Winfried Kretschmann
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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei der Schulpolitik merkt man der Regierungskoalition und der Regierung an: Sie sind Getriebene.
Sie sind erstens durch das Ganztagsschulprogramm des Bundes unter Rot-Grün getrieben worden.
Erst damit haben Sie überhaupt Ihre Blockadehaltung verlassen, nachdem Sie hier noch „Freiheitsberaubung!“ und „Der Staat nimmt den Familien die Kinder weg!“ gerufen hatten.
Jetzt sind Sie Getriebene vom Aufstand der Eltern beim G 8. Nachdem Sie immer gesagt haben, da sei alles in Ordnung, treten Sie jetzt beim G 8 den ungeordneten Rückzug an. Sie haben jetzt bei dem ganzen Ganztagsschulkonzept nur Wirrwarr angerichtet.
Welche Ganztagsschulen brauchen wir? Wir brauchen Ganztagsschulen mit einem pädagogischen Konzept, das von professionellen Lehrern unterrichtet wird, und zwar mit einem rhythmisierten Unterricht über den ganzen Tag.
Das ist das, was wir pädagogisch brauchen und was die Eltern brauchen, um Familie und Beruf miteinander vereinbaren zu können. Sie schaffen jetzt mindestens drei oder vier Modelle bei den Ganztagsschulen. Niemand weiß eigentlich mehr so richtig, was Sie wollen.
Einerseits sind die Ganztagsschulen, die Sie bisher eingerichtet haben, mit mehr Lehrerstunden lediglich an Brennpunktschulen eingerichtet worden.
Jetzt versprechen Sie, dass Sie das auch auf Haupt- und Grundschulen ausweiten wollen.
Aber Sie haben keine Lehrerstunden dafür ausgewiesen.
Wir haben im Haushalt für die jetzt gebauten Ganztagsschulen
Mittel für Lehr- und Honorarkräfte einstellen wollen, um in der Zeit, bis wir einen Rückgang der Schülerzahlen haben und damit Lehrerstellen frei werden, überhaupt einmal Profis einstellen zu können. Kein einziger müder Euro ist bisher von Ihnen dafür in den Haushalt eingestellt worden.
Jetzt machen Sie Versprechungen für die Zukunft, wenn ein Schülerrückgang eintritt und dann Lehrer dabei frei werden. Ich habe Ihnen einen Brief geschrieben, Herr Ministerpräsident; denn im Haushalt stehen 8 700 k.w.-Vermerke für die Lehrerstellen.
Was bedeuten diese k.w.-Vermerke? Was bedeuten Ihre wolkigen Zusagen, die Sie machen? Das riecht doch alles danach, dass Sie jetzt im Wahlkampf gut Wetter machen wollen, und hinterher werden die Versprechungen eingesammelt. Was bedeuten diese 8 700 k.w.-Vermerke?
Ich habe Ihnen einen Brief geschrieben, damit wir in dieser Debatte Klarheit haben und man klipp und klar der Bevölkerung sagen kann, was jetzt wirklich geschieht. Wir wehren uns dagegen, dass Sie mit irgendwelchen wolkigen Versprechungen Wähler einsammeln und nach der Wahl die Versprechungen wieder einsammeln. Das können wir nicht zulassen.
Sie haben im Moment wirklich überhaupt kein Konzept für die Ganztagsschulen.
Das Einzige, das Sie haben, ist der Jugendbegleiter. Dass eine Ganztagsschule nur mit ehrenamtlichen Kräften nicht geht, das muss doch wirklich jedem klar sein. Jetzt sind Sie verbal irgendwie zurückgerudert. Aber Sie nennen nicht präzise Stellen für die Ganztagsschulen für die nächsten Jahre. Da ist nichts ausgewiesen. Ich frage Sie noch einmal ganz konkret und präzise: Wie soll das bitte schön aussehen? Wie soll eine Ganztagsschule nur mit ehrenamtlichen Kräften funktionieren? Das ist völlig ausgeschlossen.
Sie haben noch genügend Redezeit. Nachher können Sie alles widerlegen.
Wir haben immer gesagt: Wir stehen den Jugendbegleitern positiv gegenüber, aber nur, wenn sie in Schulen kommen, an denen schon ein professionelles Gerüst an Lehrern vorhanden ist. Anders geht es nicht.
Wenn man es umgekehrt macht, dann gefährdet man das Experiment mit den ehrenamtlichen Betreuern. So ist das in Wirklichkeit.
Das Wort „nichts Halbes und nichts Ganzes“, das versteht man überhaupt erst bei Ihrer Ganztagsschulpolitik.
Ich sage Ihnen zum Schluss der ersten Runde noch einmal, wo das herkommt: Sie wollen jetzt ein Reformwerk innerhalb veralteter Strukturen des dreigliedrigen Schulsystems. Ich sage Ihnen, das wird nicht funktionieren. Sie werden auch unter dem Druck der Elternschaft endlich Abstand nehmen müssen von dieser Sortiererei, von diesem ungerechten Schulsystem, das die Chancen ganz ungleich verteilt, wie wir gestern wieder vom Beauftragten der UN gehört haben. Davon müssen Sie weggehen.
Wenn Sie das nicht endlich machen, dann wird Ihre Herumdoktorei und Herumbosselei am Schulende, Ihre Getriebenheit, jedes halbe Jahr eine andere Sau durchs Dorf zu treiben, nicht abnehmen. Und das wird zum Verdruss an den
Schulen führen, weil die Eltern und die Lehrer genug davon haben, jedes halbe Jahr etwas anderes tun zu müssen.
Wir brauchen ein klares Konzept hin zu einer selbstständigen Schule, mehr Wahlmöglichkeiten im Schulsystem selber, die Möglichkeiten, auch integrierte Basisschulen von unten her aufzubauen, weil das immer mehr gewünscht wird von der Gesellschaft und der Elternschaft. Erst wenn Sie diesen Weg beschreiten, dann kommen wir zu klaren Reformschritten anstatt dem Hin- und Hergebossel, das Sie heute der Öffentlichkeit vorführen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach der Rede des Kollegen Noll ist nun die Verwirrung perfekt.
Während der Ministerpräsident mir in einem Brief noch schreibt: „Dazu wird das Land in den kommenden Jahren 1 840 Lehrerstellen einsetzen“, sagen Sie jetzt,
die k.w.-Vermerke, die ich angesprochen habe, sind richtig, und mit diesen Stellen wollen Sie etwas ganz anderes machen. Dagegen steht hier noch: Die 40 Millionen € sind eigentlich zusätzlich gemeint. Also totales Chaos.
