Protokoll der Sitzung vom 24.10.2001

rung ist am 24. September erfolgt. Der TÜV hat, wie wir wissen, immer noch denselben Fehler wie seinerzeit begangen.

Meine Damen und Herren, jetzt will ich an dieser Stelle schlicht eine Zwischenbilanz ziehen und das Ganze auf mich wirken lassen. Lassen Sie es auf sich wirken, und jetzt fragen Sie einmal, wer in dem Dreiecksverhältnis zwischen Aufsicht, Gutachter und Betreiber am ehesten das Problem bearbeitet hat, kritisch gesehen hat und etwas unternommen hat. Das war unser Haus.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Drexler SPD: Was? Es ist nichts unternom- men worden! – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: „Am ehesten“!)

Ich sage „am ehesten“, einverstanden! Ich habe ein Maß an Selbstkritik, das ich Ihnen manchmal wünschen würde.

(Lebhafter Beifall bei der CDU – Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Wieser CDU: Sehr gut! – Abg. Seimetz CDU: Den Begriff Selbstkritik kennt der Drexler gar nicht! – Abg. Drexler SPD: Nichts un- ternommen! – Abg. Bebber SPD: Sie haben nichts unternommen! Das ist unglaublich!)

Abwarten!

Jetzt komme ich zu dem Gespräch in Berlin. Am Samstag, dem 6. Oktober, um 9:00 Uhr haben wir einen eilig zusammengestellten Bericht von der EnBW erhalten, aus dem sich erstmals die Fehlhandlungen und die Fehleinschätzungen auch aus der Sicht der EnBW ergeben haben. Wir haben dann am Vormittag des 6. Oktober eine Anordnung entworfen, die technische und organisatorische Maßnahmen zum Gegenstand hatte, die als Konsequenz daraus abzuleiten sind. Darüber hinaus hatten wir Zweifel an der Sachkunde und an der Zuverlässigkeit des Betreibers, wollten aber im Blick auf die gravierenden Folgen, die mit einer Abschaltung üblicherweise verbunden sind, zunächst noch die ohnehin schon angesetzten Gespräche am 8. und 10. Oktober abwarten. Mit dieser Einstellung sind wir am Nachmittag nach Berlin gefahren.

Dem BMU habe ich unsere Vorgehensweise, nämlich dass wir in Stufen vorgehen wollten, geschildert. In diesem Gespräch haben nun Vertreter des BMU gefragt, ob man denn die Zuverlässigkeit des Betreibers im Blick auf sein Verhalten in den Tagen des 25., 27. und 28. August nicht schon jetzt in Zweifel ziehen müsse bzw. als nicht mehr gegeben ansehen könne, ohne dass es dazu noch einer weiteren Besprechung oder Rücksprache bedürfte. Vonseiten des Bundesumweltministeriums ist auch darauf hingewiesen worden, dass es sich hier um eine unzulängliche Informationspolitik der EnBW handle.

Jetzt sage ich Ihnen ganz einfach: Wir haben das detailliert erörtert. Diese Argumente haben mich überzeugt. Schlimm!

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Nein, gut!)

Gut? Prima! Ich habe da bisher Kritik gehört. Ich habe zum Beispiel in der „Stuttgarter Zeitung“ gelesen, das sei ein Autoritätsverlust für mich. Also ich gewinne meine Au

(Minister Müller)

torität aus anderen Umständen als daraus, dass ich mich überzeugen lasse.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Das war halt sechs Wochen zu spät! – Abg. Drexler SPD: Warum hat die Ab- teilung nicht reagiert?)

Wir waren uns im Laufe des Gesprächs am Ende sehr schnell einig: Wir wollten die EnBW bitten, die Anlage freiwillig abzuschalten. Das ist ja dann auch geschehen.

