Rainer Brechtken
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Ist das ein offizieller Auftrag? Dann übernehme ich den selbstverständlich.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin hier auch nur in Vertretung tätig, weil unser Kolle
ge, der normalerweise dies auch im Ausschuss bearbeitet, überraschend krank geworden ist. Deshalb will ich mich kurz fassen.
Erstens: Wir stimmen dem Gesetz zu.
Zweitens: Wir halten es für richtig, weil ein entscheidender Ansatz die flexiblere Möglichkeit der Führung in der Führungsakademie ist. Das heißt, sie kann flexibler auf Gegebenheiten eingehen. Ich glaube, dies ist richtig und vernünftig.
Drittens: Sie kann, was die Ausbildung der Führungskräfte angeht, neue Wege gehen. Sie kann auch die Stellung der Führungskräfte in der Ausbildung verbessern. Ich glaube, das ist richtig.
Ein weiterer Punkt ist aus unserer Sicht die Möglichkeit, dass die Führungsakademie mit anderen Einrichtungen der Aus- und Fortbildung besser kooperieren kann. Damit bekommen wir in die Ausbildung der öffentlichen Verwaltung auch neue Formen des Know-hows. Ich glaube, dies ist wichtig.
Ein letzter Punkt: Ich glaube, dass die Neustrukturierung der Führungsakademie – zusätzlich zur Aus- und Fortbildung der Führungskräfte Einstieg in die permanente Ausund Fortbildung der öffentlichen Verwaltung – der entscheidende Ansatz ist, den wir ausdrücklich begrüßen sollten.
Ich will hier allerdings hinzufügen: Die Führungsakademie allein reicht nicht. Wir brauchen – das sage ich in Richtung Regierung –, endlich auch konsequente Fortbildungsprogramme, die notwendigen Mittel und aufgrund klarer Vorgaben auch eine Verpflichtung der Bediensteten, sich auch an Aus- und Fortbildungsmaßnahmen zu beteiligen. Dies fehlt weitgehend in der öffentlichen Verwaltung, was in der Wirtschaft längst gang und gäbe ist. Dies muss endlich auch in Fortfolge dieses Gesetzes eingeführt werden.
Lassen Sie mich noch einen letzten Gedanken bringen. Da will ich aus dem Gesetzentwurf zitieren:
Mit der Neuregelung erfolgt eine Weiterentwicklung der im Wesentlichen durch die Monostruktur der Ausbildung von Nachwuchsführungskräften für leitende Führungsfunktionen geprägten Führungsakademie des Landes
zu einer diversifizierten Einrichtung, die nach einem ganzheitlichen Verständnis als integraler Bestandteil einer strategischen und operativen Organisations- und Personalentwicklung zukunftsorientierte Inhalte, Verfahren und Maßnahmen der beruflichen Qualifizierung konzipiert, plant, vorbereitet, organisiert, erprobt, durchführt, auswertet und zertifiziert.
Dies ist ein einziger Satz – dies in Richtung Staatsministerium, das dafür zuständig ist –, den ich aus der Begründung
Ihres Gesetzentwurfs zitiert habe. Fangen wir bei der Sprache mit der Reform an.
Ich bedanke mich.
Herr Minister, nachdem mir diese Bestimmung bekannt ist, meine Frage: Würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen: Es geht mir nicht um eine allgemein im Gesetz postulierte Pflicht, sondern um Folgendes:
Erstens: Zielrichtung in einer Behörde festlegen.
Zweitens: Welchen zusätzlichen Fortbildungsbedarf habe ich?
Drittens: Die einzelnen Bediensteten mit einem ganz klaren Plan zur Fortbildung zu verpflichten. Klammer auf: Ich beziehe dabei zum Beispiel auch Lehrer ein, etwa hinsichtlich moderner Informationstechnologien. Klammer zu.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dem hohen Hause liegt der Bericht des Finanzausschusses über seine Beratung vom 12. Oktober des vergangenen Jahres vor. Er ist aus Drucksache 12/5604 zu ersehen. Zwischenzeitlich haben sich aber noch Fakten ergeben, die dringend eine Ergänzung des Berichts erfordern. Deshalb muss ich den Bericht über die Beratungen des Finanzausschusses hier mit den neuesten Fakten anreichern und ergänzen.
Aus dem Bericht Drucksache 12/5604 ergibt sich, dass die Gesamtausgaben für Anschaffungen innerhalb des Rechnungshofs den Haushaltsansatz unterschritten hätten. Dennoch ist vor der vorgesehenen Beschlussfassung hier im Plenum am 18. November ein Artikel in der Presse erschienen, nach dem bei der Einrichtung bzw. Ausstattung mit Büromöbeln beim Rechnungshof Baden-Württemberg Verstöße gegen die einschlägige Verwaltungsvorschrift zur Ausstattung von Diensträumen vom 2. Dezember 1997 vorgekommen seien.
Als Berichterstatter habe ich daraufhin, nachdem dieser Pressebericht erschienen war, den Präsidenten des Rechnungshofs um eine Stellungnahme gebeten. Der Rechnungshof hat mit Schreiben vom 27. November 2000, das mit Schreiben vom 30. November 2000 korrigiert wurde, mitgeteilt, dass seit dem Jahr 1992 Büromöbel der Mitglieder des Rechnungshofs erneuert bzw. Ersatzbeschaffungen durchgeführt wurden. In der Regel seien bei Pensionierungen von Kollegen teilweise bis zu 20 Jahre alte Möblierungen übernommen worden und dann Zug um Zug erneuert und die Büros neu ausgestattet worden. Es seien auch Besprechungsmöglichkeiten in den Dienstzimmern der Mitglieder des Rechnungshofs geschaffen worden.
Es hat sich dann ergeben, dass bei der Ausstattung insgesamt Überschreitungen vorgekommen sind. Insgesamt sind Anschaffungen in der Größenordnung von 67 386 DM durchgeführt worden. Davon waren 6 532 DM Baumittel. Die zulässigen Ausgaben nach der Verwaltungsvorschrift waren 53 500 DM als Pauschalsätze abzüglich 9 790 DM anzurechnender Altausstattung. Dazu waren noch Reste von nicht ausgeschöpften Höchstsätzen von 3 914 DM abzuziehen, sodass der verfügbare Ausstattungsrahmen bei 39 796 DM lag. Die zulässigen Rahmenwerte sind damit in der Größenordnung von 27 590,17 DM überschritten worden.
Aus einer beigefügten Liste, bezogen auf die einzelnen Mitglieder des Rechnungshofs und deren Ausstattung, ergibt sich, dass in zwei Fällen die Höchstsätze in der Größenordnung von einmal 1 515 DM und einmal 2 398 DM nicht ausgeschöpft wurden. In zwei Fällen ist also eine Unterschreitung der Höchstsätze erfolgt, während die Einzelhöchstsätze in den übrigen Fällen überschritten worden sind. Die beiden gravierendsten Fälle sind die letzten bei
den Fälle, bei denen es im einen Fall um eine Überschreitung um 10 704 DM und im anderen Fall um eine Überschreitung um 7 280 DM gegangen ist.
Der Rechnungshof hat weiter dargelegt, dass er zur Abdeckung der Überschreitungen in einem kollektiven Verfahren seitens der Mitglieder des Rechnungshofs die Beträge ersetzt hat und beim Rechnungshof eingenommen hat.
Dieser Bericht lag dem Finanzausschuss in seiner Sitzung am 30. November vor. Wir haben die Angelegenheit in dieser Finanzausschusssitzung beraten, und in dieser Sitzung hat der Präsident des Rechnungshofs im Gegensatz zu seiner ursprünglichen Einlassung, dass er als Rechnungshofpräsident von der Überschreitung der einzelnen Rahmensätze nach der Verwaltungsvorschrift erst durch die Recherchen der Presse erfahren habe, dargelegt, dass es einen Vermerk vom 4. Mai 2000 aus dem Rechnungshof selbst – erstellt im Rahmen der dortigen internen Vorprüfung – gibt, in dem auf diese Überschreitungen hingewiesen wurde. Dieser interne Vermerk hat die Abzeichnung mit Datum vom 12. Mai 2000 durch den Rechnungshofpräsidenten.
