Protokoll der Sitzung vom 28.06.2000

26. Juni zitieren, den der Vorstandsvorsitzende der EnBW an den Bundeskanzler geschrieben hat:

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,

mit diesem Schreiben möchte ich an die Runde, die unter Ihrem Vorsitz am 14./15. Juni 2000 zur Vereinbarung über die bestehenden Kernkraftwerke geführt hat, anknüpfen. Wenngleich wir nicht alle unsere Vorstellungen haben erreichen können, so ist doch unter Ihrer Leitung ein Kompromiss zwischen den divergierenden Positionen zustande gekommen.

(Zuruf von der SPD: Also!)

Jetzt kommt es aber.

Wie Sie wissen – –

(Unruhe bei der SPD – Zuruf: Vernebelung!)

Sie freuen sich wirklich über ein Strohhälmle. Das muss man schon sagen.

(Beifall bei der CDU)

Ich gönne Ihnen die Freude. Aber es wäre gut, Sie würden sich einmal mit Argumenten auseinander setzen. So billig, wie Sie es sich heute Morgen bei Ihren Debattenbeiträgen gemacht haben, kommen Sie nicht davon.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Bebber SPD: Sie wissen, was mit den Selbstgerechten pas- siert!)

Ich zitiere wörtlich weiter:

Wie Sie wissen, habe ich dabei für mein Unternehmen der Vereinbarung nur deswegen zustimmen können, weil Sie mit Ihrer Richtlinienkompetenz mir Ihr Wort als Bundeskanzler gegeben haben,

(Abg. Oettinger CDU: Hört, hört!)

dass die Übertragung von Strommengen von anderen Kernkraftwerken der EnBW auf das Kernkraftwerk Obrigheim möglich ist und bereits jetzt dem Grunde nach zugesagt wird.

(Zurufe von der CDU: Hört, hört! – Abg. Pfister FDP/DVP: Wie heißt der Bundeskanzler?)

Ich gehe daher davon aus, dass ich bei weiteren Interpretationen der Vereinbarung in den anstehenden Gremiensitzungen der EnBW auf diese Ihre Zusage in geeigneter Form verweisen kann.

Meine Damen und Herren, wir vonseiten der Landesregierung sagen: Nach Obrigheim müssen Strommengen in solchem Maße umgeschichtet werden, dass der Betrieb dieses sicheren Kernkraftwerks so lange weitergeführt werden kann, wie es sich betriebswirtschaftlich für das Unternehmen rechnet.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Jetzt kommen Sie zu regenerativen Energien. Mehrfach hat der Kollege Kuhn bei Haushaltsberatungen hier in diesem

Land an die Adresse der Landesregierung gesagt, es sei wahr, dass wir für die Erforschung alternativer Energiearten außerordentlich viel tun würden.

(Abg. Marianne Erdrich-Sommer Bündnis 90/Die Grünen: Aber nicht für die Produktion im Land!)

Eines nach dem anderen. – Ich möchte Ihnen einmal sagen, dass zwischen 1991 und 1997 alle Länder Deutschlands zusammen 185 Millionen DM für die Erforschung alternativer Energiearten ausgegeben haben; 110 Millionen DM dieser 185 Millionen DM wurden in Baden-Württemberg ausgegeben.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Birk CDU: Sehr gut! Alle Achtung! – Abg. Hans-Michael Bender CDU: Betretenes Schweigen bei der Opposition!)

60 % in Baden-Württemberg, zusammen 40 % in den übrigen 15 deutschen Ländern.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Es geht um die Markteinführung!)

Sie wissen auch – Sie haben wider besseres Wissen das Gegenteil behauptet –, dass wir hier im Land über den Haushalt des Wirtschaftsministeriums Jahr für Jahr auch Einführungen von alternativen Energiearten in Sonderprogrammen fördern. Sie wissen auch, dass wir der neuen Solarpilotfabrik in Marbach, in der auf der Basis von Sonnenund Wasserstoffforschung mit der neuen Dünnschichttechnik neuartige Solarzellen hergestellt werden sollen, neben der Bundesregierung eine namhafte Millionenförderung gegeben haben.

