Thomas Schäuble
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Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei dem Thema Privatisierung denke ich zunächst einmal daran, wie sich hier die Diskussion in den letzten Jahrzehnten verändert hat. Ich habe jetzt über 20 Jahre – früher als Oberbürgermeister, später als Minister und Abgeordneter – hauptamtlich in der Politik gearbeitet. Ich kann mich noch gut erinnern: Mitte der Achtzigerjahre gab es im Bereich der Kommunalverwaltung schon große Diskussionen, wenn man etwa das Reinigungsgeschäft privatisieren wollte.
Die Diskussion hierüber hat sich mit immer größerer Rasanz und Dynamik weiterentwickelt.
Manchmal – und das ist, Herr Kollege Junginger, nicht als Alibi gedacht – scheint mir, man muss schon wieder aufpassen, dass man die Kirche noch im Dorf lässt.
Ich sehe vor allem zwei Faktoren, die diesen ungeheuren Schub in der Diskussion zur Privatisierung hervorgebracht haben. Das eine sind die bekannten finanziellen Zwänge und die damit verbundene Erwartungshaltung, was alles möglicherweise durch eine Privatisierung erreichbar sein könnte. Das andere ist natürlich das immer stärker spürbar gewordene Wirken der EU, der EU-Kommission mit dem außerordentlich scharfen Gedanken des Wettbewerbs auf allen Gebieten, das ja durchaus auch für uns in Deutschland und damit auch in Baden-Württemberg manchmal mit mehr als einem Fragezeichen zu versehen ist. Dabei denke ich etwa an die Rolle der Sparkassen und an die Einflussnahme oder den Versuch der Einflussnahme seitens der EU. Die Sparkassen sind ja – damals im 19. Jahrhundert hat man es noch anders bezeichnet – letztendlich auch als ein Element der kommunalen Daseinsvorsorge geschaffen worden. Ich unterstütze dies schon und glaube auch, dass wir uns dieser Diskussion nicht entziehen können – das tun wir ja alle auch nicht – und dass noch Veränderungen auf uns zukommen werden, die wir uns früher nicht vorstellen konnten und die wir uns vielleicht auch heute noch gar nicht vorstellen können.
Aber es wird auch da darum gehen, dass man wie immer im Leben den goldenen Mittelweg findet. Deshalb ist es auch unerlässlich, diese Diskussion bei uns zu führen.
Ich will heute davon Abstand nehmen – ich glaube, das ist auch nicht das, was Sie von mir erwarten –, wieder buchhalterisch aufzulisten, wo sich die Landesregierung schon bemüht hat und was wir gemacht haben. Ich möchte mich wirklich auf einige wenige Hinweise beschränken. Wir haben ja auch – übrigens zum Teil jedenfalls auch auf Druck der beiden Fraktionen, die die Regierung unterstützen – im Rahmen der Verwaltungsreform noch einmal den Privatisierungsgedanken verstärkt. Ich erinnere an die lange Diskussion über die Frage, wie wir den Anteil der öffentlich bestellten Vermessungsingenieure erhöhen können. Das hat sich ja letztlich auch im Gesetzentwurf bemerkbar gemacht.
Wir steuern als übernächste Lösung noch immer eine Privatisierung des Landesgewerbeamts an, und im Rahmen des Teils der Verwaltungsreform, der die Justiz betrifft, sind als Ziel ja auch Elemente aufgenommen worden – ich komme auf das eingangs Gesagte zurück –, die noch vor wenigen Jahren unvorstellbar gewesen wären.
Ich habe heute Mittag – das ist Zufall – an einer Diskussion über das Thema teilgenommen, inwieweit sich zum Beispiel auch Kommunen, um eine bessere Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Forderungen erreichen zu können, der Dienste von Inkassounternehmen bedienen können. Rechtlich gibt es viele, viele Fragezeichen.
Aber wenn ich zum Beispiel sehe, wie unbefriedigend es für das Allgemeinwohl, für den Steuerzahler ist, dass so wenig Unterhaltsvorschüsse wieder zurückgeholt werden können,
bin ich überzeugt, dass wir hier auch noch Diskussionen ausgesetzt werden, die man sich – ich wiederhole mich – vor nicht allzu langer Zeit noch gar nicht hätte vorstellen können.
Wenn man etwas erreichen will, dann ist es nach meiner Erfahrung sehr hilfreich, wenn man sich ein bestimmtes Gebiet vornimmt, das auch gewisse Flaggschiffeigenschaften hat, und dort etwas erreicht. Ich sage zum Beispiel übrigens auch an unsere, an meine Adresse, zum Uraltthema Entbürokratisierung, bei dem wir ja – aber nicht nur wir hier in Baden-Württemberg, sondern überall – auf der Stelle treten: Wenn es gelänge, dass wenigstens einmal das Steuerrecht – ich rede jetzt nicht über das Absenken der Steuersätze – nicht mehr so kompliziert wäre, dann wäre dies auch ein Durchbruch, weil man dann bei vielen anderen Rechtsgebieten an die Adresse der dort Verantwortlichen sagen könnte: Die haben es ja auch geschafft; warum dann nicht ihr? Aber auch da bekommt man ja, wenn man die Diskussion verfolgt, wieder Sorge, ob am Schluss nicht der berüchtigte Berg nur das kleine Mäuslein gebiert.
Ein ähnliches Flaggschiff bei der Privatisierungsdiskussion könnte jetzt sein, was Herr Kollege Junginger vorhin noch einmal nachgefragt hat: Es wäre aufgrund der symbolhaften Bedeutung schon hochinteressant, wenn es zum Beispiel gelänge, im Zulassungswesen bei Kraftfahrzeugen Private – sprich die Händler; dann kann man ja sortieren, wem man es anvertraut und wem nicht, und jeder wird sich bemühen, dann bei den Guten zu sein, weil es anderenfalls für ihn auch geschäftlich sehr schlecht wäre – zuzulassen und in diesem Bereich einen Durchbruch zu erreichen.
Das haben wir ja auch im Innenausschuss diskutiert, und deshalb wiederhole ich das dort Gesagte: Die Bereitschaft hierfür wäre wohl vorhanden. Aber noch ist auf der BundLänder-Ebene nicht ersichtlich, dass die bundesrechtlichen Änderungen, die man dazu bräuchte, geschaffen werden. Es wäre aber wichtig, in irgendeinem Bereich einmal einen richtig dicken Punkt zu setzen, damit dies Vorbildwirkung für andere Bereiche erzielt.
Wenn ich noch einmal auf das Thema Aufgabenabbau kommen darf, mit dem Sie mich in den letzten Wochen auch in den Ausschusssitzungen immer wieder etwas herausgefordert haben: Ich sage auch heute als Schlusspunkt, dass ich mir natürlich gewünscht hätte, dass wir insgesamt mehr erreichen. Aber auch das ist nichts Neues. Wir haben in Baden-Württemberg alles im Blick, auch das, was im gesamten Bundesgebiet geschieht. Es ist auch richtig, dass man voneinander lernen will. Es ist aber überall das Gleiche: Man kommt da noch nicht richtig voran.
Ja, gerne, aber ich möchte meinen Satz noch beenden.
Ich bin davon überzeugt – ohne die Diskussion, die wir gestern sehr lange geführt haben, noch einmal aufwärmen zu wollen –, dass es in der öffentlichen Verwaltung ohne einen massiven Sparzwang nicht zu einem Aufgabenabbau kommen wird.
Alles andere wäre, glaube ich, weltfremd.
Eines ist auch ganz klar – das hat dann schon mit den künftigen Strukturen nach der Verwaltungsreform zu tun; Herr Kollege Birzele, als mein Vorgänger darf ich Sie ansprechen, denn das war ja auch bei Ihnen ein Thema –: Wenn wir die Fachabteilungen gefragt haben, was sie sich zum Thema Aufgabenabbau in ihrem Bereich vorstellen könnten, dann war die Antwort von vornherein klar: Entweder können sie sich überhaupt keinen Aufgabenabbau vorstellen, oder sie schlagen vor, Aufgaben abzubauen, die nun wirklich kein Mensch abbauen kann.
Es ist immer das Gleiche. Deshalb müssen wir da schon die Strukturen ändern. Ich füge aber noch einmal hinzu: Ohne Sparzwang wird das nicht gehen.
Jetzt, bitte, Ihre Zwischenfrage.
Ich habe zu Beginn meiner Rede darauf hingewiesen, dass einer der Gründe, weshalb zur Privatisierung eine so rasante Diskussion entstanden ist, schon auf das massive Vorgehen der Europäischen Union zurückzuführen ist.
Aber lassen Sie mich das – zugegebenermaßen etwas pauschal – noch einmal aufgreifen. Auch das hängt jetzt mit dem Aufgabenabbau und der Privatisierung zusammen. Logisch betrachtet, haben wir eine klare Reihenfolge: Aus unserer Sicht wäre ein wirklicher Aufgabenabbau, also der ersatzlose Abbau einer Aufgabe, das Beste. Ich räume durchaus ein – aber es muss ja auch für spätere Minister noch etwas zu tun geben –: Da ist noch nicht allzu viel erreicht worden. Nur weise ich – nicht als Entschuldigung, sondern feststellend – darauf hin: Da ist noch nirgendwo in Deutschland viel erreicht worden. Aber das wäre eigentlich das Optimale.