Es ist überhaupt nicht mehr klar, was Sie wollen und was in den nächsten drei Jahren geschehen soll.
Ich habe wirklich klipp und klar von Anfang an in der ersten Debatte und auch in öffentlichen Diskussionen gesagt: Wir begrüßen das Konzept der Jugendbegleiter – damit kommt die Bürgergesellschaft in die Schulen hinein –, aber nur, wenn ein professionelles Gerüst da ist, und nicht, wenn dies hinterher irgendwo nachgeliefert wird.
Das ist eine klare Aussage. Jetzt hätten wir doch von Ihnen erwarten können, dass Sie auch eine klare Aussage machen. Sie haben bisher nur Mittel für die Jugendbegleiter eingestellt. Jetzt müssen wir doch von Ihnen erwarten, dass Sie sagen, wo für die jetzt entstandenen Ganztagsschulen das Lehrerpersonal ist.
Wo sind die Stellen für die nächsten, sagen wir einmal, drei Jahre? Es heißt ja in dem Brief: „in den kommenden Jahren“. Das heißt ja: erst wenn der Rückgang der Schülerzahlen einsetzt und dadurch Lehrerstellen frei werden. Was geschieht bis dahin?
Die Information, die wir bisher haben und irgendwie aus diesem Irrsal und Wirrsal herausfiltern konnten, ist, dass Sie bis dahin lediglich in der Endstufe 40 Millionen € für Jugendbegleiter zur Verfügung stellen. Das liegt auf dem Tisch, aber die Lehrerstellen selber liegen in den nächsten Jahren nicht auf dem Tisch.
Herr Kultusminister, was ist gerecht? Jedenfalls ist es eine eklatante Ungerechtigkeit, wenn Kinder aus Akademikerfamilien eine viermal so hohe Chance haben,
eine weiterführende Schule zu besuchen, wie Kinder mit derselben Begabung aus durchschnittlichen Arbeitnehmerhaushalten, von Migrantenkindern einmal ganz zu schweigen. Das ist eine eklatante Ungerechtigkeit.
Niemand hat behauptet, dass man das völlig ausgleichen könne. Aber dass wir alles dafür tun müssen, dies so weit
wie irgendwie möglich auszugleichen, ist eine fundamentale Frage der Gerechtigkeit.
Schulbildung und Bildungsabschlüsse weisen in unserer Gesellschaft Lebenschancen zu und eröffnen
Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Deswegen, Herr Kultusminister, sollten Sie sich solche altkonservativen Polemiken in unsere Richtung wie „Sie meinen, der Mensch beginnt erst mit dem Abitur“, wirklich verkneifen. Das ist einfach Quark.
Darum geht es überhaupt nicht, sondern es geht darum – das können Sie beim Besuch jeder Lehrlingsausbildungsstätte feststellen; ich habe letztens eine besucht –, dass es Hauptschüler angesichts der Knappheit der Ausbildungsplätze immer schwerer haben, selbst in einem Handwerksberuf eine Ausbildung zu bekommen. Das ist doch eine Tatsache.
Also müssen wir alles dafür tun, das, was uns die moderne Bildungsforschung sagt und was uns Erfahrungen aus Ländern sagen, die beim PISA-Test erfolgreich waren, umzusetzen. Individuelle Förderung ist das A und O eines erfolgreichen Schulsystems
und nicht Ihre Sortiererei im dreigliedrigen Schulsystem. Darauf kommt es an. Ich behaupte noch einmal: Die Durchlässigkeit in unserem allgemein bildenden Schulsystem
besteht faktisch nur von oben nach unten und nicht von unten nach oben.
Das, was Sie mit dem G 8, was Sie mit der zweiten Fremdsprache schon in Klasse 6 oder 5 machen, wird die Durchlässigkeit noch weiter vermindern. Den einzigen wirklich relevanten Bypass haben wir über das berufliche Schulwesen. Da haben auch Schüler aus den Realschulen noch eine reale Chance, das Abitur zu machen. Aber auch an den beruflichen Schulen, Herr Kultusminister, landen die Migrantenkinder hauptsächlich im Berufsvorbereitungsjahr
und haben nicht wirklich die Chancen, die das berufliche Schulwesen bietet, zumal gerade im beruflichen Schulwe
sen die meisten Stunden ausfallen und wir dort den größten Lehrermangel haben. Das können Sie nicht bestreiten.
Ich betone noch einmal – unsere schulpolitische Sprecherin hat das immer wieder betont; aber da haben Sie nur immer gefeixt –: Natürlich ist es Ihnen gelungen, das dreigliedrige Schulsystem in den letzten Jahrzehnten zu optimieren.
Das haben wir noch nie bestritten.
Aber jetzt ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Deswegen sagen wir: Jetzt ist ein Systemwechsel erforderlich. Das ist genau das, was die Zeit erfordert. Diese Begabungstypen, auf denen das dreigliedrige Schulsystem aufbaut, sind längst widerlegt. Sie existieren faktisch nicht. Sie sind ein Relikt aus der Ständegesellschaft. Was wir heute brauchen – das zeigen die freien Schulen, die das erfolgreich machen –,
ist ein integratives Schulsystem, in dem Kinder nach ihrer Begabung individuell gefördert werden. Es ist doch nicht ohne Grund, dass die Waldorfschulen dreimal so viel Anmeldungen haben, wie sie aufnehmen können. Das ist ein Schulmodell, das mit Erfolg
Kinder sehr viel länger zusammen unterrichtet, um ihnen innerhalb einer Schule unterschiedliche Bildungsabschlüsse zu ermöglichen. Das ist, glaube ich, genau das, was wir in Zukunft brauchen.
Unser Schulsystem ist unmodern. Es beruht auf veralteten Strukturen.
So gut wie alle PISA-Länder zeigen uns, dass es der richtige Weg ist, den Schulen mehr Selbstständigkeit zu geben,
Schülerinnen und Schüler länger gemeinsam zu unterrichten und sie individuell zu fördern. Dieser Systemwechsel ist notwendig. Beginnen Sie ihn mit uns von unten nach oben. Ermöglichen Sie einfach auch nach dem Schulgesetz die Wahlfreiheit für die Schulen. Ihnen haben neun Bürgermeister aus Südbaden geschrieben, die solche Regionalschulen, die in diese Richtung gehen, die wir angesprochen haben, wollen. Dazu gab es nur eine brüske Ablehnung von Ihnen, Herr Kultusminister, obwohl diese Bürgermeister eher Ihr Parteibuch haben als meines.
