Christian Käs
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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist zweifellos ein verfassungsrechtlich schwieriges Problem, das im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf angesprochen werden muss. Es ehrt dieses Haus ohne Zweifel, dass hier so bedacht und abwägend argumentiert worden ist.
Angesichts der Beispiele aber, die der Herr Innenminister am Anfang genannt hat und die sich ohne Probleme durch weitere Beispiele auch aus anderen Bundesländern ergänzen ließen, habe ich kein Verständnis dafür, dass gerade von der linken Seite des Hauses Bedenken geäußert werden, die letztlich darauf hinauslaufen, dass die Umsetzung des Gesetzentwurfs verzögert werden soll – ich denke an den Vorschlag, eine Anhörung durchzuführen –, womöglich über das Ende der laufenden Legislaturperiode hinaus, damit wir noch länger auf dieses sinnvolle Gesetz warten müssen.
Gerade wir Republikaner fordern ein solches Gesetz seit Jahren, sei es auf bundesrechtlicher oder auf landesrechtlicher Grundlage. Wir unterstützen nachdrücklich, dass eine solche gesetzliche Regelung umgesetzt wird.
Aber – das muss man sagen; da sind die bedenkenreichen Äußerungen sicherlich zu berücksichtigen – es gibt eine Reihe von Problemen. Wir befinden uns in der Tat in einer schwierigen Grenzsituation, wenn es um die Frage der Rechtsstaatlichkeit geht. Es geht um das Freiheitsrecht einer Person, die ihre Strafe eigentlich abgebüßt hat. Das ist ernsthaft zu berücksichtigen.
Zu berücksichtigen ist nach unserem Dafürhalten aber auch das Schutzinteresse derjenigen, die noch nicht zum Opfer geworden sind und die durch jemanden, der auf freien Fuß gesetzt wird, aber hochgradig rückfallgefährdet ist, möglicherweise gefährdet werden könnten. Hier ist jeder Tag, der hinsichtlich der Umsetzung dieses Gesetzentwurfs ver
loren geht, ein Tag, an dem die Gefahr besteht, dass sich ein solcher Fall gerade realisiert. Deswegen haben wir keine Zeit, diese Frage mit umfangreichen Anhörungen, die über das erfolgte Maß hinausgehen, noch zu diskutieren. Dieses Haus ist imstande und kompetent genug, diese Frage jetzt auch tatsächlich legislativ zu entscheiden.
Die Frage, ob wir hier die Gesetzgebungskompetenz haben, ist natürlich eine juristisch zentrale Frage. Dazu ist das Wesentliche gesagt worden. Ich will mich hier nur noch auf den wesentlichen Punkt beschränken.
In der Tat haben wir bei der Abgrenzung von strafermittelnden, strafvollziehenden Tätigkeiten, die in der bundesrechtlichen Kompetenz und im Polizeirecht liegen, immer wieder Grenzfälle. Jeder Polizeibeamte weiß, dass er sich bei derselben Aktion im polizeirechtlichen Bereich oder im strafprozessrechtlichen Bereich bewegen kann. Die Abgrenzung ist hier für meine Begriffe sehr präzise getroffen. Natürlich knüpft man daran an, das jemand strafrechtlich verurteilt worden ist. Aber der eigentliche Grund für die Maßnahme ist die Prognose. Wenn hier wegen der Prognose Bedenken vom Kollegen Bebber kommen, so frage ich: Wer soll denn die Prognose sonst stellen, wenn nicht Fachleute, die eine Person zu begutachten haben?
Jemand, der im Gefängnis schon mit der besagten Person gearbeitet hat, und eine neutrale dritte Stelle. Eine andere, kompetentere Stelle kann ich mir nicht vorstellen, obgleich – das habe ich an dieser Stelle in anderem Zusammenhang auch schon gesagt – ich durchaus Zweifel an der Kompetenz des einen oder anderen Psychologen hege, der hier ein Gutachten abgibt, das im umgekehrten Fall der – möglicherweise vorzeitigen – Freilassung einer solchen Person Tür und Tor öffnet. Dieses Risiko müssen wir hier eingehen. Deswegen gibt es eine Gerichtsverhandlung, und die muss auch öffentlich sein. Ein wesentlicher rechtsstaatlicher Aspekt einer Gerichtsverhandlung ist die Öffentlichkeit. Und die Öffentlichkeit ist gerade auch ein Schutz für den Betroffenen. Das will ich an dieser Stelle nur noch einmal unterstreichen.
Es sind dann verschiedenste Einwände gemacht worden, auf die ich jetzt im Einzelnen an dieser Stelle – dazu haben wir im Ausschuss genug Zeit – nicht mehr eingehen möchte.
Unter dem Strich möchte ich insgesamt aber eines festhalten: Dieses Gesetz ist natürlich schon ein Schritt auf juristisches Neuland, gar keine Frage. Es ist aber ein notwendiges Gesetz. Es entspricht den Forderungen, die schon seit Jahren von Fachleuten meiner Fraktion und vielen anderen hier in diesem Haus geäußert worden sind. Wir werden dieses Gesetz deshalb wohlwollend betrachten und stehen – das nur noch am Schluss gesagt – einer Detailanhörung, die das Ganze nur noch weiter verzögern würde,
sehr ablehnend gegenüber.
Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Große Anfrage und insbesondere die Beantwortung dieser Großen Anfrage liefert in der Tat – das ist schon mehrfach gesagt worden – eine Fülle von Material unterschiedlichster Fachbereiche, unterschiedlichster Themenkomplexe. Man sieht hier wunderbar, wie umfangreiche Themen und Gebiete, rechtliche und juristische Dinge, aber vor allem medizinische, psychologische und pädagogische Dinge hier mit hineinreichen.
Was mir bei den bisherigen Beiträgen ein wenig zu kurz gekommen ist, ist die Frage der politischen Verantwortung und der politischen Führungsfunktion, die die Politik hat. Es ist, denke ich, zu einfach, wenn man sich zurückzieht und sagt, das sei eine Sache, die wir der Familie überlassen, oder das seien gesellschaftliche Entwicklungen, denen wir machtlos gegenüberstünden. Ich denke, wir haben es hier mit Entwicklungen zu tun, zum Beispiel im Bereich der Familie und deren fortschreitender Auflösung, die durchaus politisch initiiert und politisch betrieben sind, und die Folgen spüren wir natürlich auch in den Ergebnissen, die in diesen Einzelfeldern dann zutage treten. Lassen Sie mich auf einige Einzelaspekte eingehen.
Was mich an den Ergebnissen der Studie zunächst einmal fast entsetzt hat, ist doch die hohe Konzentration von chemischen Substanzen, von Hormonen und Medikamenten im Oberflächenwasser und die damit verbundene Tatsache, dass diese Substanzen auch in den Ernährungskreislauf hineinkommen und natürlich – auch das ist vorhin schon gesagt worden – gerade für Kinder, Säuglinge etc. doch eine erhebliche Gefahr bedeuten können. Wenn ich mir dann anschaue, wie in der Beantwortung der Anfrage das Verhalten der Landesregierung signalisiert wird, dass kein Grund zur Besorgnis besteht, sehe ich hier eine durchaus denkbare Parallele zur Haltung der Landesregierung noch vor wenigen Wochen und Monaten zu BSE. Auch hier geht es um bedrohliche Elemente, die in die Nahrungskette hineinkommen. Hier einfach zurückhaltend zu reagieren, sage ich einmal ganz vorsichtig, ist möglicherweise zu we
nig. Hier muss in der Tat mehr getan werden, und es muss auch versucht werden, das Oberflächenwasser und damit einen wesentlichen Teil unserer Ernährungskette in einen vernünftigen und gesunden Zustand zurückzuversetzen.
Ernährungssituation und Verhaltensstörungen sind angesprochen worden, ebenso Bewegungsmangel. Zum Stichwort Bewegungsmangel ist eine ganze Menge an Initiativen und Maßnahmen in der Antwort der Landesregierung aufgeführt worden. Stichwort Schulsport, aber auch die vielfachen Initiativen der Vereine. Wir halten es für sehr notwendig, dass gerade die sportlichen Aktivitäten innerhalb von Vereinen – da gibt es eine ungeheure Bandbreite – noch mehr als schon jetzt in den Vordergrund gestellt werden. Die Vereine schaffen Sozialisation. Sie schaffen soziale Integration, und sie sorgen, natürlich ganz besonders Sportvereine, auch für Maßnahmen gegen den Bewegungsmangel. Das ist eine politische Führungsaufgabe. Auch hier kann man nicht sagen: Wir überlassen es den Landessportverbänden oder den einzelnen Vereinen. Hier muss, wie wir meinen, noch verstärkt politisch eingewirkt werden. Außerdem müssen die Rahmenbedingungen geschaffen werden. Wir haben hier schon unter vielerlei Aspekten diskutiert, unter welchen Problemen die Vereine leiden und dass hier mehr möglich gemacht werden muss und auch mehr Initiativen ergriffen werden müssen.
Schulsport ist ein wichtiger Aspekt. Auch nach unserem Dafürhalten ist der Schulsport, so wie er derzeit in BadenWürttemberg betrieben wird, sicherlich im Vergleich mit anderen Bundesländern eine vorbildliche Angelegenheit; aber er ist immer noch im Gesamtzusammenhang des gesamten Lehrangebots unterrepräsentiert. Auch hier hätte die Landesregierung eine gute Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass Bewegungsmangeleffekten in der jungen Bevölkerung entgegengewirkt wird.
Am Schluss noch einen Aspekt: Was sehr bedenklich und was symptomatisch ist, ist das, was in der Beantwortung angesprochen wird, nämlich dass das Ernährungsbewusstsein, das Informiertsein über Risiken, über Möglichkeiten, sich gesund zu ernähren, aber auch die Symptome im Bereich Bewegungsmangel, Verhaltensstörung, Ernährungssituation stark sozial abgeschichtet sind. Hier haben wir ein Defizit in der Sozialpolitik, das nicht nur in Baden-Württemberg, sondern in ganz Deutschland augenfällig ist. Wir haben eine wachsende soziale Abschichtung, und es gibt wenig überzeugende Maßnahmen, dem entgegenzuwirken. Wir fordern, verstärkt auf die Förderung und die Unterstützung der Familie, und zwar gesunder Familien, hinzuwirken und nicht so sehr den Auflösungserscheinungen – wir haben erst in der vorletzten Plenarsitzung über eine ganz aktuelle Auflösungserscheinung der klassischen Familie beraten – Aufmerksamkeit zu schenken. Wir fordern, der Familie als Träger der Volksgesundheit, wenn ich diesen altmodischen Begriff einmal verwenden darf,
mehr Unterstützung zukommen zu lassen.