In diesem Vermerk heißt es:
Der Rechnungshof und die Staatlichen Rechnungsprüfungsämter haben in ihren jeweiligen Kapiteln bei Titel 515 01 und 812 01 verschiedene Gegenstände zur Ausstattung von Diensträumen beschafft. In Einzelfällen wurden bei Beschaffungen die Höchstsätze bzw. Richtpreise der Verwaltungsvorschrift Ausstattung vom 2. Dezember 1997 überschritten. Details wurden mit dem Leiter der Präsidialabteilung erörtert. Auf den Rechnungsunterlagen sind nur teilweise Name und Funktion der vorgesehenen Nutzer angegeben. Diese Angaben sollten auf den begründeten Unterlagen zumindest dann angebracht werden, wenn sie für die Beurteilung der Einhaltung der in der Verwaltungsvorschrift enthaltenen Preisobergrenzen von Bedeutung sind.
Dies war das wörtliche Zitat aus dem dem Rechnungshofpräsidenten vorgelegten Vermerk, den er, wie gesagt, am 12. Mai 2000 abgezeichnet hat.
Ich habe als Berichterstatter in der Finanzausschusssitzung die Frage gestellt, ob es über diesen Vermerk Gespräche zwischen Mitarbeitern des Rechnungshofs und dem Präsidenten gegeben hat. Diese Frage habe ich mehrfach gestellt. Sie ist vom Rechnungshofpräsidenten jeweils deutlich verneint worden.
Dies war für mich Anlass, bei einem Besuch im Rechnungshof am 4. Dezember 2000 ein Gespräch mit dem Rechnungshofpräsidenten und mit dem für die Beschaffung zuständigen Beamten zu führen. Ich habe beide darauf aufmerksam gemacht, dass ich als Berichterstatter für die Prüfung des Rechnungshofs auftauche und nicht etwa als Untersuchungsausschuss oder Vorermittler für Disziplinarfragen, dass ich also auch Verständnis hätte, wenn die Bediensteten, also der Rechnungshofpräsident und sein Mitarbeiter für die Beschaffung, keine Auskünfte bezüg
lich der Frage geben würden, ob Gespräche stattgefunden haben.
Beide haben jedoch gesagt, sie wollten dazu Ausführungen machen. Der für die Beschaffung zuständige Beamte hat mir gegenüber in dem Gespräch ausdrücklich erklärt, dass er den Vermerk nicht nur am 12. Mai vorgelegt und zur Abzeichnung übersandt habe, sondern dass es am 12. Mai über den Vermerk auch ein persönliches Gespräch zwischen ihm und dem Rechnungshofpräsidenten gegeben habe.
Er hat mir in dieser Besprechung auch einen Vermerk gezeigt, den er nach seinen Angaben dem Rechnungshofpräsidenten persönlich vorgelegt hat, der entsprechende Unterstreichungen der angesprochenen Passagen, die ich vorhin zitiert habe, enthält. Er hat ausdrücklich bestätigt, dass ein solches Gespräch stattgefunden hat. Der Rechnungshofpräsident seinerseits hat in der Besprechung dargelegt, er könne sich an ein solches Gespräch nicht erinnern.
Ich habe dann ausdrücklich auf eine Gegenüberstellung und weitere Fragen verzichtet, weil ich der Auffassung bin, dass mir als Berichterstatter für die Rechnung des Rechnungshofs dies nicht zusteht. Ich wollte auch beide Bediensteten nicht in die Schwierigkeit bringen, im Hinblick auf mögliche disziplinarrechtliche Schritte ohne weitere Beratung Auskünfte geben zu müssen.
Dies bedeutet als Fazit: Der Bericht des Finanzausschusses, der Ihnen vorliegt, muss ergänzt werden: erstens um die entsprechenden Darlegungen der Überschreitungen der zulässigen Ausgaben, was die Einrichtung der Büros angeht, und vor allem zweitens um Darlegungen über die Information innerhalb des Hauses, also die Kenntnisnahme des Präsidenten, zumindest am 12. Mai 2000 durch Abzeichnung des Vermerks.
Meiner Ansicht nach ist auch der Bedienstete insofern glaubwürdig, als er schlüssig dargelegt hat, dass darüber auch ein Gespräch stattgefunden hat; denn seine Einlassungen – auch die Vorlage von entsprechenden Unterlagen – waren in sich schlüssig dargelegt.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte den Änderungsantrag der SPD-Fraktion, Drucksache 12/5962, begründen.
Wir schlagen vor, keine Entlastung zu erteilen. Zwei der Fälle – ein leichterer und ein sehr gravierender – fallen in das Jahr 1998. Die Begründung, dass die entsprechenden Beträge im Budget insgesamt enthalten gewesen seien, kann uns nicht davon abbringen, festzustellen, dass hier ein Verstoß gegen eine einschlägige Verwaltungsvorschrift vorliegt.
Die Nichtentlastung durch das Parlament hat nach der Landeshaushaltsordnung keine unmittelbare Rechtswirkung. Aber sie hat insofern eine Rechtswirkung, als dann, wenn
Folgerungen gezogen werden, die Verantwortung jeweils beim Rechnungshof verbleibt und sie nicht durch Entlastung auf das Parlament übergeht. Ich schlage vor, dass das Parlament hier die Entlastung nicht erteilt. Denn wir sollten den Fall nicht auf uns übernehmen. Er sollte exakt dort bleiben, wo er auch verbockt worden ist.
In Ziffer 2 unseres Änderungsantrags bitten wir den Präsidenten des Rechnungshofs, seine Versetzung in ein anderes Amt zu beantragen. In der Tat eine gravierende Forderung, die man begründen muss.
Der erste Punkt: Aus meiner Sicht ist die Glaubwürdigkeit des Präsidenten des Rechnungshofs infrage gestellt. Er hat meiner Ansicht nach auch bei der Frage des Verfahrens erhebliche Probleme gehabt, indem er zuerst gesagt hat: „Ich erfahre aus der Presse“, in der zweiten Stufe einräumt, dass es einen Vermerk gibt, und schließlich die entscheidende Aussage kommt: „Aber Gespräche hat es nicht gegeben.“
Jetzt steht hier Aussage gegen Aussage. Aber wir haben als Parlament nicht die Möglichkeit, die Frage zu überprüfen. Einer hätte diese Möglichkeit gehabt, nämlich der Landtagspräsident, der eine Vorermittlung in der Frage durchgeführt hat, ob ein Disziplinarverfahren einzuleiten ist.
Der Landtagspräsident seinerseits hat aber – das halte ich für bemerkenswert – schlicht unterstellt – – Ich nehme beide Aussagen zur Kenntnis. Er hat zum Beispiel den Rechnungshofpräsidenten als Betroffenen um eine Stellungnahme gebeten. Er hat aber nicht den betroffenen Bediensteten um eine dienstliche Äußerung zu dem Vorgang gebeten, um seinerseits darlegen zu können, welche plausiblen Gründe er dafür hat, dass am 12. Mai letzten Jahres ein Gespräch stattgefunden hat. Hier ist meiner Ansicht nach nicht alles ausgeschöpft worden, um den Tatbestand zu ermitteln. Auch da habe ich erhebliche Fragen, was die Glaubwürdigkeit angeht.
Herr Landtagspräsident – ich darf Sie jetzt nicht als Präsidenten, sondern als denjenigen ansprechen, der die Vorermittlungen durchgeführt hat –, für mich ist das Interessanteste an Ihren Bemerkungen, in denen Sie zu dem Ergebnis „kein Disziplinarverfahren, aber eine Rüge“ kommen: Ihr tragender Grundsatz ist: Sie erheben keinen Zweifel, dass ein Gespräch nicht stattgefunden hat.
