Protokoll der Sitzung vom 16.05.2002

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 26. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.

Urlaub für heute habe ich Frau Abg. Queitsch, Frau Abg. Weckenmann und Herrn Abg. Alfred Haas erteilt.

Dienstlich verhindert sind Herr Finanzminister Stratthaus, Herr Wirtschaftsminister Dr. Döring und heute Nachmittag Herr Minister Dr. Frankenberg.

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Winckler hat heute Geburtstag.

(Beifall im ganzen Haus)

Im Namen des ganzen Hauses gratuliere ich Ihnen, Herr Kollege Winckler, sehr herzlich und wünsche Ihnen alles Gute.

Damit treten wir in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte Die Technologieregion Karlsruhe Bilanz und Perspektive beantragt von der Fraktion der CDU

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Vetter.

Herr Präsident, sehr verehrte, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich hier im Karlsruher Rathaus spreche, dann denke ich daran, dass das Württemberglied mit folgendem Text anfängt: „Preisend mit viel schönen Reden...“ Das dürfen Sie heute von mir über den badischen Landesteil erwarten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der FDP/DVP und der Grünen)

Ich will aber gleich hinzufügen, dass ich ein kurpfälzischer Badener bin, dass ich in meinem Leben gelernt habe, dass die Bewohner der anderen Landesteile die Schwaben, die Franken, die Hohenzollern, die Vorderösterreicher, die Hohenloher, die „Seehasen“ liebenswürdige Menschen sind und dass es eine Lust ist, in diesem Land mit all diesen Räumen zusammenzuarbeiten.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen)

Meine Damen und Herren, ich bin ein Badener, ein alter Badener, aber kein Altbadener. Ich möchte deswegen gleich sagen: Diese Hymne ist auch nicht ohne Kritik. Ich muss auch sagen: Wir müssen in diesem Land im Wettbe

werb darauf aufpassen, dass das einnehmende Wesen der verschiedenen Regionen nicht überbordet.

Damit beginne ich mit meiner Technologieregion. Diese Technologieregion, meine Damen und Herren, ist ein Erfolgsmodell regionaler Verwaltung, regionaler Ordnung von gesellschaftlichen Systemen. Sie ist einmal als eine Idee aus dem Sprengel der nordbadischen Oberbürgermeister entstanden, damals entstanden aus einer Gemeinsamkeit aller Parteien als ein bewusst organisiertes Sprachrohr des badischen Raumes und als eine Organisation, die versucht, ohne Verwaltungsreform moderne Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik zu betreiben.

Die Idee der Technologieregion ist aus einer Begegnung entstanden, die ich in Philadelphia in den USA hatte. Dort war die regionale Zusammenarbeit folgendermaßen organisiert: Die Stadt Philadelphia war das Arbeitsamt, die Universität in Philadelphia war für die Stadtsanierung verantwortlich, und die Wirtschaft kümmerte sich um die gesamte Infrastruktur bis hin zum Straßenbau. Das heißt, dort wurden keine neuen Verwaltungen geschaffen, sondern es wurde das System einer engen Zusammenarbeit aller Disziplinen gewählt.

Meine Damen und Herren, so ist diese Technologieregion aus dem Sprengel der Oberbürgermeister entstanden. Sie ist ein Modell der Zusammenarbeit von Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Verwaltung, ein Modell der Zusammenarbeit zwischen Kommunalpolitik und Landespolitik, und zwar ohne Verwaltungsreform, ohne neue Regelungen, ohne neue Behörden.

(Zuruf des Abg. Wintruff SPD)

Darauf komme ich gleich zurück, Kollege Wintruff.

Das ist also die Technologieregion: Neun Städte, zwei Landkreise und der Regionalverband Mittlerer Oberrhein bilden eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts mit einem fünfköpfigen Vorstand. Der Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe, dieser schönen und solide geführten Stadt, ist der Vorsitzende. Karlsruhe ist das unbestrittene Oberzentrum.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, eine Regionalkonferenz berät uns, und diese Regionalkonferenz besteht aus Vertretern von Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Verwaltung.