Man sieht also, auch aus der Gesellschaft selbst kommt der Druck. Bewegen Sie sich endlich! Dann kommen wir zu klaren Reformschritten anstatt des Chaos, das Sie der Öffentlichkeit heute hier dargeboten haben.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Noll, wenn ich heute Ihre Reden höre, fällt mir das Lied ein: „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“.
Vorhin haben Sie von Schulsozialarbeit herumschwadroniert und sinniert, was man bei künftig wegfallenden Lehrerstellen tun kann. Sie haben die Schulsozialarbeit doch auf null zusammengestrichen, Herr Kollege Noll!
Chancengleichheit und Bildungsvielfalt: Bei einem wichtigen Weg, nämlich dem, über Abendrealschulen und Abendgymnasien nochmals Bildungsgänge zu öffnen, die besonders von Einwanderern genutzt werden, haben Sie gekürzt. Zahlen haben eben den Vorteil, präzise zu sein.
Herr Kultusminister, Sie haben die Frage nicht beantwortet. In dem Brief des Ministerpräsidenten, den ich heute bekommen habe, steht, was er auch in der Pressekonferenz gesagt hat: „1 840 Stellen in den kommenden Jahren“,
nämlich dann, wenn durch den Schülerrückgang Lehrerstellen frei werden. Meine Frage war: Was passiert in den nächsten drei Jahren mit den real existierenden Ganztagsschulen, die durch das Bundesprogramm gebaut worden sind?
Haben die in Zukunft Profis oder nicht, und woher kommen diese Stellen?
Wir hätten erwarten können, dass es wenigstens eine konkrete Antwort auf diese wichtige Frage der nächsten Jahre gibt und dass Sie nicht irgendwie von ferner Zukunft herumfaseln, Herr Kollege Noll. Diese Antwort ist nicht erfolgt. Das heißt, Sie können der Bevölkerung heute nicht sagen, wie ein professionelles Gerüst in den nächsten drei Jahren in die Ganztagsschulen eingezogen wird. Wir wollen aber Ganztagsschulen,
und wir wollen keine Ganztagsbetreuung.
Denn wir wollen soziale Gerechtigkeit. Diese hat zum Beispiel etwas damit zu tun, dass in Deutschland Eltern 2 Milliarden € für Nachhilfeunterricht ausgeben.
Das verschärft die soziale Ungleichheit. Deswegen wollen wir ordentliche Ganztagsschulen mit rhythmisiertem Lernen und mit professioneller Hausaufgabenbetreuung, damit wir etwas mehr Gerechtigkeit im baden-württembergischen Schulsystem bekommen.
Das ist eine ganz klare Ansage. Diese ist umsetzbar, machbar und präzise. Dazu fordern wir Sie auf.
Ja, bitte.
Jetzt seien Sie einmal so gut! Ich habe heute die Frage gestellt. Wir haben noch nie behauptet,
dass von den gesamten Lehrerstellen überhaupt keine gestrichen werden.
Wir haben auch keine Zahlen genannt. Sie haben jetzt gesagt, dass in der nächsten Legislaturperiode überhaupt keine Lehrerstellen gestrichen werden trotz der k.w.-Vermerke, die im Haushaltsplan stehen.
Das müssen bitte Sie aufklären und nicht wir.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Freie Schulen sind für uns ein Teil einer aktiven Bürgergesellschaft, in der sich Bürgerinnen und Bürger der grundlegenden Aufgaben einer Gesellschaft annehmen, indem sie Verantwortung übernehmen, sich engagieren, den Gedanken der Selbstverwaltung voranbringen. Die Menschen, die freie Schulen gegründet haben und betreiben, tun dies unter sehr großen finanziellen Opfern. Ich habe schon in der letzten Sitzung gesagt, dass mir eine Mutter geschrieben hat, dass ihre drei Kinder auf der Waldorfschule sie am Ende 100 000 € kosten werden. Aber diese Menschen bringen noch mehr ein und geben der Schule auch das knappste und wertvollste Gut, das der moderne Mensch besitzt, nämlich Zeit und Engagement.
Zweitens: Schulen in freier Trägerschaft sind für uns Vorreiter und Motoren der Entwicklung auch des staatlichen Schulsystems. Sie geben uns aus der Reformpädagogik immer wieder wichtige Impulse. Dazu gehören fächerübergreifendes Lernen, praktisches Lernen, integrative Lernformen, wie wir sie etwa in den Waldorfschulen haben, selbstständiges Lernen, neue Formen der Leistungsbewertung, größere Lerneinheiten und Überwindung des 45-MinutenTaktes.
Kurz und gut: Es geht um das, was schon Pestalozzi die Einheit von Kopf, Herz und Hand genannt hat. Das wird dort oft schon seit vielen Jahren und Jahrzehnten praktisch umgesetzt. Sie sind uns aber auch ein Beispiel dafür, was der Begriff Schulgemeinschaft bedeutet – etwas, wozu wir im staatlichen Schulwesen erst noch richtig kommen müssen.
Für dieses große Engagement, das sie erbringen, werden sie von den Koalitionsfraktionen bestraft,
indem sie verweigert bekommen, was ihnen nach dem Verfassungsgerichtsurteil zusteht, nämlich eine angemessene Entschädigung für die Kosten, die sie haben, damit die Eltern einigermaßen gleichgestellt sind mit denen, die ihre Kinder in staatliche Schulen schicken. Ein 80-%-Modell ist da nicht zu hoch gegriffen.
Unsere Vision wird, wenn wir ausgeglichene Haushalte haben, der Bildungsgutschein sein, wobei Eltern frei entscheiden können, ob sie ihre Kinder auf freie Schulen schicken oder auf staatliche, und erstere im Wesentlichen nicht mehr kosten. Eigentlich gibt es nämlich keinen Grund dafür, dass Eltern, die ihre Kinder auf freie Schulen schicken, dafür auch noch erheblich mehr bezahlen müssen, obwohl sie genauso viel Steuern bezahlen müssen wie alle anderen auch.
Deswegen, Frau Kollegin Lazarus, sollten Sie sich schon noch einmal überlegen, was Sie hier gesagt haben. Sie nehmen die Tatsache, dass dort hohe finanzielle Vorleistungen erbracht werden, im Prinzip als Argument dafür, dass es offensichtlich auch ohne staatliche Gerechtigkeit geht.