Es gäbe viel zu sagen. Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen kommt ja noch in den Ausschuss. Da werden wir sicherlich noch eine Reihe weiterer Aspekte anführen können.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte an dieser Stelle nicht meinen Beitrag zur ersten Lesung wiederholen, indem ich noch einmal im Detail auf die Gründe für die Wiedereinführung der Jubiläumsgabe eingehe. Dass dies eine wahlkampforientierte Maßnahme der CDU ist, habe ich damals schon gesagt.
Das ist doch so. – Nichtsdestotrotz sehen wir sie natürlich als notwendig an. Im Gegensatz zur FDP/DVP, lieber Herr Kluck, müssen wir nicht für die Angestellten und Arbeiter, wie Sie es gesagt haben, Jubiläumsgaben verteilen, sondern wollen wir es gerne tun. Deswegen ist es auch für die Beamten notwendig, weil Anerkennung auch in diesem Beruf sinnvoll und richtig ist. Mit Bedauern haben wir zur Kenntnis genommen, dass eine rückwirkende Wiedereinführung der Jubiläumsgabe im Ausschuss keine Mehrheit gefunden hat. Vielleicht findet sie jetzt die notwendige Mehrheit.
Ich fasse also heute hier ganz kurz zusammen. Wir Republikaner unterstützen die Wiedereinführung der Jubiläumsgabe. Wir werden dem Antrag, der die rückwirkende Wiedereinführung der Jubiläumsgabe betrifft, zustimmen und hoffen heute auf eine Mehrheit hierfür.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Tat ist es so, dass der Fall Schmökel – er ist vorhin ja schon angesprochen worden – nicht ganz genau in dieses Problemfeld passt, über das wir heute diskutieren. Aber machen wir uns doch nichts vor: Die heutige Debatte ist davon mit ausgelöst worden.
Wir haben jetzt eine Aktuelle Debatte und diskutieren nicht über einen konkreten Gesetzentwurf, was sofort – das haben alle meine Vorredner wunderbar bewiesen – zu großer Einigkeit darüber führt, dass man den Bürger draußen erst einmal beruhigen muss. Da ist auch der Konsens groß.
Darauf folgt im Zweifel aber nur die Ankündigung: Wir diskutieren irgendwann später über einen Gesetzentwurf. Wenn dann ein solcher Gesetzentwurf kommt – ich bedauere, dass heute kein solcher Gesetzentwurf auf der Tagesordnung steht –, dann gibt es wieder viele Bedenken, dann wird er zerredet, relativiert, und dann wird es eine breite Zweifler- und möglicherweise auch Ablehnungsfront geben. Ich erwarte, dass es so sein wird, wenn ein solcher Gesetzentwurf irgendwann einmal kommt.
Interessant ist, dass die heutige Debatte von der FDP/DVP beantragt wurde. Die FDP ist mit verantwortlich für jene Liberalisierungen im Strafrecht und im Strafvollzug, die wir seit Mitte der Siebzigerjahre bis heute erfahren haben,
damals in einer sozialliberalen Regierung, heute in der Landesregierung. Man kann die Spur der FDP permanent durch die Rechtsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland verfolgen.
Die Folge dieser liberalen Spur in der deutschen Rechtsgeschichte der letzten 20, 30 Jahre ist,
dass der Täter gerade im Strafvollzug massiv in den Vordergrund gerückt ist.
Wir haben hier schon verschiedentlich über die mangelnde Rücksichtnahme auf Opfer gesprochen. Heute haben wir über den Schutz der Bürger zu sprechen, dem das Interesse des Täters an Resozialisierung gegenüberzustellen und eine Abwägung zu treffen.
Nach meinem Dafürhalten gibt es ein klares Prä: ein Interesse der Opfer, dass sie nicht wieder Opfer werden, und ein Interesse der potenziellen Opfer, dass sie überhaupt nicht Opfer werden. Der Schutz des Bürgers vor schweren, wiederholungsgefährdeten Straftätern muss im Vordergrund stehen.
Wenn ich den zeitlichen Zusammenhang sehe zwischen dem Fall Schmökel, ähnlichen Fällen, die vielleicht nicht ganz so populär geworden sind, und der Ankündigung des Ministers kurz danach, hier etwas tun zu wollen, dann verfestigt sich draußen doch das Handlungsschema: Erst muss das Kind in den Brunnen fallen, bevor die Regierung etwas unternimmt. Herr Minister, hier geben Sie ein schwaches Bild ab. Sicherlich, ein Gutachten und, und, und, aber das Bild, das die Regierung jetzt in der Öffentlichkeit abgibt, ist doch dieses: Erst muss etwas geschehen. Die Leute draußen sagen, aus vielerlei Erfahrung schlauer geworden: Na ja, da wird jetzt viel gesagt, aber am Ende bleibt alles beim Alten, und wir können sehen, wo unsere Sicherheit bleibt.
Meine Damen und Herren, wir müssen politisch einen Führungsanspruch anmelden, wir müssen gestaltende Politik machen. Das heißt ganz konkret, dass ich eigentlich erwartet hätte, dass heute ein Gesetzentwurf zur Diskussion steht aufgrund des Gutachtens von Herrn Würtenberger, damit wir konkret handeln können. Heute – davon bin ich überzeugt – werden wir uns, auch in der zweiten Runde, auf allgemeine, wohlfeile Worte beschränken,
wir werden aber letzten Endes alles so belassen, wie es ist. Das ist die Politik, die hier von der Regierung betrieben wird. Das ist an erster Stelle zu kritisieren.
Heute eine Aktuelle Debatte zu diesem Thema zu eröffnen, das war ein Fehler. Wir hätten heute einen Gesetzentwurf, und sei es von der FDP/DVP alleine, auf dem Tisch haben müssen. So geht es nicht.
Danke.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn ich gerade von liberaler Seite Worte wie „Verschärfung des Strafvollzugs“ oder Ähnliches höre, dann drängt sich mir der Vergleich auf, dass es immer merkwürdig ist, wenn ein Blinder von der Farbe redet. In der Tat ist es doch so – ich sage es noch einmal –: Die Geschichte der FDP ist eine Geschichte der Liberalisierung des Strafrechts und eine Geschichte der Liberalisierung des Strafvollzugs. Sich heute hier hinzustellen und zu sagen: „Wir tun etwas; wir machen etwas“ heißt doch, dass man im Grunde an dem herumkuriert, was man als Ergebnis der eigenen Politik heute hier zu verantworten hat.
Das ist eine „Haltet den Dieb!“-Mentalität, die man einfach nicht durchgehen lassen kann.
Um auch noch etwas zum Stichwort „Spur“ zu sagen: Die Spur meiner Fraktion seit 1992 hier zum Beispiel im Bereich der Justizpolitik ist durchaus spürbar.
Denn ohne unsere Initiative zum Opferschutz hätte sich hier möglicherweise überhaupt nichts getan. Dass sich wenigstens etwas getan hat, ist doch das Ergebnis der Tatsache, dass wir das hier angesprochen haben. Sich heute hier hinzustellen, als hätte man substanzielle Beiträge geliefert, ohne dass es dazu eines Anstoßes bedurft hätte, ist schon reichlich mutig.
Es hat keinen Sinn, heute über den Gesetzentwurf zu diskutieren. Denn diese Ersatzveranstaltung – statt der Debatte über den Gesetzentwurf heute eine Aktuelle Debatte – ist natürlich dazu überhaupt nicht tauglich. Wir können nicht über die ganzen verfassungsrechtlichen, strafrechtlichen, polizeipräventiven Dinge heute hier wirklich substanziell reden; denn das ist alles ein Fischen im trüben Teich.
Ein paar Anmerkungen möchte ich allerdings schon machen, auch für meine Fraktion, damit die Position deutlicher wird.
Es bedarf natürlich einer bundesgesetzlichen Regelung;
denn wir haben ein Strafvollzugsgesetz als Bundesgesetz, das diesen Entwicklungen angepasst werden muss, damit sichergestellt wird, dass schwierige Straftäter, insbesondere Sexualstraftäter, dauerhaft hinter Schloss und Riegel kommen. Hier hat das Interesse des Bürgers, nicht noch einmal Opfer zu werden, Vorrang vor einem Resozialisierungsinteresse. Gerade bei Sexualstraftätern muss man Zweifel daran haben, ob diese Herrschaften resozialisierbar oder gar therapierbar sind.
Die Misserfolge in diesem Bereich zeigen das ja durchaus. Diese Täter müssen also schon sicher hinter Schloss und Riegel, und da muss eine gesetzliche Regelung gefunden werden. Wenn wir das partiell hier auf Landesebene tun können, dann mag das so kommen, und ich hoffe, es kommt schnell.
Auf der anderen Seite muss auch eine verstärkte Inverantwortungnahme der begutachtenden Psychologen stattfinden. Die sitzen da nicht nur einem Straftäter gegenüber, dem sie verantwortlich sind, dessen Heilerfolg sie zu verantworten haben, sondern diese Herrschaften haben auch eine Verantwortung der Öffentlichkeit gegenüber. Denn deren Gutachten spielt eine maßgebliche Rolle dabei, ob ein – gerade triebgesteuerter – Täter wieder auf die Öffentlichkeit losgelassen werden kann. Hier muss eine Ausbildungsverbesserung erfolgen. Man muss auf die Verantwortlichkeit dieser Herrschaften achten. Ich habe gerade im Zusammenhang mit aktuellen Fällen die eine oder andere Stellungnahme von Psychologen zur Kenntnis genommen und muss sagen, da gibt es ein erhebliches Defizit. Da steht noch manches 68er-Denken im Raum, und man hat die Realität noch gar nicht wirklich wahrgenommen. Das Ergebnis sind dann solche Fälle wie der von Herrn Schmökel.