Anders ausgedrückt: Hätte es aus Ihrer Sicht ein Gespräch gegeben, hätten Sie die Frage des Verschuldens und der Notwendigkeit, dies disziplinarrechtlich zu prüfen, anders gesehen. Deshalb halte ich es für ein Versäumnis, dass Sie dem betroffenen Bediensteten nicht die Möglichkeit eingeräumt haben, im Rahmen einer dienstlichen Äußerung seine Sicht der Dinge darzulegen und sie in das Verfahren einzubringen.
Die persönliche Glaubwürdigkeit wird auch nicht dadurch hergestellt, dass man sagt, man habe den Schaden wieder gutgemacht durch eine Sammlung innerhalb des Senats, in
dem man die überschießenden Beträge festgelegt hat. Meine Damen und Herren, dies kann doch kein Maßstab sein. Überlegen Sie sich einmal, was das für die öffentliche Verwaltung bedeutet, übrigens auch für die künftige Prüfung seitens des Rechnungshofs. Da lachen sich doch alle tot. Wir überschreiten, anschließend bezahlen wir dies, und die Sache ist erledigt. Wenn wir dies als Maßstab für die öffentliche Verwaltung nehmen, dann gute Nacht, öffentliche Verwaltung.
Der zweite Punkt: Ich meine auch, dass die Glaubwürdigkeit insbesondere des Rechnungshofpräsidenten gegenüber den zu prüfenden Behörden erheblich infrage gestellt ist. Wie wollen Sie künftig vor dem Hintergrund dieser konkreten Vorgänge, die wir besprechen, bei einer Behörde noch glaubwürdig Vorgänge prüfen, ohne ständig gewärtig sein zu müssen, entweder offen oder versteckt, mit Augenzwinkern oder auf welche Weise auch immer gesagt zu bekommen: „Was prüft ihr denn da so pingelig? Habt ihr vergessen, dass ihr vor kurzem doch im eigenen Bereich...?“ Dies ist eine Einschränkung Ihrer künftigen Möglichkeiten.
Übrigens, weil da gerade ein Zwischenruf kommt: Ich wäre mir sicher, dass Sie, Herr Kollege Haasis, Konsequenzen im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit der Innenrevision eines großen Unternehmens des Landes gegenüber dem übrigen Teil Ihres Unternehmens ziehen würden.
Da vertraue ich Ihnen voll. Da sind Sie Unternehmer und würden genau so handeln, wie wir es als Landtag meiner Ansicht nach auch tun müssten.
Der dritte Punkt, und der ist für mich genauso gravierend: Sie haben insofern keine Glaubwürdigkeit mehr, als Sie dem Generalverdacht unterliegen, entweder zu pingelig zu prüfen, weil Sie ständig beweisen müssen, dass Sie jetzt trotz des Fehlers ganz scharf sind, oder zu großzügig zu prüfen, um sich sozusagen nicht dem Verdacht auszusetzen, gegenüber Betrieben oder Behörden zu kleinkariert zu sein. Dieser Generalverdacht kommt heute zum Beispiel in einem Artikel der „Stuttgarter Zeitung“ sehr deutlich zum Ausdruck. Die Frage ist nicht: Unterliegt dem Artikel der richtige Tatbestand? Die Frage ist vielmehr: Sie unterliegen – das zeigt dieser Artikel sehr deutlich – permanent dem Generalverdacht, zu großzügig zu sein oder zu sehr Rücksicht zu nehmen. Dies schadet der Prüfung und der Offenheit und Glaubwürdigkeit einer Prüfung in diesem Land.
Lassen Sie mich zum letzten Punkt kommen. Ich glaube auch, die Glaubwürdigkeit nach innen ist nicht mehr gegeben. Als eines der Probleme neben diesen reinen Sachfragen, die wir erörtern, hat sich ergeben, dass innerhalb des Hauses offensichtlich erhebliche Führungsprobleme vorhanden sind. Da werden Dinge nach außen getragen. Da muss man gewärtigen, dass Dienstgeheimnisse nicht eingehalten werden. Da muss man gewärtigen, dass bestimmte Details aus Berichten hinausgehen. Dies alles hat etwas mit der Frage der inneren Führung zu tun. Und ein Chef, der durch sein Verhalten in dieser ganzen Frage so angeschlagen ist, kann nicht nach innen führen und kann deshalb keine glaubwürdige Führungspersönlichkeit für das eigene Haus sein.
Meine Damen und Herren, CDU und FDP/DVP haben in Ziffer 4 ihres Antrags Drucksache 12/5960 Folgendes geschrieben:
der Landtag geht mit der Beschlussfassung zu den Ziffern 1 bis 3 davon aus, dass die innere und äußere Autorität des Rechnungshofes alsbald wieder hergestellt wird.
Meine Damen und Herren, dies ist der Versuch der Gesundbeterei. Die Glaubwürdigkeit wird nur dann wieder hergestellt, wenn beim Rechnungshof auch ein klarer personeller Neuanfang gemacht wird.
Herr Präsident, wir beantragen namentliche Abstimmung über Ziffer 2 unseres Antrags, und wir bitten beim Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP um getrennte Abstimmung über Ziffer 1.
Nur damit klar ist, warum ich dagegen gestimmt habe: Ich bin ein Anhänger des Kenntnisgabeverfahrens. Das ist auch in meiner Zeit als Staatssekretär eingebracht worden. Ich bin dagegen, auf Dauer das Parallelverfahren einzuführen. Deswegen habe ich gegen diesen Gesetzentwurf gestimmt.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Erste Bemerkung: Ich glaube, wir sollten uns darüber klar sein, dass es bei der Finanzkontrolle um eine entscheidende Frage für das Parlament geht. Der Rechnungshof lebt von der Unterstützung des Parlaments, aber er lebt gleichzeitig von seinem untadeligen Ruf, von völliger Unabhängigkeit von Interessen,
und er lebt davon, dass er selbst untadelig ist, wenn er andere in der Landesverwaltung kontrolliert.
Deshalb ist diese Frage nicht irgendeine Frage, sondern eine entscheidende Frage für die Finanzkontrolle, die letztlich das Parlament ausübt.
Daran schließt sich die zweite Bemerkung an: Herr Kollege Pfister, zu sagen, wenn der Tagesordnungspunkt heute zurückgestellt werde, sei dies ein Erfolg,
weil dies nicht zu einer Entlastung führe und Ihr Koalitionspartner heute möglicherweise eine Entlastung hätte aussprechen wollen, halte ich für einen Treppenwitz.
Wer käme denn, wenn er einigermaßen seriös und vernünftig ist, überhaupt auf die Idee, heute eine Entlastung auszusprechen, wenn Vorwürfe im Raum stehen, die exakt dieses Rechnungsjahr betreffen?
Da kann es heute ja gar keine Entlastung geben,
sondern es muss abgewartet werden, bis die Ergebnisse der weiteren Ermittlungen vorliegen. Insofern kann es doch kein Erfolg sein, Herr Kollege, dass man etwas Selbstverständliches durchsetzt. Wenn Sie dies als Erfolg verkaufen müssen, muss ich Sie fragen, was eigentlich in Ihrer Koalition los ist; denn unter normalen Geschäftsleuten kommt so etwas überhaupt nicht infrage.
Dritter Punkt – jetzt geht es auch ans Parlamentsverständnis –: Was mich schon wundert – das sage ich jetzt als einer, der das relativ gelassen sehen kann –, ist: Da redet jeder. Da gibt Herr Pfister und da gibt Herr Oettinger, da geben alle möglichen Leute Erklärungen vor jedem Mikrofon ab, das ihnen vorgehalten wird, aber hier im Parlament soll nicht debattiert und entschieden werden. Was ist das für ein Parlamentsverständnis?
Dann der vierte Punkt: Herr Pfister, gestern haben Sie erklärt, die FDP/DVP-Landtagsfraktion wolle Herrn Landtagspräsidenten Peter Straub ersuchen, disziplinarrechtliche Vorermittlungen gegen Rechnungshofpräsident Martin Frank einzuleiten.
Ein Fraktionssprecher teilte am Dienstag mit, der Beschluss sei einstimmig gefallen.