Erst dann kommt nach logischen Gesichtspunkten die zweite Frage. Wenn man nämlich auf die Wahrnehmung einer Aufgabe nicht verzichten kann, dann wird es Bereiche geben – und diese Bereiche sind in der Diskussion inzwischen gewaltig angewachsen –, bei denen man sich fragen kann: Muss das der Staat erledigen, oder kann diese Aufgabe, wenn sie noch jemand erledigen muss, auch ein Privater übernehmen?
So sollte die Reihenfolge sein.
Dann wird sich in diesem Zusammenhang natürlich auch eine andere Frage stellen. Wenn man auf den vollständigen Abbau einer Aufgabe nicht verzichten kann, dann wird, bevor gar nichts geschieht, auch noch die Frage diskutiert werden müssen, ob man die Aufgabe nicht wenigstens zurückfahren kann.
Erst am Schluss – in dieser Reihenfolge finde ich es logisch – kommt dann die Frage: Wenn weder ein Aufgabenabbau noch eine Privatisierung stattfinden kann, wer innerhalb des Staates – gesamter Staatsaufbau einschließlich der Kommunen – nimmt die Aufgabe dann wahr? Da haben wir den Grundsatz – und auch darüber ist in der Diskussion über die Verwaltungsreform oft gesprochen worden –: Wenn irgendwie möglich, soll diese Aufgabe nach dem Subsidiaritätsprinzip möglichst weit unten angesiedelt werden.
Deshalb muss ich einfach feststellen: Die Privatisierung und der Aufgabenabbau sind Gebiete, in denen eine heftige Diskussion eingesetzt hat. Erreicht hat man in ganz Deutschland – und damit eben auch bei uns – bisher noch nicht allzu viel. Es ist alles sehr überschaubar. Das heißt natürlich wiederum auch zwingend, dass wir – Sie – am Ball bleiben müssen.
Damit, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir zum Schluss einfach noch einige persönliche Bemerkungen, da dies meine letzte Rede als Innenminister vor diesem hohen Haus ist. Ich möchte mich beim ganzen Landtag von Baden-Württemberg für die vieljährige kollegiale Zusammenarbeit sehr herzlich bedanken.
Sie werden bitte verstehen, dass mein erster Dank an die Adresse meiner eigenen Fraktion mit ihrem Fraktionsvorsitzenden Günther Oettinger geht. Ich danke meiner Fraktion für die langjährige Unterstützung. Ich danke dafür, dass ich immer von der Fraktion getragen und in einigen wenigen Fällen auch ertragen worden bin, und weiß dies außerordentlich zu schätzen.
Ich möchte mich auch bei der Fraktion der FDP/DVP mit ihrem neuen Fraktionsvorsitzenden Dr. Noll ganz herzlich für die partnerschaftliche Zusammenarbeit bedanken, ebenso bei ihrem innenpolitischen Sprecher, Herrn Dr. Glück, dem ich, wie viele von uns in diesem hohen Haus, menschlich sehr verbunden bin.
Ich darf in diesen Dank – nicht nur, weil es guter Brauch ist, sondern weil es auch meiner Einstellung entspricht – auch die Opposition einbeziehen: die große Oppositionsfraktion, die SPD, mit ihrem Fraktionsvorsitzenden Drexler, mit ihrem innenpolitischen Sprecher Junginger und mit meinem Vorgänger in der gemeinsamen Zusammenarbeit in der großen Koalition, an die ich auch gerne zurückdenke, Herrn Kollegen Birzele, dessen – Sie werden mir diese Bemerkung gestatten; sie ist freundlich gemeint – unerbittliche Gründlichkeit ich damals immer bewundert habe.
Ich darf in diesen Dank auch die Fraktion GRÜNE einbeziehen. Natürlich sind wir – das liegt in der Natur der Sache – oft unterschiedlicher Meinung gewesen. Aber fast immer erfolgten die Auseinandersetzungen fair und angemessen, eben so, wie es dem demokratischen Stil entspricht.
Wir alle hoffen und werden gemeinsam dafür kämpfen, dass die Demokratie diese Republik auch in schwerer werdenden Zeiten auf Kurs hält. In diesem Sinne darf ich mich noch einmal ganz herzlich für die gemeinsame Zusammenarbeit bedanken.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Da mein Haus mit dem Verwaltungsstruktur-Reformgesetz ein Gesetz vorgelegt hat, das nicht die ungeteilte Zustimmung des Hauses fand, freue ich mich, dass jedenfalls dieses Gesetz jetzt hier im Haus Einstimmigkeit findet. Vielen Dank dafür.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetzentwurf bringt die Landesregierung heute sicherlich eines der wichtigsten Gesetzesvorhaben dieser Legislaturperiode in den Landtag ein.
Überall sind Reformen notwendig. Es liegt in der Natur der Sache, auch in der Natur von uns Menschen, dass wir uns mit Reformen oft schwer tun.
Deshalb, Herr Kollege Oelmayer: Gerade bei Reformen ist für uns alle in Deutschland und damit auch für uns in Baden-Württemberg entscheidend, vom Wort zur Tat zu kommen. Mit dieser Reform handeln wir. Wir bringen mit dieser Reform Baden-Württemberg voran. Insbesondere machen wir unser Land für die Zukunft wettbewerbsfähig.
Es kommt darauf an, dass wir die vorhandenen Strukturen da, wo es notwendig ist, verlassen. Wir haben bisher den so genannten dreistufigen Verwaltungsaufbau, also auf der unteren Ebene Landratsämter, in Stadtkreisen oder Großen Kreisstädten Bürgermeisterämter als untere Verwaltungsbehörden, dann als Mittelbehörden die Regierungspräsidien und als dritte Ebene die Ministerien. Gleichzeitig haben wir daneben eine breite, umfassende – man kann es auch so formulieren: zersplitterte – Sonderbehördenlandschaft oder Fachbehördenlandschaft.
Der Kern dieser Reform ist unter anderem, dass wir diese umfassende, breit gefächerte, zersplitterte Sonderbehördenlandschaft aufgeben und, meine ich, auch aufgeben müssen.
Ich kann mich, Herr Kollege Drexler, gut an die Landtagssitzung im Januar 2003 erinnern.
Das können Sie ja nachlesen, Herr Kollege Stickelberger. – Ich saß damals andächtig und vielleicht ein kleines bisschen fasziniert als Innenminister auf der Regierungsbank und habe Ihren Worten, gelauscht. Herr Kollege Drexler, ich war insbesondere von einem beeindruckt; deshalb habe
ich mir erlaubt, dies heute mitzubringen. Herr Kollege Drexler fuchtelte damals mit dem Behördenverzeichnis von Baden-Württemberg hier in diesem hohen Hause herum und sagte, es gebe viel zu viele Fachbehörden.
Ich dachte mir: In diesem Punkt hat er eigentlich ausnahmsweise nicht Unrecht.
Deshalb, Herr Kollege Drexler: Wir nehmen die Opposition ernst.
Das Problem scheint mir darin zu bestehen, dass Sie sich manchmal nicht ernst nehmen.
Der Kern ist also, dass wir bei dem dreistufigen Verwaltungsaufbau die Zersplitterung dieser Sonderbehördenlandschaft beenden wollen und, meine ich, auch beenden müssen. Dabei geht die Reform von einigen grundlegenden Prinzipien aus.
Einmal ist das Leitprinzip die so genannte Einräumigkeit oder auch Einhäusigkeit. Die Einheit der Verwaltung soll nach dem Willen der Reform für integrative Entscheidungen sorgen.
Was ist unter diesem Fachchinesisch eigentlich zu verstehen? Ich versuche es mit meinen Worten auszudrücken. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Kernanliegen der Reform ist dies: Es wird nach wie vor Spezialisten geben und, meine ich, auch geben müssen. Wir brauchen diesen Sach- und Fachverstand gerade auch der Spezialisten, aber – das ist ein Kernanliegen der Reform – durch die Integration der Fachbehörden in die Regierungspräsidien, Landratsämter oder Bürgermeisterämter der Stadtkreise wollen wir erreichen, dass am Ende an der Spitze einer solchen umfassend strukturierten Behörde ein Mann oder eine Frau steht, die die vielen, manchmal unübersichtlich vielen verschiedenen öffentlichen Belange zu einem vernünftigen Gesamtergebnis führen. Das ist ein Kernanliegen dieser Reform.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es muss – dies ist ein gleich wichtiges Anliegen – ein Ende damit haben, dass der Bürger, der Mittelstand, die Wirtschaft, also unsere Kunden – denn wir verstehen uns ja als Dienstleister –, von Pontius zu Pilatus laufen müssen und sich irgendwann im Nirwana der Behördenlandschaft verlieren. Auch dies wird durch die Reform grundlegend verbessert.