Dann stellt sich natürlich die Frage der nachträglichen Sicherungsverwahrung und die Frage, wo man diese gesetzlich regelt. Das diskutieren wir hoffentlich sehr schnell im Zusammenhang mit dem versprochenen Gesetzentwurf.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Tat – wir haben ja jetzt den Landesjugendbericht 2000 und quasi einen Nachbericht bzw. eine Nachschau im Hinblick auf die schon über eineinhalb Jahre zurückliegende Jugendenquete – ist es Zeit, Bilanz zu ziehen und einmal nachzusehen, was im Einzelnen konkret erfolgt ist.
Beide Berichte sind außerordentlich umfangreich und enthalten eine Fülle von Hinweisen auf Aktivitäten der Regierung, auf neu eingesetzte Mittel und auf neu eingesetzte oder neu beschlossene Maßnahmen verschiedenster Art.
Insgesamt aber – da muss man auch einmal einen Dialog mit den betroffenen Jugendlichen gegenüberstellen – kommt insbesondere bei den Problemgruppen relativ wenig davon an. Hier setzt der Kritikpunkt an. Wir haben ja die Probleme in der Jugend nicht bei den engagierten Jugendlichen oder bei gut ausgebildeten Jugendlichen, zum Beispiel Abiturienten, sondern wir haben Probleme bei ethnischen Minderheiten, wir haben Probleme bei schlecht ausgebildeten Jugendlichen, wir haben bei körperlich oder sonst in irgendeiner Form benachteiligten Jugendlichen eine ganze Reihe von Problemen. Hier sehe ich relativ wenig neue Ansätze, sondern ich sehe im Prinzip ein „Weiter so wie bisher“. Wenn man sich die Autorenfraktionen der Großen Anfrage ansieht – CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP/DVP –, stellt man fest, dass hier offensichtlich ein großer Konsens der beharrlichen Fortsetzung der bisherigen Politik stattfindet. Und was ich bisher von den anderen Oppositionsfraktionen gehört habe, erweckt ja auch nicht den Eindruck, als werde hier grundsätzliche Kritik an dem „Weiter so wie bisher“ geübt.
Ich möchte einmal ein paar Einzelaspekte herausgreifen. Wir haben in Baden-Württemberg sicherlich nicht so wie in den neuen Bundesländern zum Beispiel ein Problem der Jugendarbeitslosigkeit. Das ist natürlich kein Problem, das junge Abiturienten betrifft. Denen kann man sagen: „Studiert Informatik, studiert einen Beruf aus der neuen ITBranche, und euch stehen alle Türen offen.“ Aber wir haben ein Problem am anderen Ende der gesellschaftlichen Skala. Da sehe ich noch große Hürden, die zu überwinden sind.
Ich habe seinerzeit in meinem Beitrag zum Abschluss der Jugendenquete auf einen Fall hingewiesen – darauf möchte ich noch einmal eingehen –, der mir für die grundsätzlichen strukturellen Probleme doch sehr symptomatisch erscheint. Ich war im Zuge dieser Jugendenquete auch in Mannheim und bin dort mit einer jungen Frau ins Gespräch gekommen, die schwer lernbehindert war, geistig aber durchaus fit, jedoch aufgrund ihrer Probleme nicht einen hoch qualifizierten Beruf anstreben konnte, sondern in der Tat nur Küchenhilfe werden wollte. Die erzählte mir aus der Mannheimer Situation die Lebensrealität, in der sie sich befindet. Sie kommt als Küchenhilfe in Mannheim nur sehr schwer unter, weil die Gastronomie für jemanden wie sie keine Aufnahmefähigkeit besitzt. Ich habe damals darauf hingewiesen – dann kam gleich wieder: ja, ja, das alte Thema –, dass es ein Problem ist, auch dass wir jetzt noch Probleme haben, in einer sich mittlerweile in vielen Teilen ethnisch strukturierenden Wirtschaft, vor allem in den großen Städten, leistungsbehinderte deutsche Jugendliche angemessen unterzubringen. Die Frau hat mir gesagt: Bei einem griechischen Wirt komme ich nicht unter, bei einem türkischen Wirt komme ich nicht unter, und die deutsche Gastronomie ist nur High-Level-Gastronomie. Die Frau hat mir ihre Probleme in dieser Weise geschildert.
Ich habe diesen Fall auch in der Zeit danach weiterverfolgt und stelle fest, dass dieselben Probleme nach wie vor bestehen. Ich stelle auch fest, dass in der Beantwortung der Großen Anfrage und im Landesjugendbericht entsprechende Themen nicht aufgegriffen worden sind bzw. dass keine logischen Ansätze da sind.
Jugendgewalt wird hier in diesem Haus und auch draußen in der Öffentlichkeit – der zweite Aspekt – auf rechte Gewalt oder Gewalt von Rechts, wie auch immer, beschränkt. Das Grundproblem, dass diese Jugendgewalt ein Reflex auf unsere Gesellschaft ist, auf eine Big-Brother-orientierte Gesellschaft, wo nachmittags um fünf Uhr der erste Mord im Fernsehen passiert, das ist in der Tat hier vollkommen ignoriert worden.
Man muss doch in der Tat einmal schauen, was für Leitbilder hier transportiert werden. Da sehe ich bei all dem, was hier zu lesen war, wenig substanzielle Gegenmaßnahmen.
Der nächste Aspekt: ausländische Jugendliche, wobei hier in falscher Weise, wie ich meine, die Spätaussiedler aus Russland in denselben Topf kommen und im selben Zusammenhang diskutiert werden. Die sind natürlich auch ein Problem. Sie haben Integrationsprobleme. Sie sind jetzt in der dritten Generation weitgehend integrationsunwillig. Ich finde in den Papieren keine konkrete Angabe, wie man gerade mit jenen ausländischen Jugendlichen umzugehen gedenkt, die mittlerweile ganz offen erklären, dass sie kein Interesse mehr haben, Integration wahrzunehmen. All diese Angebote, die hier genannt werden – Sprachschule, Integrationsförderung –, sind Maßnahmen, die einen Dialog voraussetzen. Das heißt, sie müssen auch angenommen werden.
Was aber soll mit solchen Jugendlichen, die diese Maßnahmen gar nicht annehmen wollen, geschehen? Ich sehe hier keinen entscheidenden und vernünftigen Ansatz.
Summa summarum, meine Damen und Herren: Dieser Jugendbericht und die Antwort auf die Große Anfrage sind in der Tat eine vollständige Zusammenfassung der bisherigen Politik. Ich sehe keine weiteren neuen kreativen Ansätze, die über das „Weiter so wie bisher“ hinausgehen. Deshalb halte ich dieses insgesamt für einen Versuch, der nur in Teilen erfolgreich war, dessen Ansätze gerade die Problemgruppen oftmals gar nicht in der Weise erreichen, wie man das jetzt insbesondere von den Rednern der anderen Fraktionen hier öfters hört.
Danke.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Diese Beratung ist schon ein merkwürdiger Höhepunkt an Scheinheiligkeit. Da will Rot-Grün hier und in Berlin das Berufsbeamtentum sukzessive demontieren,
und dann stellt man sich anlässlich dieses Antrags kurz vor der Landtagswahl hin und lobt eben diese Berufsbeamten über den grünen Klee.
Schwarz-Gelb war 1996 als Landesregierung noch keine sechs Monate im Amt und schaffte die Jubiläumsgabe einfach ab. Das halte ich durchaus für eine dienstherrliche Schandtat, wenn Sie mir diesen harten Ausdruck erlauben wollen. Kurz vor der Landtagswahl wird sie nun wieder eingeführt.
Wenn man sieht, wie schlampig dabei gearbeitet worden ist, erweckt dies zusätzlich – und ich glaube, zu Recht – den Eindruck, dass man es arg eilig gehabt hat, die Sache noch rechtzeitig vor der Landtagswahl in die Diskussion zu bringen. Denn man hat in der Eile wichtige Dinge vergessen, die man im Ausschuss schnell noch nachbessern muss. Was hier diskutiert wird, erscheint mir doch sehr wahlkampforientiert. Es ist eine scheinheilige Diskussion, die hier eigentlich von allen Fraktionen – außer meiner eigenen Fraktion – praktiziert wird.
Meine Fraktion kann darauf verweisen, dass wir in den zurückliegenden Jahren das Berufsbeamtentum verteidigt und alle Versuche zurückgewiesen haben, es sukzessive zu schwächen und zu relativieren. Wir waren es auch, die 1996 vehement gegen die Abschaffung der Jubiläumsgabe argumentiert haben. Alle anderen müssen sich fragen lassen, ob sie den Beamten diesen Hohn antun wollen, anlässlich des Wahlkampfs jetzt so zu tun, als wären sie immer schon auf ihrer Seite und ein fürsorglicher Dienstherr.
Wer 25, 40 oder 50 Jahre lang treu diesem Staat dient, der hat, wie ich denke, bei Gott das Recht, nicht nur einen feuchten Händedruck und ein Stück Papier in die Hand zu bekommen, sondern auch eine geldwerte Würdigung seiner Arbeit.
Das ist notwendig, denn ein Beamter hat nicht selten schwierige Aufgaben zu erfüllen. Das muss man mit Recht würdigen. Da kann man ruhig den einen oder anderen hier zur Selbstkritik auffordern: Wer in der Vergangenheit allzu sehr am Streichen, Kürzen und Herummäkeln war, der soll jetzt fein schweigen und sich überlegen, ob man mit Beamten so umgehen kann.
Natürlich stellt sich auch für uns die Frage, was mit jenen passiert, die ihr Jubiläum während der vier Jahre hatten, in denen die Jubiläumsgabe ausgesetzt war. Diese Frage muss beantwortet werden. Wir werden sehen, was zu diesem Punkt während der Diskussion im Ausschuss gesagt wird.
