Protokoll der Sitzung vom 15.12.2005

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 105. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.

Urlaub für heute habe ich Frau Staatssekretärin Gurr-Hirsch sowie den Herren Abg. Kübler und Müller erteilt.

Krank gemeldet sind Herr Staatssekretär Sieber und Herr Abg. Wichmann.

Aus dienstlichen Gründen sind Herr Minister Rau und – heute Nachmittag – Herr Ministerpräsident Oettinger entschuldigt.

Meine Damen und Herren, für das Kuratorium der Staatlichen Toto-Lotto GmbH ist von der CDU-Fraktion Herr Abg. Klaus Herrmann als Nachfolger von Frau Abg. Dr. Monika Stolz benannt worden.

Nach § 13 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags besteht das Kuratorium aus 15 Mitgliedern, darunter 8 Mitgliedern des Landtags, wobei jede Fraktion mit mindestens einem Abgeordneten vertreten sein soll.

Kann die Wahl offen durchgeführt werden? – Es erhebt sich kein Widerspruch dagegen.

Wer dem Vorschlag der Fraktion der CDU zustimmt, Herrn Abg. Herrmann als Mitglied in das Kuratorium der Staatlichen Toto-Lotto GmbH zu wählen, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist Herr Abg. Herrmann als Nachfolger von Frau Abg. Dr. Stolz als Mitglied des Kuratoriums gewählt.

Eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt vervielfältigt auf Ihren Tischen. Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überweisungsvorschlägen zu. – Auch dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Im Eingang befinden sich:

1. Mitteilung des Landesbeauftragten für den Datenschutz in BadenWürttemberg vom 1. Dezember 2005 – Sechsundzwanzigster Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz in Baden-Württemberg – Drucksache 13/4910

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

2. Antrag der Landesregierung vom 13. Dezember 2005 – Zugehörigkeit von Mitgliedern der Landesregierung zu Organen wirtschaftlicher Unternehmen – Drucksache 13/4954

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

Wir treten nun in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Bericht und Empfehlungen der Enquetekommission „Demografischer Wandel – Herausforderung an die Landespolitik“ – Drucksache 13/4900

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Einbringung und die Vorstellung des Berichts durch den Vorsitzenden der Enquetekommission eine Redezeit von fünf Minuten und für die Aussprache über den Bericht und die Empfehlungen der Enquetekommission eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion bei gestaffelten Redezeiten festgelegt.

Ich erteile Herrn Abg. Seimetz als Vorsitzendem der Enquetekommission das Wort.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass ich Ihnen heute den Bericht und die Empfehlungen der Enquetekommission „Demografischer Wandel – Herausforderung an die Landespolitik“ vorlegen kann. Im Hinblick auf die Fülle der auszuwertenden Materialien und die Vielfalt der zu beleuchtenden Themenbereiche wurde der vorgegebene, sehr ehrgeizige Zeitrahmen etwas überschritten.

Ich möchte auf vier grundsätzliche Aspekte der Kommissionsarbeit eingehen.

Erstens: Als wir uns im Frühjahr 2004 darauf verständigt haben, die Enquetekommission einzurichten, war das öffentliche Echo eher verhalten. Aus heutiger Sicht sage ich aus voller Überzeugung: Es war richtig und notwendig, sich auch auf der Landesebene mit den demografischen Herausforderungen auseinander zu setzen. Der heutige Bericht unternimmt erstmals den Versuch, einen zusammenfassenden Überblick über die mit dem demografischen Wandel verbundenen landespolitischen Herausforderungen zu vermitteln.

Eine der zentralen Erkenntnisse ist, dass dieser Wandel bei weitem über den Aspekt der Funktionsfähigkeit unserer sozialen Sicherungssysteme hinausgeht. Wir müssen uns der Tatsache stellen, dass die demografischen Veränderungen unsere Gesellschaft und unsere alltägliche Lebensrealität erheblich verändern werden. Arbeit, Bauen, Bildung, Gesundheitswesen, Verkehr, Wohnen, öffentliche Finanzen, alle Politikbereiche sind vom demografischen Wandel betroffen und hängen mit ihm zusammen. Die demografischen Veränderungsprozesse vollziehen sich zwar schleichend

und unspektakulär, dafür aber mit unerbittlicher Stetigkeit. Das Uhrwerk Demografie tickt ohne Unterlass.

Zweitens: Der demografische Wandel hat sowohl eine quantitative als auch eine strukturelle Dimension. Zum einen geht die Bevölkerungszahl zurück, zum anderen altert die Gesellschaft. Wir sprechen in diesem Kontext häufig von einer gesellschaftlichen Überalterung. In Wirklichkeit erleben wir jedoch einen Prozess der gesellschaftlichen „Unterjüngung“, wie Frau Professor Lehr sagt. Es werden deutlich zu wenig Kinder geboren.

