Folgt man dem, was Oettinger will, nämlich die Laufzeiten von Atomkraftwerken innerhalb des bestehenden Rahmens zu verlängern, laufen die alten Atomkraftwerke länger, wäh
rend sich die Laufzeiten der neuen Atomkraftwerke verkürzen. Das heißt, der Ausstieg verschiebt sich auf einen immer engeren Zeitraum. Wenn man Oettinger folgen würde, käme es zu einem plötzlichen Abschalten von mehreren Atomkraftwerken auf einen Schlag. Dann wäre erst das Problem da, das Sie heraufbeschwören.
Zweitens hat er die Versorgungssicherheit als Argument genommen, als es um den Konflikt mit der Gazprom ging. Das ist völlig abwegig, wenn man weiß, dass Gas zu 90 % für Heizungszwecke verwendet wird und nur zu 10 % für die Stromversorgung. Wer etwas für die Versorgungssicherheit tun will, der muss ein energetisches Gebäudesanierungsprogramm auflegen. Das wäre die richtige Antwort, um unabhängiger von Gasimporten zu werden.
Drittens: Wenn man richtig hinschaut, stellt man fest, dass es um einen Wettlauf um neue Kraftwerke geht. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat dazu eine sehr gute Analyse gemacht, aus der hervorgeht, dass allein das, was die Kraftwerksbetreiber bauen wollen, 24 000 Megawatt Leistung ausmacht. Wenn man sich die Karte anschaut, dann sieht man, dass nur ein einziges dieser Kraftwerke in Baden-Württemberg steht. Was an Kraftwerkserneuerung bis zum Jahr 2020 geplant ist, deckt schon über die Hälfte des Energiebedarfs.
Was brauchen wir also? Wir brauchen andere Rahmenbedingungen, damit auch in Baden-Württemberg moderne, hoch effiziente Kraftwerke gebaut werden können. Wir brauchen eine Politik für Standorte in Baden-Württemberg, und zwar für alle Wettbewerber und nicht nur für die, die die alten Monopolstrukturen haben. Wir wissen noch genau, dass das Bestreben der Trianel – einem Zusammenschluss von Stadtwerken –, in Obrigheim ein Kraftwerk zu bauen, von der EnBW mit fadenscheinigen Argumenten abgelehnt wurde, und Sie haben überhaupt nichts dazu getan, dass da ein modernes Gaskraftwerk hinkommt, wenn die Gasleitung gelegt ist. Bei der Herstellung der Chancengleichheit der Marktteilnehmer, Herr Minister Pfister, könnten Sie sich Sporen verdienen mit einer richtigen Energiepolitik, statt auf die Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken zu setzen.
Dann schieben Sie den Klimaschutz vor. Dieses Argument ist überhaupt nicht glaubwürdig. Wenn wir den nationalen Allokationsplan nehmen, Herr Minister Pfister, stellen wir fest, dass er in der ersten Phase von 2005 bis 2007 499 Millionen Tonnen CO2-Gesamtemission vorsieht. An dieser Grenze ändert sich überhaupt nichts durch eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken. Wenn wir die Laufzeiten verlängerten, könnten die EVUs nur Zertifikate verkaufen, also noch einmal Einnahmen erschließen. Aber die Schadstoffe würden dann eben aus anderen Industriebetrieben emittiert.
Deswegen sagen wir ganz klar: Das ist ein völlig falscher Weg. Die Alternativen heißen: Energiesparen; mehr Unabhängigkeit von Gas, das heißt in energetische Gebäudesanierung zu investieren. Allein der erwartete Zubau von erneuerbaren Energien kann bis zum Jahr 2009 die vier wegfallenden Atomkraftwerke ersetzen.
Was tun Sie? CDU-Abgeordnete, die alten Teufel-Anhänger und Windkraftgegner, verhindern ein 40-Millionen-Investitionsprojekt in Simmersfeld. Das muss man sich einmal vorstellen. Das ist Ihre Politik, die Sie für die regenerativen Energien machen. Sie machen das Investitionsklima für die erneuerbaren Energien kaputt. Bei den gegenwärtigen wirtschaftlichen Problemen einfach die Investierung von 40 Millionen €, die Arbeitsplätze schaffen und Wertschöpfung bringen, zu verhindern, das ist in solchen Zeiten eigentlich unglaublich.