Ich möchte noch einen Satz zur Frage der Altersteilzeit für Behinderte sagen: Wir werden diesen Vorschlag natürlich ebenso unterstützen und halten ihn für einen Schritt in die richtige Richtung. Wir gehen jetzt mit Interesse in die Ausschussberatung hinein.
Vielen Dank.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Formulierung der Anträge unter b und c – Beendigung von so genanntem Kirchenasyl und Beendigung aller Fälle von so genanntem Kirchenasyl – zeigt eigentlich schon deutlich, dass nach unserem Dafürhalten ein Handlungsdefizit anzuprangern ist, ein Handlungsdefizt, das nicht eine Lappalie umfasst, sondern eine grundsätzliche Frage berührt, nämlich das Verhältnis zu unserem Rechtsstaat.
Wir hatten in der deutschen Geschichte irgendwann vor vielen hundert Jahren schon historische Fälle von Kirchenasyl. Da gab es eine historische Auseinandersetzung. Ich
halte jetzt kein historisches Kolloquium, aber ich möchte diesen kleinen Rückgriff schon machen. Da gab es einen Machtkampf zwischen Kirche und Staat, Kaiser und Kirche um die Vormacht im Reich. Da gab es natürlich auch den einen oder anderen Ganoven, der sich diese Auseinandersetzung zunutze gemacht und sich bei der Kirche verkrochen hat, wenn ihm der Staat hinterhermarschiert ist. Dann hat es eben solche Fälle gegeben, wo jemand zu Recht oder zu Unrecht verfolgt wurde und dann im Schoß der Kirche Schutz gefunden hat.
Mittlerweile leben wir nicht mehr im Mittelalter, sondern in einem demokratischen Rechtsstaat, und wir sollten eigentlich der Meinung sein, dass solche Fälle in die Geschichtsbücher gehören und der historischen, beschaulichen Ansicht anheim gestellt werden können, ohne dass man sich aktuell damit beschäftigen muss. Aber in der Tat gibt es immer noch Fälle von Kirchenasyl. Nach einer nur als Schätzung bezeichneten Einschätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ gibt es bis heute nahezu 3 000 Fälle von Kirchenasyl in Deutschland, und nach der Auskunft der Landesregierung gibt es über einen längeren Zeitraum hinweg in Baden-Württemberg immer wieder – in der Größenordnung zwischen 30 und 40 Fällen – Kirchenasyl.
Nun kann man in der Tat sagen: Das sind Lappalien. Aber uns geht es um eine grundsätzliche Frage im Umgang mit einer solchen Form von Rechtsbruch. Erst vor kurzem wurde in einer von der katholischen Bischofskonferenz herausgegebenen Argumentations- und Entscheidungshilfe das Kirchenasyl als Akt der Nothilfe und letzte Hoffnung für Flüchtlinge verteidigt. Von der EKD, der Evangelischen Kirche in Deutschland, gibt es Ähnliches. Darin heißt es unter anderem: Die Aufnahme von ausreisepflichtigen Flüchtlingen in Kirchen und Gemeindehäusern diene dem Ziel, – ich zitiere – „dem der begründeten Befürchtung nach zu Unrecht abgewiesenen Flüchtling zu seinem Recht zu verhelfen“.
Die Gewährung von Kirchenasyl wird dabei als die Folge einer Rechtswirklichkeit dargestellt, in der es permanent zu eklatanten Fehlleistungen der Behörden und Gerichten käme und in der es aufgrund eklatanter Mängel bei der Durchführung des Asylverfahrens zu angeblich fatalen Folgen für die Flüchtlinge komme. Das ist eine Darstellungsweise, die man sich als durchaus rechtstreuer Bürger – das wollen wir ja alle sein – einmal auf der Zunge zergehen lassen muss. Da gibt es rechtskräftige Gründe, jemanden abzuschieben. Behörden haben geprüft. Gerichte haben geprüft. Es soll abgeschoben werden. Dann erheben sich nun einige über dieses Gesetz, geschützt und getragen von moralischen Ansprüchen, woher sie diese auch immer genommen haben wollen, und beginnen, Rechtsentscheidungen infrage zu stellen.
Nun ist auf der anderen Seite der Staat gefragt, und er sollte eigentlich das Recht durchsetzen. Aber es geschieht nichts. Wir haben permanent eine hohe Zahl solcher Fälle von Kirchenasyl. Und wenn ich mir die Stellungnahmen zu unseren Anträgen gerade zu der Frage, warum bisher nichts Konsequentes passiert, anschaue, dann stelle ich fest, dass es lapidar nach dem Motto geht: Wir versuchen das ja zu machen und wir bemühen uns ja redlich – so ungefähr
kommt es einem vor –, aber konkrete Schritte sind nicht feststellbar. Stattdessen stelle ich fest, dass es eine institutionelle Verfestigung dieses Rechtsbruchs gibt. Wenn Sie im Internet das Stichwort „Kirchenasyl“ eingeben, dann gibt Ihnen das System Dutzende von Internetseiten aus, wo ganz offensiv dieser Rechtsbruch gerechtfertigt wird, nicht etwa mit juristischen Argumenten, sondern mit moralischen Argumenten selbst ernannter Moralapostel.
Da gibt es eine Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ – wir sagen: eine Bundesarbeitsgemeinschaft zur Rechtfertigung von Rechtsbruch. Oder wie habe ich das zu verstehen? Und der Staat steht daneben und zuckt mehr oder minder mit den Schultern.
Warum hat man nicht versucht, mit den Kirchenoberen ins Gespräch einzutreten, die das teilweise nicht selten durchaus auch als problematisch ansehen? Mit liegt hier ein Papier der EKD vor. In diesem sagt die Kirche in grenzenloser Toleranz, wenn Sie so wollen: Ja Gott, das sind Schäflein im Rahmen der Kirche – die sehen das so –, es gibt ja moralische Grundsätze, und wir sind ja alle so lieb und brav. Aber dann heißt es unten drunter in einem Satz – ich muss erst die Stelle finden –:
Diejenigen, die aus einem Gewissenskonflikt heraus weiter gehen und sich zu einem begrenzten Verstoß gegen bestehende Rechtsvorschriften entschließen, müssen dafür freilich wie bei allen Aktionen zivilen Ungehorsams auch selbst die Verantwortung tragen.
Jetzt frage ich mich: Wo ist der Staat, der diese Rechtsbrecher tatsächlich zur Verantwortung zieht? Die Landesregierung selber sagt, dass in solchen Fällen nichts unternommen worden sei und dass man auch nicht auf die Kirche eingewirkt habe nach dem Motto: Unterbindet das! Wie ist das mit diesem Rechtsstaat? Wie sieht es in diesem Rechtsstaat aus, wenn in der Tat – wenn es auch nur wenige Fälle sind – aufgrund selbst aufgestellter moralischer Grundsätze Rechtsgrundsätze wie eben der Grundsatz, dass bestimmte Prinzipien, rechtskräftige Entscheidungen zum Beispiel, durchgesetzt werden müssen, offen geduldet infrage gestellt werden können?
Da hilft es natürlich nicht, dass wir sagen, wir seien dagegen, wir wollten das gar nicht, sondern es ist notwendig, das dann tatsächlich auch durchzusetzen. Doch da fehlt es. Stattdessen wird eine eklatante Ungleichbehandlung toleriert. Was ist denn das für ein Staat, der sagt, es gebe soundso viele abzuschiebende Asylbewerber, der dann aber duldet, wenn mehr oder weniger willkürlich eine minimal kleine Gruppe herausgegriffen und einer bevorzugten Behandlung unterworfen wird, während die Asylbewerber, die – ich sage es mal so forsch – so dumm sind, sich dem Gesetz zu unterwerfen, abgeschoben werden? Wo bleibt denn hier die Verwirklichung des Gleichheitsgrundsatzes?
Es gibt doch nicht nur eine Gleichheit beim Erheben von Ansprüchen, sondern es gibt doch auch eine Gleichheit in der Frage der Durchsetzung unangenehmer Dinge. Wo bleibt hier die entsprechende Maßnahme? Hier wird gegen
so viele grundsätzliche Prinzipien unseres Rechtsstaats verstoßen, dass man eigentlich von der Landesregierung – den Innenminister suche ich hier in unseren Reihen vergeblich – erwarten müsste, dass hier etwas zügiger und konsequenter der Durchsetzung von Recht und Gesetz Nachdruck verschafft wird.
Es reizt mich natürlich, jetzt zu verschiedenen Dingen etwas zu sagen. Ganz besonders reizt mich natürlich der Herr Kretschmann.
Wenn ich von selbst ernannten Moralaposteln gesprochen habe,
Herr Kollege Kretschmann, dann haben Sie in der Tat ein wunderbares Beispiel für die Denkweise eines solchen selbst ernannten Moralapostels geliefert.
Sie nehmen ein Faktum, ein schlimmes persönliches Schicksal, und suggerieren, dass wegen dieses schlimmen Schicksals ein Christ selbstverständlich die Pflicht habe, den Betroffenen zu helfen. Sie vergessen dabei aber oder unterschlagen böswillig oder wider besseres Wissen – das möchte ich Ihnen unterstellen –, dass vorher natürlich ein rechtsstaatliches Prüfungsverfahren stattgefunden hat, das zu dem Ergebnis gekommen ist, dass so jemand eben – auch wenn ein persönlich schlimmes Schicksal dahintersteht – aufgrund unserer Rechtslage abgeschoben werden muss.
Nun gehen dort einige Leute her – das wird hier auch beredt verteidigt – und erheben ihre persönlichen Wertmaßstäbe über die Maßstäbe des Grundgesetzes und über die Maßstäbe unserer Rechtsordnung.
Das wird dann moralisch unterkleidet. Wo ist denn dann bitte schön die Grenze? Dann kommt irgendeiner auf die Idee und sagt: „Aber einen ganz Bestimmten hier einmal anzuschießen, das ist auch legitim, weil es ja einer guten Sache dient“, oder wie?
Wo ziehen Sie denn bitte schön die Grenze?
Wenn Sie aufhören, rechtliche Grundsätze als geltend zu nehmen, und wenn Sie an ihre Stelle moralische Erwägungen stellen, muss ich sagen: Moral ist nicht messbar, Moral ist nicht judizierbar, Moral ist höchst willkürlich.
