Herr Kollege Kretschmann, dann haben Sie in der Tat ein wunderbares Beispiel für die Denkweise eines solchen selbst ernannten Moralapostels geliefert.
Sie nehmen ein Faktum, ein schlimmes persönliches Schicksal, und suggerieren, dass wegen dieses schlimmen Schicksals ein Christ selbstverständlich die Pflicht habe, den Betroffenen zu helfen. Sie vergessen dabei aber oder unterschlagen böswillig oder wider besseres Wissen – das möchte ich Ihnen unterstellen –, dass vorher natürlich ein rechtsstaatliches Prüfungsverfahren stattgefunden hat, das zu dem Ergebnis gekommen ist, dass so jemand eben – auch wenn ein persönlich schlimmes Schicksal dahintersteht – aufgrund unserer Rechtslage abgeschoben werden muss.
Nun gehen dort einige Leute her – das wird hier auch beredt verteidigt – und erheben ihre persönlichen Wertmaßstäbe über die Maßstäbe des Grundgesetzes und über die Maßstäbe unserer Rechtsordnung.
(Abg. Wilhelm REP: So ist es! – Abg. Birgitt Ben- der Bündnis 90/Die Grünen: Sie sprechen von Rechtsordnung?)
Das wird dann moralisch unterkleidet. Wo ist denn dann bitte schön die Grenze? Dann kommt irgendeiner auf die Idee und sagt: „Aber einen ganz Bestimmten hier einmal anzuschießen, das ist auch legitim, weil es ja einer guten Sache dient“, oder wie?
Wenn Sie aufhören, rechtliche Grundsätze als geltend zu nehmen, und wenn Sie an ihre Stelle moralische Erwägungen stellen, muss ich sagen: Moral ist nicht messbar, Moral ist nicht judizierbar, Moral ist höchst willkürlich.
Was Sie hier tun, ist nichts weiter, als Willkür ins Rechtssystem hineinzubringen, meine Damen und Herren.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Vielleicht kann ich die Debatte nach dem letzten Beitrag wieder ein wenig versachlichen, indem ich versuche, zunächst einiges klarzustellen.
Menschen, die ins Kirchenasyl gehen, sind fast ausnahmslos abgelehnte Asylbewerber, die ausreisepflichtig sind. Alle Rechtsmöglichkeiten innerhalb und außerhalb des Asylverfahrens sind ausgeschöpft, meist auch die Petitionen.
In Deutschland kann jeder Asylbewerber in einem umfangreichen Verfahren vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge seine Fluchtgründe darlegen. Die Entscheidungen können in mehreren gerichtlichen Verfahrensstufen überprüft werden. Das ist auch im internationalen Vergleich – Herr Kollege Kretschmann, da werden Sie mir zustimmen – ein vorbildlicher Standard. Deshalb ist es natürlich schon schwierig, sich bei diesem Standard, der in der Bundesrepublik Deutschland gefunden worden ist, der diese Instanzen kennt, das Recht herauszunehmen, zu sagen: Da tun wir jetzt aber noch eine weitere Instanz obendrauf und entscheiden, wer Kirchenasyl bekommt und wem dieses Kirchenasyl nicht gegeben werden kann.
Natürlich hat Herr Kollege Kretschmann Recht: Die Institutionen des demokratischen Staates können sich irren. Wir sind nicht auf Unfehlbarkeit hin konstruiert. Aber wir haben es doch mit hinlänglicher Wahrscheinlichkeit durch die vielen Verfahrensstufen erreicht, Herr Kollege Kretschmann, dass man die Gründe, die zur Asylgewährung führen könnten, sehr objektiviert überprüft bekommt.
Deshalb müssen sich die Kirchen an dieser Stelle schon fragen lassen, ob sie gut beraten sind, wenn sie das Thema Kirchenasyl im demokratischen Staat überdehnen oder überspannen. Ich werde nachher noch etwas dazu sagen, ob sie es tun. Sie gehen ja schon sorgsam damit um. Aber wir müssen diese Grundanfrage an die Kirchen vonseiten des Staates stellen dürfen.
Wer alle Rechtswege ausgeschöpft hat, wer dann keine Duldung erhalten hat, wer auch nicht freiwillig geht, der muss abgeschoben werden. Das ist übrigens eine Position, die auch die seit 1998 amtierende Bundesregierung vertritt – das Asyl-Bundesamt ist in der Praxis nicht verändert worden, es ist eine Bundesbehörde – und über die Konsens in der Bundesrepublik Deutschland besteht.
Im Jahr 2000 – das will ich einfach einmal sagen – haben wir bislang in Baden-Württemberg 16 000 abgelehnte Asylbewerber veranlassen können, das Land zu verlassen, die weit überwiegende Anzahl freiwillig, ein Teil musste aber auch abgeschoben werden.
