Protokoll der Sitzung vom 19.07.2000

(Abg. Hofer FDP/DVP: So ist es! Sehr richtig!)

Ich halte es für richtig, dass wir den Unterricht und die Betreuung ganz klar trennen. Nur wenn man nicht bereit ist, das zur Kenntnis zu nehmen, kann man so einen Unfug daherreden und hier von „Schulgeld“ sprechen wie Sie gerade vorhin und Frau Wonnay heute Morgen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Hofer FDP/DVP: So ist es! – Abg. Wieser CDU: Die verschulen die Kinder!)

Herr Abg. Rau, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Rastätter?

(Abg. Renate Rastätter Bündnis 90/Die Grünen: Nein, ich wollte mich für nachher melden! Ich will keine Zwischenfrage stellen!)

Ach so. – Bitte schön, Herr Abg. Rau, fahren Sie fort.

Scheint sich erledigt zu haben.

Sie haben mit diesem Schlagwort vom Schulgeld ganz bewusst verleumderische Akzente in diese Debatte gebracht. Das lassen wir uns nicht gefallen. Unterricht in BadenWürttemberg ist kostenlos – heute und in Zukunft. Alle anderen Aussagen schlagen auf die zurück, die meinen, so etwas von sich geben zu müssen.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Aber die verlässliche Grundschule kostet Geld!)

Die Sicherung der Unterrichtsversorgung ist eines der wichtigsten Ziele im Zusammenhang mit der verlässlichen Grundschule. Auch dazu haben wir entscheidende Schritte getan. Die Haushaltsbeschlüsse zu den Lehrerstellen im Schuljahr 2000/2001 sind bekannt. Sie haben heute Morgen gehört, welche Zahlen der Finanzminister für das Schuljahr 2001/2002 vorsieht.

Ich möchte darüber hinaus noch deutlich machen, dass wir die Instrumentarien zur Unterrichtsversorgung weiter schärfen, indem wir die Mittel, die im Haushalt für Nebenlehrerverträge eingesetzt sind, künftig verwenden wollen, um verstetigte Nebenlehrerverträge im Lande abzuschließen, Verträge mit ein- und zweijähriger Laufzeit – mehrere Hundert –, damit hier im Land Baden-Württemberg sichergestellt werden kann, dass wir Unterrichtsausfall nicht hinnehmen müssen, dass wir ihm nicht tatenlos gegenüberstehen, sondern die notwendigen Instrumentarien zur Verfügung halten.

Ich sage Ihnen: Die Zahlen werden die Akzeptanz dieses hervorragenden Modells „verlässliche Grundschule“ in Ba

den-Württemberg belegen. Die Familien werden dann wissen, wem sie dieses Angebot verdanken.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erhält Frau Abg. Rastätter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Rau, auch wenn es Ihnen, auch wenn es der Kultusministerin, auch wenn es den Regierungsfraktionen nicht passt: Das Thema Halbtagsgrundschule wird dieses Haus weiter beschäftigen. Es wird dieses Haus so lange weiter beschäftigen, bis Sie Ihre Hausaufgaben gemacht haben und die Grundschule endlich in einer Weise entwickelt wird, wie es den pädagogischen und familienpolitischen Anforderungen unserer heutigen Zeit entspricht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als Schule für alle Kinder in unserer Gesellschaft – ich betone: auch für die behinderten Kinder, deren Eltern einen gemeinsamen Unterricht mit nicht behinderten Kindern in der Schule wünschen – hat die Grundschule die Aufgabe, alle Kinder entsprechend ihren individuellen Anlagen und Fähigkeiten zu bilden und zu erziehen.

Die Grundschule hat aber auch die Aufgabe der sozialen Integration aller Kinder unserer Gesellschaft, der Kinder unterschiedlichster sozialer und kultureller Herkunft. Dazu braucht die Grundschule – das hören wir draußen immer wieder – vor allem eines: Sie braucht mehr Zeit. Ich muss es immer wieder wiederholen, Herr Rau: Baden-Württemberg liegt, was die Zeit für die Kinder an der Grundschule anbelangt, auf Platz 16 und ist damit im bundesweiten Vergleich das Schlusslicht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. Capezzuto SPD: Um Gottes willen! – Abg. Zeller SPD: So ist es!)

Nun zum Thema Schulgeld. Wenn in der Zeit, in der andere Bundesländer Unterricht, Bildung und Erziehung bieten, in unserem Bundesland Betreuung stattfindet und diese Betreuung Geld kostet, dann trifft das den Sachverhalt von Schulgeld in Baden-Württemberg. Das deutlich zu machen ist auf keinen Fall eine Verleumdung.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir brauchen in Baden-Württemberg eine echte Halbtagsgrundschule und kein überkommenes Kernzeitenmodell, wir brauchen die echte Halbtagsgrundschule in der pädagogischen und finanziellen Verantwortung des Landes. Wir Grünen haben dazu in der Vergangenheit Anträge eingebracht; wir werden wieder Anträge einbringen, vor allem zu den nächsten Haushalten.

Die Kernzeitenbetreuung in Baden-Württemberg, die Sie als verlässliche Grundschule bezeichnen, sieht doch so aus: Der Unterricht bleibt verdichtet, die Betreuung ist vor und

nach dem Unterricht angeklebt, die Kommunen haben den schwarzen Peter der organisatorischen Durchführung und die Hauptlast der Finanzierung, und die Eltern werden zur Kasse gebeten.

(Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

Herr Rau, hören Sie sich um: Es gibt Gebühren. Es gibt – das stimmt – Kommunen, die keine Gebühren verlangen, zum Beispiel Ravensburg, aber die Stadt wird dabei über die Maßen belastet. Es gibt Kommunen, die 120 und 130 DM verlangen, und das ist kein Beitrag zu einer besseren Familienpolitik in Baden-Württemberg.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Konkret mit Blick auf das kommende Schuljahr sieht es so aus: Erstens: Momentan gibt es Kernzeitenbetreuung für ca. 4 % der Kinder. Wie ich jetzt überall im Lande mitbekomme, wird die Kernzeitenbetreuung lediglich so ausgeweitet, dass weitere ca. 5 bis 6 % der Kinder betreut werden können. Das muss man sich einmal vorstellen, nachdem die Ministerin vor eineinhalb Jahren gesagt hatte: Ich garantiere ein Zeitvolumen von fünfeinhalb Stunden.

(Abg. Dr. Schäfer Bündnis 90/Die Grünen: Ja, so sind die CDUler!)

Zweitens: Auch künftig wird es in Baden-Württemberg Kinder geben, die außen vor bleiben mit dem Schlüssel um den Hals, weil ihre Eltern die Gebühren für die wenigen Randstunden nicht bezahlen können. Auch das ist kein Beitrag zu einer familienfreundlichen Politik in Baden-Württemberg.

Drittens: In den Großstädten wird sich die Betreuung verschlechtern. In den Großstädten haben wir heute sehr gute Modelle, bei denen die Betreuung mit dem Unterricht pädagogisch verzahnt ist, wie das zum Beispiel in Karlsruhe der Fall ist. Konsequenterweise hat der Gemeinderat der Stadt Karlsruhe einstimmig, das heißt auch mit den Stimmen der CDU-Stadträte, beschlossen, das Modell der verlässlichen Grundschule zum kommenden Schuljahr nicht einzuführen.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Das war ein Selbsttor!)

Denn für die Großstädte bedeutet es eine Absenkung der bereits erreichten Qualitätsstandards.

(Abg. Dr. Schäfer Bündnis 90/Die Grünen: So ist es! – Abg. Dr. Eva Stanienda CDU: In Stuttgart nicht!)

Viertens: Was die Unterrichtsversorgung, also das, was Sie als Ihre originäre Landesaufgabe bezeichnen, anbelangt, wird es auch zu einer Verschlechterung kommen. Sie stocken die Krankheitsreserve um 300 Deputate auf, nehmen aber diese 300 Deputate aus dem Bestand. Die Grund- und Hauptschulen bekommen aber nur 190 Deputate mehr. Das heißt, die Grundschulen, die heute schon in den Städten riesige Klassen mit 28 und 30 Schülern haben, bekommen eine schlechtere Unterrichtsversorgung. Das ist kontraproduktiv für eine bessere pädagogische Förderung der Kinder in unseren Grundschulklassen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. Dr. Schäfer Bündnis 90/Die Grünen: Sehr gut!)

Und schließlich: Diese verlässliche Grundschule – das muss ich einfach wieder betonen – ist ein Etikettenschwindel. Sie ist nicht zukunftweisend für die Entwicklung der Grundschule, und sie bleibt hinter den pädagogischen und familienpolitischen Erwartungen und Anforderungen zurück.

Wir Grünen wollen – das ist ein Unterschied zu dem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion – in die verlässliche Halbtagsgrundschule von fünf Zeitstunden auch Erzieherinnen integrieren. Wir finden diesen Kompetenzmix an der Grundschule für die Förderung unserer Kinder besonders gut. Wir werden deshalb auch künftig weitere Anträge stellen.

Zum Schluss noch einmal: Die Debatte geht weiter. Die Grundschule ist die wichtigste Schulart für die Kinder. Sie hat diese Priorität verdient, und sie wird unsere bildungspolitische Herausforderung bleiben, bis Sie als Regierung Ihre Hausaufgaben gemacht haben.

Ich bedanke mich.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. Zeller SPD: Oder abgelöst werden!)

Das Wort erhält Frau Abg. Berroth.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Endlich gibt die SPD offen zu, dass sie alle Grundschulkinder für fünf Stunden in der Schule halten will. Nur wenn alle da sind, werte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, gibt dieser Gesetzentwurf Sinn. Aus ausführlichen Gesprächen weiß ich, dass viele Eltern gerade bei ihren Sechs- bis Zehnjährigen, die ja erzieherisch noch besonders formbar sind, hier jedoch selbst ihren Einfluss nutzen wollen. Das ist durchaus im Sinne einer guten Partnerschaft zwischen Eltern und Schule.

(Beifall der Abg. Lieselotte Schweikert FDP/DVP)

Deshalb haben wir Regierungsfraktionen unser Modell mit einer grundsätzlich festen und kostenfreien Schulzeit gestaltet, die vorherige und anschließende Betreuungsmöglichkeit jedoch auf freiwillige Basis gestellt. Und wir haben die Landesförderung für diese Betreuung so verändert, dass inzwischen weit mehr Gemeinden als bisher eine solche Betreuung anbieten. Die Akzeptanz bei den Gemeinden ist riesengroß.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Warum wohl?)

Oft gibt es sogar eine zusätzliche Betreuung in den Ferien, die beim vorliegenden Gesetzentwurf überhaupt nicht möglich wäre.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Sehr gut!)

Die von den Eltern zu tragenden Beiträge zu den Betreuungskosten halten sich durch den erhöhten Landeszuschuss in der Regel durchaus in einem tragbaren Rahmen.