Die Geschäftsführung obliegt der Stadt Karlsruhe, der Industrie- und Handelskammer und dem Regionalverband in

Arbeitsteilung. Die Finanzierung erfolgt durch Beiträge, Zuschüsse und Förderbeiträge. Die Umlage beträgt übrigens 51 Cent pro Kopf der Bevölkerung im Jahr. Dies ist in meinen Augen zu wenig, um eine ordentliche Geschäftsführung zu gewährleisten. Das ist meine persönliche Meinung. Diese Umlage müsste eigentlich erhöht werden, damit wir schlagkräftiger werden.

Meine Damen und Herren, das ist also die Technologieregion Karlsruhe: keine neue Behörde, keine neue Verwaltungsebene, sondern Kompetenz- und Innovationsverbund, gegründet auf Freiwilligkeit, Interdisziplinarität und Solidarität. Es gibt also keine Behörde, sondern eine Denkfabrik, die die wichtigsten regionalen Aufgaben formuliert, Ideen produziert, im Wettbewerb der Regionen den Willen der Region formuliert und den bestehenden Gemeinderäten, Kreistagen, Regionalversammlungen diese Ideen präsentiert und dort für schnelle Entscheidungen sorgt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das, meine Damen und Herren, ist in meinen Augen die wirkliche Notwendigkeit: nicht neue Bürokratien schaffen, sondern diese Kooperation effektiv gestalten. Das ist die neue Zusammenarbeit, keineswegs also neue Vorschriften. Auch nicht wie das der Kollege Wintruff eben als Zwischenruf zum Ausdruck gebracht hat ein Parlament neu schaffen, keinen Oberlandkreis, keinen Oberstadtkreis, sondern Zusammenarbeit der Exekutive mit Wirtschaft, Kultur auch über die Grenzen hinweg.

Wenn Sie so wollen, meine Damen und Herren ich komme noch einmal darauf zurück , so ist dies der badische Weg.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU Unruhe bei der SPD Zurufe der Abg. Dr. Caroli und Win- truff SPD)

Das ist der badische Weg, der sich deutlich von dem Weg der Zwischenrufer unterscheidet, nämlich dem Weg, den man hier nicht will, dem Stuttgarter Weg.

(Zurufe von der SPD)

Die Entscheidung der Landesregierung, Freiheit zu lassen, ist die richtige Entscheidung: Jeder Region ihr eigenes Modell.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Es geht also, um es noch einmal deutlich zu sagen, meine Kolleginnen und Kollegen, um ein Kooperationsmodell der Exekutive. Deswegen geht die Überlegung mit so genannter demokratischer Legitimation durch ein Regionalparlament am Thema vorbei. Das ist die Frage einer Verwaltungsreform. Wir schaffen keine neue Verwaltung, sondern wir schaffen ein Kooperationsmodell der Exekutive und stützen uns auf die vorhandenen demokratischen Legitimierungen vorhandener Gremien. Die Landkreise arbeiten gut, die Städte und Gemeinden werden mit keiner Verwaltungsreform beseitigt werden. Wir haben eine gute demokratische Legitimation.

Meine Damen und Herren, das wurde in der Technologieregion Karlsruhe erreicht: Erstens werden auf 6 % der Fläche und von 9 % der Einwohner Baden-Württembergs

10,5 % des Bruttoinlandsprodukts erzeugt. Bis Anfang der Neunzigerjahre lagen wir beim Wachstum in dieser Region im Landesdurchschnitt. In den Neunzigerjahren haben wir die Bruttowertschöpfung um 155 % erhöhen können.

(Abg. Wieser CDU: Musterländle!)

Die regionale Exportquote stieg in den Achtziger- und Neunzigerjahren von 10 % auf 38,5 %.

