Protokoll der Sitzung vom 29.06.2000

Stimmen Sie mir darin zu, dass in der Stellungnahme zu Ihrem Antrag Drucksache 12/5144 ausgeführt ist, erstens dass die Sozialversicherungspflicht nach der Übereinkunft der Sozialversicherungsträger ausschließlich eine Frage der Führungskräfte der Feuerwehr ist, zweitens dass bei – ich sage einmal – einfachen Feuerwehrleuten die Situation eintritt, dass eine Aufwandsentschädigung prinzipiell nicht sozialversicherungspflichtig ist, dass sie möglicherweise steuerrechtlich relevant ist, dass dort eine Pauschalregelung gilt – nach dem Drittelgrundsatz wären übrigens die 300 DM, die Sie als Beispiel genannt haben, genau abgedeckt – und dass dann, wenn mehr als diese Pauschale nach dem Steuerrecht gezahlt wird, der Feuerwehrmann – ich räume ein: das ist dann ein Problem der Bürokratie – einen Nachweis über höhere Aufwendungen bringen kann, sodass wiederum weder Steuerpflicht noch Sozialversicherungspflicht entsteht? So ist die Rechtslage. Stimmen Sie mir darin zu, dass meine Ausführungen rechtlich korrekt sind, weil eben nichts anfällt?

Aber ich räume ein: Das ist in der Tat Bürokratie, und deshalb müssen wir versuchen, dies über Pauschalregelungen zu entbürokratisieren. Aber die Rechtslage ist klar.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Unruhe bei der CDU)

Ist das noch eine Frage gewesen, Herr Präsident?

Herr Kollege Brechtken, Sie haben jetzt versucht, Ihre Redezeit zu verlängern. Das war das Einzige, was erfolgreich war.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

In der Sache ist das, was Sie gesagt haben, falsch. Es stimmt schlichtweg so nicht. Genau mein Fall stimmt. Natürlich steht darin, dass die Sozialversicherungsträger das so handhaben. Aber wer hat denn das Gesetz gemacht? Das haben doch nicht die Sozialversicherungsträger gemacht.

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Das ist ja das Allerletzte! Jetzt schimpfen wir wieder auf die, die das Gesetz ausführen, das Sie in Berlin beschlossen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Brecht- ken SPD: Das Gesetz war früher schon so, Herr Kollege! – Gegenrufe von der CDU)

Nein, der Teil war eben nicht so. Sie waren bei 630 DM eben nicht sozialversicherungspflichtig.

Ich betrachte es als Unverschämtheit, Herr Kollege Brechtken, wenn Sie sich hier hinstellen und am Ende sagen – unter großem Beifall Ihrer Fraktion –: Bei der 630-DM-Regelung ist Missbrauch getrieben worden. Natürlich hat es den Missbrauch gegeben, aber es hat auch viele gegeben, die sich als einfache Arbeiter mit geringem Einkommen etwas als Zeitungsausträger dazuverdient haben, und Studenten, die zum Bedienen gegangen sind.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Alle die haben Sie in einen Topf geworfen und unter großem Beifall Ihrer Fraktion gesagt: Endlich hat man das abgestellt.

(Zurufe von der CDU)

Es war von niemandem bestritten worden, auch hier nicht, dass bei den 630-DM-Arbeitsverhältnissen etwas zu regeln war, aber nicht so, wie Sie es gemacht haben. Das geben Sie nur nicht zu. Frau Erdrich-Sommer hat ja eine gute Rede gehalten, bis sie zum Schluss in die Linkskurve verfallen musste, um das, was in Berlin an Unsinn beschlossen worden ist, noch zu retten.

Herr Brechtken, Sie sind dann in den üblichen Fehler verfallen und haben gesagt – unter großem Gejohle Ihrer Fraktion ist da wieder Beifall aufgebrandet –: „Sie haben 16 Jahre nichts getan.“

(Abg. Braun SPD: Das stimmt doch!)

Damit liegen Sie falsch.

(Zurufe von der SPD)

Natürlich liegen Sie falsch. Herr Finanzminister MayerVorfelder hat über Jahre hinweg versucht – das können Sie nachlesen –, die steuerfreie Aufwandsentschädigung zu erhöhen. Er ist gescheitert. Wer hat in den letzten Jahren die Mehrheit in der Finanzministerkonferenz gehabt?

(Lachen bei der SPD)

Nicht die CDU/CSU! Da nützt Ihnen kein Lachen

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Brecht- ken SPD: Von welchem Bundesland ist das einge- bracht worden?)

und auch nicht der allgemeine Spruch. Ihre Kollegen, die SPD-Finanzminister, haben über Jahre verhindert,

(Abg. Brechtken SPD: Wir haben es erhöht inner- halb von drei Monaten! – Zurufe von den Republi- kanern)

dass die Steuerfreigrenze für Entschädigungen erhöht worden ist, und dann stehen Sie hin und sagen, die CDU habe 16 Jahre nichts getan.

