Protokoll der Sitzung vom 22.11.2000

Die Ausführungen von Herrn Haasis haben mich jetzt doch herausgefordert, noch einmal ans Rednerpult zu gehen.

Erstens zum Nebel, Herr Haasis: Der Herr Innenminister war mir ausdrücklich dankbar, dass ich meine Position, auch wenn sie ihm nicht gefällt, so deutlich vorgetragen habe. Sie sprechen von Nebel. Sie haben also mir nicht zugehört und Ihrem Minister auch nicht.

(Zuruf des Abg. Haasis CDU – Abg. Wacker CDU: Er war ja vernebelt durch Sie!)

Ach, der war durch mich vernebelt. Das ist eine ganz andere Geschichte.

Zweitens: Ich wehre mich einfach dagegen, dass man Zuwanderung immer als negativ darstellt. Das haben Sie wieder getan, und das lasse ich so nicht stehen.

(Abg. Haasis CDU: Nein, das habe ich eben nicht getan! Zuhören! Sie hören nicht zu!)

Ich habe Sie mit dem Beispiel mit den Behinderten getroffen. Natürlich, ich wollte Sie auch ärgern. Das gebe ich offen zu.

(Abg. Haasis CDU: Das gelingt Ihnen nicht! – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Liebe deinen Nächs- ten!)

Natürlich. Sie haben sich ja geärgert.

Jetzt lese ich Ihnen mal vor, was in den Richtlinien steht. Da steht nämlich unter Ziffer 14 der Gründe:

Bei der Familienzusammenführung müssen auch die volljährigen Kinder sowie Verwandte in aufsteigender Linie berücksichtigt werden, wenn die persönlichen Lebensumstände ein würdevolles und unabhängiges Leben in Trennung von dem Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats aufhält, aus stichhaltigen objektiven Gründen nicht zulassen.

(Abg. Haasis CDU: Lesen Sie doch einmal das Bisherige vor!)

Dagegen wehren Sie sich. Das finde ich schlecht, und deswegen habe ich das gesagt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Haa- sis CDU: Das stimmt doch gar nicht, was Sie sa- gen!)

Natürlich! Sie sind doch dagegen.

(Abg. Haasis CDU: Die können bisher schon zu- ziehen!)

Das Wort erhält Herr Abg. Kluck.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einmal etwas klarstellen: Die EU-Kommission konnte die Richtlinie jetzt gar nicht ändern. Sie hätte nur durch das Europäische Parlament geändert werden können. Dort sind mit den hier vorgetragenen Mehrheiten die Änderungen abgelehnt worden. Jetzt kann sie nur bei der Ministerratssitzung für Justiz und Inneres am 30. November geändert werden. So ist einfach die rechtliche Lage.

Hätten wir deutsche Liberale in der liberalen Fraktion des Europäischen Parlaments, wäre die Entscheidung anders ausgefallen. Sie ist so ausgefallen, weil für die anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union dieses Problem gar nicht besteht, weil die alle schon eine vernünftige, gesetzlich begrenzte und gesteuerte Zuwanderungsregelung haben und deswegen die Problematik, wie sie bei uns durch diese Zufallszuwanderung entsteht, nicht vorhanden ist.

(Abg. Bebber SPD: Da müssen Sie ja innerlich selbst grinsen, wenn Sie so etwas sagen!)

Dass die Grünen jetzt so klar betonen, dass sie doch wieder „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ ohne Einschränkung wollen, dient der politischen Klarheit.

(Abg. Renate Thon Bündnis 90/Die Grünen: Gera- de habe ich es vorgelesen! Also echt, Herr Kluck!)

Ich dachte erst, Frau Thon, das sei nur aufgrund der chaotischen Verhältnisse im deutschen Teil der Grünenfraktion im Europäischen Parlament der Fall. Aber offenbar teilen Sie ja diese Auffassung.

(Abg. Renate Thon Bündnis 90/Die Grünen: Wir haben dort wenigstens Abgeordnete, Sie haben gar keine drin!)

Ja, das ist ja der Fehler.

(Abg. Renate Thon Bündnis 90/Die Grünen: Das hat wahrscheinlich Gründe!)

Die Menschen in Deutschland werden jetzt vielleicht merken, dass es ein Fehler war, die Liberalen nicht ins Europäische Parlament zu wählen.

(Abg. Renate Thon Bündnis 90/Die Grünen: Das ist aber sehr optimistisch!)

Es ist ja bald Gelegenheit, das zu korrigieren.