Das ist schon nahe am Zynismus. Man muss sehen: Es gibt heute an den freien Schulen nicht nur Unverständnis darüber, dass Sie sich weigern, endlich in die Finanzierung einzusteigen, sondern es herrscht schon fast eine gewisse Verbitterung darüber,
dass an den Lehrergehältern immer weiter gespart werden muss und dass von den Eltern immer höhere Beiträge verlangt werden müssen, damit die Schulen überhaupt unterhalten werden können. So weit ist es heute. Angesichts des Konkurrenzdrucks, der bereits heute bei der Werbung um Lehrkräfte besteht, werden die freien Schulen Schwierigkeiten haben, in Zukunft überhaupt noch Lehrer zu bekommen – bei Gehältern, die ohnehin schon wesentlich unter denen von Lehrern an staatlichen Schulen liegen.
Also hätten diese Schulen das Anrecht darauf, dass Sie endlich in eine bessere Finanzierung einsteigen und das Bruttokostenmodell auch umsetzen. Sie weigern sich grundsätzlich, das zu tun.
Sie weigern sich grundsätzlich. Im Vorblatt zu Ihrem Gesetzentwurf haben Sie unter „D. Kosten für die öffentlichen Haushalte“ geschrieben:
Unmittelbare Kosten entstehen durch die Einfügung des Bruttokostenmodells sowie die Änderung des Landesbesoldungsgesetzes nicht;
eine Anhebung der Zuschüsse ist mit dem Gesetzentwurf ebenfalls nicht unmittelbar verbunden.
Eine mögliche Erhöhung der Zuschüsse auf dieser Grundlage bleibt dem Landtag vorbehalten.
Sie liefern den freien Schulen eine Definition ohne Geld. Aber von Definitionen kann man nicht leben.
Deswegen stellen wir Änderungsanträge.
Bitte.
Ihre Worte nehmen wir dann für bare Münze, wenn Sie nachher unserem Antrag zustimmen, in dem nämlich steht:
„Die Anhebung der Zuschüsse auf das nach dem Bruttokostenmodell erforderliche Niveau erfolgt in einem Stufenplan bis zum Ende der 14. Legislaturperiode des Landtags. Über die erste Stufe entscheidet der Landtag zum nächsten Haushalt nach Inkrafttreten dieses Gesetzes.“
Wenn Sie dem zustimmen, dass hier eine klare Aussage gemacht wird, dass es auch finanziert wird, dann Respekt vor Ihnen! Anders sind es leere Worte,
ebenso wie die leeren Worte, die in der Gesetzesbegründung stehen. Die Mindestanforderung ist ja, dass der Ge
setzgeber für die Planungssicherheit der Schulen sorgt und vorschreibt, dass bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erfüllt sein muss, was Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts ist. Das sind 36 Millionen €. Sie haben das nicht bestritten. Das wäre ja auch komisch. Schließlich haben wir diese Zahl von der Landesregierung.
Das ist, glaube ich, das Mindeste, was die Schulen in freier Trägerschaft erwarten. Solange Sie das nicht machen, müssen wir ganz klar davon ausgehen, dass Sie das wieder von der Haushaltslage abhängig machen wollen.
Die Rechtsposition ist aber ganz klar die, dass die freien Schulen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts einen Rechtsanspruch darauf haben, dass sie angemessen entsprechend den Kosten eines staatlichen Schülers bezahlt werden. Das ist ja schließlich Inhalt des Bruttokostenmodells. Sie können dem nachher zustimmen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP/DVP. Dann besteht in diesem Haus eine Mehrheit dafür.
Zweitens: Ich finde es völlig unangemessen, dass Menschen, die dieses Engagement aufbringen, in der Gründungsphase drei Jahre lang überhaupt keine Zuschüsse bekommen. Ich finde, dass das nicht geht und dass das ein Instrument zur Verhinderung der Gründung von freien Schulen ist. Wir brauchen aber mehr freie Schulen und nicht weniger. Der Elternwille muss hier maßgebend sein. Deswegen fordern wir in einem zweiten Änderungsantrag, dass nach einer Wartefrist die Zuschüsse rückwirkend wenigstens für die letzten zwei Jahre erstattet werden.
Natürlich muss der Staat auch gewisse Schranken errichten, damit er nicht beliebig freie Schulen fördert, die nach einem Jahr wieder von der Bildfläche verschwunden sind.
Aber wenn man das rückwirkend erstattet, ist das in Ordnung. Sie haben Gelegenheit, Frau Kollegin Berroth, dem zuzustimmen. Dann haben wir eine Mehrheit in diesem Haus.
Drittens ist es auch wichtig, dass wir die Waldorfschulen so behandeln wie die Gymnasien. Schließlich sind es integrative Schulen, die alle Bildungsabschlüsse bis hin zum Abitur ermöglichen. Jeder weiß, dass solch ein integratives System eher mehr finanziellen Aufwand erfordert und nicht weniger. Deswegen ist es wiederum eine Benachteiligung der Waldorfschulen, wenn Sie diesen Unterschied nicht angemessen berücksichtigen.
Ich darf noch in Parenthese bemerken, dass im Gymnasium im Durchschnitt auch 25 % der Schüler das Abitur nicht erreichen, sondern mit einem anderen Bildungsabschluss abgehen.
Sie haben hier jetzt Gelegenheit, zu zeigen, ob Sie wirklich für ein freies Schulwesen sind
oder ob es nur nach der Oettinger-Tour geht: Man kündigt an, aber es ist kein Unterbau vorhanden. Das ist reiner Wahlkampf. Die freien Schulen brauchen aber Fakten, also die Gelder, die ihnen zustehen.
Lassen Sie mich zum Schluss sagen – Herr Kultusminister, das ist besonders an Sie gerichtet –: Wir können für die Waldorfschulen auch Dinge machen, die kein Geld kosten, zum Beispiel ihnen ermöglichen, dass sie ihr eigenes Abitur durchführen, und ihnen damit endlich einmal zugestehen, auch beim Abschluss eigene Wege zu gehen. Wir haben heute ein Selbstauswahlrecht der Hochschulen. Wir können es ruhig in die Verantwortung der Waldorfschulen legen, dass sie mit einem eigenen Abitur ihre Schülerinnen und Schüler ins Berufsleben schicken.
Sie sind dann auch für den Erfolg oder Misserfolg verantwortlich. Auch da haben Sie Gelegenheit, zu zeigen, dass wirklich, wie die Mütter und Väter des Grundgesetzes uns klugerweise gesagt haben,
freie Schulen mit zum öffentlichen Schulwesen gehören und dass sie die Möglichkeit erhalten, gleichberechtigt und fair in den Wettbewerb mit den staatlichen Schulen einzutreten.
Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Damit Forschung zum Motor für die Wirtschaft wird, muss man wissen, wohin die Fahrt geht. Wir erleben aber gerade ein Beispiel dafür, dass der Motor rückwärts läuft, nämlich bei der Wiederaufarbeitungsanlage in Karlsruhe. Das ist ja immerhin nur eine Versuchsanlage gewesen, und die Kosten für den Rückbau betragen nicht nur 900 Millionen €, wie ursprünglich angenommen, und auch nicht 1,1 Milliarden € – so viel Geld ist nämlich schon ausgegeben worden –, sondern wahrscheinlich mindestens 2,2 Milliarden €.
Die Kosten für die Industrie sind damals in einem schlampigen Vertrag gedeckelt worden, sodass die öffentliche Hand den Rest zahlen muss. Das bedeutet, dass Frau Schavan, die neue Bundesforschungsministerin, 562 Millionen € zusätzlich ausgeben muss. Das hat der Bundesrechnungshof kritisiert. Diese gigantische Summe wird dem Forschungsetat fehlen.
Für das Land, das an den 1 Milliarde DM übersteigenden Kosten der Stilllegung und Beseitigung des WAK mit 8,2 % beteiligt ist, bedeutet das ca. 100 Millionen €, die wir zusätzlich aufbringen müssen – das ist zehnmal mehr, als wir für die Förderung der regenerativen Energien ausgeben. Um einmal ein Beispiel zu nennen: Der Landeszuschuss für das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung mit seinen Standorten in Stuttgart und Ulm beträgt jährlich 3,6 Millionen €. Um diese Größenordnungen geht es hier.
Trotz allem, was in der Vergangenheit passiert ist, tritt Ihr Ministerpräsident nach wie vor fröhlich für die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken ein. Ich glaube, das ist genau die falsche Richtung, die Sie einschlagen.
Zweitens: Warum ist Baden-Württemberg eigentlich nicht das Zentrum für die Entwicklung und Produktion umweltgerechter Fahrzeuge,
die weniger Benzin verbrauchen oder die mit anderen Kraftstoffen fahren oder einen Hybridantrieb besitzen, mit einem geringen Ausstoß von Schadstoffen? Das alles ist nicht der Fall, obwohl wir solche Autos auf den Märkten der Zukunft brauchen – hier und in den Schwellenländern. Wir sehen das Debakel beim Dieselrußfilter. Andere haben hier die Nase vorn. Die Einzige aus Ihren Reihen, die es überhaupt einmal gewagt hat, das zu kritisieren, war die Kollegin Carmina Brenner. Sonst habe ich von der gesamten Regierungsseite noch nie kritische Worte in Richtung Automobilindustrie gehört, die aufzeigen, was hier falsch läuft.
Wenn man – wie in Berlin Schwarz-Rot – Biokraftstoffe besteuern will, dann läuft natürlich die gesamte Forschung und Innovation in eine falsche Richtung. Wir aber glauben, dass wir in Zukunft umweltfreundlichere und sparsamere bzw. ganz vom Öl unabhängige Autos brauchen. Sonst werden wir in Zukunft keine mehr verkaufen.
Jetzt komme ich zur Forschungsförderung im engeren Sinne. Der Kollege Schmiedel hat schon darauf hingewiesen, dass die Industrie- und Handelskammer und die Handwerkskammer gemeinsam feststellen, dass die Landesregierung die Mittel in der Technologiepolitik zu sehr auf die großen Unternehmen konzentriert. Deswegen gehört die Forschungspolitik hier auch auf den Prüfstand. Ich glaube, der Fehler ist derselbe, der auch der Konstruktion der Forschungsförderung durch die Landesstiftung zugrunde liegt: Wir haben immer weniger Grundfinanzierung und immer mehr Projektförderung. Ich glaube, dass das der falsche Weg ist. Verstehen Sie: Im Einzelnen ist nicht zu kritisieren, wofür die Landesstiftung Geld ausgibt. Das sind in der Regel innovative Projekte, aber es sind eben Projekte für einen begrenzten Zeitraum, und nach Ablauf des Förderzeitraums muss man sich immer wieder etwas Neues überlegen. Im gleichen Maße dünnen wir die Grundfinanzierung aus.
Ich erinnere noch einmal daran, dass Sie in den letzten beiden Haushalten zum Beispiel bei den Fachhochschulen in der Größenordnung von jeweils 20 Millionen € gestrichen haben. Das ist der falsche Weg, wenn es darum geht, Forschung in Techniken, die in der Wirtschaft verwendet werden können, umzusetzen. Da wird an der völlig falschen Stelle gestrichen.
Es nützt gar nichts, wenn wir immer neue Projekte über die Landesstiftung fördern und Sie gleichzeitig die regulären Haushaltsmittel bei den Hochschulen und bei den Fachhochschulen streichen.
Deswegen möchte ich in der zweiten Runde noch auf die Grundlagenforschung eingehen.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Fauser, Sie haben mir leider nicht die Frage beantwortet, ob Sie nun viereckige Tomaten wollen oder nicht. Obwohl Sie zuerst gesagt haben, dass Sie keine wollten, haben Sie dann doch für die Forschung zur Herstellung viereckiger Tomaten plädiert.
Was wollen Sie nun eigentlich, Frau Fauser?
Ich habe entgegen Ihrer Behauptung nicht über die Atomkraft fabuliert, sondern habe präzise Zahlen genannt. Zum Beispiel belastet die Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe den Forschungsetat des Bundes mit über 560 Millionen €, und sie wird das Land an die 100 Millionen € kosten. Das sind ganz präzise Zahlen. Es wäre gut gewesen, wenn Sie etwas dazu gesagt hätten, wie Sie mit diesen Zahlen umgehen,
woher und aus welchem Etat diese Mittel kommen, die Sie da hineinpumpen wollen. Darum geht es und nicht um die „Fabula rasa“ der Frau Fauser.
Aus der Landesstiftung sind in den letzten Jahren 120 Millionen € in die Forschung geflossen. Ich habe ja schon gesagt, dass diese Mittel zwar immer befristet gewährt werden, aber 120 Millionen € sind eine schöne Zahl.
Ich nenne jedoch einmal eine andere Zahl, Herr Forschungsminister: Allein im Landeshaushalt 2004 hat die Landesregierung 135 Millionen € an den Hochschulen eingespart; das waren vor allem Titel für Forschung und Lehre. Das, was die Landesstiftung gegeben hat, haben Sie in gleicher Höhe im regulären Haushalt gekürzt.