Es kommt ein weiteres tragendes Prinzip hinzu, das mir persönlich bei den vielen Debatten, die wir über Reformen, insbesondere über Verwaltungsreformen, schon geführt haben, immer ein Herzensanliegen war: Mit dieser Reform zeigen wir auch, dass wir Vertrauen haben, insbesondere
Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Landratsämter und der Bürgermeisterämter, Vertrauen überhaupt zu unseren Kommunen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch wenn wir uns auf allen Ebenen – übrigens auch auf Bundesebene – immer wieder darüber Gedanken machen, wie wir die Bürokratie in Deutschland abbauen können, wie wir deregulieren können, wie wir den Paragraphendschungel etwas lichten können, müssen wir offen bekennen, dass hier bisher von niemandem, weder von der Union noch von der SPD, noch von der FDP, noch von den Grünen, der Stein des Weisen gefunden worden ist. Dies liegt unter anderem darin begründet, dass wir alle zunächst mehr Vertrauen zu den nachgeordneten Dienststellen, zu den Kommunen, insbesondere zu unseren Bürgerinnen und Bürgern aufbringen müssen. Das ist die entscheidende Voraussetzung für den Abbau der Bürokratie.
Ich unterstütze Bundeswirtschaftsminister Clement sehr bei seinen Bemühungen, aber ich sage ihm voraus: Auch sein Erfolg wird leider Gottes nur sehr überschaubar sein.
Einer der folgenreichsten Sätze ist meines Erachtens der berühmte Satz von Lenin: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“ Das ist eigentlich der Anfang der Bürokratie. Mit dieser Einstellung kommen wir nicht zu einer Deregulierung.
Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren: Das Vertrauen muss überall – übrigens auch bei uns – noch wachsen, auch da und dort – das ist auch eine Erfahrung aus den vielen Monaten dieser Diskussion über die Verwaltungsreform –, wie ich offen bekennen will, bei unserer eigenen Ministerialbürokratie. Das Vertrauen muss überall wachsen.
Ich sage als persönliche Meinung auch ganz frank und frei: So wichtig die Erleichterung des Zustandekommens von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden sein mag, es wäre noch viel wichtiger, dass wir uns alle zu mehr Vertrauen durchringen könnten, und zwar in dem Sinne, dass die Bürger, aber auch nachgeordnete Dienststellen ihre eigenen Angelegenheiten und die ihnen übertragenen Aufgaben vernünftig regeln können. Dieses Grundprinzip, meine Damen und Herren, kommt auch in dieser Verwaltungsreform zum Ausdruck.
Das werden wir ja alsbald diskutieren, Herr Kollege.
Herr Kollege Palmer, Sie können meine Worte einfach so entgegennehmen.
Meine Damen und Herren, wir haben auch Erfahrungen mit der Eingliederung von unteren Sonderbehörden. Die Eingliederung unterer Sonderbehörden ist ja keine neue Erfindung. So haben Landesregierung und Parlament in der 11. Legislaturperiode durch die Eingliederung unterer Son
derbehörden wichtige Schritte eingeleitet, um die Einheit der Verwaltung auf der unteren Ebene zu stärken. 1995 wurden 36 Staatliche Gesundheitsämter, 21 Staatliche Veterinärämter und 17 Ämter für Wasserwirtschaft und Bodenschutz in die Landratsämter und die Bürgermeisterämter der Stadtkreise eingegliedert. Die Landkreise und die Stadtkreise haben damit positive Erfahrungen gemacht. Die Einbindung der neuen Mitarbeiter ist gelungen; ihre Motivation hat zugenommen. Die fast neunjährige Praxis zeigt, dass die Eingliederung der konsequente Weg ist, Verwaltung überschaubar, effizient und bürgernah zu organisieren.
Meine Damen und Herren, wenn ich die bisherige Diskussion um die Verwaltungsreform Revue passieren lasse – und ich sage vorher: wir werden es heute und am 30. Juni noch einmal erleben –, dann glaube ich – ich habe damals, im Januar 2003, auch schon darauf hinweisen dürfen, Herr Kollege Drexler –: Eigentlich sind die Auffassungen zwischen Ihnen und uns gar nicht so sehr unterschiedlich; ich komme später noch einmal darauf zurück. Der Kernunterschied liegt eigentlich nur darin, dass Sie – aus welchen Gründen auch immer; das lasse ich jetzt einmal dahingestellt – für einen zweistufigen Verwaltungsaufbau sind, während wir sagen: Bei einer Abwägung – es ist ja immer alles eine Abwägung – halten wir am dreistufigen Verwaltungsaufbau fest.
Meine Damen und Herren, damit wahrt die Verwaltungsreform – neben den anderen Vorteilen, die schon oft genannt worden sind – die gewachsenen regionalen Identitäten. Die erfolgreiche kommunale Gebietsreform Anfang der Siebzigerjahre erforderte seinerzeit einen großen politischen Kraftaufwand – übrigens einen noch viel größeren als bei der heutigen Reform –, weil durch die Neuordnung oft das Heimatgefühl der Menschen im Land berührt wurde. Heute, eine Generation nach der Reform, haben sich in den Gemeinden und in den damals neu gebildeten Landkreisen eine neue Identität und ein neues Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt. Wir wollen ganz bewusst nicht das Vertrauen der Menschen in die bewährten Strukturen durch eine Schwächung oder Abschaffung der Landkreise sowie einen Rückzug der Verwaltung aus der Fläche aufs Spiel setzen. Wir wollen keine verlängerten Wege, keine unverhältnismäßig großen Verwaltungseinheiten und keinen Verlust an regionaler Identität.
Meine Damen und Herren, ich spreche auch ganz offen an: Wir wollen mit der Verwaltungsreform natürlich auch Einsparpotenziale für alle Beteiligten, für die Kommunen wie für das Land, erschließen. Angesichts der bestehenden dramatischen Haushaltslage, eines Personalkostenanteils im Landeshaushalt von 42 % und steigender Versorgungslasten kann eine Haushaltskonsolidierung nur durch eine drastische Reduzierung der Personalkosten gelingen. Soll die Verschuldung nachhaltig gesenkt werden, führt an einer Verringerung der Personalausgaben kein Weg vorbei. Für den kommunalen Bereich gilt übrigens im Wesentlichen das
Gleiche. Stelleneinsparungen auf der Basis der vorhandenen Verwaltungsstrukturen werden zunehmend schwieriger.
Weitere Stelleneinsparprogamme setzen eine umfassende Verwaltungsreform voraus, die neue Einsparpotenziale auf beiden Seiten frei macht. Mit dem Verwaltungsstruktur-Reformgesetz schaffen wir die rechtlichen Grundlagen dafür. Die Wirtschaftlichkeit und die Wirksamkeit staatlichen Handelns können durch diese Strukturreform weiter verbessert werden. Die Landesverwaltung wird dadurch auf der unteren und mittleren Verwaltungsebene schneller, schlagkräftiger und kostengünstiger.
Mit der Umsetzung der Verwaltungsstrukturreform können aber auch Synergieeffekte im Bereich der kommunalen Aufgaben der Landratsämter und der Stadtkreise erschlossen werden, etwa durch Verzahnung und Vereinfachung von Verwaltungsverfahren, durch Bündelung von Fachkompetenz und durch die dadurch möglichen Optimierungen in Querschnittsbereichen.
Die Verwaltungsreform, die ich heute vorstellen darf, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist breit und umfassend angelegt. Von der Verwaltungsreform sind 450 Behörden im Land betroffen, von denen über 350 abgebaut, zusammengelegt oder eingegliedert werden. Im Einzelnen handelt es sich dabei um die folgenden Bereiche:
Bei der Schulverwaltung werden die Oberschulämter in die Regierungspräsidien und die Staatlichen Schulämter in die Landratsämter eingegliedert. Die Stadtkreise haben die Möglichkeit, Staatliche Schulämter an ihre Verwaltung anzugliedern. Damit kann beispielsweise die Arbeit der Schulverwaltung eng mit den vielfältigen Aktivitäten der Kreise auf dem Gebiet der Jugendsozialarbeit und der Kinder- und Jugendhilfe verzahnt werden. Die schulpsychologischen Beratungsstellen werden an ihren bisherigen 24 Standorten in die unteren Schulaufsichtsbehörden eingegliedert.
Zur Vermessungsverwaltung: Die Aufgaben der Staatlichen Vermessungsämter gehen auf die Landratsämter und die Stadtkreise über. Die Zusammenarbeit zwischen der Vermessungsverwaltung und beispielsweise der Flurneuordnungs-, der Landwirtschafts- und der Umweltverwaltung wird dadurch enger und effektiver.
Der Privatisierungsgrad in der Vermessungsverwaltung soll auf 80 % gesteigert werden. Das Landesvermessungsamt bleibt zunächst erhalten, wird jedoch in das Regierungspräsidium eingegliedert, sobald zwei Drittel aller Liegenschaftsvermessungen von Privaten erledigt werden.
Zur Landwirtschaftsverwaltung: Die Aufgaben der Ämter für Landwirtschaft, Landschafts- und Bodenkultur werden künftig von den Landratsämtern grundsätzlich auch für die angrenzenden Stadtkreise wahrgenommen. Für einzelne Aufgaben, zum Beispiel für Aufgaben nach dem Grundstücksverkehrsgesetz und dem Landpachtverkehrsgesetz, werden die Stadtkreise selbst zuständig.
