Die isolierte Übertragung der Zuständigkeit für das Schwerbehindertenrecht auf die Stadtkreise zum jetzigen Zeitpunkt wäre aber nur ein vorläufiger Zwischenschritt, weshalb die Landesregierung gegenwärtig von einer Übertragung Abstand genommen hat. Wir werden diese Frage aber nach Abschluss des Verfahrens auf Bundesebene erneut aufgreifen.
Dem Kommunalverband für Jugend und Soziales wird ein Katalog von Aufgaben übertragen, welche im neuen Jugend- und Sozialverbandsgesetz gesetzlich festgeschrieben sind. Dieser Katalog beruht auf den Ergebnissen einer umfassenden Abstimmung mit den kommunalen Landesverbänden. Vor allem die Sozialverbände haben jedoch gefordert, weitere Aufgaben auf den Kommunalverband zur zentralen Erfüllung durch Gesetz zu übertragen.
Die Landesregierung hält den vorgesehenen Aufgabenkatalog für notwendig, aber auch für ausreichend. Denn das Ziel der Reform ist ja eine möglichst weitgehende Aufgabenerledigung vor Ort. Die Stadt- und Landkreise haben als Verbandsmitglieder zudem die Möglichkeit, weitere Aufgaben zur Erledigung auf den Kommunalverband zu übertragen, wenn dies mehrheitlich gewollt wird und ein fachlicher Zusammenhang mit den gesetzlichen Aufgaben des Verbands besteht. Damit ist eine ausreichende Flexibilität bei der Aufgabenerfüllung durch die örtlichen Träger gewährleistet.
(Beifall des Abg. Dr. Noll FDP/DVP – Abg. Sti- ckelberger SPD: Lebhafter Beifall des Abg. Dr. Noll! – Heiterkeit bei der SPD – Abg. Capezzuto SPD: Sein letzter Fan! – Unruhe)
Ein Ergebnis der Anhörung, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist auch die Parallelzuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes. Für die gaststätten- und gewerberechtliche Nachschau wird diese Zuständigkeit nun beibehalten. Die Landesregierung folgt damit den in vielen Stellungnahmen vorgetragenen, vor allem rechts- und ordnungspolitischen Argumenten.
Sie hält dagegen die Kritik an der Bemessung der Stellen, die bisher beim Polizeivollzugsdienst für die Lebensmittelüberwachung und die damit unmittelbar verbundenen Aufgaben angesiedelt waren, und an deren Verteilung auf die Landratsämter und die Stadtkreise nicht für begründet. Die Schlagkraft der Lebensmittelüberwachung ist durch die Neuordnung nicht gefährdet, meine Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Drexler SPD: Na ja! Warten wir mal ab! Viel zu wenig Personal!)
Die Zuteilung von Personalstellen richtet sich ebenso wie die kreisscharfe Verteilung der Stellen an der Realität der derzeitigen Aufgabenwahrnehmung aus. Deren Standard und Qualität ist anerkannt hoch.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich jetzt nach dieser breiten Darstellung einige Themen aufgreifen, die bereits im Vorfeld für intensive Diskussionen sorgten. Wir sind davon überzeugt: Die Effizienzrendite wird nicht zu einer Erhöhung der Kreisumlage führen.
Hören Sie zu: Durch die Strukturreform werden staatliche Aufgaben in den Landratsämtern und in den Bürgermeisterämtern der Stadtkreise unter einem Dach gebündelt und können damit schneller, schlagkräftiger und auch kostengünstiger erledigt werden.
Effizienzrendite ist übrigens nicht mit „sturem Personalabbau“ gleichzusetzen. Das Einsparpotenzial wird selbstverständlich auch nicht in jedem Einzelbereich gleich hoch sein. Dies ist jedoch auch nicht notwendig, denn andere Bereiche haben dafür eine höhere Flexibilität und mehr Einsparmöglichkeiten. Staatliche und kommunale Aufgaben können zudem besser vernetzt und die vorhandene Fachkompetenz kann effektiver genutzt werden. Damit entstehen auch im Bereich der kommunalen Aufgabenerledigung Synergien.
In Querschnittsbereichen wie Organisation, Personalverwaltung und Kommunikationstechnik sind ebenfalls Optimierungsmöglichkeiten gegeben. Dies bedeutet auch, meine Damen und Herren, dass die Effizienzrendite nicht zwingend nur aus den Bereichen zu erbringen ist, die jetzt vom Land auf die Kreise übergehen.