Dank Mittelstand und weniger Großfirmen haben wir eine relativ niedrige Arbeitslosigkeit und das zweithöchste Arbeitsplatzangebot aller baden-württembergischen Regionen: 370 000 Arbeitsplätze.

Wir haben 4,5 Millionen Quadratmeter plangesicherte Investitionsfläche in der Region. Erfolgreich umgesetzte regionale Projekte sind der Baden-Airpark Söllingen, die Müllentsorgung, der Nahverkehr. Übrigens ist das, was hier im Nahverkehr geschehen ist, ein europäisches Vorzeigemodell, das seinesgleichen in ganz Europa sucht. Wir haben beim Nahverkehr einen Zuwachs und allein eine Übersteigquote von 5,4 % im letzten Jahr. Diese Übersteigquote hält im Karlsruher Raum an.

In diesem Bereich gibt es und das ist offensichtlich ein gut gehütetes Geheimnis eine der reichsten Hochschulund Forschungslandschaften Europas mit einer Technischen Hochschule, die übrigens von den badischen Großherzögen einmal als ein Gegenmodell gegen Frankreich und England gegründet worden ist mit deren

(Zurufe von der SPD)

theoriebezogener Ausbildung. Unsere Technische Hochschule war schon immer eine Mischung von Praxis und Theorie, also Technische Hochschule, Fachhochschule, Berufsakademie, Musikhochschule, Hochschule für Gestaltung usw., auch die Private Hochschule Bruchsal nicht zu vergessen.

In dieser Region unterrichten 3 500 Wissenschaftler 20 000 Studenten. Ein Erfolg ist auch und das wird uns von außen immer wieder bescheinigt , dass diese Region eine Hochtechnologieregion geworden ist: Rang 2 in Europa mit 21 % aller Beschäftigten im Hochtechnologiebereich. Unter den 97 deutschen Regionen nehmen wir Platz 4 ein.

Meine Damen und Herren, in Sachen Informatik, Nanotechnologie und Mikrosystemtechnik ist in dieser Region eine absolute Führerschaft gegeben. Das muss man deutlich sagen.

Die Technologiefabrik Karlsruhe ist der Schmelztiegel zahlreicher Start-up-Gründungen. Hier wurden binnen weniger Jahre 3 000 Arbeitsplätze neu geschaffen.

Meine Damen und Herren, ein wichtiges Thema dieser Region beinahe das wichtigste ist Wissenstransfer, Forschung und Entwicklung. Regionale Netzwerke wie die Karlsruher Informatikkooperation vernetzen Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Ich will ein Beispiel dafür nennen: Die Synchrotronquelle hier in Karlsruhe ist ein ganz wichtiges Forschungsinstrument für die Nanotechnologie und Mikrosystemtechnik und steht der Industrie und vor allem auch den kleinen und mittleren Unternehmen für anwendungsbezogene Experimente zur Verfügung.

Im Technologiepark Karlsruhe gibt es eine der ersten Adressen für Hightechunternehmen. Im hochdominanten Dienstleistungsbereich haben wir ein unglaubliches Wachstum in dieser Region: 60 % aller Arbeitsplätze sind im Dienstleistungsbereich. Dies ist übrigens eine typisch badische Orientierung. Württemberg hat eher den Produktionsbereich. Wir sind ganz besonders stark im Dienstleistungsbereich, der ja auch ein Wachstumsbereich ist.

Meine Damen und Herren, wichtig ist, einfach festzuhalten: Seit Gründung der Technologieregion Karlsruhe haben wir einen Anstieg der Zahl der Unternehmen von 28 496 auf 49 281. Ich sage dies mit dem gebührenden Stolz und der gebührenden Bescheidenheit, und trotzdem kann ich nur sagen: Es ist recht so, dass diese Region deswegen als eine der besten Gründerregionen von der EU den Award of Excellence bekommen hat.