein neugeordnetes naturwissenschaftliches Profil, neusprachliche und nach wie vor auch altsprachliche Profile.

Wir wollen drittens in dieser Oberstufe ein deutliches Zeichen setzen. Zwei zweistündige Naturwissenschaften sind das Minimum, zwei vierstündige Naturwissenschaften sind das Maximum. Das ist eine deutliche Stärkung. Wir kommen damit dem nach, was seit Jahren gefordert wird: eine breitere naturwissenschaftliche Bildung. Die Naturwissenschaften müssen in unseren Gymnasien so wichtig werden, wie die Fremdsprachen schon heute sind.

Viertens: Verstärkung der informationstechnischen Kompetenzen. Unsere künftigen Lehrpläne werden das Lernen mit dem Computer schon beinhalten. Der Computer ist in die Lehrpläne integriert. Das Fach Informatik soll als fünftes mündliches Abiturfach auch am allgemein bildenden Gymnasium zugelassen werden.

Schließlich werden diese neuen Lehrpläne der Tatsache Rechnung tragen, dass Fächer stärker miteinander verbunden werden müssen. Ein großes Problem unserer Schulen – übrigens aller Schularten – liegt heute darin, dass in den Lehrplänen viel Detailwissen ist, viel zusammenhanglose Kenntnisse, aber zu wenig Zusammenhänge hergestellt werden. Deshalb werden sich die neuen Lehrpläne damit beschäftigen, Wege ermöglichen und aufzeigen zum vertieften Erwerb methodischer und sozialer Kompetenzen. Das, was für den Seminarkurs typisch ist – erwachsenengerechte Arbeitsformen –, das soll auch in anderen Lehrplänen deutlich werden. Wir reden, wenn wir über Schüler und Schülerinnen der Klassen 12 und 13 sprechen, nicht über Kinder, sondern über junge Erwachsene. Deshalb müssen die letzten Jahre des Gymnasiums in den Arbeitsformen, den Inhalten und den Strukturen von erwachsenengerechten Formen des Lernens geprägt sein.

Schließlich: Neue Unterrichtsformen, neue Lernformen erfordern dauerhaft neue Formen der Leistungsbeurteilung. Die traditionelle Klassenarbeit wird in der Oberstufe durch neue, kreative Prüfungs- und Präsentationsmöglichkeiten ergänzt. Baden-Württemberg führt sowohl hier als auch bei neuen Unterrichtsformen bereits heute zahlreiche Versuche in der Sekundarstufe I durch, und wir werden dann die Erfahrungen in die Sekundarstufe II einführen.

Letzter Punkt: Wir bleiben beim Zentralabitur. Ich rate uns allen sehr, zu einem Zeitpunkt, zu dem bundesweit die Forderung besteht, dass es überall vergleichbare Abschlussprüfungen geben soll, das Zentralabitur bei uns, die wir eine lange und bewährte Tradition damit haben, nicht infrage zu stellen. Dabei ist klar, dass die schon jetzt bestehende Möglichkeit, zwischen verschiedenen Themen oder Texten zu wählen, künftig nicht nur beibehalten, sondern erweitert werden kann. Aber es bleibt dabei: Das Gymnasium wird, wie jede andere Schulart in Baden-Württemberg, mit einer vergleichbaren zentralen Prüfung abgeschlossen. Das wirkt standardbildend. Das hat zum guten Ruf des Gymnasiums in Baden-Württemberg viel beigetragen. Deshalb sollten wir in Zeiten, in denen andere auf die Idee kommen, dass das gut ist, daran nicht zweifeln.

Meine Damen und Herren, zwei Jahre ist diskutiert worden. Über die allermeisten Elemente ist ein breiter Konsens hergestellt, über manches sind wir im Dissens. Es gibt einen breiten Konsens mit dem Hochschulverband, der Landesrektorenkonferenz, dem Forum Gymnasium – Hochschule – Wirtschaft, dem Philologenverband, der Direktorenkonferenz und den Fachverbänden.