(Abg. Brechtken SPD: Wir haben es doch erhöht!)

Verhindert haben Sie es. Sie haben ein falsches 630-DMGesetz gemacht und treffen Ehrenamtliche; Sie strafen sie

ab, anstatt ihnen zu helfen und sie zu belohnen. Bekennen Sie sich dazu, und ändern Sie diesen Unsinn.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Unruhe und Zurufe, u. a. Abg. Brechtken SPD: Wir haben doch die Pauschale erhöht und nicht ihr! – Abg. Drexler SPD: 16 Jahre lang nur Akten vernichtet! – Heiterkeit)

Das Wort erhält Frau Staatssekretärin Lichy.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das ganze Haus war sich einig und ist nicht müde geworden, zu betonen, wie sehr wir das Ehrenamt schätzen, wie sehr wir auf das ehrenamtliche Engagement angewiesen sind und wie sehr wir hier in unserem Land stolz darauf sind, dass wir Frauen und Männer aus allen Schichten haben, die sehr viel ehrenamtlich tun. Das ist alles vor der Diskussion und vor der Klammer gesagt worden. Anschließend kamen alle die – na ja – Hilfsargumente, um zu beweisen, dass mit der Neuregelung des 630DM-Gesetzes im Grunde genommen alles in Ordnung sei und man mit diesem Gesetz nur die Richtigen treffen würde und die anderen alle verschont blieben.

(Abg. Marianne Erdrich-Sommer Bündnis 90/Die Grünen: Sie haben wirklich nicht zugehört!)

Tatsache ist doch, dass bei der Neuregelung des 630-DMGesetzes alle in einen Topf geworfen wurden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Und warum? Weil dieses Gesetz mit einer heißen Nadel gestrickt wurde

(Zuruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

und weil man Ehrenamt und erwerbswirtschaftliche Betätigung zusammengemixt hat. Ich will gar nicht alles wiederholen, was gesagt wurde, außer dass das Gesetz insgesamt einige Aspekte hatte, bei denen wir auch immer gesagt haben, dass dem Missbrauch vorgebeugt werden muss. Aber gravierend war eben doch, dass dieses Gesetz dermaßen viele Löcher und Strickmusterfehler hat und man jetzt nicht zugeben will, dass es so ist.

Dieses Gesetz ist ein Schlag ins Gesicht aller Ehrenamtlichen. Wir spüren schon, dass das Engagement bei der Feuerwehr zurückgeht. Es ist eben nicht so – Herr Haasis hat das ausgeführt –, dass die Regelung nur die Kommandeure und die Vorsitzenden trifft, sondern jeder einfache Feuerwehrmann, der eine Aufwandsentschädigung für seinen Zeitaufwand und das Engagement, das er einbringt, bekommt, erhält nur einen geringen Betrag steuerfrei.

(Abg. Deuschle REP: Ein Drittel!)

Wenn Sie sich nicht selber unwohl fühlen würden, würden Sie jetzt nicht sagen: Wir müssen vielleicht pauschale Regelungen finden; wir müssen schauen, wie wir das heilen können.

(Zuruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Der Entschließungsantrag, der von Bayern eingebracht wurde, enthält eben dies, indem nämlich zwischen Ehrenamt und nebenberuflicher Tätigkeit unterschieden wird. Wir sind auch dabei, zu prüfen – auch das ist in diesem Antrag enthalten –, ob man die Grenze von 300 DM für die Steuerfreiheit auf 600 DM monatlich erhöhen sollte, um da genau zu unterscheiden. Nicht umsonst hat der Bundeskanzler dazu Stellung bezogen. Weil er gemerkt hat, dass dieses Gesetz nicht ausgewogen und nicht richtig ist, hat er vor drei Tagen gesagt – ich zitiere ihn wörtlich –:

Es muss doch möglich sein, dass man zwischen Ehrenamt und einer Beschäftigung, die bereits nebenberuflichen Charakter trägt, eindeutig und nachvollziehbar unterscheidet.

Genau das ist in dem Antrag, der von Bayern eingebracht wurde und der von uns unterstützt wird, dargelegt.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Staatssekretärin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Brechtken?

Ja, bitte.

Frau Staatssekretärin, würden Sie mir zustimmen, dass genau das das Problem ist, das der Entschließungsantrag von Bayern im Bundesrat darstellt? Sie haben gerade den Bundeskanzler zitiert. Wir müssen unterscheiden: Der Entschließungsantrag von Bayern sagt: Prinzipiell ist jede Tätigkeit im Rahmen einer gemeinnützigen Organisation künftig von Steuer- und Sozialversicherungsabgaben – nicht nur die im Rahmen des 630-DM-Gesetzes – befreit; da ist wieder die alte Ein-Siebtel-Regelung von der Bemessungsgrundlage genommen worden; das würde bedeuten, dass eine Dynamisierung eintreten würde.

Zweitens wird gesagt: Jede Beschäftigung