Meine Damen und Herren, wir haben auch Erfahrungen mit der Eingliederung von unteren Sonderbehörden. Die Eingliederung unterer Sonderbehörden ist ja keine neue Erfindung. So haben Landesregierung und Parlament in der 11. Legislaturperiode durch die Eingliederung unterer Son
derbehörden wichtige Schritte eingeleitet, um die Einheit der Verwaltung auf der unteren Ebene zu stärken. 1995 wurden 36 Staatliche Gesundheitsämter, 21 Staatliche Veterinärämter und 17 Ämter für Wasserwirtschaft und Bodenschutz in die Landratsämter und die Bürgermeisterämter der Stadtkreise eingegliedert. Die Landkreise und die Stadtkreise haben damit positive Erfahrungen gemacht. Die Einbindung der neuen Mitarbeiter ist gelungen; ihre Motivation hat zugenommen. Die fast neunjährige Praxis zeigt, dass die Eingliederung der konsequente Weg ist, Verwaltung überschaubar, effizient und bürgernah zu organisieren.
Meine Damen und Herren, wenn ich die bisherige Diskussion um die Verwaltungsreform Revue passieren lasse – und ich sage vorher: wir werden es heute und am 30. Juni noch einmal erleben –, dann glaube ich – ich habe damals, im Januar 2003, auch schon darauf hinweisen dürfen, Herr Kollege Drexler –: Eigentlich sind die Auffassungen zwischen Ihnen und uns gar nicht so sehr unterschiedlich; ich komme später noch einmal darauf zurück. Der Kernunterschied liegt eigentlich nur darin, dass Sie – aus welchen Gründen auch immer; das lasse ich jetzt einmal dahingestellt – für einen zweistufigen Verwaltungsaufbau sind, während wir sagen: Bei einer Abwägung – es ist ja immer alles eine Abwägung – halten wir am dreistufigen Verwaltungsaufbau fest.
Meine Damen und Herren, damit wahrt die Verwaltungsreform – neben den anderen Vorteilen, die schon oft genannt worden sind – die gewachsenen regionalen Identitäten. Die erfolgreiche kommunale Gebietsreform Anfang der Siebzigerjahre erforderte seinerzeit einen großen politischen Kraftaufwand – übrigens einen noch viel größeren als bei der heutigen Reform –, weil durch die Neuordnung oft das Heimatgefühl der Menschen im Land berührt wurde. Heute, eine Generation nach der Reform, haben sich in den Gemeinden und in den damals neu gebildeten Landkreisen eine neue Identität und ein neues Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt. Wir wollen ganz bewusst nicht das Vertrauen der Menschen in die bewährten Strukturen durch eine Schwächung oder Abschaffung der Landkreise sowie einen Rückzug der Verwaltung aus der Fläche aufs Spiel setzen. Wir wollen keine verlängerten Wege, keine unverhältnismäßig großen Verwaltungseinheiten und keinen Verlust an regionaler Identität.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Ursula Haußmann SPD: Rauschender Beifall!)
Meine Damen und Herren, ich spreche auch ganz offen an: Wir wollen mit der Verwaltungsreform natürlich auch Einsparpotenziale für alle Beteiligten, für die Kommunen wie für das Land, erschließen. Angesichts der bestehenden dramatischen Haushaltslage, eines Personalkostenanteils im Landeshaushalt von 42 % und steigender Versorgungslasten kann eine Haushaltskonsolidierung nur durch eine drastische Reduzierung der Personalkosten gelingen. Soll die Verschuldung nachhaltig gesenkt werden, führt an einer Verringerung der Personalausgaben kein Weg vorbei. Für den kommunalen Bereich gilt übrigens im Wesentlichen das
Gleiche. Stelleneinsparungen auf der Basis der vorhandenen Verwaltungsstrukturen werden zunehmend schwieriger.
Weitere Stelleneinsparprogamme setzen eine umfassende Verwaltungsreform voraus, die neue Einsparpotenziale auf beiden Seiten frei macht. Mit dem Verwaltungsstruktur-Reformgesetz schaffen wir die rechtlichen Grundlagen dafür. Die Wirtschaftlichkeit und die Wirksamkeit staatlichen Handelns können durch diese Strukturreform weiter verbessert werden. Die Landesverwaltung wird dadurch auf der unteren und mittleren Verwaltungsebene schneller, schlagkräftiger und kostengünstiger.
Mit der Umsetzung der Verwaltungsstrukturreform können aber auch Synergieeffekte im Bereich der kommunalen Aufgaben der Landratsämter und der Stadtkreise erschlossen werden, etwa durch Verzahnung und Vereinfachung von Verwaltungsverfahren, durch Bündelung von Fachkompetenz und durch die dadurch möglichen Optimierungen in Querschnittsbereichen.