Was Sie hier tun, ist nichts weiter, als Willkür ins Rechtssystem hineinzubringen, meine Damen und Herren.
Noch ein Hinweis: Zum Antrag Drucksache 12/5473 beantragen wir Abstimmung über den Abschnitt II.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der ersten Lesung habe ich für die Fraktion Die Republikaner bereits ausführlich begründet, warum wir diesem Gesetzentwurf zustimmen wollen. Ich werde das jetzt nicht wiederholen.
Da der Änderungsantrag der die Regierung tragenden Fraktionen heute auch nicht mehr zur Debatte steht, darf ich in diesem Zusammenhang auf die völlig richtigen Ausführungen der Kollegin Grünstein verweisen. Das Verfahren haben wir auch im Innenausschuss kritisiert. Wir können das gerne extra beraten; das ist überhaupt kein Problem.
Meine Fraktion wird dem Gesetzentwurf zustimmen.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema ist Resozialisierung im Strafvollzug. Bei den Redebeiträgen meiner Vorgänger habe ich festgestellt, dass keiner etwas zu den Opfern gesagt hat.
Ich frage mich, was ein Opfer einer Straftat denkt, wenn es heute diese amüsierte, entspannte und offensichtlich ziemlich lockere Atmosphäre betrachtet.
Dann fragt sich ein Opfer, ob seine Interessen – die sind in diesem Zusammenhang auch zu sehen – von diesem Hause heute überhaupt mit der notwendigen Ernsthaftigkeit wahrgenommen werden.
Wer sich mit dem Strafvollzug beschäftigt – das haben wir in den letzten Monaten sehr ausführlich getan –, der stellt dabei an verschiedenen Stellen eine Schieflage fest.
Er fragt sich, warum die Besoldungs- und Bezahlungslage der Angestellten und Beamten im Strafvollzugsdienst immer noch sehr, sehr ungenügend ist, und er fragt sich auch, warum unter dem Gesichtspunkt der Resozialisierung immer noch, auch in Baden-Württemberg, viel zu wenig getan wird. Da wird über die Ausgabe von 20 Millionen DM nachgedacht. Aber man überlegt nicht, ob man denen, die die Opfer der Straftaten sind, in ähnlicher Weise näher kommen und helfen kann.
Schauen Sie: Ein Straftäter hat, bevor er seine Straftat begeht, jede Gelegenheit, sich zu überlegen, was die Folgen seiner Tat sind. Er kann sich überlegen, was für Konsequenzen das für seine Familie hat, was für Konsequenzen das für seine soziale Lage hat, ob er seine Schulden noch bezahlen kann. Wenn wir uns hier in einer politischen Arroganz Gedanken darüber machen, ob ein Straftäter im Strafvollzug in der Lage ist, seine Schulden zu bezahlen, dürfen wir nicht vergessen, dass ein Opfer keine Chance hatte, sich vor der Straftat Gedanken darüber zu machen, ob es nach einer Straftat noch arbeiten kann, ob es nach der Straftat noch in der Lage ist, seine Schulden zu bezahlen, und ob es nach der Straftat überhaupt noch seine sozialen Kontakte pflegen kann.
Darauf, meine Damen und Herren, müssen wir das notwendige Augenmerk legen.
Natürlich ist das Resozialisierungsgebot ein zentrales Gebot im Strafvollzug. Irgendwann kommt der Straftäter aus der Haft heraus und muss in unsere Gesellschaft eingegliedert leben können. Das heißt aber nicht, dass wir einen Ansparstrafvollzug durchführen oder den Strafvollzug als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme sehen können, sondern Strafvollzug muss auch und nicht zuletzt Strafe sein, meine Damen und Herren. Deshalb dürfen wir bei allen Überlegungen über Hafterleichterungen, Erleichterungsmaßnahmen irgendeiner Art, Haftverschonung und Freigang nicht vergessen, dass wir nicht vor lauter Liberalität und Nachsicht den Straftätern gegenüber den Strafcharakter völlig über Bord gehen lassen dürfen.
Diese Gefahr, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, sehe ich hier.
Natürlich ist eine maßvolle Erhöhung – das ist nun einmal das Gebot dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts; für Urteilsschelte ist hier nicht die richtige Stelle – sicherlich notwendig, aber nicht die veranschlagten 15 %, sondern tendenziell eher die diskutierten 7 %, vielleicht auch das eine oder andere halbe Prozent weniger.
15 % bzw. 20 Millionen DM, meine Damen und Herren, die dafür investiert werden, halte ich für eine Fehlinvestition. Wir sollten dieses Geld den Opfern und nicht den Tätern zukommen lassen.
Vielen Dank.
Lieber Herr Kollege Capezzuto, ich habe Ihnen sehr gut zugehört. Wenn Sie Ihrerseits dem Justizminister zugehört hätten, dann wären Sie heute um mindestens eine Erkenntnis reicher, nämlich um die Erkenntnis, dass Schuldentilgung oder Schadensregulierung über das, was den Gefangenen ausgezahlt wird, so, wie man sich das erträumt, nicht funktioniert. Das heißt – und das ist auch mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht anders geworden –, wenn Sie da Beispiele aus Amerika oder von sonst wo zitieren,
muss man doch sehen, dass die gar nicht in diesen Gesetzentwurf der Bundesregierung eingeflossen sind. Das funktioniert nicht. Wenn man dann sagt, es werde besser, wenn man den Herrschaften
mehr Geld gebe, ergeben sich zwei Probleme.
Erster Punkt: Es wurde immer noch nicht beantwortet, warum es nicht funktioniert.
Zweiter Punkt: Warum macht man es dann nicht gleich direkt? Wenn man berechtigte Zweifel daran hegt und meint, dass das nicht funktioniert, dass keine Schuldentilgung, keine Schadensregulierung, kein Ausgleich mit dem Opfer
oder mit dessen Problemen stattfindet, warum macht man es dann nicht direkt und gibt dieses Geld in eine Opferstiftung oder auf anderem Weg an die Opfer, damit diese in der Tat etwas davon haben? Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist in unseren Augen opferfeindlich. Das muss man so direkt sagen.
Er missachtet einseitig die Interessen der Opfer in diesem Gesamtzusammenhang. Man kann nicht die Interessen der Häftlinge für sich alleine betrachten. Das führt zu Ungerechtigkeiten. Das habe ich in der ersten Runde deutlich zu machen versucht, und das habe ich jetzt noch unterstreichen wollen.
Wir haben uns in der Tat – ich habe es vorhin schon gesagt – in den letzten Monaten ausführlich mit der Situation in den Justizvollzugsanstalten in Baden-Württemberg beschäftigt und dort auch verschiedene Einrichtungen besichtigt, auch Werkstätten und Arbeitsmöglichkeiten, die es dort gibt. Wir haben festgestellt, dass diese auf einem sehr, sehr hohen Stand sind: Buchbinderausbildungen werden gewährleistet, es gibt handwerkliche Fachbetriebe mit einem sehr breiten Spektrum. Hier geht das Land in einem große Maße in Vorleistung.
Wir haben in diesem Bereich bereits einen sehr hohen Standard erreicht. Auch das muss man nach meinem Dafürhalten in die Berechnungen einfließen lassen, wenn man sich Gedanken darüber macht, wie die Situation der Häftlinge verbessert werden kann. In dieser Hinsicht haben andere Bundesländer sicherlich Nachholbedarf. Deswegen geht mir auch – das muss ich in diesem Zusammenhang dazu sagen – der Länderentwurf noch zu weit. Für mich sind immer noch zu viele Elemente der Erleichterung und der Freiraumschaffung für Straftäter drin. Auch das sagte ich schon in der ersten Runde. Das ist der Kritikpunkt am Länderentwurf. Hier wird zu sehr am Element der Strafe abgetragen. Dieses Element darf aber nicht abgetragen werden, sondern dieses Element muss gewahrt werden.
Deswegen lehnen wir auch diesen Länderentwurf ab.
Ich bedanke mich.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach dem E-Banking und dem E-Commerce kommt jetzt also auch die E-Administration oder, wie das hier in wohltuender heimischer Klangfarbe heißt: E-Bürgerdienste. Die kommen nun auf uns zu. Was wir hier heute machen, ist in der Bedeutung gar nicht so ohne weiteres zu unterschätzen. Unsere Bürokratie, die Verwaltung fußt seit Jahrtausenden auf dem geschriebenen Wort, dem Papier, der Unterschrift, und nun stehen wir in einer Umbruchsituation, uns vom Papier zu lösen hin zu einer digitalen Welt, die sich, wenn man genau hinschaut, in Nullen und Einsen auflöst, die massiv manipulierbar ist, die höchst unsicher ist, also aus einem sicheren Terrain heraus, das wir seit Jahrtausenden kulturell gewohnt sind, hinein in eine neue Technologie mit vielen Unsicherheiten und vielen Risiken.
Ja, aber Sie sind sich der Bedeutung nicht bewusst. Ich habe es bei Ihnen nicht gehört.
Das Problem, das wir hier haben, ist, dass wir uns darüber klar werden müssen, dass dieser Schritt mit Risiken verbunden ist.
Die sind hier wirklich schon angesprochen worden. Die Authentizität, die Verschlüsselungstechnologien sind alle schon angesprochen worden. Die Erkenntnis, die sich hiermit verbindet, ist nur die, dass man nicht glauben darf, man hätte ein für alle Mal ein sicheres System, und man hätte mit einer Karte, wie man sie auch immer hübsch nennen möchte, Frau Netzhammer, ein für alle Mal die Lösung für die nächsten 10, 100 oder 150 Jahre. Wir leben jetzt in einer sehr viel dynamischeren Situation.
So ist es aber. Wenn Sie ein System so wechseln, wie Sie es hier wechseln wollen, müssen Sie sich darüber klar werden, dass die jetzige Zukunftstechnologie sehr viel dynamischer ist, und die Frage der Verschlüsselung bzw. des Brechens der Verschlüsselung ist ein Rennen zwischen Hase und Igel. Damit sind Unsicherheiten verbunden. Die müssen Sie zur Kenntnis nehmen, und wenn man sie anspricht, müssen Sie auch zuhören, vor allem, wenn man hier den Glauben zu verbreiten versucht, man hätte mit den vorgeschlagenen Systemen ein für alle Mal die notwendige Sicherheit erreicht.
