Der Gesetzentwurf sieht zudem die Errichtung eines Kommunalverbandes für Jugend und Soziales vor, weil bundesrechtlich zwingende Regelungen auch künftig die Existenz eines überörtlichen Trägers der Sozialhilfe notwendig machen. Dieser Kommunalverband wird auch übergreifende planerische und beratende Aufgaben für alle Stadt- und Landkreise wahrnehmen.
Eine der Hauptaufgaben der Kreise wird künftig die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen sein, die in den letzten Jahren stark steigende Fallzahlen zu verzeichnen hatte. Die damit verbundenen Kostenbelastungen werden durch die Verwaltungsreform mit Sicherheit nicht reduziert.
Durch die Aufgabenverlagerung sind jedoch Synergien mit anderen Bereichen des Sozial-, Jugend- und Gesundheitswesens zu erwarten. Diese Bündelung kommt den Betroffenen zugute und reduziert die Kosten der Kreise.
(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Jawohl, das hoffen wir! – Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Aber nicht bei den erwachsenen Behinderten!)
Last, not least zur Justizreform: Die hohe Qualität der Justiz soll erhalten werden, zugleich müssen aber die Kosten reduziert werden.
Mit dem Gesetz zur Reform der Verwaltungsstruktur, zur Justizreform und zur Erweiterung des kommunalen Handlungsspielraums werden die Grundlagen geschaffen für eine Reform der Bewährungs- und Gerichtshilfe, die auch freie Träger zur Aufgabenerfüllung zulässt, für die Bestellung von bis zu 25 Notaren zur hauptberuflichen Amtsausübung im badischen Rechtsgebiet, für die Bündelung der Zuständigkeit für sämtliche Gerichtszweige beim Justizministerium durch die Verlagerung der Arbeitsgerichtsbarkeit und die für Konzentration von Standorten in der Finanzgerichtsbarkeit. Diese Maßnahmen sollen und werden dazu beitragen, die Funktionsfähigkeit der Justiz des Landes trotz immer knapper werdender Ressourcen zu gewährleisten.
Ein ganz wesentlicher und schwieriger Punkt bei der Erarbeitung dieses Gesetzentwurfs war natürlich der Finanzausgleich in diesem Zusammenhang zwischen dem Land und den Kommunen. Die finanziellen Folgen dieser Reform waren Gegenstand zahlreicher intensiver Verhandlungen zwischen dem Finanzministerium und den kommunalen Landesverbänden. Dabei konnte in allen wesentlichen Fragen Einvernehmen erzielt werden. Ich bitte, mir in diesem Zusammenhang zu gestatten, mich ausdrücklich für die hervorragende Arbeit, die Herr Kollege Staatssekretär Rückert geleistet hat, bei ihm zu bedanken und dafür alle Anerkennung auszusprechen.
Ich will, lieber Herr Kollege Rückert, es mit meinen Worten so ausdrücken: Es ist sicherlich bekannt, dass mir nicht an der Wiege gesungen wurde, das Finanzministerium zu lieben. Aber zeitweise habe ich das Finanzministerium im Zusammenhang mit dieser Reform wirklich lieb gewonnen.
(Beifall bei der CDU – Oh-Rufe – Abg. Blenke CDU: Jetzt langt’s aber! – Abg. Stickelberger SPD und Abg. Hofer FDP/DVP: Der Beginn einer wun- derbaren Freundschaft!)
Es geht ja nach folgendem Muster: Nach dem Vorbild des Sonderbehörden-Eingliederungsgesetzes erhalten die Stadtund Landkreise die Personal- und Sachmittel, die das Land für die zu übertragenden Aufgaben zuletzt aufgewendet hat.
Die Abgeltung erfolgt, soweit dies möglich ist, pauschal über den im Finanzausgleichsgesetz geregelten Finanzausgleich. Die Pauschalierung hat den großen Vorteil, dass jeder Stadt- und Landkreis sein Budget im Voraus kennt. Die Stadt- und Landkreise entscheiden dann selbst, wie sie die Finanzmittel am effizientesten einsetzen. Die Stadt- und Landkreise erhalten einen Abgeltungsbetrag von knapp 330 Millionen €. Dieser Betrag wird jährlich an die Entwicklung der Personalkosten angepasst.
