Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 90. Sitzung des 12. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.
Meine Damen und Herren, im E i n g a n g befindet sich ein Schreiben des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Juni 2000 betreffend das verfassungsgerichtliche Verfahren zur Überprüfung der Entscheidung des Hessischen Wahlprüfungsgerichts. Ich schlage vor, dieses Schreiben zur weiteren geschäftsordnungsmäßigen Behandlung an den Ständigen Ausschuss zu überweisen. – Sie stimmen dem zu.
Aktuelle Debatte – Arbeit und Resozialisierung in den Justizvollzugsanstalten – Auswirkungen des Vorschlags des Bundes zur Gefangenenentlohnung – beantragt von der Fraktion der FDP/DVP
Das Präsidium hat die üblichen Redezeiten festgelegt: 50 Minuten Gesamtdauer ohne Anrechnung der Redezeit der Regierung, fünf Minuten für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen und fünf Minuten für die Redner in der zweiten Runde.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrte Zuhörer, die Interesse an einer der schwächsten Gruppen in Baden-Württemberg, den Strafgefangenen, zeigen! Die Resozialisierung ist eines der wichtigen Themen im Strafvollzug. Der Strafvollzug hat drei Aufgaben: erstens Sühne für die begangene Tat, zweitens Generalprävention und drittens Erfüllung des verfassungsrechtlichen Gebots der Resozialisierung.
Das Ziel der Resozialisierung ist die Ermöglichung einer eigenverantwortlichen Gestaltung des Lebens nach der Entlassung aus der Haftanstalt. Wir haben in den Haftanstalten relativ viele, die rückfällig geworden sind; das ist ganz klar. Auch vor Gericht treffen wir immer wieder Leute, die schon mehrfach Haftstrafen verbüßt haben und die sich immer wieder strafbar gemacht haben und erneut verurteilt werden.
Zeitungen usw. Das kann er damit im Monat bezahlen. Er hat aber kaum Gelegenheit, damit eine der Aufgaben wie Schadenswiedergutmachung oder Lebensunterhalt für seine Familie zu erfüllen. Deshalb ist es sicher geboten, die Haftentlohnung zu erhöhen.
Wir sollen bis zum Ende des Jahres ein Gesetz vorlegen. Die Bundesjustizministerin hat ein Gesetz vorgelegt mit einer Erhöhung der 5 % auf 15 %. Das wäre eine Verdreifachung der Entlohnung. Das ist natürlich ein sehr großer Brocken für den Justizhaushalt. Man rechnet für BadenWürttemberg mit etwa 4 bis 6 Millionen DM zusätzlichen Kosten. Die Firmen, die Arbeit geben, sind nicht in der Lage, diesen Betrag zu zahlen. Wir sind ja froh, dass es überhaupt Firmen gibt, die Arbeit anbieten. Für diese Firmen lohnt sich das natürlich nicht, sodass die Firmen nicht bereit sind, eine höhere Entlohnung zu bezahlen. Heutzutage ist es für eine Firma nicht besonders lukrativ, bei Gefangenen arbeiten zu lassen. Deshalb meine ich, sind 15 % für den Justizhaushalt zu hoch, denn wir können dies nicht auf Kosten anderer Resozialisierungsmaßnahmen finanzieren. Wir können nicht in anderen Bereichen kürzen, um eine höhere Entlohnung zu zahlen. Wie ich die Haushälter kenne, sind sie nicht bereit, 4 bis 6 Millionen DM für den Justizhaushalt zusätzlich zu geben, sodass dies nicht finanzierbar ist.
Wir müssen andere Möglichkeiten finden. Wir müssen da flexibel sein, indem wir zum Beispiel mehr Freizeit geben, aber nicht Freizeit im Knast, sondern Urlaub, sodass der Gefangene hinauskommt und das Gefühl hat, die Arbeit lohne sich. Vielleicht können wir auch Haftzeitverkürzung gewähren, sodass jemand, der regelmäßig arbeitet, früher entlassen werden kann. Das sind kreative Maßnahmen, die das Ziel haben, zu vermitteln: Arbeit lohnt sich. Arbeit ist sinnvoll, damit ich mein Leben gestalte.
Man darf nicht das Gefühl haben, dass Arbeit sinnlos ist. Das ist das Wesen der Arbeit. Die Gefangenen sollen erkennen, dass sie dann, wenn sie hinauskommen, ihren Lebensunterhalt nicht mit kriminellen Handlungen bestreiten müssen, sondern dass sie ihn durch Arbeit verdienen können.
Denkbar sind, wie gesagt, auch andere Maßnahmen, zum Beispiel Haftzeitverkürzung, Gewährung von Urlaub. Das ist kreativer.