Ein schwieriges Thema ist die Flurneuordnungsverwaltung. Die Aufgaben der Ämter für Flurneuordnung und Landentwicklung gehen in den Landkreisen auf die Landratsämter über. Für das Gebiet der Stadtkreise werden aufgrund zwingenden Bundesrechts die Aufgaben den Regierungspräsidien übertragen. Zudem wird bei allen vier Regierungspräsidien weiteres Fachpersonal vorgehalten und an die Landratsämter bedarfsgerecht abgeordnet. Mit dieser Flexibilität können neue Aufgabenschwerpunkte effizient bewältigt werden. Das Landesamt für Flurneuordnung und Landentwicklung wird in das Regierungspräsidium Stuttgart eingegliedert.
Zur Forstverwaltung: Die Staatlichen Forstämter werden in die Landratsämter und Stadtkreise integriert. Die Forstdirektionen Freiburg und Tübingen gehen an die dortigen Regierungspräsidien, die jeweils auch für die Regierungsbezirke Karlsruhe bzw. Stuttgart zuständig sind.
An der Betreuung des Kommunalwaldes ändert sich durch die Eingliederung nichts. Der Forstverwaltungskostenbeitrag wird weiterhin durch den Gesetzgeber festgelegt. Die Kosten der Waldarbeiter werden nach ihrem tatsächlichen Einsatz spitz abgerechnet. Die Forstdirektionen koordinieren bei Bedarf die überregionale Holzvermarktung.
Zu den Bezirksstellen für Naturschutz und Landschaftspflege: Deren Aufgaben gehen auf die Regierungspräsidien über. Für die Naturschutzbeauftragten wird ein Benachteiligungsverbot gesetzlich verankert, damit die Unabhängigkeit der Naturschutzbeauftragten auch für den Fall gewährleistet ist, dass sie gleichzeitig Beschäftigte einer unteren Verwaltungsbehörde sind.
Zur Versorgungsverwaltung: Hier wird das Landesversorgungsamt in das Regierungspräsidium Stuttgart eingegliedert. Die Aufgaben der Versorgungsämter werden künftig von den 35 Landratsämtern auch für den Bereich der angrenzenden Stadtkreise wahrgenommen.
Zur Straßenbauverwaltung: Die bisher von den 18 Straßenbauämtern und 99 Straßenmeistereien wahrgenommenen Unterhaltungsaufgaben an Bundes- und Landesstraßen werden auf die Landratsämter und Stadtkreise übertragen. Planung, Bau und Erhalt der Bundes- und Landesstraßen sowie alle Aufgaben an Bundesautobahnen gehen auf die Regierungspräsidien über. Den Kreisen obliegt künftig die umfassende Verwaltung der Kreisstraßen in ihrer Straßenbaulast als weisungsfreie Pflichtaufgabe. Die Landesstelle für Straßentechnik wird in das Regierungspräsidium Tübingen eingegliedert.
Zu den Gewässerdirektionen: Die Aufgaben der Gewässerdirektionen werden entsprechend der wasserwirtschaftlichen Bedeutung sowie dem regionalen bzw. überregionalen Bezug der betreuten Gewässer auf die Landratsämter und die Stadtkreise sowie auf die Regierungspräsidien übertragen. Teilaufgaben im Bereich der Gewässerunterhaltung, des Gewässerabflusses und der Gewässerableitung gehen auf die Gemeinden über.
Zu den Gewerbeaufsichtsämtern: Im Bereich der Staatlichen Gewerbeaufsicht werden für Betriebe mit umweltbedeutsameren Anlagen und Störfallbereichen die Regierungspräsidien, ansonsten die Landratsämter und Stadtkreise zuständig. Im Bereich des Immissionsschutzrechts gehen Teilaufgaben auch auf die Großen Kreisstädte und die Verwaltungsgemeinschaften sowie auf die Gemeinden über.
Das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau wird in das Regierungspräsidium Freiburg integriert.
Beim Landesdenkmalamt gehen die hoheitlichen Vollzugsaufgaben und die regional orientierten Aufgaben auf die vier Regierungspräsidien über. Zentral wahrzunehmende Aufgaben werden dem Regierungspräsidium Stuttgart als Vor-Ort-Präsidium zugewiesen.
Zum Landesgesundheitsamt: Auch hier nimmt künftig das Regierungspräsidium Stuttgart als Vor-Ort-Präsidium seine bisherigen Aufgaben wahr, insbesondere die landesweit beratende und konzeptionelle Unterstützung der Landesbehörden.
Zum Landesgewerbeamt: Die hoheitlichen Aufgaben des Landesgewerbeamts werden auf die Regierungspräsidien übertragen. Das Eich- und Messwesen sowie die Landesstelle für Bautechnik und das Beschussamt gehen an das Regierungspräsidium Tübingen. Die Aufsicht auf dem Gebiet der Energiewirtschaft nimmt das Regierungspräsidium Freiburg wahr. Die bisher von der Direktion Karlsruhe wahrgenommenen Aufgaben in den Bereichen Europa und grenzüberschreitende Zusammenarbeit gehen ebenso wie die Versicherungsaufsicht und die Aufgaben der Vergabekammer an das Regierungspräsidium Karlsruhe.
Zur Archivverwaltung: Die Landesarchivdirektion und die Staatsarchive werden zum Landesarchiv Baden-Württemberg zusammengeführt. Damit erhält die bisher zweistufig gegliederte Archivverwaltung eine einstufige Struktur.
Gegenstand dieser Verwaltungsreform ist, meine Damen und Herren, auch eine Reform bei der Polizei. Ich will in dem Zusammenhang ausdrücklich meinem Kollegen, Herrn Staatssekretär Rech, für seine Arbeit auf diesem Gebiet danken.
Zur Polizeireform ist im Einzelnen zu sagen: Die Landespolizeidirektionen Stuttgart I, Karlsruhe, Freiburg und Tübingen werden in die Regierungspräsidien integriert.
Sie nehmen weiterhin sowohl ihre Steuerungs- und Aufsichtsfunktion wie auch einen Teil der bisherigen operativen Aufgaben wahr. Die Landespolizeidirektion Stuttgart II wird zu einem Polizeipräsidium umstrukturiert und dem Innenministerium nachgeordnet.
Die Wasserschutzpolizeidirektion wird aufgelöst. Das Regierungspräsidium Karlsruhe übt die landesweite Fachaufsicht über die Arbeit der Wasserschutzpolizei aus. Die Wasserschutzpolizeistationen einschließlich der Wasserschutzpolizeiposten werden in die Polizeipräsidien und in die Polizeidirektionen integriert.
Zur Verkehrspolizei: Die Autobahnpolizeidirektionen Stuttgart, Karlsruhe und Freiburg sowie die Verkehrspolizeiinspektion Tübingen werden aufgelöst. Die Autobahnpolizeireviere einschließlich der Verkehrsgruppen und der Fahndungsdienste werden in die Polizeipräsidien und in die Polizeidirektionen integriert.
Zur Lebensmittelüberwachung: Die Aufgaben des Wirtschaftskontrolldienstes im Bereich der Lebensmittelüberwachung gehen auf die Landratsämter und Stadtkreise über. Der nahtlose Übergang der Lebensmittelüberwachung wird dadurch gewährleistet, dass bisher in der Lebensmittelüberwachung tätige WKD-Beamtinnen und -Beamte für längstens fünf Jahre zu den Stadt- und Landkreisen abgeordnet werden. In diesem Zeitraum können die Kreise die notwendige Kapazität an eigenen Lebensmittelkontrolleuren mit Unterstützung der Akademie der Polizei in Freiburg aufbauen.
So weit zur Polizei.
Ich komme zum nächsten Punkt, meine Damen und Herren. Er betrifft die Landeswohlfahrtsverbände. Das Prinzip der Aufgabenerledigung vor Ort wird auch auf die Landeswohlfahrtsverbände übertragen.
Die schon bislang ausschließlich in kommunaler Verantwortung liegenden Aufgaben der beiden Landeswohlfahrtsverbände Baden und Württemberg-Hohenzollern werden auf die Stadt- und Landkreise verlagert und die Landeswohlfahrtsverbände daher aufgelöst.
Der Gesetzentwurf sieht zudem die Errichtung eines Kommunalverbandes für Jugend und Soziales vor, weil bundesrechtlich zwingende Regelungen auch künftig die Existenz eines überörtlichen Trägers der Sozialhilfe notwendig machen. Dieser Kommunalverband wird auch übergreifende planerische und beratende Aufgaben für alle Stadt- und Landkreise wahrnehmen.
Eine der Hauptaufgaben der Kreise wird künftig die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen sein, die in den letzten Jahren stark steigende Fallzahlen zu verzeichnen hatte. Die damit verbundenen Kostenbelastungen werden durch die Verwaltungsreform mit Sicherheit nicht reduziert.
Dieses Problem kann diese Reform nicht lösen, weil es nur auf Bundesebene gelöst werden kann;
denn wir können die zugrunde liegenden Regelungen als Landesgesetzgeber nicht beeinflussen.
Für eine Lösung bedarf es der Anstrengung aller Länder und des Bundes.
