Protokoll der Sitzung vom 17.10.2002

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 32. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.

Urlaub für heute habe ich Frau Abg. Dr. Gräßle und den Herren Abg. Reichardt und Teßmer erteilt.

Krank gemeldet sind Herr Abg. Kurz, Frau Abg. Queitsch und Frau Abg. Wonnay.

Dienstlich verhindert sind Frau Ministerin Schavan, Herr Minister Köberle, Herr Staatssekretär Mappus und – heute Nachmittag – Herr Minister Dr. Palmer.

Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich noch einmal darauf hinweisen, dass, wie gestern, auch für die heutige Plenarsitzung Redezeitkontingente für die Fraktionen festgelegt wurden, und zwar für die CDU 62 Minuten, für die SPD 61 Minuten, für die FDP/DVP 50 Minuten und für die Grünen 55 Minuten.

Ich darf auch heute die Regierung bitten, sich an die Redezeitvorgabe für die stärkste Fraktion zu halten.

Wir treten dann in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Konsequenzen aus den Empfehlungen der Arbeitsgruppe Förderung der Popular- und Jugendmusik in Baden-Württemberg – beantragt von der Fraktion GRÜNE

Das Wort erteile ich Frau Abg. Sitzmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir freuen uns, dass nun endlich die lang ersehnten Empfehlungen zur Förderung der Popular- und Jugendmusik in Baden-Württemberg vorliegen. Wir finden, dass diese Empfehlungen auch die gesellschaftliche und kulturelle Bedeutung der Popmusik treffend beschreiben. Es wird auch ausgeführt, welchen Stellenwert die Popmusik für Jugendliche hat. Denn sie fördert aktive Beschäftigung, Offenheit, Toleranz und Sozialkompetenz und ist zudem wichtig als Identifikationsfaktor. Außerdem sind die Empfehlungen eine gute Bedarfsanalyse für Baden-Württemberg.

Als Herr Minister Palmer sie der Öffentlichkeit auf einer Pressekonferenz vorgestellt hat, hat er einen zentralen Punkt herausgegriffen, nämlich die Errichtung einer Popakademie an einem zentralen Standort. Das hat uns nicht sonderlich verwundert, steht ja die Gründung von Akademien bei der Landesregierung hoch im Kurs. Das hat aber dazu

geführt, dass wir jetzt statt einer konstruktiven inhaltlichen Debatte über das Gesamtkonzept eine ungute Standortdiskussion haben, und zwar deshalb, weil die Kriterien für die Standortvergabe völlig unklar sind. Die Finanzierung ist ebenfalls unklar. Außerdem hat diese Standortdiskussion natürlich auch zu Verärgerung in Freiburg geführt. Es ist gesagt worden, aus Freiburg seien Rückzugssignale gekommen, das Interesse sei nicht besonders groß. Das möchte ich an dieser Stelle hier in Freiburg mit Nachdruck zurückweisen.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der SPD und der FDP/DVP)

Wir wollen heute einmal die Inhalte der Empfehlungen ins Zentrum der Debatte rücken. Sie sind ja bislang leider zu kurz gekommen.

Einen ganz wichtigen Teil nimmt die Nachwuchs- und Breitenförderung ein. Das ist in den Empfehlungen ausführlich beschrieben. Dazu sind viele unterstützenswerte und gute Vorschläge gemacht worden, zum Beispiel eine stärkere Einbeziehung der Popmusik in den schulischen Musikunterricht oder die Überarbeitung der Prüfungsordnungen an den Musikhochschulen sowie die Fortbildung der Musikpädagogen und -lehrer in dieser Hinsicht.

Für diese wichtige Nachwuchs- und Breitenförderung brauchen wir eine dezentrale und modulare Struktur. Wir brauchen die Einrichtungen, die es schon jetzt gibt. Sie müssen weiterentwickelt und professionalisiert werden. Das ist ja auch in den Empfehlungen so beschrieben.

Wir brauchen aber keine zentrale Akademie an einem Standort. Das ist mit einem Leuchtturm umschrieben worden. Wir brauchen keinen Leuchtturm in Baden-Württemberg. Denn Leuchttürme machen bekanntermaßen hauptsächlich in Küstenregionen und dort, wo es sehr neblig ist, Sinn. Das ginge am vordringlichen Bedarf in Baden-Württemberg vorbei. Vielmehr brauchen wir eine moderne und flexibel einsetzbare Beleuchtungsanlage mit möglichst vielen bunten, beweglichen Spots.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Auch für die Spitzenförderung gilt, dass wir die vorhandenen Ressourcen optimal nutzen müssen, anstatt neue Strukturen aus dem Boden zu stampfen und alte, bestehende Strukturen austrocknen zu lassen.