In der Debatte war, wenn ich es richtig sehe, weitgehend Konsens, dass nur der Staat ein Recht auf Asyl gewähren kann. Nichtstaatliche Organisationen können das nicht tun, auch die Kirchen, die eine ganz herausgehobene Funktion in unserem Land haben, können es nicht tun. Sie sagen übrigens auch nicht, weder die katholische noch die evangelische Kirche, dass sie es tun wollten. Was sie mit diesen Fällen erreichen wollen – und deshalb glaube ich schon, dass ein sensibler Umgang angezeigt ist, wie er in der Debatte auch vorgeherrscht hat –, ist: noch einmal Verhandlungen um einen Asylfolgeantrag, noch einmal die Prüfung
von zeitlichen Möglichkeiten. Deshalb ist es angezeigt und richtig, wenn wir im Einzelnen diesem Anliegen der Kirchen im demokratischen Staat eben auch mit Angemessenheit nachgehen.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wurde angesprochen. Genau dem folgen wir. Die Ausländerbehörden des Landes versuchen in der Regel für die Betroffenen unter Beteiligung der Kirchen einvernehmliche Wege der Rückkehr zu suchen, zum Beispiel Fristverlängerungen, um damit doch noch eine freiwillige Ausreise zu erreichen.
Es ist ein wenig ärgerlich, wenn wir dieses Thema hier so präsentiert bekommen, als ob es ein Hauptthema wäre. Deshalb habe ich gerade die eindrucksvolle Zahl von bislang 16 000 rückgeführten Asylbewerbern im Jahre 2000 aus Baden-Württemberg genannt.
Wir haben es in Baden-Württemberg demgegenüber derzeit mit sieben Fällen von Kirchenasyl zu tun, von denen 35 Personen umfasst sind.
Wenn Sie sich einmal die Stellungnahmen der Landesregierung zu den drei verschiedenen Anträgen der Republikaner im Einzelnen anschauen, werden Sie sehen, dass die Fälle auch differieren, dass mit einer gewissen Zeitverzögerung friedlich, schiedlich immer wieder Fälle gelöst werden – Gaggenau, Bad Schussenried, Dornhan; Kollege Kleinmann kennt das Beispiel aus eigener Anschauung –, wo Lösungsmöglichkeiten auf eine pragmatische Art und Weise gefunden werden. Da verfestigt sich nichts, sondern der demokratische Staat handelt. Er beendet das Kirchenasyl aber auf eine angemessene Art und Weise.
Es wäre freilich auch ganz falsch, wenn von dieser Landtagsdebatte das Signal nach außen ausgesendet würde, das Kirchenasyl sei eine weitere Möglichkeit, um doch noch ein Bleiberecht zu erhalten. Wenn sich Personen in das Kirchenasyl begeben, ändert das an der Ausreisepflicht nichts. Vor falschen Illusionen in diesem Zusammenhang muss gewarnt werden, auch wenn wir uns in einer sehr lautlosen, aber dafür effizienten Form um Lösungen der Einzelfälle bemühen.
Ich will in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass die Ausländerbehörden, soweit es uns bekannt ist, in den vergangenen Jahren in keinem einzigen Fall ein Bleiberecht wegen Kirchenasyl in Baden-Württemberg erteilt haben.
Lassen Sie mich ein kurzes Fazit ziehen: Es bleibt das Ziel der Landesregierung, die gegenwärtig vorhandenen sieben Kirchenasylfälle mit Augenmaß zu lösen, in einer Art und Weise, die auch Respekt vor unseren Kirchen zum Ausdruck bringt, die aber dennoch deutlich macht, dass der demokratische Staat in der Lage ist, seinen Rechtsnormen auch Ausdruck zu verleihen.
Meine Damen und Herren, mir liegen in der Aussprache keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen damit zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung der Anträge.
Beim Antrag der Fraktion Die Republikaner, Drucksache 12/4690, handelt es sich um einen Berichtsantrag. Ich gehe davon aus, dass er mit der heutigen Debatte erledigt ist. – Das hohe Haus stimmt der Erledigterklärung zu.
Abschnitt I des Antrags der Fraktion Die Republikaner, Drucksache 12/5473, beinhaltet Berichtsbegehren. – Auch dieser Abschnitt ist mit der heutigen Debatte erledigt. Es ist so beschlossen.
Bei Abschnitt II dieser Initiative handelt es sich um einen Beschlussantrag. Wer dem Beschlussantrag unter Abschnitt II des Antrags der Fraktion Die Republikaner, Drucksache 12/5473, zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Wer stimmt dagegen? – Abschnitt II dieses Antrags ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Der Antrag der Fraktion Die Republikaner, Drucksache 12/4783, beinhaltet ebenfalls einen Beschlussantrag. Wer diesem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer dagegen stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Auch dieser Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Große Anfrage der Fraktion der CDU mit der Antwort der Landesregierung – Berufliche Schulen in BadenWürttemberg – Drucksache 12/5231
Das Präsidium hat für die Besprechung gestaffelte Redezeiten bei einer Grundredezeit von fünf Minuten je Fraktion und für das Schlusswort eine Redezeit von fünf Minuten festgelegt.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Vor zwei Tagen wurden 95 Millionen DM an zusätzlichen Mitteln aus der Zukunftsoffensive für die beruflichen Schulen zur Verfügung gestellt. Dies zeigt die Bedeutung, die dieser Schulart zu Recht beigemessen wird.