Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 70. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.
Meine Damen und Herren, auf Ihren Tischen finden Sie einen Vorschlag der Fraktion GRÜNE für eine Umbesetzung im Innenausschuss (Anlage). Ich stelle fest, dass Sie von der vorgeschlagenen Umbesetzung Kenntnis nehmen und ihr zustimmen. – Dagegen erhebt sich kein Widerspruch.
Eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt Ihnen ebenfalls vor. – Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überweisungsvorschlägen zu.
1. Mitteilung des Finanzministeriums vom 7. Mai 2004 – Vierteljährliche Unterrichtung über Steuereingänge und Staatsausgaben (Beschlüsse des Landtags vom 15. März 1973, Drucksache 6/1993, und vom 20. Dezember 1973, Drucksache 6/3910 Ziffer II Nr. 6) ; Haushaltsjahr 2004 (Januar bis März) – Drucksache 13/3187
2. Mitteilung des Deutschlandradios vom 12. Mai 2004 – Information der Landesparlamente über die wirtschaftliche Lage des Deutschlandradios – Drucksache 13/3217
3. Mitteilung der Landesregierung vom 25. Mai 2004 – Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK); hier: Berichtigte Anmeldung des Landes zum Rahmenplan 2004 – Drucksache 13/3234
Überweisung an den Ausschuss Ländlicher Raum und Landwirtschaft und federführend an den Finanzausschuss
zur Justizreform und zur Erweiterung des kommunalen Handlungsspielraums (Verwaltungsstruktur-Reformge- setz – VRG) – Drucksache 13/3201
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetzentwurf bringt die Landesregierung heute sicherlich eines der wichtigsten Gesetzesvorhaben dieser Legislaturperiode in den Landtag ein.
Überall sind Reformen notwendig. Es liegt in der Natur der Sache, auch in der Natur von uns Menschen, dass wir uns mit Reformen oft schwer tun.
Deshalb, Herr Kollege Oelmayer: Gerade bei Reformen ist für uns alle in Deutschland und damit auch für uns in Baden-Württemberg entscheidend, vom Wort zur Tat zu kommen. Mit dieser Reform handeln wir. Wir bringen mit dieser Reform Baden-Württemberg voran. Insbesondere machen wir unser Land für die Zukunft wettbewerbsfähig.
Es kommt darauf an, dass wir die vorhandenen Strukturen da, wo es notwendig ist, verlassen. Wir haben bisher den so genannten dreistufigen Verwaltungsaufbau, also auf der unteren Ebene Landratsämter, in Stadtkreisen oder Großen Kreisstädten Bürgermeisterämter als untere Verwaltungsbehörden, dann als Mittelbehörden die Regierungspräsidien und als dritte Ebene die Ministerien. Gleichzeitig haben wir daneben eine breite, umfassende – man kann es auch so formulieren: zersplitterte – Sonderbehördenlandschaft oder Fachbehördenlandschaft.
Der Kern dieser Reform ist unter anderem, dass wir diese umfassende, breit gefächerte, zersplitterte Sonderbehördenlandschaft aufgeben und, meine ich, auch aufgeben müssen.
Das können Sie ja nachlesen, Herr Kollege Stickelberger. – Ich saß damals andächtig und vielleicht ein kleines bisschen fasziniert als Innenminister auf der Regierungsbank und habe Ihren Worten, gelauscht. Herr Kollege Drexler, ich war insbesondere von einem beeindruckt; deshalb habe
ich mir erlaubt, dies heute mitzubringen. Herr Kollege Drexler fuchtelte damals mit dem Behördenverzeichnis von Baden-Württemberg hier in diesem hohen Hause herum und sagte, es gebe viel zu viele Fachbehörden.
(Abg. Döpper CDU: Richtig! – Beifall bei der CDU – Abg. Drexler SPD: Damals haben Sie aber nicht Beifall geklatscht!)
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Birzele SPD: Der Satz hatte gut be- gonnen, wurde aber schlecht vollendet!)
Der Kern ist also, dass wir bei dem dreistufigen Verwaltungsaufbau die Zersplitterung dieser Sonderbehördenlandschaft beenden wollen und, meine ich, auch beenden müssen. Dabei geht die Reform von einigen grundlegenden Prinzipien aus.