Ich will noch etwas zu dem sagen, was der Herr Innenminister zu in Arbeit befindlichen Asylrichtlinien ausgeführt

hat. Wir werden einer solchen Richtlinie nie zustimmen, wenn die Verfahrensdauer verlängert wird, wenn die sichere Drittstaatenregelung entfällt und wenn nicht – das ist eine unserer wichtigsten Forderungen – Zuwanderung und Asyl sich gegenseitig ausschließen. Das heißt, wir müssen auf nationaler Ebene regeln,

(Abg. Renate Thon Bündnis 90/Die Grünen: Das hättet ihr schon lange haben können!)

dass derjenige, der hier um Asyl nachsucht, nicht mehr regulär einwandern kann, sondern dass er dann von dieser regulären Einwanderung ausgeschlossen ist.

Zur Sprachförderung möchte ich noch einmal sagen: Das ist das Allerwichtigste. Wir haben darauf gedrängt, dass die Landesregierung hier Verbesserungen vorgenommen hat. Dies muss weitergeführt werden.

Wir sind auch voll für diese Integrationskurse, denn neben Sprachkenntnissen ist es notwendig, dass die Zuwandernden über unser Rechtssystem informiert sind. Das bedeutet – ich will es noch einmal sagen, Frau Thon, hören Sie zu; interessiert Sie nicht, gut – die Gleichberechtigung von Mann und Frau, den Gewaltverzicht in der Erziehung, die freie Wahl des Ehegatten und des Aufenthaltsortes, die Freiheit der Wahl des religiösen Bekenntnisses und auch die Möglichkeit zum Verzicht darauf. Das muss man den Leuten klar machen, damit sie sich in unsere Gesellschaft wirklich integrieren können.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Schlierer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst auf meine Vorredner eingehen.

Herr Haasis, was ist aktuell? Die von Ihnen angesprochenen Regelungen in Artikel 5 dieser Richtlinie sind insofern nicht aktuell, als sie unverändert zur Debatte stehen. Dieses Thema hatten wir bereits im Juni.

Nicht aktuell ist im Prinzip auch das Verhalten der Grünen.

(Abg. Haasis CDU: Aber der SPD!)

Wir haben schon im Juni darauf hingewiesen, Herr Haasis, dass sie keine klare Position haben und dass nach der Abstimmung, die wir im Innenausschuss hatten, eigentlich völlig unklar ist, wie sich die Grünen auf Landes- und Bundesebene bei diesem Thema verhalten.

Das Warten auf den veränderten Entwurf, von dem im Juni die Rede war, hat nichts gebracht.

Ich erlaube mir bei dieser Gelegenheit folgenden Hinweis: Auch die Diskussion um die künftige EU-Regelung zum Asylrecht zeigt uns ganz genau, dass eine Europapolitik, die nicht die klaren eigenen Interessen in den Vordergrund rückt, nicht zu positiven Ergebnissen für uns führen kann. Ich kann nur eines sagen: Die Euromanie, die sich bei uns breit gemacht hat, dieses Hoffen darauf, dass sich alle Probleme auf europäischer Ebene schon irgendwie lösen, diese

Wahnvorstellung platzt hier wie eine Seifenblase. Das ist ein ganz typisches Beispiel.

(Beifall bei den Republikanern – Zuruf des Abg. König REP)

Eine Anmerkung noch zu Ihnen, Herr Heiler: Sie haben die Richtlinie offensichtlich nicht gelesen und wissen deswegen nicht, wovon Sie sprechen.

(Abg. Heiler SPD: So ein Unsinn!)

In der Richtlinie steht, dass die materiellen Voraussetzungen für die Zusammenführung – beispielsweise die Fragen, ob Wohnraum da ist, ob Krankenversicherungsschutz besteht, ob es ausreichende Einkünfte gibt – nur noch in einer Kannbestimmung geregelt sind, dass die Möglichkeit der Aufenthaltsbeendigung bei nachträglichem Wegfall dieser Voraussetzungen nicht vorgesehen ist und dass bei Flüchtlingen diese Voraussetzungen überhaupt keine Anwendung finden. Wenn Sie nicht erkennen, dass das in der Konsequenz zu einer Kostenexplosion führt, dann frage ich mich, ob Sie noch einen Restfunken an Logik besitzen. Das hat nichts mit hier lebenden Ausländern zu tun, die ihren Beitrag zur Sozialversicherung usw. leisten. Ich glaube, Sie versuchen, hier wieder alles zusammenzumengen, anstatt die notwendige Differenzierung vorzunehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der Republikaner)

Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal eines deutlich machen: Unklar bleibt heute am Ende der Debatte, wie sich Rot-Grün verhält. Die SPD im Land sagt, sie lehne es ab.