Protokoll der Sitzung vom 10.11.2005

(Abg. Theurer FDP/DVP: Die Grünen auch nicht!)

Der letzte der vier Punkte, bei denen die Landesregierung ihre Hausaufgaben auch nicht gemacht hat, betrifft die verlässlichen Partnerschaften mit den Kommunen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich möchte Ihnen ein kurzes Zitat aus der Rede vorlesen, die Gemeindetagspräsident Kehle bei der Kommunalpolitischen Kundgebung des Gemeindetags Baden-Württemberg vor ca. einem Monat gehalten hat:

Statt den beschwerlicheren Weg der Haushaltskonsolidierung durch Aufgabenkritik und Aufgabenabbau zu gehen, sucht das Land den Weg aus der Sackgasse immer öfter in jährlichen „Raubzügen durch kommunale Gefilde“....

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Raubritter!)

Kürzungen 2005 und 2006 je 350 Millionen €, 2006 zusätzliche 36 Millionen €.

Die Landespolitik steuert nicht um, bevor nicht der letzte Gemeindehaushalt im Schuldensumpf versunken ist. Das kann doch wohl nicht unsere Perspektive sein.

Da hat der Gemeindetagspräsident Recht. Wir haben diese Politik der Landesregierung nicht mitgetragen, und wir werden das in Zukunft auch nicht tun, meine Damen und Herren.

Die Gemeinden sind der Ort, wo Politik für die Menschen lebenswirklich ist. Hier müssen die Herausforderungen des demografischen Wandels bewältigt werden. Aber in vielen Gemeinden regiert der Rotstift. Büchereien, Jugendtreffs, Musikschulen werden geschlossen, Schulen verfallen. Der Rückgang der kommunalen Investitionen bedeutet massive Einbußen für das regionale Handwerk und Gewerbe.

Deswegen brauchen wir im Wesentlichen zwei Maßnahmen, nämlich erstens eine Gemeindefinanzreform, bei der

eine dem Gewerbesteueraufkommen gleichwertige, aber strukturell bessere und stetigere Lösung gefunden wird, und zweitens verbindliche Konsultationsregelungen. Auch hierzu haben wir einen Antrag eingebracht. Es geht darum, dass die Kommunen mit dem Land eine Einigung über die Kosten erzielen, wenn neue Aufgaben auf sie zukommen. Wie gesagt: eine Einigung und nicht einfach eine Abschiebung der Aufgaben. Auch hier hat die Landesregierung bisher leider ablehnend reagiert.

Der Ministerpräsident hat den Kommunen in seiner Regierungserklärung eine faire Aufgaben- und Finanzpartnerschaft angeboten. Er hat das bis heute nicht erfüllt. Wir fordern Sie deshalb auf, unseren Antrag zum Konsultationsverfahren noch einmal eingehend zu überdenken. Ich hoffe, dass wir hier zu einer Lösung kommen.

Fazit, Herr Finanzminister: Hören Sie auf zu predigen und den Haushalt gesundzubeten!

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Herr Finanzminis- ter, hören Sie zu, erst mal! – Abg. Capezzuto SPD: Er hört ja nicht einmal zu!)

Das wird nicht funktionieren. Handeln Sie endlich, und zwar jetzt und nicht erst am Sankt-Nimmerleins-Tag!

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Theu- rer FDP/DVP: Aber Sie predigen auch ganz gut, Frau Kollegin! – Abg. Fleischer CDU: Wer hat Ih- nen das aufgeschrieben?)

Das Wort erhält Herr Abg. Schmid.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Auftritt von Herrn Theurer war ein Paradebeispiel für das, was die Menschen nicht mehr brauchen können:

(Beifall bei der SPD)

Fensterreden, Schuldzuweisungen und Wegtauchen vor der eigenen Verantwortung.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Abg. Capezzuto SPD: Unverschämt!)

Mit welcher Unverfrorenheit hier aufgezeigt worden ist, was für tolle Vorschläge die FDP/DVP angeblich zur Sanierung des Landeshaushalts hat, ohne dass etwas rüberkommt, das war schon sagenhaft! Der Gipfel dieser Unverfrorenheit war, dass Sie 16 Jahre eigene Regierungsverantwortung in Bonn zurückgedrängt haben und gesagt haben, wir seien schuld daran, dass die Rentenkassen jetzt so schwer zu füllen sind.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Zurufe von der CDU: Unanständig! – Abg. Theurer FDP/DVP: 1957 hat nur die FDP nicht zugestimmt! Sie sollten bei der Wahrheit bleiben und nicht unverschämte Dinge vorbringen!)