Durch die Aufgabenverlagerung sind jedoch Synergien mit anderen Bereichen des Sozial-, Jugend- und Gesundheitswesens zu erwarten. Diese Bündelung kommt den Betroffenen zugute und reduziert die Kosten der Kreise.
Last, not least zur Justizreform: Die hohe Qualität der Justiz soll erhalten werden, zugleich müssen aber die Kosten reduziert werden.
Mit dem Gesetz zur Reform der Verwaltungsstruktur, zur Justizreform und zur Erweiterung des kommunalen Handlungsspielraums werden die Grundlagen geschaffen für eine Reform der Bewährungs- und Gerichtshilfe, die auch freie Träger zur Aufgabenerfüllung zulässt, für die Bestellung von bis zu 25 Notaren zur hauptberuflichen Amtsausübung im badischen Rechtsgebiet, für die Bündelung der Zuständigkeit für sämtliche Gerichtszweige beim Justizministerium durch die Verlagerung der Arbeitsgerichtsbarkeit und die für Konzentration von Standorten in der Finanzgerichtsbarkeit. Diese Maßnahmen sollen und werden dazu beitragen, die Funktionsfähigkeit der Justiz des Landes trotz immer knapper werdender Ressourcen zu gewährleisten.
Damit, meine Damen und Herren, habe ich dargestellt, welche Bandbreite diese Reform hat.
Ein ganz wesentlicher und schwieriger Punkt bei der Erarbeitung dieses Gesetzentwurfs war natürlich der Finanzausgleich in diesem Zusammenhang zwischen dem Land und den Kommunen. Die finanziellen Folgen dieser Reform waren Gegenstand zahlreicher intensiver Verhandlungen zwischen dem Finanzministerium und den kommunalen Landesverbänden. Dabei konnte in allen wesentlichen Fragen Einvernehmen erzielt werden. Ich bitte, mir in diesem Zusammenhang zu gestatten, mich ausdrücklich für die hervorragende Arbeit, die Herr Kollege Staatssekretär Rückert geleistet hat, bei ihm zu bedanken und dafür alle Anerkennung auszusprechen.
Ich will, lieber Herr Kollege Rückert, es mit meinen Worten so ausdrücken: Es ist sicherlich bekannt, dass mir nicht an der Wiege gesungen wurde, das Finanzministerium zu lieben. Aber zeitweise habe ich das Finanzministerium im Zusammenhang mit dieser Reform wirklich lieb gewonnen.
Es geht ja nach folgendem Muster: Nach dem Vorbild des Sonderbehörden-Eingliederungsgesetzes erhalten die Stadtund Landkreise die Personal- und Sachmittel, die das Land für die zu übertragenden Aufgaben zuletzt aufgewendet hat.
Die Abgeltung erfolgt, soweit dies möglich ist, pauschal über den im Finanzausgleichsgesetz geregelten Finanzausgleich. Die Pauschalierung hat den großen Vorteil, dass jeder Stadt- und Landkreis sein Budget im Voraus kennt. Die Stadt- und Landkreise entscheiden dann selbst, wie sie die Finanzmittel am effizientesten einsetzen. Die Stadt- und Landkreise erhalten einen Abgeltungsbetrag von knapp 330 Millionen €. Dieser Betrag wird jährlich an die Entwicklung der Personalkosten angepasst.
Gleichzeitig – das ist ja das Prinzip – wird der Ausgleich in den ersten sieben Jahren stufenweise vermindert, bis im Jahr 2011 eine Einsparung von 20 % erreicht ist. Das Gesamteinsparpotenzial der Verwaltungsreform einschließlich der auf der Landesseite zu erwirtschaftenden Rendite liegt nach vorläufigen Berechnungen des Finanzministeriums, bezogen auf das Jahr 2011, bei etwa 135 Millionen €. Diese Einsparungen kommen dem Landeshaushalt in Zukunft jährlich zugute, sodass ein dauerhafter Entlastungseffekt entsteht.
Den zweiten Schwerpunkt im Finanzteil des Gesetzentwurfs bilden die finanziellen Rahmenbedingungen der Auflösung der Landeswohlfahrtsverbände. Die Verlagerung der wesentlichen Aufgaben der Landeswohlfahrtsverbände auf die Stadt- und Landkreise ist übrigens weniger ein organisatorisches als vielmehr ein finanzielles Problem. Künftig entfallen die Landeswohlfahrtsumlagen mit einem Finanzvolumen von rund 1 Milliarde €. An deren Stelle tritt die örtliche Finanzierung und flankierend ein neuer, zweistufiger Soziallastenausgleich.
Durch die Überleitung des Personals – Trennungsgeld und Umzugskosten –, Umzugskosten für Büroeinrichtungen, die Erstausbildung des Personals im Bereich der Lebensmittelüberwachung sowie Kosten für die Ergänzung und Anpassung von IuK-Systemen entstehen einmalige Aufwendungen. Diese Aufwendungen werden aufgrund der Effizienzrendite in voraussichtlich rund drei Jahren amortisiert sein.
Meine Damen und Herren, wie Sie wissen, haben wir in den letzten Wochen und Monaten die Anhörung zu diesem Gesetzentwurf durchgeführt. Aufgrund der Ergebnisse dieser Anhörung wurde der Gesetzentwurf noch an zahlreichen Stellen geändert, auf die ich jetzt eingehen werde.
Das Innenministerium hat zu dem Gesetzentwurf 439 Verbände und Institutionen angehört. Der Anhörungsentwurf war außerdem über das Internet frei zugänglich. 21 Organisationen äußerten sich zusätzlich zu den angeschriebenen Stellen. Insgesamt nahmen 205 Organisationen Stellung. Alle Stellungnahmen wurden in einem intensiven, mehrstufigen Prozess ausgewertet.
In einer Anlage zum Entwurf des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes sind die wesentlichen Ergebnisse zusammengefasst. Auch wenn natürlich längst nicht allen geäußerten Anliegen entsprochen werden konnte, führte die Anhörung zu über 70 materiellen und mehreren Hundert redaktionellen Änderungen am Gesetzentwurf und der Begründung. Der Vorwurf, die Stellungnahmen seien kaum beachtet worden und die gesamte Anhörung sei folglich eine Farce, ist schlicht an den Haaren herbeigezogen, meine Damen und Herren.
Dazu komme ich jetzt.
Lieber Herr Kollege Drexler, in einem Punkt können wir Sie nicht zufrieden stellen: Wir bleiben beim dreistufigen Verwaltungsaufbau. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die Kritik.
Beispielhaft einige Punkte, die im Rahmen der Anhörung intensiv diskutiert wurden:
Der Gesetzentwurf enthält gegenüber dem Anhörungsentwurf im Hinblick auf die Privatisierung der Liegenschaftsvermessung die folgenden Änderungen:
Zum einen schließt das Landesvermessungsamt Zielvereinbarungen mit den unteren Vermessungsbehörden zur Erhöhung des Anteils der privaten Dienstleistungen und berücksichtigt dabei besonders die jeweiligen personellen Gegebenheiten.
Zweitens: Die unteren Vermessungsbehörden bei den Landratsämtern und Stadtkreisen werden verpflichtet, die Vergabe von Liegenschaftsvermessungen für die eigene Körperschaft an Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure in jedem Einzelfall zu prüfen.
Drittens enthält Artikel 179, Herr Kollege Fischer, Berichtspflichten über den erreichten Privatisierungsgrad im Bereich der Liegenschaftsvermessung zum 30. Juni 2007 und zum 30. Juni 2011.
Damit bleibt es bei dem Ziel, das ich bereits erwähnt habe: den Anteil der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure an Liegenschaftsvermessungen auf 80 % zu erhöhen.
Ergebnis der Anhörung ist auch, dass die Stadtkreise Baden-Baden und Freiburg nun einen finanziellen Ausgleich für ihre schon bestehenden körperschaftlichen Forstämter erhalten.
Dieser beruht darauf, dass die Aufgaben der forsttechnischen Betriebsleitung und der unteren Forstbehörde, die sie bislang freiwillig wahrgenommen haben, durch die Verwaltungsreform in Pflichtaufgaben umgewandelt werden. Die beiden Städte werden als Entgegenkommen des Landes somit finanziell den anderen Stadtkreisen gleichgestellt, ohne dass ein Rechtsanspruch auf diese Kostenerstattung besteht.
Vorsorglich sage ich auch: Für die beiden anderen körperschaftlichen Forstämter im Land, Villingen-Schwenningen und Biberach – dabei handelt es sich nicht um Stadtkreise –, konnte ein solcher Ausgleich nicht gewährt werden, da sich für diese beiden Städte durch die Verwaltungsreform an der Aufgabenwahrnehmung nichts ändert.
Aufgaben der Versorgungsverwaltung sind insbesondere das soziale Entschädigungsrecht und das Feststellungsrecht nach dem Schwerbehindertenrecht.
Das Bundesrecht, meine Damen und Herren, schränkt die Übertragung dieser Aufgaben auf die untere Verwaltungsebene gleich mehrfach ein. Zum einen können die bisherigen Aufgaben der acht Versorgungsämter nur auf die 35 Landratsämter als untere Verwaltungsbehörden übertragen werden. Weil das Kriegsopfer-Verwaltungsbehördengesetz eine Übertragung auf nichtstaatliche Stellen wie die Stadtkreise ausschließt, nehmen die Landratsämter diese Aufgaben auch in den angrenzenden Stadtkreisen wahr.