Dann kommt die Begründung: wegen des Rufs des Rechnungshofs. Und dann sagen Sie: Pfister forderte den Koalitionspartner CDU auf, den Antrag zu unterstützen.
Wo bleibt Ihr Antrag, lieber Herr Kollege Pfister?
Der muss hier ins Parlament kommen. Dann hat das Parlament hier Gelegenheit, zu diesem Antrag seine Meinung zu sagen. Wo sind wir denn eigentlich,
wenn wir alles außerhalb des Parlaments erörtern, diskutieren und große Erklärungen abgeben und uns dann, wenn es darauf ankommt, hier im Parlament darum drücken, klare Entscheidungen zu treffen?
Herr Kollege Pfister, mein Fraktionsvorsitzender hat vorhin eine Erklärung zu dem Vorgang abgegeben und gesagt – er hat das Bild verwendet –, Sie seien als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet.
Entschuldigung, mit Verlaub! Das ist fast eine Beleidigung für einen Bettvorleger. So, wie Sie sich verhalten, ist der Bettvorleger eine Perserbrücke im Vergleich zu Ihrem Verhalten, Herr Kollege Pfister,
weil Sie gestern noch klare konkrete Anträge angekündigt haben,
sich heute Morgen noch ähnlich verhalten haben, aber im Laufe des Mittagessens von Ihrem Koalitionspartner umgedreht worden sind und jetzt nicht das tun dürfen, was Sie gestern noch gewollt haben. Dies ist der eigentliche Punkt.
Nein, das hat nichts mit Dramatisierung zu tun. Ich sage das auch in Ihre Richtung, lieber Herr Kollege.
Nein, nein. Das ist schon eine Frage des Parlamentsverständnisses. Wer ein bisschen Selbstachtung vor seiner eigenen Funktion hat, der kann diesen Antrag der FDP/DVP nur ablehnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Oettinger, zur Sache, damit klar ist, worum es hier geht: Es geht nicht um einen Riesenbetrag, aber es geht um die Frage, wie man sich unter dem Aspekt, dass man andere zu kontrollieren hat, selbst verhält. Da muss man absolut über jeden Verdacht erhaben sein. Das ist der eine Aspekt.
Den anderen Aspekt will ich hier noch einmal einbringen. Er ist für mich, Herr Kollege, auch insofern gravierend, als wir einen Rechnungshofpräsidenten haben, der auch als Behördenleiter seinerseits über jeden Verdacht erhaben sein muss.
Akt 1 war der Tatbestand selbst, nämlich der Verstoß gegen die Verwaltungsvorschrift des Finanzministeriums im Zusammenhang mit der Beschaffung von Einrichtungen – über einige Jahre hinweg, schon begonnen von seinen Vorgängern. Das war Akt 1.
Akt 2: Die Presse recherchiert. In diesem Zusammenhang sagt der Rechnungshofpräsident: Ich erfahre durch Ihre Recherche zum ersten Mal von diesen Tatbeständen, also durch das Nachfragen der Presse – so seine eindeutige Aussage.
Akt 3: Im Finanzausschuss muss er einräumen, dass er mit einem Schreiben vom 3. oder 4. Mai dieses Jahres über den Tatbestand informiert worden ist und dass er, sozusagen unter diesem Aspekt, einräumen müsse, dass er durch den Aktenvermerk schon vorher informiert worden ist. Er selbst hat ihn nämlich am 12. Mai abgezeichnet.
Akt 4 war dann, dass ich – weil ich das Verhalten von verantwortlichen Beamten, die sozusagen unterhalb ihres Chefs stehen und sich möglicherweise absichern, ja ein bisschen kenne – in dieser Finanzausschusssitzung fragte, ob es in den letzten eineinhalb Jahren Gespräche über die Frage der Beschaffung gab. Die Antwort des Präsidenten war nein. Auf meine Frage, ob ein Beamter ihn angesprochen habe, um sich rückzuversichern, antwortete er ebenfalls mit Nein. Eine weitere, ähnliche Frage meinerseits wurde genauso verneint.
Daraufhin habe ich gesagt – nachdem Sie mit Mehrheit verweigert haben, dass die Sache noch einmal im Finanzausschuss erörtert wird; das haben Sie verweigert, es war unser Vorschlag –:
Gut, dann muss ich selbst ermitteln, denn das will ich genau wissen. Ich bin nach Karlsruhe gefahren und habe beide gemeinsam – –
Er hat zur Sache gesprochen; deshalb will ich noch einmal den Tatbestand erläutern.
Ich habe beide gefragt, den Rechnungshofpräsidenten und den für die Beschaffung zuständigen Beamten, ob es darüber Gespräche gegeben hat. Ich habe übrigens beide darauf hingewiesen, dass ich Verständnis dafür hätte, wenn sie keine Auskunft gäben, weil dies möglicherweise im Hinblick auf Disziplinarverfahren relevant wäre und ich niemand in Schwierigkeiten bringen will.
Nein, eben nicht, deshalb habe ich diesen Satz gerade schon mit Bedacht gesagt, lieber Herr Kollege.
Daraufhin hat mir der Beamte mitgeteilt, dass er diesen Vermerk mit dem Rechnungshofpräsidenten am 12. Mai persönlich erörtert habe. Er hat mir einen Vermerk gezeigt, auf dem er die Stelle, bei der es um die entsprechenden Beschaffungen ging, mit einem üblichen Marker hervorgehoben hat. Er hat auch gesagt, er habe keine Summen genannt, aber den Tatbestand mit ihm erörtert. Herr Frank hat erklärt, er könne sich an dieses Gespräch nicht erinnern.
Dies ist der Tatbestand. Ich habe dann auf weitere Befragungen ausdrücklich verzichtet, weil ich niemanden – auch im Hinblick auf mögliche Verteidigungsstrategien – in Schwierigkeiten bringen wollte. Ich bin in der Tat kein Ermittlungsrichter, sondern ich bin Berichterstatter für den Finanzausschuss, um die wichtigsten Tatbestände zu ermitteln.
Also, Herr Kollege Oettinger: Es geht letztlich um drei Dinge, die völlig getrennt zu sehen und unterschiedlich sind.
Das eine ist die Frage des persönlichen Verhaltens der beteiligten Beamten, eine Frage des Dienststrafrechts.
Die zweite Frage: Das Richtergesetz sagt ausdrücklich: Es gibt auch eine Versetzungsmöglichkeit unabhängig von der Frage des Verschuldens, nämlich im Hinblick auf eine Belastung für die Rechtspflege. Dieser Tatbestand ist hier analog anzuwenden: § 31 des Richtergesetzes. Meiner Ansicht nach ist zu untersuchen, ob eine Behördenleitung nach diesen Vorgängen – im Hinblick auf ihre eigene Funktion, nämlich der Prüfung bei anderen – noch tragfähig ist. Das ist der zweite Tatbestand, der sozusagen „politisch“ zu entscheiden ist.
Der dritte Tatbestand ist die Frage der Entlastung. Das ist ein reines Instrument der Landeshaushaltsordnung.
Dies sind drei völlig unterschiedliche Punkte, zu denen sich das Parlament meiner Ansicht nach eine Meinung zu bilden hat.
Jetzt habe ich noch zwei kurze Bemerkungen. Für mich war eines interessant, Herr Pfister. Sie haben gerade selbst gesagt, Sie hätten gestern in Ihrer Fraktion einen Antrag beschlossen.
Also: Sie hatten einen Antrag?
Warum bringen Sie den Antrag hier nicht ein?
Also ist der Tatbestand doch erfüllt, dass Sie ursprünglich gestern und noch bis heute Morgen hier einen Antrag einbringen wollten.
Diesen haben Sie zurückgezogen und nicht weiterverfolgt im Hinblick auf das Verhalten Ihres Koalitionspartners.
Jetzt noch der letzte Punkt: Herr Oettinger hat gerade eben von diesem Pult aus zu Ihnen gesagt: Woher wissen Sie eigentlich, dass der Herr Landtagspräsident dienststrafrechtliche Ermittlungen – diese beginnen ja mit der Vorermittlung – eingeleitet hat oder einleitet?