Wir haben zweifelsohne immer noch gute Hochschulen. Aber ich behaupte auch, dass wir von der Substanz leben; denn Sie wissen genauso gut wie ich, dass allein bei den Hochschulbauten ein Sanierungsbedarf – vom Rechnungshof festgestellt und nicht von uns – von 2,4 Milliarden € besteht. Sie können überhaupt nicht darstellen, wie Sie diese Sanierungsmittel in den nächsten zehn Jahren aufbringen wollen. Das heißt, dass zwar noch genügend Geld in die Labors und in die Einrichtungen fließt, man aber gleichzeitig schon die Eimer unter das Dach stellen muss. Das ist nicht übertrieben.
Diese Einsparungen gehen also an die Substanz der Hochschulen. Sie gehen zulasten der Hauptaufgaben der Hochschulen, nämlich der Lehre und der Forschung, vor allem der Grundlagenforschung. Gerade die Grundlagenforschung braucht eine nachhaltige Finanzierung. Denn nur aus der Grundlagenforschung können sich wirklich irgendwann völlig neue Produkte ergeben, wohingegen die anwendungsbezogene Forschung lediglich die Qualität der bereits existierenden Produkte verbessert. Das heißt, dass wir den
Schwerpunkt bei der universitären Forschung in die Grundlagenforschung legen müssen.
Das kann man freilich nicht von außen steuern; denn das ist etwas, was die „Wissenschaftsgemeinde“ nun wirklich besser weiß. Dazu brauchen wir gute Arbeitsbedingungen. Wir erleben aber, dass Wissenschaftler von den Hochschulen an außeruniversitäre Einrichtungen oder gar ins Ausland abwandern. Dieser Auszug der Forschung aus unseren Hochschulen muss gestoppt werden. Wir brauchen deswegen eine solide Hochschulfinanzierung.
Wir brauchen für die Grundlagenforschung verlässliche Arbeitsbedingungen.
Aber wir haben ja zurzeit einen Ministerpräsidenten, der durchs Land reist und jedem, den er trifft, egal wo und wann, Versprechungen macht. Die letzte Versprechung war, sich mittelfristig am Flughafen Basel-Mulhouse-Freiburg zu beteiligen.
Wir müssen nun einmal entscheiden, ob wir weiterhin in Bereiche investieren wollen, die die Wirtschaft eigentlich selbst organisieren und in die sie selbst investieren muss, wie Messen und Regionalflughäfen,
oder ob wir als Land unsere originären Aufgaben erfüllen. Die heißen Bildung, Forschung und Entwicklung. Das ist der entscheidende Beitrag, den das Land Baden-Württemberg auch für die Wirtschaft leisten muss. Darauf müssen wir die knappen Mittel, die wir haben, konzentrieren.
Ich sage noch einmal: Dazu bedarf es auch des richtigen Forschungsklimas. Wer aber die Laufzeiten von Atomkraftwerken verlängern, also an Altindustrien länger festhalten will, blockiert in Wirklichkeit dort,
wo Forschung in breitem Umfang Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Exportmöglichkeiten schafft. Das ist im Umweltbereich der Fall. In der gestrigen Ausgabe der „Financial Times“ stand: „Asien giert nach deutscher Umwelttechnik“. Genau da müssen wir uns richtig und gut aufstellen. Das sind die Wachstumsmärkte der Zukunft.
Da können wir Forschung direkt in Arbeitsplätze, in Wertschöpfung im In- und Ausland umsetzen. Das sind die Signale, die wir für eine nachhaltige Forschungsförderung, die mittlere und kleine Betriebe fördert, brauchen. Das heißt in der Energiepolitik: Hinein in eine mittelstandsorientierte Energiepolitik,
genau dorthin Technologie aus unseren Hochschulen, Fachhochschulen, außeruniversitären Einrichtungen transferieren.
Das ist die Aufgabe, die wir zurzeit haben. Aber Sie behindern sie. Jetzt verhindern Sie im Schwarzwald wieder ein Investitionsprojekt mit einem Volumen von 40 Millionen €,
ohne zu wissen, dass wir 200 Firmen in Baden-Württemberg haben, die den größten Windenergieproduzenten beliefern, die innovativ sind, die tatsächlich die Ergebnisse aus der Forschung umsetzen. Das ist die richtige Spur. In diese Richtung muss es gehen.
Das sind die Wachstumsmärkte der Zukunft. Darauf müssen wir schauen.
Jetzt redet hier vorn der größte Investitionsverhinderer des Landes Baden-Württemberg, der Kollege Döpper, statt dass er sich in die letzte Bank setzt.
Ja, es ist doch so!
Die Landesregierung war für dieses Projekt, die Opposition war für dieses Projekt, die Bürgermeister waren für dieses Projekt, der Regionalverband war für dieses Projekt – nur der Kollege Döpper muss in blinder Nachfolge des Herrn Teufel ein solches Projekt mit einem Investitionsvolumen von 40 Millionen € verhindern. Das ist ein „dicker Hund“.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn man wohlwollend für die Koalitionsfraktionen rechnet – was wir als Oppositionsabgeordnete eigentlich nicht tun sollten –,
stellt man fest, dass Sie seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts neun Jahre gebraucht haben, bis Sie die Bemessungsgrundlage für eine angemessene Bezuschussung der Schulen in freier Trägerschaft überhaupt auf die Beine gebracht haben. Neun Jahre haben Sie dafür gebraucht!
Jetzt steht endlich das Bruttokostenmodell. Frau Kollegin Berroth, Sie sind jetzt also stolz, dass Sie für eine Definition
neun Jahre gebraucht haben. Aber von Definitionen können die freien Schulen nicht leben.
Jetzt ist es einmal interessant, zu lesen, was im Gesetzentwurf der Landesregierung zu den Kosten steht.
Es steht ja immer in jedem Gesetzentwurf, welche Kosten für die öffentlichen Haushalte entstehen. Dazu schreibt die Landesregierung im vorliegenden Entwurf:
Unmittelbare Kosten entstehen durch die Einfügung des Bruttokostenmodells sowie die Änderung des Landesbesoldungsgesetzes nicht; eine Anhebung der Zuschüsse ist mit dem Gesetzentwurf ebenfalls nicht unmittelbar verbunden.
Eine mögliche Erhöhung der Zuschüsse auf dieser Grundlage bleibt dem Landtag vorbehalten.
Das muss man sich einmal vorstellen. Jeder weiß, dass das Bruttokostenmodell dieses Parlament am Ende mindestens 36 Millionen € kostet.
Statt hineinzuschreiben, was ehrlich gewesen wäre: „Für die Planungsgrundlage der freien Schulen wird das mindestens 36 Millionen € kosten“, schreiben Sie hinein: Es entstehen keine unmittelbaren Kosten. Jeder Profi in diesem Parlament – also wir alle – weiß, was das bedeutet: auf die lange Bank geschoben.