Deshalb sind wir für eine maßvolle Erhöhung des Lohns auf vielleicht 7 % bis 10 %, nicht auf 15 % des durchschnittlichen Arbeitseinkommens, wie das ein Gesetz des Bundes vorsieht, wobei dann die Kosten den Ländern auferlegt werden. Hier ist also Kreativität gefragt. Ich werde in der zweiten Runde noch auf Einzelheiten eingehen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Resozialisierungsgebot im Strafvollzug – der Kollege Kiesswetter hat die verfassungsrechtliche Verankerung und die Konkretisierung in den §§ 1 und 2 des Strafvollzugsgesetzes schon im Einzelnen dargestellt – ist Grundlage für die Arbeit der Gefangenen in den Justizvollzugsanstalten.
Diese... muss aber geeignet sein, dem Gefangenen den Wert regelmäßiger Arbeit für ein künftiges eigenverantwortetes und straffreies Leben in Gestalt eines für ihn greifbaren Vorteils vor Augen zu führen.
Eine solche angemessene Anerkennung kann finanzieller Art sein, aber auch auf andere Art erfolgen. Das Bundesverfassungsgericht fährt fort:
insbesondere auch dessen Marktferne, in Rechnung stellen. Auch spielen die Kosten der Gefangenenarbeit für die Unternehmer und die Konkurrenz durch andere Produktionsmöglichkeiten... eine Rolle. Deshalb
Meine Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht hat nun unter Hinweis auf den von ihm aufgezeigten verfassungsrechtlich verankerten Rahmen des Resozialisierungsgebots die geltende Regelung im Strafvollzugsgesetz über die Entlohnung von Pflichtarbeit Gefangener für verfassungswidrig erklärt. Es hat die sozialrechtliche Bezugsgröße in § 200 des Strafvollzugsgesetzes, nämlich einen Gefangenenlohn in Höhe von 5 % des durchschnittlichen Arbeitsentgelts aller in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherten, für nicht vereinbar mit dem vom Resozialisierungsgebot geforderten Mindestmaß erklärt.
Diese Regelung bedeutete in der Praxis bisher einen Stundenlohn von 1,70 DM, das heißt für jeden Gefangenen, der arbeitet, durchschnittlich etwa 200 DM im Monat. Das hat das Bundesverfassungsgericht für zu gering erklärt. Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber verpflich
Meine Damen und Herren, das Gericht hat aber nicht definiert, was es unter dem verfassungsrechtlich geforderten Mindestmaß der Gefangenenentlohnung versteht.
Dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts war der Ausgangspunkt für die Justizminister der Länder und auch für das Bundesjustizministerium, an die Arbeit zu gehen, meine Damen und Herren. Die Ergebnisse sind aber doch sehr unterschiedlich ausgefallen. Was das Bundesjustizministerium vorschlägt – Herr Kollege Kiesswetter hat das bereits gesagt –, würde eine Verdreifachung des Gefangenenlohns bedeuten. Dies würde allein für das Land BadenWürttemberg bedeuten, dass zusätzliche Kosten von etwa 20 Millionen DM pro Jahr auf den Justizetat zukommen würden.
Meine Damen und Herren, dazu muss ich leider sagen – wie wir das auch bei der von der Bundesjustizministerin unter dem Stichwort „große Justizreform“ angekündigten Reform des Zivilprozesses erleben mussten –: eigentlich wieder Überlegungen und Entscheidungen mehr vom grünen Tisch
als den Anforderungen der Praxis und den Belangen der betroffenen Bereiche in der Justiz Rechnung tragend.
Meine Damen und Herren, dies würde entweder bedeuten, dass die Kosten, die dadurch auf die Länder zukämen – 20 Millionen DM allein für Baden-Württemberg –, vom vollzuglichen Arbeitswesen selbst ausgeglichen werden müssten. Dies – darauf hat Herr Kollege Kiesswetter schon hingewiesen – ist aber in der derzeitigen Situation unseres vollzuglichen Arbeitswesens nicht möglich. Wir kommen in der Gesamtbilanz im Land in etwa auf ein ausgeglichenes Ergebnis. 20 Millionen DM zusätzlich würden die Arbeitskosten verteuern, wodurch die Produkte und die Leistungen in den Eigenbetrieben, den Unternehmerbetrieben unserer Justizvollzugsanstalten nicht mehr konkurrenzfähig wären. Die Folge wäre, dass die Betriebe weitgehend in Gefahr kämen und Arbeitsplätze verloren gingen.
Meine Damen und Herren, die Frage, wie bei dem ausgeknautschten – so sage ich einmal – Justizhaushalt