Auch bei der Umstellung fehlt es noch an der notwendigen Infrastruktur. Die Zertifizierungsstellen sind noch nicht im gewünschten Maß vorhanden. Über die Kosten der Zertifizierung hat mein Vorredner gerade etwas gesagt. Das kann ich mir an dieser Stelle sparen. Das heißt, die Erwartung, die man jetzt in die Sicherheit setzt, wird trügen. Davon bin ich überzeugt. Nichtsdestotrotz ist es notwendig, in einen solchen Versuch einzusteigen, und der Bürger erwartet, viele Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung auch über den Computer wahrnehmen und nutzen zu können. Deshalb halten wir es für richtig, vorsichtig in dieses Terrain einzutreten, in einer Experimentierphase einzelne Gebiete auszuwählen und dort systematisch zu versuchen, Erfahrungen zu sammeln. Der Sprung ins kalte Wasser wäre hier völlig falsch. Wir müssen den Übergang Schritt für Schritt vollziehen.
Bei dieser Gelegenheit stellt man auch fest, wie viele Schriftformerfordernisse, wie viele Unterschriftenerfordernisse es in der Tat gibt. Vielleicht ist diese Umstellung des Systems in der Tat ein Anlass, einmal darüber nachzudenken, ob man mit diesem Schritt auch eine Entbürokratisierung verbinden kann.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch für die Fraktion Die Republikaner möchte ich an dieser Stelle ankündigen, dass wir diesem Gesetzentwurf so, wie er vorliegt, zustimmen werden, selbst wenn bei den einzelnen Positionen, die ja in dieser Weiterentwicklung des Landesdatenschutzrechts vorgesehen sind, nach unserer Meinung durchaus nicht weit genug gegangen wird.
Die Landesregierung verfolgt auch hier eine seit Jahren anhaltende Tradition, dass man genau so viel tut, wie man tun muss, weil das Bundesverfassungsgericht oder die EU Maßstäbe vorgibt, und nicht mehr. Wir haben immer noch
eine Zersplitterung des Datenschutzrechts, wir haben eine nur schwer praktikable rechtliche Regelung. Daran hat auch der aktuelle Novellierungsvorschlag, das neue Gesetz, das wir heute hier beschließen werden, keine wesentliche Änderung getroffen.
Ich möchte natürlich auch zu einzelnen Punkten noch etwas sagen. Zunächst möchte ich auf das Problem der Videoüberwachung eingehen. In der Brust eines Republikaners schlagen da zwei Herzen. Wir haben auf der einen Seite die Erkenntnis, dass sich die Kriminalität technisch immer weiter aufrüstet und dass die Polizei in die Lage versetzt werden muss, auch mit modernsten technischen Methoden Schutz und Sicherheit zu gewährleisten. Also denkt man natürlich auch an die Möglichkeiten der Videoüberwachung. Auf der anderen Seite stehen, nicht ganz zu Unrecht, das Horrorszenario eines Überwachungsstaats und die Frage, ob eine Videoüberwachung überhaupt eine sinnvolle Regelung sein kann.
Zunächst einmal zur Frage des Regelungsorts. Wir sind der Meinung, dass diese grundsätzliche Frage eigentlich nicht in einem Landesdatenschutzgesetz zu regeln ist, sondern in einem Polizeigesetz, sofern es sich um präventive Maßnahmen handelt. Das ist ganz richtig. Nur erhebe ich hier Zweifel an der Bereitschaft oder an der Möglichkeit, innerhalb dieser Legislaturperiode im Polizeigesetz noch die notwendige gesetzliche Grundlage zu schaffen. Es wäre wahrscheinlich besser gewesen, in diesem Gesetz schon im Vorgriff auf die polizeigesetzliche Regelung etwas mehr zu tun oder überhaupt einmal diese Position anzusprechen und dem Bürger die notwendigen Schutzmechanismen an die Seite zu stellen.
Zur grundsätzlichen Frage: Ich habe Zweifel daran, dass mit einer solchen Videoüberwachung etwas Grundsätzliches erreicht werden kann, es sei denn eine Verdrängung der Kriminalität in Nebengebiete. Dann haben wir in Stuttgart auf dem Schlossplatz oder auf einem Bahnhofsplatz vielleicht keine Alltagsstraßenkriminalität mehr, aber dafür in Nebengebieten. Damit stellt sich ganz automatisch die Folgefrage: Was machen wir dort? Muten wir den Leuten, die dort gehen müssen, Videoüberwachung oder aber Kriminalität zu? Dehnen wir die Videoüberwachung auch auf Nebengebiete aus, und haben wir dann einen Überwachungsstaat?
Diese Frage ist hinten und vorn noch nicht beantwortet, und es wird jetzt vorgeprescht, indem Versuche eingerichtet werden. Hier ist höchste Sensibilität gefordert, und ich neige eher zur Verneinung der Frage, ob man eine Videoüberwachung extensiv nutzen sollte.
Noch eine Bemerkung zu den Chipkarten. Wir haben es hierbei mit einer neuen Technologie zu tun, die hinsichtlich der Sicherheitsmaßnahmen auch in die landesdatenschutzrechtlichen Vorschriften und Bestimmungen Eingang finden muss. Dass man mit den Einzelheiten der Regelungen nicht in jedem Fall und immer zufrieden sein muss, mag richtig sein. Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung, wie dieses Gesetz insgesamt so, wie es jetzt beschlossen wird und wie wir ihm auch zustimmen werden, auch ein Schritt in die richtige Richtung ist.
Aber es ist nicht der ganz große Wurf, der eigentlich notwendig gewesen wäre, sondern es ist ein Stückwerk, zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber eben doch nur ein Teilaspekt. Es verbessert die grundsätzliche Zersplitterung der Rechtslage nicht. Es ist eigentlich zu wenig. Wir hätten mehr erwartet.
Ich bedanke mich.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! 20 Jahre Datenschutzbericht könnten zu einer Retrospektive verleiten. Ich möchte nicht den Fehler wiederholen, den einige meiner Vorredner gemacht haben, dass sie die inhaltliche Diskussion des Datenschutzberichts durch eine Nebendiskussion über die Frage der Situation im Ständigen Ausschuss bei der Beratung dieses Berichts ersetzt haben, sondern ich möchte schon noch einmal einige politische Dinge ansprechen, die natürlich auch technische Dinge sind; denn das lässt sich in diesem Bereich nicht trennen.
Trotzdem: 20 Jahre Datenschutzbericht, das sind 20 Jahre Kampf des Datenschutzbeauftragten für die Rechte des Bürgers auf seine informationelle Selbstbestimmung. Insofern möchte ich dem jetzigen Datenschutzbeauftragten und seiner Vorgängerin im Namen meiner Fraktion noch einmal für diese Arbeit ausdrücklich Dank aussprechen. – Meine Fraktion könnte das ruhig auch durch Applaus unterstützen.
Die Situation im Bereich des Datenschutzes ist gekennzeichnet durch eine steigende Verbreitung der Daten verarbeitenden Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Verwaltung und deshalb durch ein Anwachsen der Aufgaben des Datenschutzbeauftragten. Herr Kollege Kiesswetter hat gerade die Probleme mit dem ILOVEYOU-Virus angesprochen. Das sind zum einen Probleme der Datensicherheit, aber dahinter steckt natürlich auch ein Problem des Datenschutzes. Ein solches Virus – ob es ein Trojanisches Pferd ist oder was auch immer – ist ja auch ein Risiko für die Daten der Bürger, die bei der öffentlichen Hand abgelegt sind: wenn diese Daten ausgespäht werden können, wenn persönliche Daten auf diese Weise auf irgendwelchen finsteren Seiten im Internet erscheinen und, und, und.
Das heißt, wir stehen hier vor einer technischen Herausforderung, deren Bedeutung wahrscheinlich noch gar nicht richtig abgeschätzt werden kann. Deswegen ist natürlich die Ausstattung der Dienststelle des Landesbeauftragten für den Datenschutz eine zentrale Aufgabe. Wir müssen hier verstärken, wir müssen hier in der künftigen Zeit ausbauen, damit der Landesbeauftragte seine Aufgaben auch tatsächlich in den zukünftigen Feldern wahrnehmen kann.
Das Fehlen wirklich extrem grober Verstöße, die im Datenschutzbericht angeprangert werden müssen, darf uns nicht dazu verleiten, die Einzelauflistung der entdeckten Verstöße auszuklammern und uns auf die Diskussion politischer Themen zu beschränken. Es gibt natürlich eine ganze Reihe politischer Diskussionen, die man ruhig einmal führen
kann, die man aber mitunter umgeht; Stichwort Kryptodebatte. Es wurde diskutiert, die Verschlüsselung des E-MailVerkehrs im Internet generell zu verbieten. Das ist eine wichtige Debatte, die im Ergebnis wohl dazu führen wird, dass diese Verschlüsselung nicht generell verboten wird, damit die Privatsphäre der in diesem technischen Bereich Kommunizierenden geschützt werden kann.
Eine andere wichtige Frage, die wir diskutieren müssen, ist die der DNS-Massenscreenings bei polizeilichen Fahndungsmaßnahmen, die wir ausdrücklich unterstützen, für die wir aber eine klare Regelung brauchen, um dem Bürger deutlich zu machen, wie mit diesen Daten umgegangen wird. Wir halten Hinweise darauf für nötig, dass er eine solche Überprüfung ablehnen kann, dass ihn das nicht automatisch in den Kreis der Verdächtigen einreiht, was mit den Blutproben passiert, auch was mit den Ergebnissen der Auswertung dieser Blutproben passiert. Es reicht ja nicht aus, irgendwann die Blutproben zu vernichten, sondern man muss auch das Ergebnis, das auf Papier gedruckt ist, in irgendeiner Weise der Vernichtung zuführen. Darüber muss der Bürger informiert werden, damit Vertrauen geschaffen werden kann. Nur so ist es möglich, diese sinnvolle Fahndungsmaßnahme auch in Zukunft mit großem Erfolg anzuwenden, ohne dass in zehn Jahren 80 % der Bevölkerung befürchten müssen, irgendwo in einer Gendatenbank gespeichert zu sein.
