Protokoll der Sitzung vom 19.07.2000

Auch die Freibeträge für weitere Kinder werden schrittweise erhöht, und zwar auf 350 DM für Geburten ab dem

1. Januar 2001, auf 400 DM für Geburten ab dem 1. Januar 2002 und auf 450 DM für Geburten ab dem 1. Januar 2003. Auch hier ist eine deutlich höhere Anhebung beschlossen worden, als sie die SPD mit 400 DM in ihrem Antrag gefordert hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, für jedes vierte Kind im Land Baden-Württemberg wird im dritten Lebensjahr Landeserziehungsgeld bewilligt – für jedes vierte Kind! Die Mehrausgaben für das Landeserziehungsgeld werden in den folgenden Jahren ganz beträchtlich sein. Ich habe schon gesagt: Es sind ca. 50 bis 55 Millionen DM mehr. Das muss uns einmal jemand nachmachen.

(Abg. Dr. Schäfer Bündnis 90/Die Grünen: Kommt noch was?)

Ja. Noch einmal einen Blick – – Herr Schäfer, Sie sind ja junger Vater. Nur glaube ich, dass Sie, wenn Sie wieder gewählt werden sollten, nicht in den Genuss des Erziehungsgelds kommen, weil die Diäten zu hoch liegen.

(Abg. Wieser CDU: Nein, die liegen nicht zu hoch!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei uns im Land Baden-Württemberg wird es – ganz anders als beim Bund – keine Tricks zur Gegenfinanzierung der durch die Erhöhung des Landeserziehungsgelds bedingten Mehrkosten geben. Frau Blank hat darauf hingewiesen. Durch die Budgetierung des Bundeserziehungsgelds kann sich das Familieneinkommen zwar kurzfristig erhöhen, im Gegenzug wird aber auf Kosten der Familien gespart. Es wurde schon gesagt: statt 600 DM monatlich im ersten Jahr 900 DM – aber dann eben nichts mehr. Das kostet jede Familie etwa 3 600 DM. Der Bund entlastet sich auf Kosten der jungen Familien.

Jetzt glaubt man auch noch, dass wir als Land BadenWürttemberg die „Ausfallbürgschaft“ tragen und schon im zweiten Jahr Landeserziehungsgeld geben sollten. Aber bitte, da müssten wir wirklich mit dem Klammerbeutel gepudert sein. Das kann doch wohl nicht wahr sein.

(Beifall bei der CDU – Abg. Ingrid Blank CDU: Eines der wenigen Länder – und wir sollen dann noch zahlen!)

In der Stellungnahme zum Antrag Drucksache 12/5196 der SPD-Fraktion haben wir dargelegt, dass überhaupt nicht daran gedacht ist, diesen Einspareffekt durchzusetzen.

Frau Bender, es ist schon ein bisschen beachtlich, dass Sie sagen, ich hätte eine „große Gosch“. Wir werden nicht nur intensivst prüfen, sondern auch innerhalb der Fraktionen noch intensiv darüber sprechen, inwieweit wir – auch um der Lebenswirklichkeit ein Stück weit näher zu kommen – zulassen könnten, die Inanspruchnahme von Erziehungszeiten im dritten Lebensjahr auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben,

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Ja! Wir machen mit!)

zum Beispiel auf das Jahr der Einschulung, weil es mit Sicherheit da oder dort Mütter und Väter gibt, die sagen: Das ist eine Zeit, in der Kinder noch einmal intensiv betreut werden sollten.

(Minister Dr. Repnik)

Wir haben auch festgestellt, dass die eine oder andere Frau oder der eine oder andere Mann – meistens sind es ja Frauen – nach zwei Jahren sagen: Ich möchte wieder eine Zeit lang in den Beruf zurückkehren. Wir werden das nicht nur prüfen,

(Abg. Ingrid Blank CDU: Wohlwollend prüfen!)

sondern wir werden auch gründlich diskutieren. Aber ich habe dazu eben noch nicht das Signal. – Wir werden wohlwollend prüfen.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: In meiner Rede habe ich es gesagt!)

Ja, das ist gut, dass Sie schon zustimmen.

Dann wird natürlich der Punkt eine Rolle spielen, wie wir es mit der Teilzeit handhaben. Ich bin folgender Meinung und werde das auch vorschlagen: Ich würde ganz gerne die Teilzeitmöglichkeit von jetzt 19 auf 20 Stunden erhöhen und dann sagen: Es gibt ein Budget von 60 Stunden.

(Abg. Ingrid Blank CDU: Ja! Das ist das Einzige!)