Das ist infrage gestellt worden. Ich kann jetzt ja schlecht den sitzungsleitenden Präsidenten fragen, welche Position er dazu hat.
Jetzt ist Ihnen durch das Verhalten Ihres Koalitionspartners letztlich aber auch jede Begründung dafür entzogen worden, dass wir heute nicht zur Abstimmung kommen sollen. Denn wenn die Frage unklar ist, ob überhaupt etwas eingeleitet ist, dann müssen Sie Ihren Antrag hier einbringen. Dann müssen wir hier als Parlament sagen: Wir wollen dies. Dies wäre die klare Konsequenz, die Sie ziehen müssten.
Herr Minister, stimmen Sie mir darin zu, dass die Mitwirkung bei der zuständigen Behörde natürlich eine Frage der Bundesländer ist, dass das Problem aber exakt darin besteht, dass Sie die Frage der Zuständigkeit – und das ist eine reine Verwaltungsbetrachtung – dazu nutzen wollen, die politische Regelung im Bundesrat infrage zu stellen und zu kippen,
dadurch selbst in die Gefahr geraten, verfassungsrechtlich problematisch zu handeln, weil Sie eine verfahrensrechtliche Bestimmung zu einer politischen Auseinandersetzung nutzen, die im Bundesrat in dieser Form möglicherweise gar nicht zulässig ist?
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg ist geprägt durch eine ausgesprochene Stärke in der Produktion. Andererseits brauchen wir eine Dynamik in der Entwicklung von Dienstleistungen. Wenn dies so ist, brauchen wir für beides endlich die notwendige Infrastruktur. Die notwendige Infrastruktur – das war bisher die Position der Landesregierung – ist erstens ein Flughafen, der in Arbeitsteilung mit anderen Flughäfen in der Bundesrepublik – was darüber hinaus den Charterverkehr angeht, bahnen sich ja auch landesinterne Kooperationen an – vor allem landseitig verbessert werden muss, zweitens eine Messe, die modernsten Gesichtspunkten entspricht und verkehrlich optimal eingebunden ist – denn das wäre der Standortvorteil dieser Messe –, und drittens ein Projekt Stuttgart 21 einschließlich der Einbindung in den europäischen Fernverkehr mit der Anbindung von Messe und Flughafen im jetzigen Bereich. Dies sind die drei Punkte, über die bisher Konsens bestand.
Wenn man dies will, braucht man in diesen Fragen Verlässlichkeit. Es darf nicht sein, dass man seine Positionen permanent ändert und sie infrage stellt und so zu Spekulationen Anlass gibt. Wir haben diese Debatte deshalb beantragt, um heute in diesem Parlament Klarheit zu bekommen. Meiner Ansicht nach geht es nicht an, dass in diesen Fragen permanent Verunsicherungen entstehen.
Was war die erste Verunsicherung? Der Flughafenchef hat in einem Interview mit einer Zeitung plötzlich erhebliche Umbaupläne für den Flughafen sozusagen in die Öffentlichkeit gebracht – gegen den bisherigen Konsens in der Politik und gegen die bisher vorhandene gemeinsame Meinung, den Flughafen Stuttgart im Rahmen dieser Arbeitsteilung der Flughäfen zu betrachten.
Die zweite Verunsicherung war ein Brief des Herrn Wirtschaftsministers vom 12. September 2000, mit dem er sich an 50 Unternehmen wendet. In diesem Brief heißt es wörtlich – ich darf zitieren –:
Man muss aber ganz selbstverständlich getroffene Entscheidungen immer wieder einmal hinterfragen und an den Realitäten messen, zumal wenn sich diese geändert haben.
Dies ist der Satz des Herrn Döring. Dies ist nicht ein Hinterfragen nach dem Motto „Liebe Wirtschaft, unterstützt uns stärker“. Dies ist ein Hinterfragen der bisherigen Position der Landesregierung. Dazu brauchen wir jetzt klare Auskünfte: Steht die Landesregierung zu ihrer bisherigen Politik, oder steht sie nicht zu ihrer Politik?
Herr Ministerpräsident, was muss die Bevölkerung im Filderraum glauben, die bisher von einer bestimmten Position, etwa beim Ausbau des Flughafens, ausging, wenn jetzt plötzlich andere Überlegungen einerseits durch den Flughafendirektor und andererseits durch den Wirtschaftsminister dieses Landes kommen, der in seinem Brief von einem „internationalen Flughafen“ spricht?
Was muss eine Bevölkerung glauben, der man sagt, dies seien zusätzliche Belastungen? Es sind erhebliche Einschränkungen dort oben. Damit hat es aber sozusagen mit der Gesamtplanung sein Ende. Die Bevölkerung glaubt uns doch nichts mehr. Damit ist das Entscheidende, was wir auch brauchen, nämlich ein Mindestkonsens im dortigen Raum, gefährdet. Herr Noll und andere haben darauf zu Recht hingewiesen.
Wenn dieser Konsens gefährdet wird, ist die Infrastruktur gefährdet, und damit sind wesentliche Punkte für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg gefährdet.
Sie haben darüber hinaus noch rechtliche Probleme aufgeworfen. Sie haben hier ein Messegesetz beschlossen, in
dem steht, dass der Bedarf für die Messe sozusagen gesetzlich vorgegeben wird, und gleichzeitig sagt der Wirtschaftsminister in seinem von mir bereits zitierten Brief, dass er das mittlerweile möglicherweise überdenken will, dass sich die Frage stellt, ob der Bedarf überhaupt noch gegeben ist. Wie kann ein Minister dieser Regierung, die zuvor gesagt hat, sie brauche das Gesetz, solche Briefe formulieren, die dem Gesetz den entscheidenden Hebel entziehen? Ich halte dies für unverantwortlich.
Deshalb, Herr Ministerpräsident, brauchen wir heute Klarheit. Der Herr Wirtschaftsminister zieht es ja vor, eine Auslandsreise zu machen.
Moment. Nein, nein, dazu sage ich Ihnen gleich etwas, liebe Kollegen von der FDP/DVP. Ich war ja in der letzten Legislaturperiode in der Situation, in der heute Herr Mehrländer ist. Nur kann ich mich erinnern: Mein Minister hat in der gleichen Situation eine Auslandsreise abgesagt und mich die Auslandsreise machen lassen, damit er hier im Parlament Rede und Antwort stehen konnte, weil er die Sache für wichtig gehalten hat. Dies ist der Unterschied, auch im Ansatz der Politik.
Deshalb erwarte ich heute nicht nur eine Antwort des zuständigen Staatssekretärs, sondern auch eine Antwort des Ministerpräsidenten, damit endlich wieder Klarheit in diese Diskussion kommt.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kiel, Sie haben auf die Vergangenheit, die mit der Aktuellen Debatte nichts zu tun hat, aber mit dem Flughafen etwas zu tun hat, hingewiesen. Sie haben damals als Landesvorsitzender der FDP/DVP eine Position zum Flughafenausbau vertreten, die Sie letztlich das Amt gekostet hat. Ihr Nachfolger heißt Döring. Also wusste der Herr Wirtschaftsminister, auf welches Gebiet er sich begibt.
Das Zweite ist – das will ich schon noch aufgreifen – diese Auslandsreise. Herr Staatssekretär, Sie brauchen mich nicht davon zu überzeugen, wie bedeutend Auslandsreisen und auch solche Symposien sind.
Moment! – Das ist doch völlig klar. Wer wäre ich denn, wenn ich die Bedeutung eines Staatssekretärs herunterspielen würde?
Aber, meine Damen und Herren – Herr Oettinger, Sie haben doch den Brief ziemlich deutlich qualifiziert –, eines geht nicht: dass man, ohne zu überlegen oder vielleicht in Vorbereitung einer Veränderung – dann wäre es mindestens genauso schlimm – einen Brief in die Welt setzt und nachher die anderen die Kastanien aus dem Feuer holen lässt, anstatt dass man sich selbst hier hinstellt und die Dinge bereinigt, indem man sagt: Dieser Brief war ein Blödsinn.
