Protokoll der Sitzung vom 25.10.2000

Es ist übrigens interessant, Herr Kollege Heiler: Gerade bei diesem Punkt haben sich die Gewerkschaften in der Diskussion aus wohlweislichen Gründen, die ja klar auf dem Tisch liegen, immer zurückgehalten. Deshalb meine ich, dieses Segment kann man nur in der Weise angehen: Wenn wir tatsächlich aus aktuellen Gründen Hilfe von ausländischen Bürgerinnen und Bürgern brauchen, sollte man hier an einen zeitlich begrenzten Aufenthalt in Deutschland denken, aber nicht an einen Daueraufenthalt und an eine Dauerarbeitserlaubnis. Wenn sie auf Dauer da sind, werden wir die Menschen – das haben wir in der Vergangenheit schon oft gesehen – nicht in bestimmten Branchen sozusagen festhalten können. Das haben wir in der Gastronomie erlebt. Meine Schwiegereltern hatten ein Hotel. Es war immer so, dass die Menschen, die aus dem Ausland gekommen sind, sich in dem Augenblick, in dem die Wartefrist für diesen Posten vorbei war, einen anderen Arbeitsplatz gesucht haben, der nicht so hart war, der attraktiver war. Deshalb sollten wir hier, denke ich, über ein temporäres Aufenthaltsrecht sprechen.

(Beifall des Abg. Rech CDU)

Herr Kollege Salomon, wenn wir uns da aufeinander zubewegen könnten, wäre das auch ganz wichtig. Das gilt natürlich ganz besonders für die SPD. Wir sollten bezüglich dieser unattraktiven Tätigkeiten auch einmal ohne Scheuklappen miteinander sprechen, ob wir nicht die Zumutbarkeitsschwellen bei den vorhandenen Arbeitslosen herunterfahren müssen. Auch das gehört in die Diskussion hinein.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wir müssen im Grunde genommen daran weiterarbeiten, unser Sozialversicherungssystem, besser gesagt, unseren ganzen Sozialstaat nicht abzuschaffen, aber auch aus Gründen der Bezahlbarkeit so umzubauen, dass er zum Arbeiten motiviert und nicht zum Nichtarbeiten verführt. Das muss eben auch ein Ziel sein.

(Beifall bei der CDU)

Nun komme ich zum zweiten Gesichtspunkt in dieser Debatte: Es gibt doch Konsens: Wenn wir die Zuwanderung steuern, müssen wir diejenigen, die nach Deutschland kommen, und diejenigen, die schon bei uns sind, in beiderseitigem Interesse integrieren. Aber ich darf darauf hinweisen: Baden-Württemberg hat im Vergleich mit den anderen

Ländern auch bei diesem so wichtigen Thema Integration die Nase mit vorn. Wir haben am vergangenen Freitag eine Bundesratsinitiative eingebracht,

(Zuruf der Abg. Christine Rudolf SPD)

die zum ersten Mal in Deutschland, Frau Kollegin, und da haben wir zugegebenermaßen ein bisschen von Holland abgekupfert – –

(Abg. Christine Rudolf SPD: Aber nur ein biss- chen! Das Entscheidende haben Sie aber wieder vergessen! – Zuruf der Abg. Renate Thon Bünd- nis 90/Die Grünen)

Wenn wir sagen, mit diesem Thema gehen wir jetzt behutsam um, sind Sie doch eingeladen, in diesem Wettbewerb der Ideen auch zum Thema Integration andere, weitere oder auch sonstige Vorschläge zu machen.

(Abg. Bebber SPD: Hervorragend!)

Wir haben Vorschläge auf den Tisch gelegt, und zum ersten Mal in Deutschland schlagen wir Integrationskurse und vor allem Sprachförderung vor. Aber wir verfahren auch nach dem ewig richtigen Grundsatz „Wir fördern, aber wir müssen auch fordern“.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Denn wenn wir Angebote machen, müssen wir doch auch eine Antwort auf die Frage erteilen, was wird, wenn diese Angebote, die der Steuerzahler ja mit viel Geld ermöglicht, gar nicht angenommen werden.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Der Grundsatz ist richtig!)

Danke! Sehen Sie, wir kommen voran.

Dazu gehört auch etwas anderes. Auch darüber gibt es doch eigentlich Konsens. Wir sehen – das hat Kollegin Blank immer wieder angesprochen, zuletzt am vergangenen Samstag – mit großer Sorge, dass im Rahmen des Familiennachzugs vor allem auf der europäischen Ebene eine Diskussion darüber stattfindet, dass der Familiennachzug künftig bis zum 18. oder 21. Lebensjahr möglich sein soll. Das ist falsch! Diese Menschen, die im Rahmen des Familiennachzugs zu spät zu uns kommen, sind eigentlich gar nicht mehr integrierbar.

Wir müssen vielmehr klar sagen – darüber gibt es doch eigentlich Konsens –, dass die Menschen, die im Rahmen des Familiennachzugs zu uns kommen, in einem so frühen Alter nach Deutschland kommen müssen, dass sie unser Bildungssystem – unser Schulsystem, unser Ausbildungssystem – noch mit Erfolg durchlaufen können.

(Beifall bei der CDU – Abg. Pfister FDP/DVP: Auch richtig! Auch dieser Grundsatz ist richtig! – Glocke des Präsidenten)

Herr Innenminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Zeller?

Ja, nur sehe ich ihn nicht.

(Abg. Zeller SPD: Hier, hier!)

Natürlich.

Bitte schön, Herr Zeller.

Herr Minister, heißt dies konkret, dass Sie bereit sind, die Kürzungen im Bereich der Sprachförderung zurückzunehmen und hier wieder mehr Geld zu investieren?

Gut. Herr Kollege Zeller, ich gehöre zu denjenigen, die aufgrund ihrer bekannten Ehrlichkeit schon immer – auch damals, als es noch die alte Bundesregierung gab – gesagt haben: Die durch die damalige Bundesregierung vorgenommene Kürzung in Sachen Sprachförderung war falsch. Man kann nicht Menschen zu uns kommen lassen und dann bei der Sprachförderung kürzen. Wir haben aber seitens der Landesregierung seit einigen Jahren mit eigenem Landesgeld etwas davon aufgefangen,

(Abg. Pfister FDP/DVP: Eben!)

und wir sind auch bereit, noch mehr zu tun,

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

erwarten aber auch von der Bundesregierung das Gleiche.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Zeller SPD: Die Kürzung erfolgte auch im Land! Nicht nur auf Bundesebene!)

Lassen Sie mich noch einen Satz zum Thema Integration sagen, der auch ganz wichtig ist. Es geht um etwas, bei dem wir uns auch wiederum ohne Scheuklappen aufeinander zubewegen müssen. Es ist doch eine Selbstverständlichkeit, dass die Integration der Ausländer in die gewachsene deutsche Gesellschaft stattfinden muss und dass wir keine Parallelgesellschaften in Deutschland wollen. Darüber muss es doch Konsens geben!

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Auch darüber gibt es Konsens!)

Jetzt komme ich zum dritten Punkt.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Ich habe schon acht ge- zählt!)

Nein, das sind Eckpunkte. Das andere sind Unterpunkte.

(Heiterkeit – Abg. Pfister FDP/DVP: Das muss man aber wissen! – Abg. Bebber SPD: Jetzt kommt Punkt 3 a!)

Wir müssen Anreize vermeiden, dass Menschen aus anderen Gründen, als dass wir an ihrem Kommen ein Interesse haben oder dass wir ihnen aus humanitären Gründen helfen müssen und wollen, nach Deutschland kommen. Deshalb – ich mache es heute in aller Kürze – muss die Diskussion offen bleiben: Wir müssen mit Blick auf die europäische Entwicklung über eine Änderung des Asylgrundrechts sprechen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Pfister FDP/DVP: Ausdrücklich! – Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Da täuschen Sie sich aber!)

Denn wenn Deutschland am Schluss der einzige Staat bleibt, in dem es ein Individualgrundrecht gibt, dann wird dies nicht möglich sein, dann setzen wir die falschen Anreize.

Ich will aber auch hinzufügen – und das dürfen wir gerade mit Blick auf den rechtsextremistischen Rand nie vergessen –: Die Änderung des Asylrechts im Jahr 1993 war ein ganz großer Erfolg und hat zu einem ganz erheblichen Rückgang der Zahl der Asylbewerber geführt. Wir lagen im Jahr 1999 bei unter 100 000 Asylbewerbern. Aber immerhin, es sind auch jetzt noch fast 100 000.

Wir müssen eines bedenken: Wenn wir im Rahmen der zunehmenden europäischen Harmonisierung am Schluss die Einzigen mit einem Individualgrundrecht auf Asyl sein werden, wird dies wieder einen starken Anreiz auslösen, unter falschen Vorgaben als Asylbewerber nach Deutschland zu kommen. Deshalb muss dies wegkommen und darf die Diskussion nicht so bleiben, wie sie bisher ist. Darüber muss man ohne Scheuklappen sprechen.

Solange es nicht zu einer Änderung des Asylgrundrechts kommt, wird es auch weiterhin notwendig sein, Sammelunterkünfte für Asylbewerber zu behalten und vor allem konsequent das weiterzuführen, was in Baden-Württemberg mit Erfolg praktiziert wird: möglichst wenig Geldleistungen und mehr Sachleistungen an Asylbewerber in Sammelunterkünften.

Vor diesem Hintergrund bitte ich sehr herzlich, doch einmal ganz offen darüber nachzudenken: Ist die Diskussion über eine Aufhebung des Arbeitsverbots für Asylbewerber wirklich klug? Sollten wir, solange es nicht mit Blick auf Europa zu einer Änderung des Asylgrundrechts kommt, diese Diskussion nicht besser zurückstellen? Ich befürchte nämlich: Wenn wir über die Aufhebung eines Arbeitsverbots für Asylbewerber sprechen, dann schaffen wir wieder einen zusätzlichen Anreiz, aus wirtschaftlichen und nicht aus politischen Gründen als Asylbewerber nach Deutschland kommen zu wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Dann darf ich mich einem weiteren Punkt zuwenden, Herr Kollege Pfister, verehrte Freunde und Partner von der FDP/DVP-Fraktion.

(Unruhe – Zuruf des Abg. Brechtken SPD)

Ich habe doch nicht von Parteifreunden gesprochen, Entschuldigung!

(Lebhafte Unruhe)