Wenn eine Familie – auch das ist wohl ein neues Familienbild – will, dass sich auch der Vater verstärkt um die Kindererziehung kümmert,

(Beifall der Abg. Heiderose Berroth und Dr. Noll FDP/DVP)

dann soll sie wählen können zwischen einer Aufteilung von zum Beispiel 40 und 20 Stunden oder von 30 und 30 Stunden, oder wie auch immer.

(Abg. Wieser CDU: Oder 60 und 0!)

Aber mehr als eine Belastung von eineinhalb Stellen kann und darf es nicht sein; denn wir reden vom Erziehungsgeld und leider noch nicht vom Familiengeld. Dahin sollte man noch kommen. Eine Belastung von zusammen 70 Stunden würde ich nicht zulassen wollen.

Lassen Sie mich kurz auf den Familienbericht eingehen. Man sieht und merkt, dass es gerade in Baden-Württemberg gute Ausgangspositionen für Familien gibt. Sie sollten ihn vielleicht auch lesen – nicht nur selektiv. Wir können mit Fug und Recht behaupten: Wir sind in der Republik das Land der Familien.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Zuruf des Abg. Bebber SPD)

Im Ländervergleich wurden, bezogen auf 1 000 Einwohner, in Baden-Württemberg die meisten Kinder geboren. „Frust“, Frau Bender? Wie groß muss dann der Frust in anderen Bundesländern sein, in rot-grün regierten Bundesländern?

(Abg. Marianne Erdrich-Sommer Bündnis 90/Die Grünen: Der Frust kommt meistens erst, wenn sie 16 oder 18 sind!)

Bei uns sind es nämlich durchschnittlich 11,1 Geburten auf 1 000 Einwohner. Im Bundesdurchschnitt waren es nur 9,7. Also kann die Familienpolitik bei uns eigentlich gar nicht

so schlecht sein. Wir haben unter den Ehepaaren einen Anteil von 50 % mit Kindern. Auch damit liegen wir weit über dem Bundesdurchschnitt.

(Unruhe)

Das Familieneinkommen von jungen Ehepaaren mit Kindern liegt in Baden-Württemberg über dem Durchschnitt manch anderer Bevölkerungsgruppen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch das muss gesagt werden: Die Erwerbstätigenquote – –

(Anhaltende Unruhe – Minister Dr. Repnik greift zum Wasserglas. – Zuruf von der SPD: Prost!)

Ich warte, ich habe Zeit. Es ist Ihre Mittagspause, nicht meine.

(Heiterkeit)

Auch daran sollte man erinnern: Die Erwerbstätigenquote von Müttern liegt mit 62 % in Baden-Württemberg deutlich über dem Bundesdurchschnitt. – So viel zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, dass wir in Baden-Württemberg eine erfolgreiche und vor allen Dingen vorausschauende Familienpolitik mit Konzeption machen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Noll FDP/ DVP)

Wir haben frühzeitig, vor Jahren schon, Maßnahmen zur Stärkung der Erziehungskraft der Familien eingeleitet, und zwar – ich erinnere daran – mit dem Landeserziehungsgeld, das Baden-Württemberg als erstes Bundesland schon 1986 eingeführt hat – kein SPD-geführtes Land hat dies bis heute –, mit dem bundesweit einmaligen Programm „Mutter und Kind“, durch das Alleinerziehenden Perspektiven eröffnet werden. Bei der Kindergartenversorgung nehmen wir den Spitzenplatz ein. Wir haben Vollversorgung, und wir haben durch die Novellierung des Kindergartengesetzes so viele flexible Möglichkeiten, dass Halbtagstätigkeit schon bestens ermöglicht werden kann. Wir haben allein für den Kindergartenbereich über 706 Millionen DM im letzten Haushalt ausgegeben. Wir haben ein flächendeckendes Netz von Tagesmüttervereinen, weil wir auch darauf setzen und weil wir auch sagen: Auch das ist eine Möglichkeit, dass junge Frauen rechtzeitig in den Beruf gehen können,

(Beifall des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

damit sie Familie und Beruf miteinander vereinbaren können.

Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann ich alles in allem feststellen: Unsere Familienpolitik ist erfolgreich und vorausschauend. Nirgends geht es Familien so gut wie in Baden-Württemberg.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Ursula Haußmann SPD: Zaghafter Beifall der CDU-Fraktion!)

Das Wort erhält Frau Abg. Wonnay.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion freut sich über jede Verbesserung für Kinder und Familien. Deshalb werden wir, falls Sie unseren sehr viel weiter gehenden Anträgen nicht zustimmen, Ihren Teilschritten die Zustimmung erteilen.

Frau Blank, Herr Dr. Noll, Herr Minister, zum Bundeserziehungsgeld will ich doch noch ein Wort sagen. 14 Jahre lang haben Sie nichts gemacht.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen)