Jetzt sage ich das noch einmal nicht im Juristendeutsch, sondern im normalen Deutsch. Dies heißt: Es gibt einerseits die Infrastrukturverantwortung des Bundes. Andererseits ist der Bund für jenen Teil des Schienenfernverkehrs, der nicht betriebswirtschaftlich abgewickelt werden kann, aber verkehrlichen Bedürfnissen und dem Wohl der Allgemeinheit entspricht, verantwortlich.
Damit haben wir eine klare Verantwortung des Bundes nicht nur für die Schiene, sondern auch dafür, was auf der Schiene stattfindet. In dreierlei Hinsicht ist er also dabei.
Herr Minister, ist Ihnen eine Interpretation gegenwärtig, in der steht, dass auf diesen Strecken ein Taktverkehr betrieben werden muss? Ich bin mit Ihnen der Meinung, dass wir Taktverkehr brauchen. Aber aus Ihrer Interpretation geht das nirgendwo hervor.
Es steht natürlich nicht im Grundgesetz, welche Strecken damit gemeint sind. Es ist, wie immer in einer Verfassung,
etwas allgemeiner formuliert. Es heißt „Wohl der Allgemeinheit“ und „Verkehrsbedürfnisse“. Es gibt mit Sicherheit Züge, die nur schwach ausgelastet sind. Ich denke einmal an Interregios in Ostdeutschland. Diesen Fall hatten wir neulich: Ein Interregio ist zum Stillstand gekommen, und man musste die Leute abtransportieren. Sie passten alle in ein einziges Taxi.
Bei einem Interregio, der so ausgelastet ist, bekomme ich auch Zweifel. Da würde ich nicht mehr unbedingt den Bund in die Verpflichtung nehmen. Einverstanden. Das hat nichts mehr mit Verkehrsbedürfnissen zu tun.
Aber ich nehme den Fall, den der Kollege Scheuermann vorhin gebracht hat. Wenn ein Zug wie beispielsweise die Südbahn 160 Fahrgäste hat, dann widerspricht es dem Wohl der Allgemeinheit und den Verkehrsbedürfnissen, diesen Zug zu streichen. Ich glaube, das kann man sagen.
Jetzt haben wir einmal die Messlatte, und jetzt gucken wir uns die Realität dazu an. Es soll in zwei Etappen gestrichen werden: zunächst zum Fahrplan 2001 und 2003 der Rest. Das bedeutet jetzt ganz konkret in Baden-Württemberg für 2001 folgende Streichungen: Südbahn Ulm – Lindau: sämtliche Interregiozüge, acht Zugpaare.
Interregiolinie von und nach Saarbrücken, deren Züge teils in Stuttgart, teils in Geislingen oder auch in Ulm enden oder beginnen. Interregiozugpaar Saarbrücken – Mannheim – Stuttgart – Lindau – Innsbruck, teilweise mit der Südbahn verbunden. Interregio Stuttgart – Karlsruhe: zwei IR-Zugpaare im Berufsverkehr von und nach Karlsruhe. Murrbahn: beide Zugpaare Stuttgart – Nürnberg. Interregiozugpaar Rennsteig – das ist die Strecke Stuttgart – Würzburg – Erfurt; davon ist Heilbronn berührt.
Dazu muss man jetzt sagen: Bis vor kurzem hieß es noch, von 18 Millionen Kilometern, die bundesweit gekürzt werden, würden 1,8 Millionen Kilometer bei uns gekürzt. Da habe ich noch gedacht: Wenigstens ist es nur proportional, 10 %. Mittlerweile wissen wir, es werden 2,6 Millionen Kilometer gekürzt.
Das ist eine Schweinerei. Das haben wir auch erst im Nachhinein vonseiten der DB erfahren. – Das heißt konkret, dass schon 2001 40 % aller Interregioleistungen in Baden-Württemberg gestrichen werden sollen – von der zweiten Etappe 2003 ist noch gar nicht die Rede –, dass 13 % aller Fernverkehrsleistungen in Baden-Württemberg gestrichen werden sollen und dass 14 % aller bundesweiten Interregioleistungen in Baden-Württemberg gestrichen werden sollen. Das erinnert mich ein bisschen an das Thema Länderfinanzausgleich: Zum Zahlen sind wir recht, aber Leistungen erhalten wir unterdurchschnittlich.
Jetzt muss ich aber eines dazusagen: Ich will jetzt gar nicht eine Argumentation anfangen, die heißt: Wir wollen so schlecht behandelt werden wie andere Länder auch. Das ist überhaupt nicht mein Ziel. Mir geht es nicht darum, dass wir von 14 % auf 10 % herunterkommen, sondern dass wir 0 % Kürzung haben. Das muss das Ziel sein.
Deswegen sage ich ganz einfach – ich glaube, das muss die Botschaft dieser Debatte sein –: Stopp dem Kahlschlag!
Schluss mit einem verkehrspolitischen Irrsinn, der heißt, dass die DB im Prinzip nichts anderes mehr macht, als solche Züge zu fahren, die ein C im Namen haben, und sich aus der Fläche zurückzieht. Dass darf nicht sein. Der nachhaltige Protest von Landesregierung, Landtag, Regionen, Kommunen und Bürgern gegen das Abhängen einzelner Teile des Landes, gegen dieses Streichkonzert muss heißen: Wir lassen uns nicht abhängen.
Jetzt muss ich einmal sagen: Bahn und Bund täuschen sich, wenn sie glauben, das könnten sie irgendwie über die Runden kriegen und der Protest würde schon abflauen. Wir geben in dieser Frage keine Ruhe. Wenn die DB meint, sie könne uns erpressen nach dem Motto „Die können es sich gar nicht erlauben, die Züge nicht fahren zu lassen, die werden sie zum Schluss doch durch Nahverkehr ersetzen“, dann täuscht sie sich. Wir lassen uns in dieser Frage nicht erpressen, denn wir hätten dann die Situation, dass wir eine
eigene Aufgabe verletzen müssten, um eine fremde Aufgabe zu erfüllen. Das kann ja wohl nicht wahr sein!
Im Übrigen kann ich der DB auch nur in aller Schärfe und in aller Deutlichkeit sagen: Sie wird sich wundern. Wir haben viele Vertragsbeziehungen und Kontakte zur DB. Wer uns hier hängen lässt, den können wir an anderen Stellen auch hängen lassen.
Im Nahverkehr. Das ist ganz einfach. Wir haben heute schon den höchsten Nicht-DB-Anteil im Nahverkehr unter allen Bundesländern. Wir sind handlungsfähig, was Alternativen anbelangt. Davon kann man Gebrauch machen.
Jetzt will ich mich wirklich einmal mit der DB auseinander setzen. Ich will einmal ganz deutlich sagen – –
(Abg. Haas CDU: Der hat eine so schlechte Rede gehalten, dass er jetzt eine Zwischenfrage stellen muss!)
Herr Minister, können Sie mir einmal Vorschläge nennen, die darüber hinausgehen, dass Sie Ihre unterschiedlichen Positionen zur DB an den Kunden auslassen? Wenn Sie sagen, Sie ließen das die DB beim Nahverkehr spüren, dann muss ich sagen, dass das natürlich auch der Kunde spürt. Was machen Sie als Verkehrsminister konkret, um die Situation zu lösen?