Zum Zweiten: Eine getrennte Wahrnehmung des sozialen Entschädigungsrechts und des Schwerbehindertenrechts war aufgrund des so genannten Koppelungsgebots bislang nicht möglich. Deshalb werden im Gesetzentwurf beide Aufgaben auf die Landkreise übertragen.
Ganz aktuell sind jedoch zu beiden Fragen neue Entwicklungen eingetreten. Der Bundestag hat die Länder ermächtigt, durch Landesrecht die Zuständigkeit für das Schwerbehindertenrecht auch auf die Stadtkreise zu übertragen. Das Land Hessen hat am 17. Mai 2003 beschlossen, eine Bundesratsinitiative zu ergreifen, wonach das KriegsopferVerwaltungsbehördengesetz ersatzlos gestrichen werden soll – was ein Segen wäre. Die Landesregierung wird deshalb diese Initiative im Bundesrat nachdrücklich unterstützen.
Die isolierte Übertragung der Zuständigkeit für das Schwerbehindertenrecht auf die Stadtkreise zum jetzigen Zeitpunkt wäre aber nur ein vorläufiger Zwischenschritt, weshalb die Landesregierung gegenwärtig von einer Übertragung Abstand genommen hat. Wir werden diese Frage aber nach Abschluss des Verfahrens auf Bundesebene erneut aufgreifen.
Dem Kommunalverband für Jugend und Soziales wird ein Katalog von Aufgaben übertragen, welche im neuen Jugend- und Sozialverbandsgesetz gesetzlich festgeschrieben sind. Dieser Katalog beruht auf den Ergebnissen einer umfassenden Abstimmung mit den kommunalen Landesverbänden. Vor allem die Sozialverbände haben jedoch gefordert, weitere Aufgaben auf den Kommunalverband zur zentralen Erfüllung durch Gesetz zu übertragen.
Die Landesregierung hält den vorgesehenen Aufgabenkatalog für notwendig, aber auch für ausreichend. Denn das Ziel der Reform ist ja eine möglichst weitgehende Aufgabenerledigung vor Ort. Die Stadt- und Landkreise haben als Verbandsmitglieder zudem die Möglichkeit, weitere Aufgaben zur Erledigung auf den Kommunalverband zu übertragen, wenn dies mehrheitlich gewollt wird und ein fachlicher Zusammenhang mit den gesetzlichen Aufgaben des Verbands besteht. Damit ist eine ausreichende Flexibilität bei der Aufgabenerfüllung durch die örtlichen Träger gewährleistet.
Ein Ergebnis der Anhörung, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist auch die Parallelzuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes. Für die gaststätten- und gewerberechtliche Nachschau wird diese Zuständigkeit nun beibehalten. Die Landesregierung folgt damit den in vielen Stellungnahmen vorgetragenen, vor allem rechts- und ordnungspolitischen Argumenten.
Sie hält dagegen die Kritik an der Bemessung der Stellen, die bisher beim Polizeivollzugsdienst für die Lebensmittelüberwachung und die damit unmittelbar verbundenen Aufgaben angesiedelt waren, und an deren Verteilung auf die Landratsämter und die Stadtkreise nicht für begründet. Die Schlagkraft der Lebensmittelüberwachung ist durch die Neuordnung nicht gefährdet, meine Damen und Herren.
Die Zuteilung von Personalstellen richtet sich ebenso wie die kreisscharfe Verteilung der Stellen an der Realität der derzeitigen Aufgabenwahrnehmung aus. Deren Standard und Qualität ist anerkannt hoch.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich jetzt nach dieser breiten Darstellung einige Themen aufgreifen, die bereits im Vorfeld für intensive Diskussionen sorgten. Wir sind davon überzeugt: Die Effizienzrendite wird nicht zu einer Erhöhung der Kreisumlage führen.
Hören Sie zu: Durch die Strukturreform werden staatliche Aufgaben in den Landratsämtern und in den Bürgermeisterämtern der Stadtkreise unter einem Dach gebündelt und können damit schneller, schlagkräftiger und auch kostengünstiger erledigt werden.
Effizienzrendite ist übrigens nicht mit „sturem Personalabbau“ gleichzusetzen. Das Einsparpotenzial wird selbstverständlich auch nicht in jedem Einzelbereich gleich hoch sein. Dies ist jedoch auch nicht notwendig, denn andere Bereiche haben dafür eine höhere Flexibilität und mehr Einsparmöglichkeiten. Staatliche und kommunale Aufgaben können zudem besser vernetzt und die vorhandene Fachkompetenz kann effektiver genutzt werden. Damit entstehen auch im Bereich der kommunalen Aufgabenerledigung Synergien.
In Querschnittsbereichen wie Organisation, Personalverwaltung und Kommunikationstechnik sind ebenfalls Optimierungsmöglichkeiten gegeben. Dies bedeutet auch, meine Damen und Herren, dass die Effizienzrendite nicht zwingend nur aus den Bereichen zu erbringen ist, die jetzt vom Land auf die Kreise übergehen.
Lassen Sie mich noch eines vorhersagen: Ich persönlich bin wie auch der Herr Ministerpräsident davon überzeugt, dass die Landkreise und die Stadtkreise das Chancenpotenzial – so will ich es einmal formulieren – unterschiedlich nutzen werden. Auch das liegt in der Natur der Sache. Aber auch hier ist Wettbewerb kein Schaden, sondern ein Vorteil.
In der Summe dieser Maßnahmen sind die Stadt- und Landkreise daher in der Lage, die Effizienzrendite, wie vorhin beschrieben, bis zum Jahr 2011 zu erbringen. Das Land vertraut hierbei auf die Selbstverwaltungskraft seiner Kreise. Eine Erhöhung von Kreisumlagen wird aus dieser Reform jedenfalls nicht resultieren.
Die Landesregierung appelliert an die Landräte, Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister: Nutzen Sie, meine Damen und Herren, die mit der Verwaltungsstrukturreform gebotene Chance, Organisationsstrukturen zu schaffen, Zuständigkeiten zu bündeln und Verwaltungsverfahren fachlich zu verzahnen!
Wir brauchen auch, meine Damen und Herren, keine gesetzlichen Regelungen zum Nachweis der Effizienzrendite. Dazu sage ich Folgendes: Die Stadt- und Landkreise müssen dem Innenministerium bis zum 30. Juni 2007 über die Umsetzung der Verwaltungsreform berichten. Die Landesregierung berichtet dem Landtag über die Ergebnisse. In der Begründung des Gesetzentwurfs ist ausdrücklich klargestellt, dass die Kreistage bzw. die Gemeinderäte an der Abfassung dieser Berichte zu beteiligen sind. Das ist kommunalverfassungsrechtlich eine schiere Selbstverständlichkeit.
Darüber hinausgehende Forderungen vor allem des Gemeindetags und des Städtetags, beispielsweise nach gesetzlichen Vorgaben für eine gesonderte Buchführung und für separate Nachweise in der Kosten- und Leistungsrechnung, hält die Landesregierung für nicht begründet, zumal die Kreistage und Gemeinderäte von sich aus doch ein Interesse daran haben und auch daran haben müssen und entsprechende Informationen von der Kreisverwaltung verlangen können.
Darüber hinaus bereitet der Landkreistag zurzeit zusammen mit der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für alle badenwürttembergischen Landkreise einen interkommunalen Vergleichsring „Kommunales Rechnungswesen“ vor. Auf der
Grundlage der kommunalen Kostenrechnungen wird ein Kennzahlensystem für ein Berichtswesen erarbeitet, mit dem die Kreise die im Zuge der Reform übernommenen Aufgaben steuern und die Erwirtschaftung der erwarteten Effizienzrendite beurteilen können. Die Landesregierung setzt auch hier voll und ganz auf das, was ich schon mehrfach gesagt habe, nämlich auf die Eigenverantwortung innerhalb der kommunalen Familie, und vertraut auf entsprechende Zusagen der Landräte und Oberbürgermeister, meine Damen und Herren.
Ich sage für die Landesregierung ganz eindeutig: Die Forderungen nach einer allgemeinen Revisionsklausel sind unbegründet.
Der Gesetzentwurf enthält in Artikel 180 eine Regelung zum Kostenersatz aufgrund von Aufgabenzuwächsen nach EU- oder Bundesrecht:
Werden... innerhalb einer Übergangszeit von zehn Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes neue Aufgaben übertragen, für deren Erfüllung das den Land- und Stadtkreisen zugewiesene Fachpersonal nicht ausreicht, gewährt das Land einen entsprechenden finanziellen Ausgleich.
Nein, Herr Kollege Zeller.
Diese Regelung entspricht exakt der Regelung im Sonderbehörden-Eingliederungsgesetz und geht über die Regelung – darauf können Sie sich ja beziehen – des Artikels 71 Abs. 3 der Landesverfassung hinaus, die ja bereits den Kostenersatz bei der Übernahme von Landesaufgaben regelt. Entsprechend wird dies für die Übertragung zusätzlicher Aufgaben von der EU- und der Bundesebene vorgesehen.