Die Verwaltungsreform, die ich heute vorstellen darf, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist breit und umfassend angelegt. Von der Verwaltungsreform sind 450 Behörden im Land betroffen, von denen über 350 abgebaut, zusammengelegt oder eingegliedert werden. Im Einzelnen handelt es sich dabei um die folgenden Bereiche:
Bei der Schulverwaltung werden die Oberschulämter in die Regierungspräsidien und die Staatlichen Schulämter in die Landratsämter eingegliedert. Die Stadtkreise haben die Möglichkeit, Staatliche Schulämter an ihre Verwaltung anzugliedern. Damit kann beispielsweise die Arbeit der Schulverwaltung eng mit den vielfältigen Aktivitäten der Kreise auf dem Gebiet der Jugendsozialarbeit und der Kinder- und Jugendhilfe verzahnt werden. Die schulpsychologischen Beratungsstellen werden an ihren bisherigen 24 Standorten in die unteren Schulaufsichtsbehörden eingegliedert.
Zur Vermessungsverwaltung: Die Aufgaben der Staatlichen Vermessungsämter gehen auf die Landratsämter und die Stadtkreise über. Die Zusammenarbeit zwischen der Vermessungsverwaltung und beispielsweise der Flurneuordnungs-, der Landwirtschafts- und der Umweltverwaltung wird dadurch enger und effektiver.
Der Privatisierungsgrad in der Vermessungsverwaltung soll auf 80 % gesteigert werden. Das Landesvermessungsamt bleibt zunächst erhalten, wird jedoch in das Regierungspräsidium eingegliedert, sobald zwei Drittel aller Liegenschaftsvermessungen von Privaten erledigt werden.
Zur Landwirtschaftsverwaltung: Die Aufgaben der Ämter für Landwirtschaft, Landschafts- und Bodenkultur werden künftig von den Landratsämtern grundsätzlich auch für die angrenzenden Stadtkreise wahrgenommen. Für einzelne Aufgaben, zum Beispiel für Aufgaben nach dem Grundstücksverkehrsgesetz und dem Landpachtverkehrsgesetz, werden die Stadtkreise selbst zuständig.
Ein schwieriges Thema ist die Flurneuordnungsverwaltung. Die Aufgaben der Ämter für Flurneuordnung und Landentwicklung gehen in den Landkreisen auf die Landratsämter über. Für das Gebiet der Stadtkreise werden aufgrund zwingenden Bundesrechts die Aufgaben den Regierungspräsidien übertragen. Zudem wird bei allen vier Regierungspräsidien weiteres Fachpersonal vorgehalten und an die Landratsämter bedarfsgerecht abgeordnet. Mit dieser Flexibilität können neue Aufgabenschwerpunkte effizient bewältigt werden. Das Landesamt für Flurneuordnung und Landentwicklung wird in das Regierungspräsidium Stuttgart eingegliedert.
Zur Forstverwaltung: Die Staatlichen Forstämter werden in die Landratsämter und Stadtkreise integriert. Die Forstdirektionen Freiburg und Tübingen gehen an die dortigen Regierungspräsidien, die jeweils auch für die Regierungsbezirke Karlsruhe bzw. Stuttgart zuständig sind.
An der Betreuung des Kommunalwaldes ändert sich durch die Eingliederung nichts. Der Forstverwaltungskostenbeitrag wird weiterhin durch den Gesetzgeber festgelegt. Die Kosten der Waldarbeiter werden nach ihrem tatsächlichen Einsatz spitz abgerechnet. Die Forstdirektionen koordinieren bei Bedarf die überregionale Holzvermarktung.
Zu den Bezirksstellen für Naturschutz und Landschaftspflege: Deren Aufgaben gehen auf die Regierungspräsidien über. Für die Naturschutzbeauftragten wird ein Benachteiligungsverbot gesetzlich verankert, damit die Unabhängigkeit der Naturschutzbeauftragten auch für den Fall gewährleistet ist, dass sie gleichzeitig Beschäftigte einer unteren Verwaltungsbehörde sind.
Zur Versorgungsverwaltung: Hier wird das Landesversorgungsamt in das Regierungspräsidium Stuttgart eingegliedert. Die Aufgaben der Versorgungsämter werden künftig von den 35 Landratsämtern auch für den Bereich der angrenzenden Stadtkreise wahrgenommen.
Zur Straßenbauverwaltung: Die bisher von den 18 Straßenbauämtern und 99 Straßenmeistereien wahrgenommenen Unterhaltungsaufgaben an Bundes- und Landesstraßen werden auf die Landratsämter und Stadtkreise übertragen. Planung, Bau und Erhalt der Bundes- und Landesstraßen sowie alle Aufgaben an Bundesautobahnen gehen auf die Regierungspräsidien über. Den Kreisen obliegt künftig die umfassende Verwaltung der Kreisstraßen in ihrer Straßenbaulast als weisungsfreie Pflichtaufgabe. Die Landesstelle für Straßentechnik wird in das Regierungspräsidium Tübingen eingegliedert.
Zu den Gewässerdirektionen: Die Aufgaben der Gewässerdirektionen werden entsprechend der wasserwirtschaftlichen Bedeutung sowie dem regionalen bzw. überregionalen Bezug der betreuten Gewässer auf die Landratsämter und die Stadtkreise sowie auf die Regierungspräsidien übertragen. Teilaufgaben im Bereich der Gewässerunterhaltung, des Gewässerabflusses und der Gewässerableitung gehen auf die Gemeinden über.