Jetzt stellen wir einmal ganz simpel fest, was eigentlich in diesem Gespräch passiert ist: Die Einschätzung der Lage war gleich. Die haben wir dann auch miteinander in der „Tagesschau“ dokumentiert. Das kommt auch nicht alle Tage vor, aber na ja.

Zweitens: Wir kamen zum selben Zeitpunkt auch zu dem Urteil, dass es ein Zuverlässigkeitsproblem gibt. Wir haben nur in einer Frage einen Unterschied gehabt, nämlich in Bezug auf die zu ziehende Konsequenz, nämlich des Abschaltens. Hier lag der Bund einen halben Tag vor uns. Ein Rücktrittsgrund?

Meine Damen und Herren, ich kann nur sagen: Es gibt Schlimmeres, als sich von Fachargumenten überzeugen zu lassen und um der Sache willen über politische und Parteigrenzen hinweg etwas einzusehen. Das können Sie sich vielleicht nicht vorstellen, weil Ihnen das möglicherweise noch nicht passiert ist.

(Beifall bei der CDU)

Es ist ja auch kein Wunder, dass Sie sich hier unglaublich kritisch aufblasen, aber derjenige, der uns vielleicht am ehesten kritisieren könnte und der uns übrigens auch anweisen könnte – wir stehen ja in der Aufsichtslinie gegenüber dem Bund,

(Abg. Drexler SPD: Die Anweisung war doch schon fertig! – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Die lag doch schon schriftlich vor!)

der könnte ja jederzeit einen Fehler von uns kritisieren –, also der BMU, hat uns gegenüber in dieser Frage nichts zu beanstanden gehabt. Wir kooperieren, wir gehen gleichermaßen vor. Ich will jetzt nicht Herrn Trittin ständig als Zeugen sozusagen aufrufen. Es könnte ja schon falsch verstanden werden.

(Abg. Bebber SPD: Sie können ihn ruhig loben!)

Aber immerhin ist es bemerkenswert, dass wir aus dieser Ecke einen Gleichklang der Äußerungen haben. Deswegen – nur deshalb erwähne ich es – ist die Mär von dem Atomfreund Müller, der die Augen zumacht, und von dem Atomgegner Trittin, der seine Glotzerchen aufmacht und der dem Müller erst einmal sagen muss, wo es langgeht, halt falsch – kurz und einfach gesagt.

(Lebhafter Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Salo- mon GRÜNE: Gestatten Sie trotzdem eine Zwi- schenfrage?)

Nein, heute nicht, wie gesagt, zur Feier des Tages.

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Eine ganz harmlose!)

Ich will im Übrigen noch einmal sagen: Der Bundesumweltminister – Herr Kollege Oettinger hat darauf verwiesen – hatte auch eine nicht geringe Anzahl von Tagen dasselbe Wissen wie wir, und er kam auch nicht drauf. Wissen Sie, wer ihn draufgebracht hat? Die Gesellschaft für Anlagen und Reaktorsicherheit. Die war es. Wenn irgendjemand gepennt hat, dann haben Müller und Trittin zusammen gepennt. Einverstanden.

(Abg. Bebber SPD: Wie bitte? – Abg. Drexler SPD: Und das ist gut so! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Das ist nicht gut so! – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Da würde ich noch rückwirkend den Rücktritt von Angela Merkel fordern!)

Übrigens nur eine kleine Nebenbemerkung: Herr Trittin hat heute Nachmittag um 14 Uhr eine Pressekonferenz zu Philippsburg abgehalten. Ich habe mir jetzt gerade berichten lassen, was er dabei gesagt hat. Er hat unsere Arbeit erneut in keiner Weise kritisiert. Aber vor allem – das mag für Sie interessant sein, weil Sie den Antrag stellen, dass jetzt alle Anlagen der EnBW abgeschaltet werden sollen, sodass man ja sagen könnte, es gäbe einen, der das machen könnte, nämlich Herrn Trittin – verlangt Herr Trittin nicht die Abschaltung aller Anlagen der EnBW. Insofern ist Ihr Antrag ein schönes Geschäft für das Schaufenster, hat aber mit seriöser Politik nichts zu tun.