Gleichzeitig – das ist ja das Prinzip – wird der Ausgleich in den ersten sieben Jahren stufenweise vermindert, bis im Jahr 2011 eine Einsparung von 20 % erreicht ist. Das Gesamteinsparpotenzial der Verwaltungsreform einschließlich der auf der Landesseite zu erwirtschaftenden Rendite liegt nach vorläufigen Berechnungen des Finanzministeriums, bezogen auf das Jahr 2011, bei etwa 135 Millionen €. Diese Einsparungen kommen dem Landeshaushalt in Zukunft jährlich zugute, sodass ein dauerhafter Entlastungseffekt entsteht.
Den zweiten Schwerpunkt im Finanzteil des Gesetzentwurfs bilden die finanziellen Rahmenbedingungen der Auflösung der Landeswohlfahrtsverbände. Die Verlagerung der wesentlichen Aufgaben der Landeswohlfahrtsverbände auf die Stadt- und Landkreise ist übrigens weniger ein organisatorisches als vielmehr ein finanzielles Problem. Künftig entfallen die Landeswohlfahrtsumlagen mit einem Finanzvolumen von rund 1 Milliarde €. An deren Stelle tritt die örtliche Finanzierung und flankierend ein neuer, zweistufiger Soziallastenausgleich.
Durch die Überleitung des Personals – Trennungsgeld und Umzugskosten –, Umzugskosten für Büroeinrichtungen, die Erstausbildung des Personals im Bereich der Lebensmittelüberwachung sowie Kosten für die Ergänzung und Anpassung von IuK-Systemen entstehen einmalige Aufwendungen. Diese Aufwendungen werden aufgrund der Effizienzrendite in voraussichtlich rund drei Jahren amortisiert sein.
Meine Damen und Herren, wie Sie wissen, haben wir in den letzten Wochen und Monaten die Anhörung zu diesem Gesetzentwurf durchgeführt. Aufgrund der Ergebnisse dieser Anhörung wurde der Gesetzentwurf noch an zahlreichen Stellen geändert, auf die ich jetzt eingehen werde.
Das Innenministerium hat zu dem Gesetzentwurf 439 Verbände und Institutionen angehört. Der Anhörungsentwurf war außerdem über das Internet frei zugänglich. 21 Organisationen äußerten sich zusätzlich zu den angeschriebenen Stellen. Insgesamt nahmen 205 Organisationen Stellung. Alle Stellungnahmen wurden in einem intensiven, mehrstufigen Prozess ausgewertet.
In einer Anlage zum Entwurf des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes sind die wesentlichen Ergebnisse zusammengefasst. Auch wenn natürlich längst nicht allen geäußerten Anliegen entsprochen werden konnte, führte die Anhörung zu über 70 materiellen und mehreren Hundert redaktionellen Änderungen am Gesetzentwurf und der Begründung. Der Vorwurf, die Stellungnahmen seien kaum beachtet worden und die gesamte Anhörung sei folglich eine Farce, ist schlicht an den Haaren herbeigezogen, meine Damen und Herren.
(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Stickelberger SPD: Welche gravierenden Änderungen gibt es denn? – Gegenruf des Abg. Blenke CDU: Geduld, Herr Kollege!)
Lieber Herr Kollege Drexler, in einem Punkt können wir Sie nicht zufrieden stellen: Wir bleiben beim dreistufigen Verwaltungsaufbau. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die Kritik.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Drexler SPD: Nein, das war nicht meine Kritik!)
Der Gesetzentwurf enthält gegenüber dem Anhörungsentwurf im Hinblick auf die Privatisierung der Liegenschaftsvermessung die folgenden Änderungen:
Zum einen schließt das Landesvermessungsamt Zielvereinbarungen mit den unteren Vermessungsbehörden zur Erhöhung des Anteils der privaten Dienstleistungen und berücksichtigt dabei besonders die jeweiligen personellen Gegebenheiten.