Ich sage noch einmal: Die freien Schulen haben nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts einen Rechtsanspruch auf angemessene Zuschüsse. Es steht gar nicht in der Ver
fügungsgewalt des Gesetzgebers, das willkürlich festzusetzen. Jetzt haben Sie sie auf 80 % festgelegt. Die Zuschüsse an die Schulen in freier Trägerschaft müssen sich an den Kosten eines „staatlichen Schülers“ bemessen, die Sie gerade berechnet haben. Also müssen Sie in diesen Gesetzentwurf schreiben, dass das Kosten verursacht.
Weil unser Herz für die freien Schulen schlägt.
Zweitens rege ich mich auf, weil ich den Brief einer Mutter bekommen habe, die schreibt:
Ich darf Ihnen mitteilen, dass ich am Ende der Schulzeit für meine drei Kinder an die 100 000 € an Schulgeld aufgewendet haben werde, bis sie in ihrer Waldorfschule ihre Schulzeit zu Ende gebracht haben werden.
Dann folgen drei Ausrufezeichen.
Den freien Schulen steht das Wasser bis zum Hals, und Sie sind nicht bereit, in einen Stufenplan einzusteigen, um einen Kostendeckungsgrad von 80 % zu erreichen. Wir haben dafür bei der Beratung des letzten Doppelhaushalts 15 Millionen € beantragt, bei der Beratung des Nachtragshaushalts 6 Millionen €. Sie haben das abgelehnt. Zugestimmt haben die Sozialdemokraten. Das sind die Fakten, wie Sie in dieser Situation mit der Not der freien Schulen umgehen.
Ich finde, dass das nicht geht.
Wenn man, Herr Kultusminister, die Vielfalt im Bildungswesen lobt und preist, wie Sie es getan haben, muss man auch dafür sorgen, dass faire Bedingungen herrschen.
Dass Sie jetzt wieder nicht in das Bruttokostenmodell einsteigen – Frau Berroth, Sie wissen, in welcher Not die freien Schulen sind –, dass Sie damit erst 2008 beginnen wollen, ist schlicht und einfach unfair gegenüber den Schulen in freier Trägerschaft und gegenüber der Elternschaft, die für die Erziehung und Bildung ihrer Kinder schon mehr aufbringt als jeder andere, der sein Kind auf staatliche Schulen schickt.
Deswegen fordere ich Sie auf, sich noch einmal einen Ruck zu geben, fair zu sein gegenüber den freien Schulen und endlich die Mittel, die diese brauchen, in den Haushalt einzustellen.
Bitte.
An Versprechungen misst man die Opposition, wenn sie an die Regierung kommt,
und die Regierung misst man an ihren Taten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dass heute alle Parteien, auch die Union, anerkennen, dass wir ein Einwanderungsland sind, und sich nach vielen Jahren von der Gastarbeiter-Lebenslüge verabschiedet haben, gehört zu den großen Erfolgen meiner Partei in den letzten Jahren.
Ja, man merkt es ganz deutlich, schon an der Sprache. Solche Reden von Ihnen wären vor zehn Jahren gar nicht möglich gewesen. Da haben Sie nur von Ausländern geredet. Heute reden Sie – wie wir schon immer – selbstverständlich von Migranten. Daran sieht man, dass sich etwas geändert hat.
Wenn Menschen sich einbürgern lassen möchten, sollten wir uns darüber freuen, dass sie dieses Gemeinwesen so gut und attraktiv finden, dass sie sich in ihm beheimaten wollen. Wir sollten grundsätzlich davon ausgehen, dass diejenigen Menschen, die sich einbürgern lassen wollen, auch die hiesige Rechtsordnung und Verfassungsordnung anerkennen.
Ich darf dazu aus einer dpa-Meldung zitieren:
Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet, CDU, lehnt Einbürgerungstests mit Fragen zur politischen Gesinnung wie in Baden-Württemberg ab. „Wir haben nicht zu viele, wir haben zu wenige Einbürgerungen. Denn jede Einbürgerung ist ein Integrationserfolg.“
Er sagte weiter, die Neudeutschen seien schließlich bereit, ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufzugeben und Deutsch zu sprechen, statt in Parallelwelten zu leben.
Herr Ministerpräsident, im Zusammenhang mit Einbürgerung noch Polemiken von Parallelgesellschaften gegen uns aufzufahren, ist schon ein starkes Stück, nachdem Sie sich jahrzehntelang geweigert haben, Deutschland als Einwandererland anzuerkennen und rechtzeitig die integrationspolitischen Voraussetzungen zu schaffen. Die Schwierigkeiten, die wir heute haben, kommen daher, dass Sie jahrzehntelang nichts gemacht haben und erst jetzt auf den Trichter gekommen sind, nachdem es schon an vielen Ecken brennt. Das ist die Wahrheit!
Die Voraussetzungen, die jemand erfüllen muss, der sich hier einbürgern lassen will, sind bekannt: Er muss sich länger als acht Jahre hier aufhalten. Er muss schriftlich ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung ablegen. Er muss unterschreiben, dass er an keinen verfassungsfeindlichen Tendenzen beteiligt ist. Er muss seinen Lebensunterhalt verdienen. Er muss ausreichende Sprachkenntnisse haben. Das alles haben wir durchgesetzt, und wir haben auch durchgesetzt, dass es generell eine Anfrage beim Verfassungsschutz gibt, denn der Staat muss Taten erforschen, aber nicht Gesinnung.
Wir wollen keine Verfassungsfeinde einbürgern. Wir wollen Menschen einbürgern, die loyal zu unserer Verfassungsund Rechtsordnung stehen.
Jetzt ist die Frage: Ist der Gesinnungstest das richtige Mittel, um das zu erreichen? Das ist die erste Frage, die ich untersuchen möchte. Die zweite Frage lautet dann: Was bedeutet der Gesinnungstest eigentlich für Integration und Desintegration?
Zur ersten Frage: Grundsätzlich ist es nicht möglich, die Gesinnungen von Menschen durch den Staat zuverlässig zu erfragen. Das ist eine Erkenntnis, die wir aus der Aufklärung schon längst haben.
Wäre es möglich, dass der Staat unsere Gesinnungen erforschen kann, dann wären wir keine freien Menschen mehr. Denn jeder weiß, der Mensch kann lügen, betrügen und sich verstellen. Das alles ist möglich.