Das sind politische Diskussionen, die wir führen müssen, die aber anlässlich einer Einzelfallfeststellung im Datenschutzbericht geführt werden müssen. Deswegen stehe ich neuen Formen der Diskussion eher skeptisch gegenüber. Die Öffentlichkeit von Ausschusssitzungen führt eher dazu – und deswegen hat man sie nicht öffentlich gemacht –, dass Fensterreden gehalten werden und dass die politischinhaltliche, manchmal auch sehr technische Diskussion, die in einem Ausschuss notwendig ist, nicht geführt werden kann. Hier wurden von Vorrednern gerade heute vielleicht zu viele Redebeiträge an den Themen vorbei geliefert. Damit das nicht auch noch in der Ausschusssitzung passiert, bin ich der Meinung, man sollte vorsichtig damit umgehen, den bisherigen, wohlweislich so gewählten Charakter der Ausschusssitzungen zu verändern.
Ich bedanke mich.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich jetzt diese Vorreden zusammenfasse,
dann fällt es mir schwer, noch den einen oder anderen zusätzlichen Aspekt hinzuzufügen, sodass ich mich durchaus auf das beziehen kann, was meine Vorredner gesagt haben.
Das Gesetz über den obligatorischen Schlichtungsversuch ist ein, wie wir meinen, sehr sinnvoller Versuch, und es ist auch notwendig. Wir haben damit die Streitschlichtung in einer großen Zahl von Bagatellfällen vor das Gericht gezogen, und wir haben damit nicht nur die Möglichkeit, außerhalb eines ernsthaften Streitprozesses problematische nachbarschaftsrechtliche Verhältnisse oder Kleinstreitigkeiten zu lösen, sondern wir haben auch die Möglichkeit, im Rahmen einer modernen Streitkultur – wir denken ja auch in anderen Rechtsbereichen über eine eher schlichtungsorientierte Verhandlungsführung nach – die Bürger wieder zueinander zu bringen, sodass Auseinandersetzungen à la Maschendrahtzaun in unserer Republik vielleicht etwas weniger werden könnten. Streitschlichtung ohne Gericht ist sicherlich eine sinnvolle Sache.
Über die Grenze, die man gesetzt hat – 1 500 DM Streitwert –, kann man immer diskutieren. Es gibt Bagatellfälle, die in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht höchst kompliziert sind und einen lächerlich geringen Streitwert haben, und es gibt Riesenfälle mit gigantischen Streitwerten, die im Grunde nur die eine oder andere Tatsachenfeststellung erfordern. Aber das ist ein Grundsatzproblem. Das kann man an dieser Stelle nicht lösen.
Die Richter werden zweifellos auch entlastet. Das gibt ihnen die Möglichkeit, sich der verbleibenden Rechtsmaterie mit noch mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden, sodass auch hier sicherlich eine Verbesserung der Arbeitsmöglichkeiten der Gerichte gegeben ist. Der Herr Minister hat es schon gesagt: Die baden-württembergischen Gerichte arbeiten sehr effizient im Vergleich zu den Gerichten in anderen Bundesländern.
Eine Entlastung der Geschäftsstellen halte ich allerdings für zweifelhaft. Eine Entlastung der Urkundsbeamten zeichnet sich für meine Begriffe nicht ab, denn sie sind ja ganz massiv in die Vorbereitung und Durchführung dieser Schlichtungsverhandlungen eingebunden, sodass hier mittelfristig möglicherweise – da wird man, wie schon gesagt worden ist, in ein, zwei Jahren nachschauen müssen – eine Mehrbelastung zu erwarten ist.
Auch zu den Gebühren haben meine Vorredner schon etwas gesagt. Die Gebühren sind zu niedrig. Man sollte hier vielleicht wirklich im Laufe der Gesetzesberatung darüber nachdenken, ob man den Gebührenrahmen nicht etwas höher ansetzt. Denn sonst besteht wirklich die Gefahr, dass es an qualifizierten Anwälten fehlt.
Zu der Qualifikation möchte ich auch etwas sagen. Es ist nicht immer nur – Herr Bebber, da beziehe ich mich auf die fachliche Anbindung, die Sie angesprochen haben – die fachliche Kompetenz in solchen Schlichtungsverfahren notwendig, sondern es kommt natürlich auch auf die menschliche Kompetenz an, gerade wenn man versucht, in einer Schlichtung zwei möglicherweise über Jahre zerstrittene Parteien wieder zusammenzuführen. Hier ist menschliche Kompetenz manchmal sehr viel entscheidender. Da muss man auch erfahrenen Schlichtern, selbst wenn es ein bisschen teurer wird, Herr Kollege Kluck, die Möglichkeit geben, in einem solchen Verfahren kostendeckend zu arbeiten. Wir sind also der Meinung, dass man hier in der Tat den Versuch machen sollte, die Gebühren etwas höher anzusetzen.
Ich fasse zusammen: Wir stehen diesem Gesetzentwurf sehr offen und zustimmend gegenüber und halten ihn für einen sinnvollen Versuch.
Ich bedanke mich.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für die Republikanerfraktion möchte ich zunächst einmal grundsätzlich den Aspekt festhalten, dass nach unserer Überzeugung – ich denke, das sieht das ganze Haus auch so – der Datenschutz zu den sensibelsten landesrechtlich zu regelnden Aspekten gehört, die es nebst den polizeirechtlichen Fragen in der Tat hier zu verhandeln gibt. Insofern ist das Haus, wie ich meine, sehr gut beraten, wenn es der Weiterentwicklung des Datenschutzrechts ganz besondere Aufmerksamkeit entgegenbringt.
Auch die Spaltung – das ist vorher schon angesprochen worden – zwischen den bundesdatenschutzrechtlichen Regelungen, die für private Bereiche gelten, und den landesdatenschutzrechtlichen Regelungen, die für die öffentliche Verwaltung gelten sollen, ist natürlich problematisch. Stichwort: Flucht in die Privatrechtlichkeit und, und, und. Auch dem Zusammenwachsen dieser ganzen Strukturen ist
dann natürlich mit zwei getrennten, in sich schon sehr unübersichtlichen und komplizierten Rechtsmaterien sehr schwer beizukommen.
Hier knüpft dann auch gleich die Kritik an dem vorliegenden Entwurf an, dass zum Beispiel private Stellen, die zur selbstständigen Erledigung von Aufgaben der Verwaltung herangezogen werden, nicht mit in die Überwachung einbezogen werden. Hier ist man sicherlich nicht weit genug gegangen. Wir haben ja auch ein Beispiel – auch das möchte ich sagen – für einen weiteren Fall, wo das Landesparlament im Grunde aufgrund der EU-rechtlichen Regelung gar nicht mehr Nein sagen oder gar keine Alternativvorschläge mehr einbringen kann, soweit sie denn EURichtlinien entsprechen. Wir sind der Meinung, dass man das sicherlich vollziehen muss: Pacta sunt servanda, gar keine Frage. Aber nach unserer Meinung muss man in anderen Aspekten im Sinne des Datenschutzes und im Interesse des Bürgers weiter gehen, als dies im konkreten Gesetzentwurf gemacht wird.
Zum Beispiel wird die Frage der Verfahrensregister angesprochen. Ich denke, dass das Registrieren vorhandener EDV-Verfahren, das Erfassen in irgendeiner Kartei einfach nicht ausreicht, sondern dass man eigentlich darüber nachdenken muss, ob man einen Mechanismus schaffen sollte, der regelmäßig zur Überprüfung der Notwendigkeit bestimmter Erfassungsverfahren führt, zum Beispiel ein Verfallsdatum, wonach die Fortsetzung eines bestimmten Erfassungsvorgangs erneut substanziiert begründet werden muss. Sonst ist die Erfassung von Verfahren in irgendwelchen Registern eigentlich ein netter Verwaltungsvorgang, der aber nicht zur Minimierung der Erhebung der Daten der Bürger, also zur Datensparsamkeit, beitragen kann. Auch hier muss man, wie ich meine, in die Zukunft denken und hätte vielleicht schon in diesem Gesetzentwurf den einen oder anderen Aspekt mit einbringen können.
Insbesondere werden viele Vorschläge, die im Rahmen der Vorberatungen gemacht wurden, mit dem Argument beiseite geschoben, dem stünde ein erhöhter Verwaltungsaufwand entgegen. Ich denke, dass gerade in diesem Bereich, in dem es um den substanziierten Schutz des Bürgers vor allzu großer Datensammelwut der Verwaltung geht, ein erhöhter Verwaltungsaufwand nicht als Argument dienen kann, um hier nicht ein Optimum an Schutz der Bürgerinteressen umzusetzen.
Ein anderer Aspekt ist bereits angesprochen worden. Auch wir sind der Auffassung, dass die fakultative Bestellung eines behördlichen Datenschutzbeauftragten sicherlich ein richtiger Schritt ist; aber eigentlich hätte das als zwingende Vorschrift festgeschrieben werden müssen. Denn heute sind alle Bereiche der Verwaltung massiv mit automatisierten Datenschutzvorgängen befasst. Keine Behörde führt ein Sonderdasein. Keine Behörde kann im Grunde argumentieren, dass man einen Datenschutzbeauftragten nicht mehr brauche. Wir leben eben nicht mehr im 19. Jahrhundert, in Kanzleistuben und Schreibstuben. Heute ist die Datenverarbeitung mit internationaler Vernetzung – Stichwort Internet – gang und gäbe. Deshalb ist es eigentlich notwendig, dass in jeder Behörde ein Datenschutzbeauftragter vorhanden ist.