Zweitens: Die unteren Vermessungsbehörden bei den Landratsämtern und Stadtkreisen werden verpflichtet, die Vergabe von Liegenschaftsvermessungen für die eigene Körperschaft an Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure in jedem Einzelfall zu prüfen.
Drittens enthält Artikel 179, Herr Kollege Fischer, Berichtspflichten über den erreichten Privatisierungsgrad im Bereich der Liegenschaftsvermessung zum 30. Juni 2007 und zum 30. Juni 2011.
Damit bleibt es bei dem Ziel, das ich bereits erwähnt habe: den Anteil der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure an Liegenschaftsvermessungen auf 80 % zu erhöhen.
Ergebnis der Anhörung ist auch, dass die Stadtkreise Baden-Baden und Freiburg nun einen finanziellen Ausgleich für ihre schon bestehenden körperschaftlichen Forstämter erhalten.
Dieser beruht darauf, dass die Aufgaben der forsttechnischen Betriebsleitung und der unteren Forstbehörde, die sie bislang freiwillig wahrgenommen haben, durch die Verwaltungsreform in Pflichtaufgaben umgewandelt werden. Die beiden Städte werden als Entgegenkommen des Landes somit finanziell den anderen Stadtkreisen gleichgestellt, ohne dass ein Rechtsanspruch auf diese Kostenerstattung besteht.
Vorsorglich sage ich auch: Für die beiden anderen körperschaftlichen Forstämter im Land, Villingen-Schwenningen und Biberach – dabei handelt es sich nicht um Stadtkreise –, konnte ein solcher Ausgleich nicht gewährt werden, da sich für diese beiden Städte durch die Verwaltungsreform an der Aufgabenwahrnehmung nichts ändert.
Aufgaben der Versorgungsverwaltung sind insbesondere das soziale Entschädigungsrecht und das Feststellungsrecht nach dem Schwerbehindertenrecht.
Das Bundesrecht, meine Damen und Herren, schränkt die Übertragung dieser Aufgaben auf die untere Verwaltungsebene gleich mehrfach ein. Zum einen können die bisherigen Aufgaben der acht Versorgungsämter nur auf die 35 Landratsämter als untere Verwaltungsbehörden übertragen werden. Weil das Kriegsopfer-Verwaltungsbehördengesetz eine Übertragung auf nichtstaatliche Stellen wie die Stadtkreise ausschließt, nehmen die Landratsämter diese Aufgaben auch in den angrenzenden Stadtkreisen wahr.
Zum Zweiten: Eine getrennte Wahrnehmung des sozialen Entschädigungsrechts und des Schwerbehindertenrechts war aufgrund des so genannten Koppelungsgebots bislang nicht möglich. Deshalb werden im Gesetzentwurf beide Aufgaben auf die Landkreise übertragen.
Ganz aktuell sind jedoch zu beiden Fragen neue Entwicklungen eingetreten. Der Bundestag hat die Länder ermächtigt, durch Landesrecht die Zuständigkeit für das Schwerbehindertenrecht auch auf die Stadtkreise zu übertragen. Das Land Hessen hat am 17. Mai 2003 beschlossen, eine Bundesratsinitiative zu ergreifen, wonach das KriegsopferVerwaltungsbehördengesetz ersatzlos gestrichen werden soll – was ein Segen wäre. Die Landesregierung wird deshalb diese Initiative im Bundesrat nachdrücklich unterstützen.
Die isolierte Übertragung der Zuständigkeit für das Schwerbehindertenrecht auf die Stadtkreise zum jetzigen Zeitpunkt wäre aber nur ein vorläufiger Zwischenschritt, weshalb die Landesregierung gegenwärtig von einer Übertragung Abstand genommen hat. Wir werden diese Frage aber nach Abschluss des Verfahrens auf Bundesebene erneut aufgreifen.