Zum Schluss: Worauf es in Baden-Württemberg ankommt, ist Energieeffizienz. Wir brauchen nicht billigeren Strom, wir brauchen energieeffizientere Autos, Maschinen, Prozesse, Bauteile, Pumpen, Motoren und Haushaltsgeräte. Das ist die Chance für unsere mittelständische Wirtschaft in Baden-Württemberg. Das schafft Exportmöglichkeiten wie bei Windenergieanlagen, bei denen der Exportanteil schon bei über 50 % liegt. Damit sichern wir unseren Zugang zu den Weltmärkten der Zukunft. Damit sichern wir Wettbewerbsfähigkeit. Die Industrie kann ohne weiteres wirtschaftlich 40 % der Energie einsparen. Hier erwarten wir Ihre Initiativen. Das ist der Weg in eine ökologische und ökonomische Zukunft Baden-Württembergs.
Auf die Verlängerung von Altindustrien zu setzen, wie Sie das tun, ist der Rückwärtsgang. Das wird uns im ganzen Wettbewerb zurückfallen lassen. Das ist eine völlig falsche Strategie, die wegen der Gefahren unverantwortlich ist und aus ökologischen und ökonomischen Gründen unsinnig ist.
(Der Redner legt einige Papiere aufs Rednerpult. – Abg. Knapp SPD: Ist das unseres? – Abg. Stickel- berger SPD: Das ist unsere Unterschriftenliste! – Abg. Knapp SPD: Hat er sie schon unterschrieben dabei?)
Ich habe Ihr Flugblatt dabei, ja. Sie sehen es. Darin gibt es übrigens einen Unterschied zwischen den Grünen und Ihnen. Herr Kretschmann sagt, dass keine 40 Millionen € für die Windkraft investiert würden. Sie sagen, es wären jährlich 300 Millionen €. Mein lieber Scholli! Mit solchen Flugblättern – –
(Widerspruch bei der SPD – Abg. Kretschmann GRÜNE: 40 Millionen € nur in Simmersfeld! – Zu- rufe von der SPD)
Ja, ja. Das ist schon recht. Aber von 40 Millionen € auf 300 Millionen € zu kommen, und das auch noch jährlich, ist ein ganz schönes Kunststück. Ich wollte das als ganz kleines Beispiel für Polemik mitbringen.
Aber jetzt zur Sache. Meine Damen und Herren, ich will einmal mit dem ganz einfachen Satz anfangen: Die Kernkraft hat in der Bundesrepublik Deutschland bislang 30 % der Stromversorgung ausgemacht, in Baden-Württemberg bis vor kurzem 59 %, nach dem Abschalten von Obrigheim mittlerweile 55 %.
Wer aussteigt, muss auch einsteigen. Wer beschlossen hat, dass wir die Stromversorgung um diese erheblichen Anteile reduzieren, der muss Antworten finden auf die Fragen, die sich daraus ergeben.
Herr Schmiedel, die Fragen zur Versorgungssicherheit, zu den Arbeitsplätzen, zu den Strompreisen und zu den volkswirtschaftlichen Auswirkungen stellen sich vor allem denjenigen, die diesen Ausstieg produziert haben.
(Abg. Walter GRÜNE: Wir haben doch die Ant- worten längst gegeben! – Abg. Kretschmann GRÜ- NE: Die Antworten habe ich gerade gegeben! – Abg. Walter GRÜNE: Haben Sie eigentlich Herrn Kretschmann nicht zugehört? – Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD – Unruhe)
Es gibt jede Menge offene Fragen. Es gibt berechtigte Fragen. Es gibt ungeklärte Fragen. Diese Fragen stellen sich vor allem Ihnen.
Herr Kretschmann, wenn Sie mit solchen Begriffen wie „Stromsparen“ operieren: einverstanden, überhaupt nichts dagegen.
Dann müssen Sie aber irgendwo auch einmal Zahlen hinzufügen. Da können Sie nicht einfach sagen, dass wir in Deutschland 30 % oder in Baden-Württemberg 60 % der Stromversorgung einfach durch Stromsparen und regenerative Energien ausgleichen können.
Ich will Ihnen zunächst einmal sagen: Was ist eigentlich seit dem Beschluss über den Atomausstieg im Jahre 2002 alles anders geworden? Was hat sich in der nationalen und der internationalen Energiepolitik geändert? Dabei will ich noch eines dazusagen: Baden-Württemberg ist von diesem Ausstieg ganz besonders betroffen. Das ist wirklich ein landespolitisches Thema erster Güte, weil der Kernkraftanteil bei uns doppelt so hoch ist wie in der gesamten Bundesrepublik.
Die Lage hat sich geändert, und zwar erstens in Bezug auf die Einstellung zur Kernkraft. Sie glauben immer, Sie machen der deutschen Öffentlichkeit und der hiesigen Öffentlichkeit weis, wir seien Anhänger einer überkommenen Technologie und Sie seien der Fortschritt.
Jetzt will ich Ihnen nur einmal sagen: Im internationalen Maßstab ist es genau umgekehrt: Die Kernkraft erlebt eine Renaissance.