(Lebhafter Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Salo- mon GRÜNE: Wo ist die Zuverlässigkeit der Be- treiber? – Abg. Wieser CDU: Der täte gern ab- schalten!)

Wir haben nur in e i n e r für alle Beteiligten untergeordneten Einschätzungsfrage einen gewissen Meinungsunterschied zwischen dem Bund und uns selber, nämlich – das bezieht sich jetzt auf die dritte konkrete Information, die ich geben will – die Geschichte mit der – ich sage es einmal in Anführungsstrichen – „objektiven Gefahr“. Der Begriff ist missverständlich, weil man ihn so missverstehen könnte, dass alles andere dann keine Rolle spiele, aber er ist im Blick auf die Störfallbeherrschbarkeit wichtig. Da war ja dann der Vorwurf, ich hätte angeblich die Öffentlichkeit falsch über die Position des Bundes in dieser Frage informiert.

Die Frage lautet also: Ging es bei den Vorgängen in Philippsburg um eine objektive Gefahrenlage oder im Kern um den Betrieb unter ungewissen Bedingungen, also um das, was ich immer mit „Blindflug“ beschrieben habe? Diese Frage spielt, wie gesagt, im Blick auf diesen haltlosen Vorwurf, ich hätte die Öffentlichkeit über die Haltung des BMU unzutreffend informiert, eine Rolle.

Jetzt im Detail: Bei dem aufsichtlichen Gespräch in Berlin am 6. Oktober, das ich schon erwähnt habe, konzentrierten sich – das habe ich auch schon gesagt – die Überlegungen auf die Endtage des August zwischen dem 25. und 28., als klar geworden ist, dass sich die EnBW über den Betriebszustand ihrer eigenen Anlage nicht mehr im Klaren war. Dementsprechend haben wir damals gesagt: Jetzt Abschaltung. Dementsprechend haben wir in Anwesenheit von Vertretern des Bundes und von mir am 10. Oktober zusammen mit der EnBW das Gespräch geführt und haben ihr die darauf gerichteten Vorwürfe und Vorhaltungen gemacht.

(Minister Müller)

Bei dieser Gelegenheit hat der Vertreter des Bundes gesagt, über den eigentlichen Gesprächsgegenstand hinaus wolle er sich nicht festlegen bezüglich der Frage, ob es sich im Übrigen um eine objektiv gefährliche Situation gehandelt habe. Wir sprachen also über den Blindflug, und bezüglich der Frage „War der Blindflug zusätzlich auch noch objektiv gefährlich?“ wollte sich der Vertreter des Bundes nicht festlegen.

Dementsprechend haben wir dann in dem mit dem BMU abgestimmten Brief die EnBW gebeten, vor allem zu den Kernvorwürfen Stellung zu nehmen und sich im Übrigen zu der Frage der darüber hinausgehenden objektiven Gefahr entsprechend zu äußern. Das ist sozusagen am Ende des Briefes noch erwähnt. Die EnBW bekommt quasi die Gelegenheit, eine Beweisführung vorzunehmen. Diesen Text haben wir natürlich in den Brief an die EnBW aufgenommen. Das ist klar.

Dann fand am nächsten Tag die Sitzung des Umweltausschusses statt. Im Umweltausschuss habe ich gesagt: Jetzt haben wir einen Bericht für den Ausschuss gemacht, der mit außerordentlich heißer Nadel genäht worden ist. Am Tag zuvor war die Geschichte. Dann sind wir in den Ausschuss gegangen. Sie können sich vielleicht erinnern, soweit Sie Ausschussmitglieder sind: Wir haben den Bericht um 14 Uhr auf den Tisch des Hauses gelegt, und ich habe gleich gesagt: Das ist jetzt eine vorläufige Unterlage; sie ist mit dem Bund nicht abgestimmt.