Meine Damen und Herren, Sie kommen aber auch nicht an der Tatsache vorbei, dass sämtliche regenerative Energiequellen im Jahr 1997 in Deutschland 5,1 % zur Stromerzeugung beigetragen haben.

(Abg. Drexler SPD: Woran liegt das?)

In Baden-Württemberg waren es 6 %, und die Landesregierung hat am 20. September 1999 beschlossen, dass wir in den zehn Jahren, auf die Herr Kollege Pfister auch hingewiesen hat, diesen Anteil verdoppeln wollen. Wenn wir das schaffen – wir liegen auch hier vor anderen Ländern –, haben wir von den 60 %, die fehlen, 10 % ausgeglichen. 10 %! Es bleibt deshalb die Frage, zu der Sie überhaupt nichts gesagt haben,

(Abg. Pfister FDP/DVP: Lücke!)

wie Sie eigentlich den Ausfall der Kernenergie decken werden.

(Abg. Drautz FDP/DVP: Ein paar Windrädchen! – Unruhe – Zurufe von der SPD und vom Bünd- nis 90/Die Grünen)

Ja, ich komme schon noch auf den Punkt zurück.

In diesem Zusammenhang ist der Bundeskanzler zu Recht zitiert worden. Er hat vor einigen Tagen die Katze aus dem Sack gelassen.

Ich möchte aber zunächst einmal zu Kioto sagen: Der Beitrag Deutschlands zu dem 8-prozentigen Reduktionsziel

(Ministerpräsident Teufel)

beträgt laut Beschluss des EU-Ministerrats vom 17. Juni 1998 21 % Reduktion bis zum Zeitraum 2008, 2012. Die Bundesregierung hat bislang überhaupt keinen realistischen Weg aufgezeigt, wie sie dieses Kioto-Ziel überhaupt und mit einer zusätzlichen Reduzierung der Kernkraftwerksleistung erreichen will.

Meine Damen und Herren, auf einer Energiekonferenz der IG Bergbau, Chemie und Energie sagte der Bundeskanzler am 4. Mai dieses Jahres: Davon – nämlich vom Ausstiegsbeschluss – werden Braunkohle und Steinkohle ebenso profitieren wie Erdgas. Der Bundeskanzler hat damit die Katze aus dem Sack gelassen. Die hoch subventionierte deutsche Kohle ist für ihn mittelfristig die Alternative zur Kernenergie. Mit einer solchen Politik aber sind die Ziele des Klimaschutzes nie und nimmer zu erreichen. Wer den Bau von Großkraftwerken für die CO2-Schleudern Steinkohle und Braunkohle ankündigt, verabschiedet sich von der Klimaschutzpolitik.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Eine Studie der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg kommt zu folgendem Ergebnis: Bei dem von der Bundesregierung gewollten Abschalten des letzten deutschen Kernkraftwerks liegen die CO2-Emissionen in Baden-Württemberg um rund 30 % oder mehr als 20 Millionen Tonnen pro Jahr höher als im Jahr 1990. Das ist Ihre zukunftsgerichtete Politik: dass wir im Jahr 2010 oder 2020 im CO2-Ausstoß höher liegen als im Jahr 1990.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Immer noch Zitat der Akademie für Technikfolgenabschätzung Baden-Württemberg:

Über die Jahre zusammengerechnet belastet der Ausstieg die Umwelt im Ausstiegszeitraum mit ca. 200 Millionen Tonnen zusätzlich.

Ja, meine Damen und Herren: Grüne, die angeblich für den Umweltschutz und für den Klimaschutz sind, müssen doch die Frage beantworten,

(Abg. Pfister FDP/DVP: So ist es! Jetzt muss die Frage beantwortet werden!)

was sie mit ihrer Politik auf diesem Gebiet bewirken. Diese Frage müssen sie beantworten.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Deswegen setzt die Landesregierung nicht etwa, wie auch behauptet worden ist,

(Zurufe von der SPD)

ausschließlich auf Kernenergie, sondern auf einen Energiemix, bei dem aber die Kernenergie auf absehbare Zeit einen bedeutenden Anteil hat.