Oder ich will tatsächlich eine Veränderung der Position.
Sofort, Herr Kollege. – In diesem Brief heißt es, man müsse aber ganz selbstverständlich getroffene Entscheidungen immer wieder einmal hinterfragen. Dieser Satz hat mehr Bedeutung. Entweder ist das ein Satz, der nicht ernst zu nehmen ist; dann ist der Briefschreiber nicht mehr ernst zu nehmen. Oder der Satz ist wichtig; dann hat er ihn auch selbst zu vertreten.
Bitte schön, Herr Kollege Pfister.
Was der Kollege Kiel gesagt hat, trifft schlicht nicht zu. Natürlich war uns allen bekannt, dass eine Auslandsreise geplant war. Machen wir es, nachdem dieser Stil hier einreißt, künftig doch so: Ein Ministerium hat, nachdem die Parlamentssitzungen über ein Jahr vorher festgelegt werden, bei seinen Reiseplanungen – das muss ich hier auch einmal ganz deutlich sagen –gefälligst auf diese Sitzungen Rücksicht zu nehmen.
Ich will diesen Beifall der CDU ausdrücklich positiv quittieren, weil damit deutlich gemacht wird: Das Parlament muss endlich einmal zeigen, dass die Regierung nicht tun und lassen kann, was sie will.
Jetzt noch zwei Punkte zur Sache. Erste Bemerkung zur Sache selbst, damit unsere Position klar ist: Wir sind dafür, dass der Flughafen Stuttgart mit anderen Flughäfen, was den internationalen Bereich angeht, aber auch mit den baden-württembergischen Flughäfen – Söllingen, Lahr und Friedrichshafen sind angesprochen worden – kooperiert. Darin sind wir völlig einig. Wir brauchen einen weiteren
landseitigen Ausbau, dort muss Wesentliches verbessert werden. Auch darüber besteht Konsens.
Im Übrigen, Herr Kollege Kretschmann: Die entscheidenden Zuwachsraten bei den Flugbewegungen sind die im Charterbereich und im Cargobereich. Da bietet sich geradezu eine Kooperation mit anderen Flughäfen an.
Das ist vernünftig, weil dann eine größere Nähe zu den potenziellen Kunden für entsprechende Urlaubscharterflüge gegeben ist. Insofern gibt es überhaupt keinen Dissens.
Den Dissens gibt es offensichtlich nur mit dem Herrn Wirtschaftsminister, der einen Ausbau zum internationalen Flughafen im dortigen Bereich angesprochen hat.
Unsere Position ist klar: Wir bleiben bei unseren bisherigen Aussagen, die Grundlage für den jetzigen Flughafenausbau und die Startbahnverlängerung waren.
Zweiter Punkt: Wir wollen die Messe. Ich sage übrigens auch ganz deutlich: Die Koppelung an diesen Standort ist optimal.
Wer in die Messelandschaft schaut – in München, in Leipzig und an anderen Standorten –, der wird erkennen: Eine Messe ist im Gegensatz zu Flughäfen, bei denen wir sozusagen öffentliche Aufgaben erfüllen, auch in der Infrastruktur, eine Sache des Wettbewerbs, bei dem also Messen untereinander konkurrieren. Die Erfolgschance der Messe Stuttgart liegt letztlich in der luft- und bahnseitigen Verknüpfung.
Dies ist der große Vorteil beim Vergleich mit anderen Messeplätzen.
Damit, lieber Herr Noll, bin ich beim dritten Punkt. Was glauben Sie, was bei dieser labilen Geschichte die Bundesbahn, die 16 Jahre Ihrer Politik letztlich auch mit in den Ruin getrieben haben, wie sich nach den neuen Zahlen des Herrn Mehdorn jetzt langsam herausstellt,
denken muss im Hinblick auf die Fernbahntrasse, im Hinblick auf einen Durchgangsbahnhof Stuttgart, wenn der Wirtschaftsminister des Landes einen entscheidenden Faktor der Rentabilität, nämlich die Anbindung des Flughafens und der Messe, infrage stellt, indem er solche Briefe schreibt? Dies ist doch der entscheidende Punkt.
Obwohl Sie alle sagen: „Wir brauchen das ganz dringend“ – in der Sache sind wir da ja völlig einig, wir brauchen Stuttgart 21, und wir brauchen die Einbindung in den Ge
samtverkehr –, stellen Sie das mit solchen Briefen wieder ein Stück weit infrage und treiben damit wiederum einen Sargnagel in solche Entscheidungen. Das halte ich für unvertretbar.
Letzter Punkt: Herr Kretschmann, ich respektiere Ihre Position, auch wenn es nicht meine ist; das ist völlig klar. Aber Sie haben einen entscheidenden Satz gesagt, nämlich: Wir als Gegner dort oben müssen eigentlich Herrn Döring für seinen Brief dankbar sein.
Genau das ist der Punkt.
Ein solcher Brief – und deshalb ist er so entscheidend – untergräbt das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Politik, in ihre Aussagen, bezogen auf den Flughafen einerseits und auf die Messe andererseits. Was sollen die Menschen dort oben denken?
Übrigens, Herr Kollege Oettinger: Die SPD-Landtagsfraktion hat zur Messe eine klare Position, die Regionalversammlungsfraktion hat eine klare Position.
Die Regionalversammlungsfraktion hat eine sehr eindeutige, einmütige Position zur Messe. Dass es im örtlichen Bereich einzelne Gemeinderäte gibt, die eine andere Position haben, übrigens in allen Parteien, ist nicht das Problem. Aber wenn man solche Briefe schreibt, Herr Kollege, wenn man so etwas anrichtet wie mit diesem Brief, dann hat man vor Ort genau einen weiteren Widerstand befördert, weil keine Zuverlässigkeit besteht. Deswegen ist heute meiner Ansicht nach auch der Ministerpräsident gefordert, für die Landesregierung insgesamt klarzumachen, wohin die Reise geht.
Herr Kollege Kiel, warum haben Sie dann im Dezember dem Antrag unserer Fraktion nicht zugestimmt, die Stiftung nicht zu gründen und bezüglich des Verkaufs zu warten, bis die Rechtsänderung beim Bund durchgeführt worden ist?
Herr Kollege, vor dem Hintergrund, dass wir uns einig darüber sind, dass es sich hier um ein schwieriges Gebiet handelt,...
... bei dem noch sehr viele Verhandlungen, Vereinbarungen und wahrscheinlich eine große Zurückhaltung notwendig sind, frage ich Sie: Würden Sie mir erstens zustimmen bei der Feststellung, dass ein Assoziationsabkommen mit der Republik Türkei von einer CDU/CSU-FDP-Bundesregierung abgeschlossen worden ist? Würden Sie mir zweitens zustimmen, dass Grundentscheidungen bezüglich der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen – zwar nicht die formalen Entscheidungen, aber die Vorentscheidungen – auch unter der Regierung von CDU/CSU und FDP gefällt worden sind?
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Bemerkung zum Verfahren, Herr Kollege, damit das einmal völlig klar ist: Der „Lothar“ war an Weihnachten des letzten Jahres.
Das wussten Sie vorher. Es hätte Ihnen gut angestanden, ganz schlicht vier Wochen früher tätig zu werden. Dann hätten wir den Nachtragshaushalt ordnungsgemäß beraten können, ohne die heutige Sondersitzung durchführen zu müssen.
Für mich ist das auch ein Zeichen: Wenn man nicht einmal fähig ist, den Kalender anzuschauen und Vorlagen so rechtzeitig zu machen, dass wir eine vernünftige Beratung durchführen können, spricht das nicht für Sorgfalt und Solidität.
Lassen Sie mich zu unseren haushaltspolitischen Alternativen kommen.