Ich sage Ihnen einmal eines – rede ich oder Sie, Herr Theurer? –: Sie hatten großes Glück, dass Ihr Fraktionsvorsitzender diese Rede nicht gehört hat.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Ich habe sie gehört!)

Denn wenn der finanzpolitische Sprecher einer Regierungsfraktion hier hinsteht und der Regierung bescheinigt, das, was hier in der Haushaltspolitik abgeliefert wird, sei gerade noch einmal mit einer Vier zu bewerten,

(Abg. Theurer FDP/DVP: „Vier plus“ habe ich ge- sagt!)

dann stellt er natürlich die gesamte Koalition infrage, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Sie hätten einmal die Betroffenheit in den Gesichtern Ihrer werten Koalitionskollegen über das, was Sie hier veranstaltet haben, sehen sollen, Herr Theurer.

(Heiterkeit bei der CDU – Abg. Blenke CDU: Be- troffenheit sieht anders aus, Herr Kollege! – Abg. Fleischer CDU: Sie sind ein ganz schön freches Bürschchen!)

Große Klappe, Fensterreden, aber nichts dahinter. Die FDP/ DVP hat null Komma null an Konsolidierungsbeitrag in diesem Landeshaushalt geleistet. Dies muss einmal in aller Deutlichkeit gesagt werden.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

Wenn wir so in den Landtagswahlkampf gehen und darüber reden, wie wir die notwendige Konsolidierung des Landeshaushalts hinbekommen, dann bin ich sehr zuversichtlich, dass die FDP/DVP keine Rolle mehr spielen wird. Sie hat sich in der Oppositionsrolle schon sehr gut eingerichtet.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Zuruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP – Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

In einer Regierung Verantwortung für das Land oder für den Bund zu übernehmen, ist schwierig. Deshalb steht auch die neu formierte Bundesregierung vor schwierigen Entscheidungen. Ich habe einiges aus unserer Sicht dazu gesagt.

Wir werden neben den notwendigen Einsparungsmaßnahmen auch Investitionsschritte brauchen. Deshalb will ich noch einmal einen Punkt aufgreifen, den die baden-württembergische SPD bzw. die SPD insgesamt in die Verhandlungen eingebracht hat: Wir sollten darauf hinwirken, dass private Handwerkerrechnungen abgesetzt werden können

(Beifall bei der SPD –Abg. Schmiedel SPD: Sehr gut! – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

und damit Investitionen anschieben und Schwarzarbeit bekämpfen.

(Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

Wenn wir damit bei der CDU auf Zustimmung stoßen, freut uns das. Ich hoffe, dass dies eines der Ergebnisse der Verhandlungen sein wird.

Eines gehört auch zur Ehrlichkeit dazu, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen: Wenn Sie jetzt so massiv gegen angebliche Steuererhöhungen und „Merkel-Steuern“ oder gar „Müntefering-Steuern“ kämpfen,

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Die SPD vorher auch!)

dann will ich Ihnen in Erinnerung rufen: Sie sind grundsätzlich auch für eine Verschiebung in Richtung Verbrauchssteuern. Sie haben das ja bei der Ökosteuer mit uns vorexerziert.

(Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

Wenn ich das Wahlprogramm von Ihnen richtig in Erinnerung habe, sind auch Sie für einen Spitzenzuschlag bei der Einkommensteuer. Dass Sie das jetzt als „Reichensteuer“ denunzieren, verstehe ich gar nicht. Wenn wir uns einig sind, dass wir eine rechtsformneutrale Unternehmensteuerreform hinbekommen müssen, dass wir Privateinkünfte und unternehmerische Einkünfte auseinander nehmen müssen, und daraufhin darüber nachdenken, ob nicht die stärkeren Schultern über die private Veranlagung etwas mehr zahlen, stoßen wir, glaube ich, auf großen Widerhall in der Bevölkerung.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Ich glaube, das sollten wir gemeinsam vorantreiben.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Abg. Theurer FDP/DVP: Herr Schmid, Sie sind und bleiben ein Etatist!)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.