Zu den Gewerbeaufsichtsämtern: Im Bereich der Staatlichen Gewerbeaufsicht werden für Betriebe mit umweltbedeutsameren Anlagen und Störfallbereichen die Regierungspräsidien, ansonsten die Landratsämter und Stadtkreise zuständig. Im Bereich des Immissionsschutzrechts gehen Teilaufgaben auch auf die Großen Kreisstädte und die Verwaltungsgemeinschaften sowie auf die Gemeinden über.
Das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau wird in das Regierungspräsidium Freiburg integriert.
Beim Landesdenkmalamt gehen die hoheitlichen Vollzugsaufgaben und die regional orientierten Aufgaben auf die vier Regierungspräsidien über. Zentral wahrzunehmende Aufgaben werden dem Regierungspräsidium Stuttgart als Vor-Ort-Präsidium zugewiesen.
Zum Landesgesundheitsamt: Auch hier nimmt künftig das Regierungspräsidium Stuttgart als Vor-Ort-Präsidium seine bisherigen Aufgaben wahr, insbesondere die landesweit beratende und konzeptionelle Unterstützung der Landesbehörden.
Zum Landesgewerbeamt: Die hoheitlichen Aufgaben des Landesgewerbeamts werden auf die Regierungspräsidien übertragen. Das Eich- und Messwesen sowie die Landesstelle für Bautechnik und das Beschussamt gehen an das Regierungspräsidium Tübingen. Die Aufsicht auf dem Gebiet der Energiewirtschaft nimmt das Regierungspräsidium Freiburg wahr. Die bisher von der Direktion Karlsruhe wahrgenommenen Aufgaben in den Bereichen Europa und grenzüberschreitende Zusammenarbeit gehen ebenso wie die Versicherungsaufsicht und die Aufgaben der Vergabekammer an das Regierungspräsidium Karlsruhe.
Zur Archivverwaltung: Die Landesarchivdirektion und die Staatsarchive werden zum Landesarchiv Baden-Württemberg zusammengeführt. Damit erhält die bisher zweistufig gegliederte Archivverwaltung eine einstufige Struktur.
Gegenstand dieser Verwaltungsreform ist, meine Damen und Herren, auch eine Reform bei der Polizei. Ich will in dem Zusammenhang ausdrücklich meinem Kollegen, Herrn Staatssekretär Rech, für seine Arbeit auf diesem Gebiet danken.
Zur Polizeireform ist im Einzelnen zu sagen: Die Landespolizeidirektionen Stuttgart I, Karlsruhe, Freiburg und Tübingen werden in die Regierungspräsidien integriert.
Sie nehmen weiterhin sowohl ihre Steuerungs- und Aufsichtsfunktion wie auch einen Teil der bisherigen operativen Aufgaben wahr. Die Landespolizeidirektion Stuttgart II wird zu einem Polizeipräsidium umstrukturiert und dem Innenministerium nachgeordnet.
Die Wasserschutzpolizeidirektion wird aufgelöst. Das Regierungspräsidium Karlsruhe übt die landesweite Fachaufsicht über die Arbeit der Wasserschutzpolizei aus. Die Wasserschutzpolizeistationen einschließlich der Wasserschutzpolizeiposten werden in die Polizeipräsidien und in die Polizeidirektionen integriert.
Zur Verkehrspolizei: Die Autobahnpolizeidirektionen Stuttgart, Karlsruhe und Freiburg sowie die Verkehrspolizeiinspektion Tübingen werden aufgelöst. Die Autobahnpolizeireviere einschließlich der Verkehrsgruppen und der Fahndungsdienste werden in die Polizeipräsidien und in die Polizeidirektionen integriert.
Zur Lebensmittelüberwachung: Die Aufgaben des Wirtschaftskontrolldienstes im Bereich der Lebensmittelüberwachung gehen auf die Landratsämter und Stadtkreise über. Der nahtlose Übergang der Lebensmittelüberwachung wird dadurch gewährleistet, dass bisher in der Lebensmittelüberwachung tätige WKD-Beamtinnen und -Beamte für längstens fünf Jahre zu den Stadt- und Landkreisen abgeordnet werden. In diesem Zeitraum können die Kreise die notwendige Kapazität an eigenen Lebensmittelkontrolleuren mit Unterstützung der Akademie der Polizei in Freiburg aufbauen.
Ich komme zum nächsten Punkt, meine Damen und Herren. Er betrifft die Landeswohlfahrtsverbände. Das Prinzip der Aufgabenerledigung vor Ort wird auch auf die Landeswohlfahrtsverbände übertragen.
Die schon bislang ausschließlich in kommunaler Verantwortung liegenden Aufgaben der beiden Landeswohlfahrtsverbände Baden und Württemberg-Hohenzollern werden auf die Stadt- und Landkreise verlagert und die Landeswohlfahrtsverbände daher aufgelöst.