Die erste – und darauf möchte ich eingehen, weil Sie das am Schluss in besonderer Weise betont haben –: In der Tat verringert dieser Nachtrag die im Uretat ursprünglich vorgesehene Kreditaufnahme. Hintergrund dafür sind aber ausschließlich zu erwartende Steuermehreinnahmen. Diese hängen mit bundespolitischen Maßnahmen zusammen. Ich erinnere an das Bereinigungsgesetz, mit dem in erheblichem Umfang Steuerschlupflöcher geschlossen worden sind, was uns übrigens bis hin zur kommunalen Seite – ich verweise auf die Gewerbesteuern – deutliche Mehreinnahmen bringt. Hinzu kommt die besser laufende Konjunktur, die ebenfalls zu Steuermehreinnahmen führt.
Nur, Herr Kollege: Haushaltskonsolidierung ist für mich etwas anderes,
als einfach die Einnahmen fortzuschreiben und zu sagen: „Gut, prima, damit verringern wir die Schuldenaufnahme.“ Dazu hätten Sie gar nicht viel zu machen brauchen. Im Haus bestand nämlich schon bei der Verabschiedung des Uretats Konsens darüber, dass alle Steuermehreinnahmen zur Verringerung der Schuldenaufnahmen verwendet werden sollten.
Es fehlt aber völlig eine wirkliche Konsolidierung, nämlich innerhalb des Haushalts Umschichtungen und Neugewichtungen vorzunehmen, um dadurch unabhängig von Unwägbarkeiten der Steuermehr- oder -mindereinnahmen den Haushalt in Richtung Konsolidierung zu bringen, die uns langfristig die Möglichkeit gibt, von der Schuldenaufnahme herunterzukommen. Das ist Ihr entscheidendes Versäumnis. Ich habe überhaupt keinen solchen Ansatz gefunden, sondern Sie surfen auf den Steuermehreinnahmen, und Sie werden auch später auf den Steuermindereinnahmen surfen und die Kreditaufnahme erhöhen. Diese Politik haben Sie in den letzten Jahren immer betrieben, und dies
ist keine solide Finanzpolitik, weil sie keine Zukunftsvorsorge trifft.
Ich will Ihnen einmal ein Beispiel nennen, Herr Kollege: Wir reden in diesem Hause an vielen Stellen über die wahnsinnige Last, die im Zusammenhang mit der Beamtenversorgung vor uns steht. Dafür ist bisher aber keine einzige Mark vorgesehen. Wir wissen nicht, wie dies finanziert werden soll. Die eigentliche finanzpolitische Bewährungsprobe wird auf uns zukommen, wenn wir in fünf, sechs Jahren erstmals gleich viel für die Beamtenversorgung wie für die Besoldung der aktiven Beamten bezahlen müssen. Das wird dann unseren Haushalt auseinander reißen. Dabei wird es um die Größenordnung von 7 bis 9 Milliarden DM an zusätzlichen Verpflichtungen gehen, die heute nicht vorgesehen sind.
Herr Finanzminister, ich vermisse bei Ihnen jede Vorsorge in dieser Richtung. Gerade in einer Zeit von Steuermehreinnahmen bestünde die Chance, substanziell und strukturell im Haushalt etwas zu verändern. Deshalb kommen wir ganz bewusst noch einmal auf unsere Alternative zurück,
die Chance der Privatisierung zu nutzen, um die Schulden zu verringern. Es ist unserer Ansicht nach zwingend notwendig, Positivvermögen, das wir verkaufen, zum Abbau von Negativvermögen – sprich von Schulden – zu verwenden und dadurch gleichzeitig langfristig den Haushalt zu entlasten und durch Einsparungen bei Zinsen und Tilgung Spielraum für notwendige Maßnahmen im Haushalt zu gewinnen.
Das ist die Alternative. Sie hätten unseren Vorschlag aufgreifen können, keine Stiftung zu gründen, sondern zuerst die steuerrechtlichen Regelungen abzuwarten. Diese waren übrigens ursprünglich für das kommende Jahr vorgesehen. Sie haben das Inkrafttreten im Bundesrat verhindert, sodass dies erst ein Jahr später erfolgen kann.
Wir hätten dies nämlich ansonsten steuerfrei durchführen können.
Sie tun gerade so, als hätten Sie unter Zeitdruck gestanden. Sie haben doch bis heute überhaupt nichts fertig gebracht. Sie wollten doch ursprünglich einen Nachtrag erstellen, in dem Sie die Erlöse aus der Privatisierung der EnBW unterbringen wollten. Jetzt stehen Sie mit abgesägten Hosen da, weil Sie es nicht hinkriegen. Dann hätten Sie auch noch das eine Jahr abwarten und das Ganze steuerrechtlich vernünftig machen können.
Der zweite Punkt, den ich ansprechen will: Wir haben ganz bewusst noch einmal die Anträge zum Bereich Investitionen auf den Tisch gelegt. Unserer Ansicht nach muss jetzt die Chance genutzt werden, vor allem bei der Altbausanierung voranzukommen.
Dabei lautet die entscheidende Frage, die es zu erörtern gilt: Wie können wir bei dem an den ökologischen Problemen, die wir haben, Hauptbeteiligten, nämlich dem Hausbrand, einen entsprechenden Impuls geben und zu Verbesserungen kommen, auch im Hinblick auf unsere Verpflichtung zur CO2-Minderung? Die große Chance liegt in der Altbausanierung. Das Fantastische an der Altbausanierung ist, dass jede Mark, die wir in ein Zuschussprogramm einstellen, private Investitionen in Höhe von etwa 7 DM anschiebt. Daher ist die Ausweitung dieses Programms zwingend geboten, weil es ökologisch vernünftig ist und vor allem unseren mittelständischen Betrieben im Baubereich in erheblichem Maße eine Stabilisierung ihrer Konjunktur bringt. Deshalb sollten Sie heute an dieser Stelle mitmachen. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Beitrag in dieser Richtung.
Das Gleiche gilt für den Straßenbau. Unseren Antrag dazu haben wir heute ganz bewusst noch einmal vorgelegt. Eines geht nicht: über Jahre hinweg den Landesstraßenbau zu vernachlässigen und in Richtung Bund große Töne zu spucken, aber dann, wenn man selbst verantwortlich ist, nichts zu tun. Deshalb: Stimmen Sie unserem Antrag zu; dann sind Sie auch in der anderen Frage glaubwürdiger.
Wir haben uns – auch nach Gesprächen, die wir geführt haben – jetzt entschlossen, den Antrag zum Thema Hockenheim noch einmal einzubringen. Unserer Ansicht nach sind wir in großen Schwierigkeiten, wenn wir nicht heute den Entschluss fassen, die Mittel sowie auch Verpflichtungsermächtigungen einzustellen. Damit legt sich heute noch niemand auf die endgültige Größenordnung fest.
Aber Sie haben doch gar keine Chance mehr, wenn Sie morgen eine Maßnahme ergreifen wollen. Dann sind Sie in der Lothar-Situation, die Sie selbst beklagen. Dann sind Sie genau in der Situation, dass Sie gerne etwas täten, aber keine Vorsorge im Haushalt getroffen haben. Deshalb: Wer Hockenheim in den weiteren Gesprächen als Standort und damit auch in erheblichem Umfang weitere Einnahmen sichern will – es geht hier nicht allein um das Rennen, sondern um alles, was darum herum ist und erhebliche strukturelle Auswirkungen für den dortigen Standort hat –, muss heute entsprechende Mittel und auch Verpflichtungsermächtigungen einstellen, damit er in der Zukunft überhaupt handlungsfähig ist.
Sie versäumen dies. Sie reden zwar draußen herum; Sie gehen am Sonntag zum Rennen; aber Sie sind nicht bereit, hier im Parlament die notwendige Vorsorge zu treffen, um dies auch haushaltsrechtlich abzusichern und tätig werden zu können.
Lassen Sie mich noch zum Thema Bildung und zu unserer Alternative kommen. Ich glaube, es gibt in diesem Hause unabhängig von allen Diskussionen einen Konsens, nämlich den, dass wir mit Sorge die Veränderungen betrachten, deren negative Auswirkungen etwa in der Jugendgewalt und deren deutlicher Zunahme zum Ausdruck kommen. Das ist nur die Spitze des Eisbergs. Darunter bleibt eine gewaltige Veränderung unserer Familienstrukturen, auch der mangelnden Bindungen in diesem Bereich festzuhalten.