Ein anderer Aspekt – und damit komme ich schon zum Schluss – ist die Frage der Video- und Akustiküberwachung, gerade im öffentlichen Bereich. Das ist von Vorrednern auch schon angesprochen worden. Dies ist ein Teilaspekt, der datenschutzrechtliche Bezüge und polizeirechtliche Aspekte hat. Wir sind der Auffassung, dass angesichts der technischen Möglichkeiten bereits im aktuellen Entwurf des Datenschutzgesetzes entsprechende datenschutzrechtliche Bestimmungen hätten aufgenommen werden können. Wenn man weiß, dass heute bereits in wenigen Minuten Millionen von Gesichts- und Bewegungsmustern gespeichert, zugeordnet und abgelegt werden können, dann kann man, wenn man auf dem Stand der technischen Entwicklung sein und ein Gesetz haben will, das diesem Stand genügt, die Augen vor diesen technischen Möglichkeiten nicht verschließen.
Wir haben eine Diskussion über die Videoüberwachung in den Städten, wir haben aber keine Diskussion darüber, was mit diesen Daten tatsächlich passiert. Ich halte es für bedenklich, dass solche Regelungsinhalte in diesem Gesetzentwurf fehlen. Damit wird eine Nische eröffnet, zunächst einmal großzügig Daten zu sammeln. Was man dann mit den erfassten Daten macht, sieht man später. Das halten wir für eine nicht korrekte Vorgehensweise.
Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das, was ich in den letzten Wochen zu diesem Thema alles gehört habe und was heute hier gesagt wurde, kann der Bürger draußen nur vor dem Hintergrund des bevorstehenden Landtagswahlkampfs richtig einordnen. Wenn Fraktionen, die noch vor wenigen Monaten die Bundesregierung mitgetragen haben, plötzlich entdecken, dass man da etwas anderes machen müsse als das, was man 16 Jahre lang unter Kohl gemacht hat, wenn die FDP plötzlich meint, wie es Herr Döring gesagt hat, mehr Zuwanderung sei nicht mehr verkraftbar, so sind all dies Äußerungen, bei denen man sich fragt: Warum ist man diese Thematik eigentlich nicht angegangen, als man die Bundesregierung gestellt hat?
Warum kommen diese Sprüche jetzt? Die einzige sinnvolle Antwort ist nur die, dass der Landtagswahlkampf bevorsteht und man jetzt irgendeine Wählerklientel durch eine
solche Diskussion ansprechen möchte. Hier kann man nur sagen: Man soll schauen, wer die Urheber dieser wirklich substanziierten Diskussion sind und wer schon vor zehn Jahren diese Positionen eingenommen hat. Man muss den Bürger draußen darauf hinweisen, dass all jene, die jetzt solche Sprüche klopfen – anders kann man es nicht sagen –, neuerdings auf den Zug aufspringen.
Wenn ich höre, dass Herr Merz fordert, dass das individuelle Asylgrundrecht gestrichen werden solle – ja, herzlichen Glückwunsch, dass er jetzt auch auf diese Idee kommt! Wir Republikaner fordern das seit zehn Jahren, meine Damen und Herren. Wäre die CDU vor zehn Jahren auf diese Idee gekommen, als sie in der Bundesregierung war, und hätte die FDP damals mitgespielt – in dem Sinne, wie sie jetzt tönt –, dann wäre hunderttausendfache Zuwanderung nach Deutschland nicht passiert.
Die Sozialkassen wären nicht so belastet worden, wie sie jetzt durch eben diese Zuwanderung belastet sind.
Ich höre Herrn Schily sagen: „Das Boot ist voll.“ Zu der Äußerung von Herrn Döring habe ich schon etwas gesagt. Und nun zu der Position von Herrn Pfister zur Begrenzung der Einwanderung. Worum geht es hier eigentlich? Die Tendenz ist ja hörbar geworden. Im Prinzip geht es nicht um eine Begrenzung der Zuwanderung – Kollege Haasis hat das ganz richtig gesagt –, sondern es geht darum, dass die Schleusen geöffnet werden sollen.
Herr Pfister, Sie haben es gerade selbst gesagt: Ihnen geht es um den Bosnier, der hier im Handwerk gebraucht wird. Ich würde die Frage einmal anders herum stellen: Warum hat man die Ausbildung vergessen? Wir haben hier rund 4 Millionen Arbeitslose. Bevor wir Fremde hereinholen oder solche, die eigentlich nicht hier bleiben sollen, hier behalten, müssen wir uns darum bemühen, dass die Arbeitslosen, die hier in Deutschland ohne Arbeit sind, wieder in Arbeit und Brot kommen. Das ist die primäre Aufgabe.
Stattdessen soll Deutschland durch diesen Gesetzentwurf zur Zuwanderungsbegrenzung – was man von Rot-Grün hört, geht ja in dieselbe Richtung – nun definitiv zum Einwanderungsland gemacht werden.
Man muss sich doch einmal vorstellen, was das für eine Grundkritik darstellt. Man sagt jetzt, man wolle Hochqualifizierte ins Land holen, will sagen: Diejenigen, die jetzt kommen, sind Habenichtse, die unser Sozialsystem belasten. Die wollen wir eigentlich nicht, sondern wir wollen aussuchen können, wie es die Amerikaner machen, wie es ein klassisches Einwanderungsland macht.
Meine Damen und Herren, so geht es nicht. Deutschland darf nach wie vor kein Einwanderungsland werden.
Wir müssen und wir können unsere Probleme durchaus selbst lösen.
Im Grunde ist darin auch ein erhebliches Element der Unmenschlichkeit enthalten. Deutschland ist ein wohlhabendes Land. Jetzt stellen wir uns arrogant hin, wenn es so laufen soll, wie man es jetzt hört, und sagen: Die Habenichtse wollen wir nicht, sondern wir kaufen uns – wir können es uns ja leisten – wohlhabende, schon in ihren Heimatländern gut ausgebildete Leute. Ich halte das für eine unmenschliche Position. Das ist einfach scheinheilig.
Es gibt nur eine klare Position, indem man sagt: Wir sind generell gegen eine überzogene Zuwanderung. Oder es gibt eine Alternativposition – da müssen Sie ehrlich sein –: Wir wollen eine uneingeschränkte Einwanderung. Das ganze Humanitätsgedöns ist gleichgültig. Es geht hier um eine multikulturelle Gesellschaft und um Deutschland als Einwanderungsland. Das sind die klaren Positionen, über die man hier diskutieren muss.
Am Schluss der ersten Runde möchte ich nur ganz klar sagen, worum es gehen muss; dazu dann in der zweiten Runde noch einiges mehr. Wir brauchen keine Zuwanderungsbegrenzung, wir brauchen einen Zuwanderungsstopp. Damit wir hier die Aufgabe der Integration und des sozialen Ausgleichs leisten können, brauchen wir eine konsequente Rückführungsgesetzgebung.
Wenn wir eine Vereinheitlichung des Rechts brauchen, dann brauchen wir ein Rückführungsgesetz und nicht Deutschland als Einwanderungsland.
Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe in der ersten Runde von Herrn Kollegen Maurer gehört – jetzt geht er gerade hinaus –, das Thema sei eigentlich kein Thema. Das offenbart einen gehörigen Verlust des Kontakts zu den Problemen der Bürger draußen. Man muss sich nur einmal umschauen, wie die Realität in den Kindergärten oder in den Einschulungsklassen ist; das ist ja vorhin schon angeklungen. Da gibt es 16 oder 17 Sprachen in einer Kindergartengruppe oder einer Grundschule. Wenn man dann hört, das sei kein Thema, muss man sich in der Tat fragen, wie realitätsfremd der Vertreter einer Partei, die auf Bundesebene in der Regierung sitzt, eigentlich sein kann.
Das ist selbstverständlich ein Problem. Ich kann jedem nur empfehlen, sich einmal in die Brennpunkte des Geschehens zu begeben und mit jungen Leuten zu sprechen, die die multikulturellen Auseinandersetzungen jeden Tag führen und erleiden müssen. Wenn man hier eine vernünftige Politik machen will – und das setzt voraus, dass man die Prob
leme überhaupt zur Kenntnis nimmt und als Thema realisiert –, kann man nicht die Augen vor diesen Tatsachen verschließen und sagen: Wir machen jetzt eine Politik der gesteuerten Zuwanderung, damit nicht die Habenichtse, sondern nur die Reichen, Wohlhabenden und gut Ausgebildeten nach Deutschland kommen. Im Kindergarten ist es nämlich völlig egal, ob der Vater eines Kindes wohlhabend ist oder arm ist. Es gibt einfach die Integrationsprobleme. Bei den Verhältnissen, die hier geschildert worden sind, gibt es eine Desintegration.
Nun hat Herr Kollege Pfister, den ich mittlerweile auch nicht mehr sehe,
auf die UNO-Studie verwiesen und gesagt, es wäre völlig abenteuerlich, wenn man gegen die Einwanderung argumentieren würde. Man muss aber die UNO-Studie genau zur Kenntnis nehmen. Dann stellt man fest, dass sie sagt: Es gibt eine schiefe Altersstruktur und zu wenig junge Leute in Deutschland.
Die Folgeprobleme der schiefen Altersstruktur kann man unterschiedlich lösen. Man kann die Grenzen für eine Einwanderung öffnen und sich die Kinder und die nachwachsende Generation hereinholen, sie also einkaufen, oder man macht – da haben die Bundesregierung und Kohl 16 Jahre lang herumlaboriert, aber letztendlich versagt – eine andere Sozialpolitik. Da hat man zu kurz gegriffen, die Rentenbeiträge erhöht usw. Auch davon ist die Rede in der UNOStudie.
Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat eine andere Hausaufgabe nicht gemacht; da hat sie versagt, und da wird jetzt offensichtlich auch die rot-grüne Bundesregierung versagen. Sie hat nämlich vergessen, eine sinnvolle Sozialpolitik zu machen, zum Beispiel die Rentenversicherung auf ein Fundament zu stellen, das unter den gegebenen demographischen Verhältnissen funktionieren kann.
Wir haben solche Vorschläge unterbreitet, und die Diskussion draußen geht schon weit über das hinaus, was man jetzt von Rot-Grün oder Schwarz-Gelb hört. Denken Sie ruhig einmal über die kapitalgedeckte Rentenversicherung nach. Das ist ein Modell, das durchaus tragfähig ist.