Nein, das ist ein Irrtum, Herr Kollege Drexler. Es ist nach der Landesverfassung keinesfalls selbstverständlich, dass wir uns bereit erklären, zusätzliche Kosten, die durch Aufgabenübertragung seitens der EU und des Bundes auf die Kommunen zukommen, zu übernehmen.
Die Landesverfassung bezieht sich nur auf die Aufgabenübertragung im Landesbereich. Sie müssen sich schon einmal richtig informieren.
Herr Kollege Drexler, auch für die Opposition empfiehlt sich ab und zu ein Blick in die Landesverfassung.
Den weiter gehenden Forderungen nach einer generellen Überprüfung des finanziellen Ausgleichs nach einigen Jahren, also dieser allgemeinen Revisionsklausel, sowie nach einem Schiedsverfahren für den Fall, dass sich das Land und die kommunale Seite dabei nicht über die Notwendigkeit oder das Maß einer Anpassung des Finanzausgleichs einigen, ist die Landesregierung – ich sagte es bereits – dagegen nicht gefolgt. Denn wir sind davon überzeugt, dass die Stadt- und Landkreise in der Lage sind, die Effizienzrendite zu erwirtschaften. Außerdem soll ein Effizienzgewinn gerade durch Synergieeffekte, kürzere Verfahrensdauern und geringeren Abstimmungsaufwand erreicht werden. Eine Überprüfung kann sich daher nicht an dem jetzt einzugliedernden Personal und dem Finanzausgleich – auch dies habe ich bereits gesagt – allein orientieren. Ferner müssten sich die Stadt- und Landkreise dann auch Einsparungen in der Folge wegfallender Aufgaben anrechnen lassen.
Auch eine Schiedsklausel, meine Damen und Herren, lehnt die Landesregierung ab. Streitfragen können in der bestehenden Finanzverteilungskommission, die ja aufgrund der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs ins Leben gerufen worden ist, geklärt werden. Ein eigenes Schiedsverfahren daneben ist nicht erforderlich.
Meine Damen und Herren, ich komme zu einem weiteren Punkt, der, glaube ich – –
Das geht nicht so schnell, Herr Kollege Haller. Das Gesetz ist viel zu umfassend. Das müssen Sie und auch ich eben einfach durchhalten.
Auch meine Stimme muss das durchhalten.
Ich komme zu einem Punkt, verehrter Herr Kollege Haller, lieber Kollege Haas, der, glaube ich, für den Erfolg dieser Verwaltungsreform auch von großer Bedeutung ist, nämlich zum Thema „Kooperationen zwischen Landratsämtern und Stadtkreisen“. Sie werden nun auch zur gemeinsamen Erfüllung staatlicher Aufgaben möglich sein. Die Stadt- und Landkreise konnten Kooperationen bisher nur zur gemeinsamen Erledigung kommunaler Aufgaben eingehen. Sie erhalten nunmehr mit dem neuen § 13 a des Landesverwaltungsgesetzes die Möglichkeit, nach eigener Gestaltung staatliche Aufgaben gemeinsam zu erfüllen.
Diese neuen Kooperationsformen bedeuten keine Verlagerung oder Konzentration von Zuständigkeiten. An der Einräumigkeit der Verwaltung ändert sich dadurch nichts. Sie ermöglichen vielmehr den Einsatz von qualifiziertem Fach
personal in Kompetenzzentren für mehrere Kreise. Sparpotenziale ergeben sich beispielsweise auch durch den gemeinsamen Einsatz teurer Geräte. Ich möchte deshalb auch heute – und ich glaube, im Namen des ganzen hohen Hauses – an die Landräte, an die Oberbürgermeisterinnen, an die Oberbürgermeister appellieren:
Nutzen Sie, meine Damen und Herren im kommunalen Bereich, verstärkt diese neue Möglichkeit von Kooperationen, um Synergien zu steigern, Kosten zu senken und dennoch die Qualität der Leistungen zu halten!
Nicht jeder Kreis muss und kann hoch spezialisierte Fachleute oder teure Geräte vorhalten.
In manchen Bereichen, beispielsweise in der Versorgungsverwaltung,
beispielsweise auch in der Schulverwaltung, sind solche Kooperationen aus meiner Sicht nahezu zwingend.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, auf einen Punkt eingehen, der auch in der Diskussion im Vorfeld dieser heutigen Ersten Beratung schon eine große Rolle gespielt hat, wofür ich auch Verständnis hatte. Es ist das Thema Aufgabenkritik. Die Aufgabenkritik, also die Frage, die uns alle umtreibt, bei der aber, Herr Kollege Drexler – ich habe es eingangs schon gesagt –, noch niemand in Deutschland, auch Herr Clement nicht, auch SPD-Regierungen in anderen Ländern nicht, den großen Durchbruch geschafft hat, das Thema Aufgabenabbau gehen wir in der Weise an, dass wir sagen: Die Aufgabenkritik muss denknotwendigerweise der strukturellen Bereinigung folgen.
Nein, warten Sie ab. – Die Landesregierung lässt im Übrigen keinen Zweifel daran, dass staatliche Aufgaben auch nach der Verabschiedung des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes in einem gemeinsamen Vorhaben mit der kommunalen Seite einer umfassenden Aufgabenkritik unterzogen werden müssen. In dieses Vorhaben müssen gerade auch die Aufgaben einbezogen werden, die bisher von den unteren Sonderbehörden wahrgenommen wurden. Mit der Neuordnung der Verwaltungsstruktur durch dieses Gesetz werden ja die Voraussetzungen geschaffen, auf deren Grundlage die sich nun anschließende Aufgabenkritik auch tatsächlich hoffentlich zählbaren und nachhaltigen Erfolg verspricht.
Ich weise aber, weil uns dieses Thema ja schon lange beschäftigt und uns aufreibt, auch noch einmal darauf hin: Man darf sich über die Schwierigkeit der ganzen Problematik auch keinen Illusionen hingeben. Es wäre der entschei
dende Erfolg, wenn es uns gelänge, bei diesem ganzen Segment im Unterschied zu allen anderen in Deutschland, die dabei bisher ja auch immer nichts Habhaftes zustande gebracht haben, endlich einmal auf die Erfolgsspur zu kommen.
Herr Kollege Stickelberger, ich weise darauf hin, dass auch dieser Gesetzentwurf bereits zahlreiche Maßnahmen enthält, die eindeutig unter die Kategorie Aufgabenkritik fallen. So umfasst der Entwurf signifikante Ansätze zur Senkung von Standards und außerdem rund 20 Aufgaben, die bisher von den Landratsämtern und den Stadtkreisen als unteren Verwaltungsbehörden und künftig auch von den Großen Kreisstädten und Verwaltungsgemeinschaften wahrgenommen werden.
Wir werden auch versuchen, über einen Ombudsmann für Bürokratieabbau weitere Erfolge zu erzielen. An diesen Ombudsmann – so ist es vorgesehen – sollen sich Bürger, Unternehmen, Verbände und Organisationen wenden können.
Meine Damen und Herren, ich will noch auf einen weiteren Punkt hinweisen. Die Kommunen können durch das dem Reformvorhaben angeschlossene Standardbefreiungsgesetz von kommunalbelastenden landesrechtlichen Standards abweichen. Der Handlungsspielraum der kommunalen Selbstverwaltung ist wegen der von den Kommunen zu beachtenden Personal-, Sach- und Verfahrensstandards erheblich beeinträchtigt. Dem begegnen wir mit dem Gesetz zur Befreiung von kommunalbelastenden Standards, also diesem Standardbefreiungsgesetz als Bestandteil des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes.
Mit einer Experimentierklausel wird den Kommunen die Möglichkeit eröffnet, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben von kommunalbelastenden landesrechtlichen Standards abzuweichen, wenn der Zweck auch auf andere Art und Weise als durch die Erfüllung solcher Vorgaben sichergestellt ist.
Vor Ort können so kostensparende oder alternative Regelungen von Lebenssachverhalten gefunden werden, die dem Sinn der Vorgaben ebenso entsprechen oder ihn besser erfüllen.
Meine Damen und Herren, alle Erfahrungen zeigen, dass man bei diesem Thema, das uns, wie gesagt, ja schon lange beschäftigt und bei dem wir alle unglücklich darüber sind, dass man bisher nicht mehr erreicht hat, meistens über solche Experimentierklauseln am Schluss noch am ehesten zu praktischen Erfolgen kam.
Dann, meine Damen und Herren, zu einem weiteren Punkt. Es ist mir wichtig, mich auch ausführlich zu Personalfragen zu äußern. Die Reform erfasst insgesamt rund 20 000 Beschäftigte. Von der Eingliederung der unteren Sonderbehörden in die Kreise sind rund 12 000 Beschäftigte betrof
fen. Davon entfallen rund 7 100 Stellen auf Beamte, Angestellte und Arbeiter sowie fast 4 900 so genannte Sachmittelstellen auf Waldarbeiter und Straßenwärter. Die Beamtinnen und Beamten des höheren Dienstes und die vergleichbaren Angestellten auf weiteren insgesamt rund 1 150 Stellen werden künftig ebenfalls den Landratsämtern zugeordnet. Sie bleiben aber wie alle Beamten des Vollzugsdienstes der Polizei Beschäftigte des Landes. Von den unteren und den höheren Sonderbehörden sowie den Landesoberbehörden wechseln rund 7 000 Beschäftigte zu den Regierungspräsidien.