Weil wir hier in Freiburg sind, will ich noch einmal die hiesige Jazz- und Rockschule ins Gespräch bringen. Sie ist ja als

Außenstelle der Popakademie vorgesehen. Sie ist für die Aufgabe vorgesehen, die Musikpädagoginnen und -pädagogen fortzubilden. Das ist ein sehr wichtiger Bereich, wenn es darum geht, Nachwuchs- und Breitenförderung zu erreichen, wenn es darum geht, die Popmusik stärker in den schulischen Bereich einzubeziehen. An der sächlichen und personellen Ausstattung dieses Bereichs wird sich dann auch zeigen, wie wichtig er der Landesregierung tatsächlich ist.

Die Jazz- und Rockschule hat außerdem gute internationale Kontakte, und sie bietet auch eine Instrumental- und Vokalausbildung an. Das geht in die Richtung dessen, was auch mit dem Studiengang Popmusikdesign gefordert wird.

An der Popakademie sind zwei Studiengänge vorgesehen. Zum einen handelt es sich um den Studiengang Popmusikdesign. Das geht in Richtung Berufsabschluss, wie wir es hier in Freiburg schon haben. Es gibt Studiengänge für Jazzund Popmusik auch bereits an anderen Hochschulen.

Es stellt sich die große Frage, ob der Ansatz, den Sie vertreten – als Zulassungsvoraussetzung das Abitur vorzuschreiben –, Sinn macht. Das heißt, die Leute verfügen mit Mitte 20 über ein Zertifikat, Popmusiker zu sein. Ich frage mich, ob sich damit die Chancen auf dem Markt tatsächlich verbessern.

Anders sieht es beim zweiten Studiengang Musikbusiness aus. Einen solchen Studiengang haben wir bislang nicht. Aber ich denke, dass wir auch da mit einer dezentralen Lösung sehr gut hinkommen. Denn eine wirtschaftswissenschaftliche Fakultät kann sehr wohl in Zusammenarbeit mit einer Musikhochschule ein interessantes Studienangebot unterbreiten.

Die Finanzierungsfrage ist bislang ungeklärt. Wir haben schon einige Vorschläge dazu gehört, wie man die Einrichtung, die 3 bis 4 Millionen € kosten soll, finanzieren will. Vielleicht können wir heute eine Aussage über die Planung dazu hören.

Kritisch ist aber auch die Aufteilung. Denn das Land kümmert sich damit um eine zentrale Popakademie, das Land setzt sich ein Denkmal. Sie bauen einen Leuchtturm in Baden-Württemberg. Den Kommunen überlassen wir die ebenso wichtigen anderen Aufgaben, nämlich zum Beispiel die Einsetzung kommunaler Rock- und Popbeauftragter

(Lachen bei Abgeordneten der CDU)

oder die Verbesserung der instrumentalen und musiktechnischen Grundausstattung der Schulen.

Die Empfehlungen bilden also eine gute Diskussionsgrundlage. Wir plädieren hier noch einmal dafür, nicht den zweiten Schritt vor dem ersten zu tun. Das heißt, der erste Schritt muss die Nachwuchs- und Breitenförderung sein.

(Unruhe)

Es gilt, die modulare und dezentrale Struktur zu nutzen, die Angebote, die wir haben, in die Fläche auszudehnen, damit sie von möglichst vielen Jugendlichen genutzt werden können, und auch für die Spitzenförderung ein dezentrales, modulares Konzept zu verwirklichen, das die vorhandenen

Ressourcen optimal nutzt. Ich denke, dass da mit weniger Finanzmitteln sehr viel mehr zu erreichen ist, als in BadenWürttemberg einen Leuchtturm zu bauen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Vetter.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP – Zurufe, u. a. Abg. Drexler SPD: Jazzsachverständiger! Jetzt wird es interessant!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sie wundern sich, aber Sie wundern sich zu Unrecht.

(Abg. Bebber SPD: Altrocker Vetter!)

Denn vor Ihnen steht ein alter Jazz- und Popfan.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen)

Ich wiederhole, was ich bereits in anderem Zusammenhang gesagt habe: alt, aber fit.

Ich habe mich gefragt, was mit dieser Aktuellen Debatte wohl bezweckt werden soll, ob man vielleicht drängen will. Aber derjenige, der drängen will, tut etwas Überflüssiges.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Denn Minister Palmer hat für die Landesregierung bereits ein Konzept vorgelegt, das Schliff und Schwung hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Es gibt also nichts zu drängen.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Ein anderer Zweck könnte vielleicht darin bestehen, die Generationen auseinander zu bringen. Das wird nicht gelingen.

(Beifall der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)