Die demografische Herausforderung für Baden-Württemberg liegt kurz- und mittelfristig in der Alterung, also dem strukturellen Aspekt. Die Schrumpfung wird uns dagegen erst in etwa 20 Jahren einholen.

(Abg. Birzele SPD: Die Schrumpfung!)

Die Schrumpfung der Bevölkerung, vielleicht auch die Schrumpfung von Ihnen, Herr Kollege Birzele, denn dann sind Sie schon 20 Jahre älter, und da schrumpft man etwas.

(Abg. Birzele SPD: Da bin ich in guter Gesell- schaft mit Ihnen, Herr Kollege! – Heiterkeit)

Sehr wohl. Dann treffen wir uns, wir, die Schrumpfenden.

(Abg. Birzele SPD: Auf niedrigem Niveau!)

Dem Alterungsprozess können wir uns aber nicht entziehen. Meine Damen und Herren, selbst wenn schon ab morgen wieder deutlich mehr Kinder geboren würden, wäre die Alterung wegen der so genannten Trägheit demografischer Prozesse unausweichlich. Es ist, um es mit den Worten des Bielefelder Bevölkerungswissenschaftlers Professor Birg zu sagen, bereits 30 Jahre nach zwölf.

Wir müssen uns daher auf die Alterung einstellen und diesen Veränderungsprozess im Rahmen einer vorausschauenden Politikgestaltung berücksichtigen. Zugleich müssen wir die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass junge Menschen wieder stärker zur Elternschaft ermutigt werden. Eine Gesellschaft ohne Kinder hat keine Zukunft.

Drittens: Die demografische Alterung wird noch immer fast ausnahmslos unter dem Blickwinkel der ökonomischen Belastung durch alte Menschen wahrgenommen. Wir müssen stärker als bisher wahrnehmen, dass die wachsende Zahl alter Menschen zwar Herausforderungen bedeutet, aber auch ein ungeheures Potenzial an Chancen bietet.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Das sieht man am Kollegen Seimetz!)

Viertens: Wie sieht nun die Bilanz aus, wenn man die rund eineinhalbjährige Kommissionsarbeit mit 22 Sitzungen, darunter sechs ganztägigen öffentlichen Anhörungen, betrachtet? Zum einen konnte sich die Kommission auf eine Fülle von Handlungsempfehlungen verständigen, die im Bericht detailliert ausgewiesen sind. Zum anderen – und dies scheint mir mindestens genauso wichtig – hat die Kommissionsarbeit einen Beitrag dazu geleistet, dass das Thema

„Demografischer Wandel“ in allen Fraktionen bewusster wahrgenommen wird.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Jawohl!)

Dies halte ich für ganz entscheidend, weil der demografische Wandel keine Eintagsfliege ist. Es handelt sich um einen ständig fortschreitenden Prozess, der in allen Handlungsfeldern der Landespolitik fortlaufend berücksichtigt werden muss.

Der Bericht ist somit keineswegs als Abschluss, sondern vielmehr als Beginn einer politischen Gestaltungsaufgabe zu verstehen, die den demografischen Wandel begleitet und sich den damit verbundenen Herausforderungen stellt.

Der 1991 verstorbene Schweizer Schriftsteller Max Frisch hat einmal gesagt:

Eine Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.

(Abg. Hillebrand CDU: Genau!)

So gesehen ist es nun an der Zeit, den demografischen Wandel als konstruktive Krise zu verstehen.

Zum Schluss, meine Damen und Herren, möchte ich allen Kommissionsmitgliedern, den Abgeordneten, den Experten und den Obleuten sehr herzlich für die gute und kollegiale Zusammenarbeit danken. Es war eine angenehme, gleichzeitig aber auch spannende und interessante Zeit. Herzlichen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Mein Dank gilt in ganz besonderer Weise dem Mitarbeiter der Kommission, Herrn Kleinert. Er hat uns die Arbeit durch seine außergewöhnlich gute Zuarbeit und durch die Bereitstellung zahlreicher Materialien sehr erleichtert, und er hat auch die Struktur vorgegeben, sodass wir heute den Bericht auch tatsächlich vorlegen können.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Mein Dank gilt auch seiner Mitarbeiterin, und mein Dank gilt dem Stenografischen Dienst, für den das Protokollieren der Sitzungen eine Zusatzaufgabe war.

Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, empfehle ich Ihnen den Bericht der Enquetekommission zur Lektüre. Die Weihnachtszeit gibt Ihnen dazu Gelegenheit.

(Heiterkeit – Beifall bei allen Fraktionen – Abg. Fleischer CDU: Sehr gut! – Zuruf des Abg. Theurer FDP/DVP)