Wir sind logischerweise nicht automatisch gut, sondern wir müssen uns darum bemühen. Das ist keine philosophische Sonntagsrede, sondern das hat in grundlegender Weise Eingang in unsere Rechtsordnung gefunden. Seit Immanuel Kant trennen wir zwischen Moralität und Legalität.
Das bringen wir schon unseren Kindern bei, indem wir sie das Lied lernen lassen, das aus der 48er-Revolution stammt: „Die Gedanken sind frei“,
damit sie das von innen heraus lernen.
Deswegen kann der Staat letztlich nur äußere Handlungen bewerten und nicht in die Gesinnung von Menschen eindringen.
Das ist ein unsinniges Verfahren. Die Verwaltungsvorschrift gibt das selber zu. Es steht nämlich in dieser Verwaltungsvorschrift: Der Fragebogen soll nicht veröffentlicht werden, denn sobald er veröffentlicht ist, hat er sein Ziel schon verfehlt. Das steht wörtlich in der Verwaltungsvorschrift drin. Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung Böhmer hat richtig gesagt: Wir haben aus den Befragungen von Wehrdienstverweigerern die Erfahrung, dass diese Befragungen nur zu einem geführt haben: zu einer Kultur der Vorbereitung, wie man diese Fragen richtig beantworten muss, damit man auch Erfolg hat.
Dieser Gesinnungstest ist also entweder ein Test für Dumme und Naive
oder ein Test für Gerissene und Gescheite. Er ist ein Test für Dumme und Naive, also für solche, die gar nicht verstehen, was da überhaupt gemeint ist. Wer wird im Ernst, wenn er eingebürgert werden will, sagen: „Ja, ich halte die Terroristen für Freiheitskämpfer; ich schlage meine Frau, wenn es darauf ankommt, ich sperre sie ein; ich bin gegen Gleichberechtigung“, und Ähnliches? Wer wird wohl so etwas in einem solchen Test sagen? Das zeigt schon die ganze Unsinnigkeit dieser Art von Fragerei.
Das heißt, es wird eigentlich geprüft, ob jemand entweder gerissen ist, also sich so vorbereitet, dass er sich sagt: „Wie muss ich diese Fragen beantworten, damit ich diese Hürde überwinde?“, oder ob er gescheit und intellektuell ist und das eh kann. Diese Erfahrung haben wir aus der McCarthyÄra in den USA. Da wurde genau das versucht. Solche brillanten Köpfe wie Bert Brecht konnten da natürlich leicht kontern und diesen Gesinnungstest locker überstehen.
Sie sehen also: Diese Mischung aus Gesinnungsaufsatz, Fang- und Suggestivfragen und Fragen zur persönlichen Lebensführung kann das Ziel, Verfassungsfeinde und Leute, die nicht auf dem Boden unserer Rechtsordnung stehen, davon abzuhalten, bei uns Staatsbürger zu werden, gar nicht erreichen.
Der Test ist daher unsinnig und kann sein selbst gesetztes Ziel nicht erreichen,
zumal es eigentlich, glaube ich, ganz schamlos ist, Leute zu befragen, die selber gar nicht wissen können, was ihre Antworten bedeuten, etwa wenn sie gefragt werden, was für eine Reaktion sie zeigen, wenn sie erfahren, dass ihr Sohn schwul ist.
Das strahlt etwas aus, was der Rechtsstaat nie machen darf.
Nach dem Gedankengang.
Der Test diskreditiert in seiner ganzen Zusammensetzung die Werte, die er abfragen möchte, vor allem den Gleichheitsgrundsatz als fundamentales Prinzip unserer Rechtsordnung, weil Muslime generell unter Zweifel gestellt werden.
Das steht in der Presseerklärung drin. Es steht aber auch im Leitfaden drin, den das Innenministerium erstellt hat.
Da steht drin: Muslime unterliegen grundsätzlich dem Zweifel. Später wird das noch einmal untermauert, indem gesagt wird: Der Arbeitsaufwand beträgt 60 %. Das ist also genau der Prozentsatz des Anteils von Einwanderern aus islamischen Staaten. Das steht eindeutig in der Presseerklärung und im Gesprächsleitfaden drin. Sie wollen hier nur Nebelkerzen werfen. Das ist ganz klar. Sie setzen Muslime unter Generalverdacht und verletzen damit den Gleichheitsgrundsatz.
Sie verletzen den Grundsatz der Freiheit des Denkens. Sie verletzen den Grundsatz, dass sich der Staat nicht in die persönliche Lebensführung einmischt und auch keine Fragen dazu zu stellen hat. Welche Arztwahl Menschen etwa treffen, wie sie zur Berufswahl ihrer Kinder stehen und was für Konflikte sie da in der Familie austragen, das alles geht den Staat nichts an.
Das bedeutet die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Deswegen ist das, was Sie da tun, verfassungsrechtlich
höchst bedenklich. Sie müssen sich einmal vorstellen, welche Wirkung es auf die einbürgerungswilligen Einwanderer haben muss, wenn Sie eine Religionsgemeinschaft kollektiv unter Verdacht stellen. Auch das widerspricht dem Geist unserer Verfassung diametral. Unsere Verfassung prüft den Einzelfall. Sie geht von der Einzelperson aus. Unsere Verfassung nimmt niemals ganze Gruppen in Kollektivverdacht und Kollektivhaft.
Es gibt Kritik auf breiter Front – das hat der Kollege Birzele schon dargestellt –, von mit Ihnen befreundeten Regierungen in anderen Bundesländern bis hin zu den Kirchen und der Presse. Fast ausschließlich wird das, was Sie da machen, vollkommen abgelehnt.
Es kommt noch hinzu: Unter diesem Druck lassen Sie völlig im Unklaren, was eigentlich der Charakter dieses Leitfadens ist. Ist er nun verbindlich? Wenn er nicht verbindlich ist, was Sie auf einmal behaupten, warum weisen Sie dann die Heidelberger Oberbürgermeisterin an, ihn anzuwenden? Oder ist es so, wie Sie gesagt haben, Herr Kollege Mappus – ich zitiere sinngemäß –, dass dafür jetzt das Handwerkszeug zur Verfügung gestellt wurde, das sie anwenden können, aber nicht müssen? Das ist Ihre Äußerung zu diesem Gesprächsleitfaden.
Muss er jetzt angewandt werden oder nicht? Warum gibt es die Anweisung an die Oberbürgermeisterin? Welchen Charakter hat dieser Fragebogen überhaupt?
Ich denke, man muss klar sagen: Der Versuch der CDU, mit Renner im liberalen Bürgertum zu fischen