Wir glaubten, mit einer bestimmten Formulierung, nämlich dass „wohl objektiv keine Gefahr bestanden“ habe, diesem Sich-Zurückhalten des Vertreters des Bundes ausreichend Rechnung getragen zu haben. Jetzt hat uns der Bund mitgeteilt, das sei ihm noch zu viel gewesen. Also korrigieren wir das. Das war der ganze simple Vorgang.

Im Übrigen ist es jetzt, glaube ich, müßig, sich darüber zu unterhalten, ob die Störfallbeherrschbarkeit tatsächlich gegeben war. Dazu wird sich die EnBW äußern. Anschließend werden das die Beteiligten aufseiten der Aufsicht einschließlich ihrer Gutachter bis hin zur Reaktorsicherheitskommission tun. Schließen wir also das Kapitel ab.

Meine Damen und Herren, ich will zum Schluss zu drei politischen Bemerkungen kommen, die alle etwas damit zu tun haben, dass es sich bei dieser Frage mit einem schönen Resonanzboden – – Atomenergie ist immer etwas, was einen großen Resonanzboden hat. Dabei geht es darum, die konkreten Fachfragen, die hier anstehen, für die Auseinandersetzung um die Kernkraft und für die Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition zu instrumentalisieren. Jetzt werde ich auch ein bisschen politisch.

Eine Methode, nach der hier vorgegangen wird, ist, ein „Gesetz der Serie“ aufzubauen. Da hat sich Herr Witzel hervorgetan, so nach dem Motto: Wenn schon vielleicht der einzelne Angriff nicht ganz reicht, aber wenn ich drei hintereinander bringe, dann wird es jedenfalls funktionieren. Deswegen sind in einem Atemzug die WAK, der Pakistani und Philippsburg genannt worden.

Jetzt sage ich Ihnen einmal zur WAK: Ich kann für einen kriminellen Innentäter in der WAK so viel wie Ulrich Goll

für die Insassen der Justizvollzugsanstalten. Das tut mir schrecklich Leid.

(Beifall bei der CDU – Abg. Fleischer CDU: Sehr gut! – Zuruf des Abg. Walter GRÜNE – Weitere Zurufe von den Grünen und der SPD)

Zu dem Pakistani, der mir sozusagen aufs Auge gedrückt werden soll, darf ich Ihnen einmal zwei ganz simple Tatbestände darlegen: Da geht es um die Beschäftigung eines Mannes im Institut für Transurane. Die Frage war, ob die Sicherheitsvoraussetzungen gegeben sind, dass er dort beschäftigt sein kann. Dass wir diesen Pakistani zunächst zur Beschäftigung freigegeben haben, beruht auf einem Versehen des Landesamts für Verfassungsschutz, das den Fall nicht eindeutig als „weiter bearbeitungsbedürftig“ kennzeichnete.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Und das in Baden- Württemberg? – Zuruf des Abg. Dr. Salomon GRÜNE)

Ja, so etwas kann tatsächlich passieren. Das war nicht eindeutig gekennzeichnet.

Aber zweitens, wenn wir jetzt schon von Kausalzusammenhängen und vor allem von Verantwortung sprechen: Selbst wenn das Verfahren korrekt gelaufen wäre in dem Sinne, dass wir es angehalten hätten, hätten wir von den Erkenntnissen, die wir vom Landesamt für Verfassungsschutz bekommen haben, aus rechtsstaatlichen Gründen keinen Gebrauch machen können, weil diese Erkenntnisse als „nicht verwertbar“ gekennzeichnet worden sind.

Sie können mir ja alles Mögliche vorhalten. Aber Sie werden es nicht schaffen, dass Sie mir den kriminellen Innentäter und den Pakistani auch noch aufladen. Ich konzentriere mich auf die Dinge, für die ich mich wirklich verantwortlich fühle.

(Abg. Fischer SPD: Das war Aufsicht!)