Hier müssen wir ganz realistisch ansetzen und müssen dagegenhalten. Ein Punkt: Wir müssen die Familie stärken. Das hängt mit den ökonomischen Bedingungen zusammen. Deshalb war es richtig, dass die Bundesregierung als erste und wichtigste Maßnahme in diesem Bereich eine deutliche Verbesserung der fiskalischen und ökonomischen Situation der Familien durch erhöhtes Kindergeld, Verringerung des Grundfreibetrags etc. durchgesetzt hat. Diese Schritte werden weitergehen.
Das Zweite: Wenn wir heute aus der Entwicklungspsychologie wissen, dass das Urvertrauen das Entscheidende ist, was Kinder mitbekommen, und dass sie das letztlich in ihrer ersten Lebensphase mitbekommen
ja, aber dann muss man etwas dafür tun –,
dann müssen wir die Familien stärken. Deshalb war es richtig, das Bundeserziehungsgeld zu verbessern, und Sie sollten endlich nachziehen, damit wir das auf Landesebene entsprechend machen können.
Moment, jetzt kommt der für mich entscheidende Punkt: Das Entscheidende, was wir machen müssen, ist, Männer und Frauen in gleicher Weise zu beteiligen und sie auch fiskalisch und ökonomisch in die gleiche Lage zu versetzen, damit sich auch Männer stärker in dieser ersten Familienphase engagieren und das nicht nur eine Aufgabe der Frauen bleibt.
Denn wer dies realistisch umsetzen will – denn Frauen können sich heute auch nicht mehr eine lange Phase außerhalb ihres Berufs leisten –, der muss die Männer stärker be
teiligen, damit die Frauen noch ein wenig Fühlung mit ihrem Beruf haben können, ohne dass die Grundsicherung der Kinder in der Familie gefährdet wird. Deshalb gehört beides zusammen. Da haben Sie noch Nachholbedarf,
gerade auch in der Gestaltung des eigenen Landeserziehungsgelds, ergänzend zu den Initiativen des Bundes.
Zur Schule: Mir geht das, was die Frau Kultusministerin macht, nicht weit genug. Es ist völlig richtig: Wir brauchen eine verbindliche Grundschule für bestimmte Zeiten, in denen garantiert ist, dass die Kinder in der Schule sind und damit auch für die Familien Sicherheit besteht. Aber meiner Ansicht nach darf man dies, Frau Kultusministerin, nicht ausschließlich unter dem Aspekt der Betreuung sehen. Ich habe große Sorge, wie die Entwicklung weitergeht. Ihre Vorstellungen laufen letztlich darauf hinaus: Was die Schule im Kernbereich angeht, lassen wir alles beim Alten, und darauf setzen wir zusammen mit den Kommunen die Betreuung und können die dann natürlich für einen bestimmten Zeitraum gewährleisten. Ich rede jetzt noch gar nicht vom Geld. Darüber haben wir beim letzten Mal diskutiert; darauf verweise ich. Aber für mich wird die eigentliche Chance nicht wahrgenommen, die darin besteht, die Schule insgesamt umzugestalten.
Schule darf nicht nur Wissensvermittlung sein. Schule muss auch Betreuung und Lebensraum sein. Lehrer müssen endlich mit ihrem Deputat, mit ihrer Verpflichtung in diese Betreuung eingeschaltet werden.
Defizite, die wir heute bei jungen Menschen feststellen, sind nur ausgleichbar durch personale Bezüge von Lehrern zu ihren Schülern.
Dies erreicht man nicht durch reine Wissensvermittlung, so wichtig diese ist. Dies erreicht man, indem Lehrer mit ihren Schülern in der Schule spielen, indem sie mit ihnen essen, indem sie in diesem Bereich in anderer Weise mit ihren Schülern umgehen,
Schule zum Lebensraum wird und man dadurch personale Beziehungen und damit Stabilisierung schafft.
Das wissen wir heute aus vielen Schulen, an denen dies gemacht wird. Aber für Sie ist Schule nach wie vor nur ein Ort der Wissensvermittlung.
Übrigens: Der Einstieg über die Grundschule in andere Schularten wäre auch der Schlüssel für eine für alle vernünftige Verkürzung der Schulzeiten. Dann müssen wir aber auch die Schulstruktur verändern, nicht nur in der Grundschule, sondern über die Grundschule hinaus auch in den anderen Schularten.
Deshalb, glaube ich, ist es ganz entscheidend, dass wir über die Frage der Lehrerstellen hinaus noch viel stärker die pädagogische Seite in der Diskussion berücksichtigen; denn ich glaube, wir vertun im Augenblick Chancen, angesichts der gesellschaftlichen Veränderungen eine Stabilisierung im Interesse der Kinder in unserer Gesellschaft einzuleiten.
Lassen Sie mich noch eine letzte, kurze Bemerkung zum Thema Lehrerfeuerwehr machen, weil Sie das angesprochen haben. Ich habe eines nie begriffen:
Sie stellen Mittel zur Verfügung, stellen, wie Sie gesagt haben, damit dann Halbtagskräfte ein, bilden sozusagen eine Reserve außerhalb der Schule und setzen diese dann von außen jeweils an der Schule ein, wo Bedarf besteht.
Ich komme noch einmal auf unsere alte Vorstellung zurück. Unserer Ansicht nach würde es auch den Durchschnitt im Altersbereich erheblich senken und
zu mehr Lehrern an der Schule beitragen, wenn wir die Berufsanfänger als Zweidrittellehrer einstellen würden. Dafür müssen wir dann auch die rechtlichen Grundlagen ändern; aber dies ist möglich. Dann hätten Sie an der Schule automatisch Ihre Lehrerreserve, indem Sie nämlich einem Lehrer, der zu einem Drittel nicht beschäftigt ist, dann, wenn ein Bedarf an seiner Schule besteht, eine Erhöhung seines Deputats gegen Überstundenvergütung anbieten könnten. Sie hätten dann vor allem folgenden Vorteil: Sie hätten einen Lehrer in der Lehrerreserve, der die Schule, vielleicht sogar die Klasse kennt und daher überhaupt nicht erst die Schwierigkeit des Einsatzes von außen in der Schule hat. Das wären pragmatische Ansätze, über die man nachdenken sollte.
Sie sollten nicht ständig stop and go mit Mitteln von außen Leute einsetzen, sondern in der Schule sozusagen immanent eine entsprechende Reserve bilden.
Letzte Bemerkung: Herr Kollege Scheffold, Sie haben am Ende Ihrer Rede gesagt, wie gut, wie positiv doch alles sei.
Natürlich – das sage ich Ihnen ganz offen – leben wir alle gern in diesem Land. Aber das ist nicht die Frage. Die Frage ist: Nutzen Sie mit Ihrer Mehrheit die Chancen, die wir haben, oder nutzen Sie sie nicht? Unserer Ansicht nach werden die Chancen in diesem Land nicht genutzt, und deshalb brauchen wir eine politische Veränderung.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will mit einem Dank an die Bundeswehr, an die Soldaten und an die Zivilbeschäftigten, beginnen, die, so glaube ich, auch in einer schwierigen Zeit der Umstrukturierung ihre Pflicht erfüllen und für uns alle Großartiges leisten.
Das Zweite, was ich hinzufügen will, ist: Vom Grundsatz her sollten wir zuerst einmal sehr dankbar sein, dass wir eine Umstrukturierung der Bundeswehr durchführen müssen; denn das ist auch ein Stück der Friedensdividende, die wir im Zusammenhang damit haben, dass wir heute Gott sei Dank zum ersten Mal in unserer Geschichte nur von Freunden umgeben sind und dass wir zum Zweiten im Hinblick auf die neuen Notwendigkeiten des Bündnisses und auf die Struktur des Bündnisses eine Anpassung der Bundeswehr vornehmen müssen. Diese müssen wir, glaube ich, gemeinsam gestalten und entwickeln.