Einmal ist das Leitprinzip die so genannte Einräumigkeit oder auch Einhäusigkeit. Die Einheit der Verwaltung soll nach dem Willen der Reform für integrative Entscheidungen sorgen.
Was ist unter diesem Fachchinesisch eigentlich zu verstehen? Ich versuche es mit meinen Worten auszudrücken. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Kernanliegen der Reform ist dies: Es wird nach wie vor Spezialisten geben und, meine ich, auch geben müssen. Wir brauchen diesen Sach- und Fachverstand gerade auch der Spezialisten, aber – das ist ein Kernanliegen der Reform – durch die Integration der Fachbehörden in die Regierungspräsidien, Landratsämter oder Bürgermeisterämter der Stadtkreise wollen wir erreichen, dass am Ende an der Spitze einer solchen umfassend strukturierten Behörde ein Mann oder eine Frau steht, die die vielen, manchmal unübersichtlich vielen verschiedenen öffentlichen Belange zu einem vernünftigen Gesamtergebnis führen. Das ist ein Kernanliegen dieser Reform.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es muss – dies ist ein gleich wichtiges Anliegen – ein Ende damit haben, dass der Bürger, der Mittelstand, die Wirtschaft, also unsere Kunden – denn wir verstehen uns ja als Dienstleister –, von Pontius zu Pilatus laufen müssen und sich irgendwann im Nirwana der Behördenlandschaft verlieren. Auch dies wird durch die Reform grundlegend verbessert.
Es kommt ein weiteres tragendes Prinzip hinzu, das mir persönlich bei den vielen Debatten, die wir über Reformen, insbesondere über Verwaltungsreformen, schon geführt haben, immer ein Herzensanliegen war: Mit dieser Reform zeigen wir auch, dass wir Vertrauen haben, insbesondere
Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Landratsämter und der Bürgermeisterämter, Vertrauen überhaupt zu unseren Kommunen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch wenn wir uns auf allen Ebenen – übrigens auch auf Bundesebene – immer wieder darüber Gedanken machen, wie wir die Bürokratie in Deutschland abbauen können, wie wir deregulieren können, wie wir den Paragraphendschungel etwas lichten können, müssen wir offen bekennen, dass hier bisher von niemandem, weder von der Union noch von der SPD, noch von der FDP, noch von den Grünen, der Stein des Weisen gefunden worden ist. Dies liegt unter anderem darin begründet, dass wir alle zunächst mehr Vertrauen zu den nachgeordneten Dienststellen, zu den Kommunen, insbesondere zu unseren Bürgerinnen und Bürgern aufbringen müssen. Das ist die entscheidende Voraussetzung für den Abbau der Bürokratie.
Ich unterstütze Bundeswirtschaftsminister Clement sehr bei seinen Bemühungen, aber ich sage ihm voraus: Auch sein Erfolg wird leider Gottes nur sehr überschaubar sein.
Einer der folgenreichsten Sätze ist meines Erachtens der berühmte Satz von Lenin: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“ Das ist eigentlich der Anfang der Bürokratie. Mit dieser Einstellung kommen wir nicht zu einer Deregulierung.
Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren: Das Vertrauen muss überall – übrigens auch bei uns – noch wachsen, auch da und dort – das ist auch eine Erfahrung aus den vielen Monaten dieser Diskussion über die Verwaltungsreform –, wie ich offen bekennen will, bei unserer eigenen Ministerialbürokratie. Das Vertrauen muss überall wachsen.
Ich sage als persönliche Meinung auch ganz frank und frei: So wichtig die Erleichterung des Zustandekommens von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden sein mag, es wäre noch viel wichtiger, dass wir uns alle zu mehr Vertrauen durchringen könnten, und zwar in dem Sinne, dass die Bürger, aber auch nachgeordnete Dienststellen ihre eigenen Angelegenheiten und die ihnen übertragenen Aufgaben vernünftig regeln können. Dieses Grundprinzip, meine Damen und Herren, kommt auch in dieser Verwaltungsreform zum Ausdruck.