Die personalvertretungsrechtliche Beteiligung ist auch in der Übergangsphase sichergestellt. Die Aufhebung von Dienststellen kann für die betroffenen Beschäftigten erhebliche persönliche Folgen haben, beispielsweise hinsichtlich Ort und Art ihrer weiteren Beschäftigung. Daneben stellen sich Fragen der Integration in die aufnehmende Dienststelle, die eine personalvertretungsrechtliche Beteiligung erfordern können. Die Beschäftigten der einzugliedernden Dienststellen, deren Personalvertretungen mit der Auflösung der Dienststelle untergehen, sollen daher bei den neuen Dienststellen während der Übergangsphase bis zur nächsten Personalratswahl durch Übergangspersonalräte vertreten werden, die neben die bereits vorhandenen Personalräte der aufnehmenden Dienststelle treten. Aufgrund der Anhörungsergebnisse wurden die Regelungen für diese Übergangspersonalräte nochmals verbessert.
In der Anhörung wurden auch Vorschläge gemacht, wie den Auswirkungen der Verwaltungsreform auf die Vertretung der weiblichen Beschäftigten bei den Regierungspräsidien begegnet werden kann. Dies betrifft insbesondere die zukünftige Vertretung der Frauen aus den Bereichen der Oberschulämter und der Landespolizeidirektionen. Die Landesregierung wird diese Vorschläge im Rahmen der beabsichtigten Novellierung des Gesetzes zur Förderung der beruflichen Chancen für Frauen und der Vereinbarung von Familie und Beruf im öffentlichen Dienst des Landes Baden-Württemberg aufgreifen.
Aufgreifen.
Die Reform berücksichtigt die Belange der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir nehmen diese Belange auch sehr ernst. Auf die sozialverträgliche Umsetzung der Maßnahmen wird daher ein besonderes Augenmerk gelegt. Deshalb werden die entsprechenden Regelungen aus dem Sonderbehörden-Eingliederungsgesetz von 1994 sowie die Grundsätze der Landesregierung zur sozialverträglichen Umsetzung der Neuordnung von Behörden aus dem Jahr 1997 grundsätzlich angewandt. Die kommunalen Landesverbände wurden bereits frühzeitig ausdrücklich gebeten – wir erwarten dies auch –, bei ihren Mitgliedern, insbesondere den Land- und den Stadtkreisen, darauf hinzuwirken, bei Stellenbesetzungen von der Reform betroffene Beschäftigte des Landes mit gleicher Eignung vorrangig zu berücksichtigen.
Meine Damen und Herren, die zu den Kreisen wechselnden Beschäftigten werden ihren Besitzstand behalten. Keine Mitarbeiterin und kein Mitarbeiter muss eine reformbedingte Kündigung befürchten.
Betriebsbedingte Kündigungen sind theoretisch nur möglich, wenn die Annahme eines zumutbaren Arbeitsplatzes abgelehnt wird. Die Lohnsicherung und die Anwendung des Tarifvertrags über den Rationalisierungsschutz werden durch besondere Regelungen sichergestellt. Der Besitzstand umfasst auch die Beibehaltung der wöchentlichen Arbeitszeit, die beim Land am Tag vor dem Wechsel vereinbart war. Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände hat zwar die Kündigung ihrer Tarifverträge noch in diesem Jahr in den Raum gestellt.
Auch unter dem Eindruck der Gespräche, die ich mit den Präsidenten der kommunalen Landesverbände geführt habe, vertritt die Landesregierung aber die Auffassung, dass allen Arbeitnehmern, die zu den Kreisen wechseln, die Arbeitsbedingungen anzubieten sind, die beim Land arbeitsvertraglich am Tag vor der Übernahme gegolten haben.
Wir nehmen auch auf besondere Interessen Rücksicht. Ist künftig etwa mehr Mobilität erforderlich, darf diese einen vertretbaren Umfang nicht übersteigen. Die Landesregierung ist bemüht, Härtefälle im Rahmen ihrer Möglichkeiten auszuschließen und auf räumlich ausgewogene, die familiären und sonstigen Interessen der einzelnen Beschäftigten berücksichtigende Lösungen zu achten.
Da Teilzeitbeschäftigte, in der Regel Frauen, besonders betroffen sein können, sind die personalverwaltenden Stellen gehalten, für diese vorrangig eine Unterbringung bei einer Dienststelle in Wohnortnähe anzustreben.
Gleiches gilt für schwerbehinderte Beschäftigte. Die kommunalen Landesverbände wurden auch auf ihre Verpflichtung und die Verantwortung ihrer Mitglieder hingewiesen, für Beschäftigte, die aus familiären oder anderen Gründen räumlich gebunden sind, nach befriedigenden Lösungen zu suchen.
Der Zeitpunkt des Personalübergangs ist an den Zeitpunkt des Aufgabenübergangs am 1. Januar 2005 geknüpft. Ein Wechsel zu einem Stadt- oder Landkreis mit dem Anspruch der Übernahme kann in der Regel nur bis zum 1. Januar 2005 erfolgen. Ausnahmen davon, das heißt der Übergang zu einem späteren Zeitpunkt, sind in besonders begründeten sozialen Härtefällen bis längstens 30. Juni 2005 möglich. Dies sicherten die Geschäftsführer des Landkreistags und des Städtetags jüngst nochmals schriftlich für die kommunale Seite zu.
Meine Damen und Herren, auch der Übergang der Beschäftigten der Landeswohlfahrtsverbände wird sozialverträglich gestaltet.
Die Regelungen im Verwaltungsstruktur-Reformgesetz zum Übergang der Beschäftigten des Landes werden nicht auf den Übergang der Beschäftigten der Landeswohlfahrtsverbände angewendet. Grund hierfür ist im Wesentlichen die einfache Tatsache, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landeswohlfahrtsverbände kommunale Bedienstete sind und bleiben und das Land sich deshalb mit einer Regelung zurückhalten muss. Die Vertreter des Städtetags und des Landkreistags haben in Gesprächen aber mehrfach betont, dass zwischen sämtlichen Beteiligten einvernehmlich ein sozialverträglicher Übergang angestrebt werde. Inzwischen werden innerhalb der Landeswohlfahrtsverbände bereits Kriterien für eine soziale Auswahl des Personals erarbeitet, die nach Konstituierung der Organe des Kommunalverbands für Jugend und Soziales konkretisiert werden sollen. Aufgrund dieser Zusagen erwartet die Landesregierung und darf dies auch erwarten, dass auch der Übergang der Beschäftigten der Landeswohlfahrtsverbände sozialverträglich gestaltet wird.
Deshalb, meine Damen und Herren, will ich für die Landesregierung auch heute noch einmal klar sagen:
Das Vertrauen, welches das Land mit dieser Reform in die Stadt- und Landkreise setzt, sollte gerade auch bei dem Übergang des Personals nicht enttäuscht werden. Die Landesregierung appelliert deshalb an die Landräte und an die Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister:
Berücksichtigen Sie bei Stellenbesetzungen vorrangig von der Reform betroffene Beschäftigte des Landes mit gleicher Eignung! Bieten Sie allen Arbeitnehmern, die zu den Kreisen wechseln wollen, mindestens die Arbeitsbedingungen an, die beim Land arbeitsvertraglich am Tag vor der Übernahme gegolten haben!
Suchen Sie für Beschäftigte, die aus familiären oder anderen Gründen räumlich gebunden sind, nach akzeptablen Lösungen! Tragen Sie auch in den Fällen, in denen eine Entscheidung über den Wechsel zum Kreis aus guten Gründen nicht rechtzeitig möglich ist, das Ihre zu einem reibungslosen Wechsel des Personals bei!
Sorgen Sie auch bei den Beschäftigten der Landeswohlfahrtsverbände für einen sozialverträglich gestalteten Übergang!
Meine Damen und Herren, es ist mir ein Anliegen, mich jetzt auch bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ministerien – des Innenministeriums, des Finanzministeri
ums, der anderen Ressorts –, bei den Mitarbeitern der Regierungspräsidien und der kommunalen Landesverbände ganz herzlich für ihre konstruktive Mitarbeit zu bedanken. In diesen Dank will ich ausdrücklich auch die beiden Fraktionen, die die Regierung tragen, einbeziehen.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren von der Opposition, mit einem an Sie gerichteten Wort schließen:
Ich weiß bzw. ich befürchte, die Opposition will diese Reform nicht.
Sie haben sich dazu im Übrigen auch mit den üblichen Lobbyisten verbündet.
Ich darf heute aber noch einmal auf das hinweisen, was ich schon mehrfach gesagt und was ich auch heute wieder angedeutet habe: Die Unterschiede sind eigentlich gar nicht so groß. Es geht immer nur um diese Uraltfrage „zweistufiger oder dreistufiger Verwaltungsaufbau“.