Lassen Sie mich noch eines vorhersagen: Ich persönlich bin wie auch der Herr Ministerpräsident davon überzeugt, dass die Landkreise und die Stadtkreise das Chancenpotenzial – so will ich es einmal formulieren – unterschiedlich nutzen werden. Auch das liegt in der Natur der Sache. Aber auch hier ist Wettbewerb kein Schaden, sondern ein Vorteil.
In der Summe dieser Maßnahmen sind die Stadt- und Landkreise daher in der Lage, die Effizienzrendite, wie vorhin beschrieben, bis zum Jahr 2011 zu erbringen. Das Land vertraut hierbei auf die Selbstverwaltungskraft seiner Kreise. Eine Erhöhung von Kreisumlagen wird aus dieser Reform jedenfalls nicht resultieren.
(Abg. Zeller SPD: Das täuscht aber! – Gegenruf des Abg. Blenke CDU: Abwarten! – Abg. Drexler SPD: Karlsruhe-Land erkundigt sich!)
Die Landesregierung appelliert an die Landräte, Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister: Nutzen Sie, meine Damen und Herren, die mit der Verwaltungsstrukturreform gebotene Chance, Organisationsstrukturen zu schaffen, Zuständigkeiten zu bündeln und Verwaltungsverfahren fachlich zu verzahnen!
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Zurufe der Abg. Dr. Noll FDP/DVP und Ursula Haußmann SPD – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Da klatscht nur die FDP/DVP!)
Wir brauchen auch, meine Damen und Herren, keine gesetzlichen Regelungen zum Nachweis der Effizienzrendite. Dazu sage ich Folgendes: Die Stadt- und Landkreise müssen dem Innenministerium bis zum 30. Juni 2007 über die Umsetzung der Verwaltungsreform berichten. Die Landesregierung berichtet dem Landtag über die Ergebnisse. In der Begründung des Gesetzentwurfs ist ausdrücklich klargestellt, dass die Kreistage bzw. die Gemeinderäte an der Abfassung dieser Berichte zu beteiligen sind. Das ist kommunalverfassungsrechtlich eine schiere Selbstverständlichkeit.
Darüber hinausgehende Forderungen vor allem des Gemeindetags und des Städtetags, beispielsweise nach gesetzlichen Vorgaben für eine gesonderte Buchführung und für separate Nachweise in der Kosten- und Leistungsrechnung, hält die Landesregierung für nicht begründet, zumal die Kreistage und Gemeinderäte von sich aus doch ein Interesse daran haben und auch daran haben müssen und entsprechende Informationen von der Kreisverwaltung verlangen können.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Pfister FDP/DVP: Und müssen! – Gegenruf des Abg. Drexler SPD: „Müssen“ nicht!)
Darüber hinaus bereitet der Landkreistag zurzeit zusammen mit der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für alle badenwürttembergischen Landkreise einen interkommunalen Vergleichsring „Kommunales Rechnungswesen“ vor. Auf der
Grundlage der kommunalen Kostenrechnungen wird ein Kennzahlensystem für ein Berichtswesen erarbeitet, mit dem die Kreise die im Zuge der Reform übernommenen Aufgaben steuern und die Erwirtschaftung der erwarteten Effizienzrendite beurteilen können. Die Landesregierung setzt auch hier voll und ganz auf das, was ich schon mehrfach gesagt habe, nämlich auf die Eigenverantwortung innerhalb der kommunalen Familie, und vertraut auf entsprechende Zusagen der Landräte und Oberbürgermeister, meine Damen und Herren.
Ich sage für die Landesregierung ganz eindeutig: Die Forderungen nach einer allgemeinen Revisionsklausel sind unbegründet.
(Abg. Drexler SPD: Dann können Sie es doch ma- chen! – Abg. Oelmayer GRÜNE: Dann können Sie die doch locker einbauen!)
Der Gesetzentwurf enthält in Artikel 180 eine Regelung zum Kostenersatz aufgrund von Aufgabenzuwächsen nach EU- oder Bundesrecht:
Werden... innerhalb einer Übergangszeit von zehn Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes neue Aufgaben übertragen, für deren Erfüllung das den Land- und Stadtkreisen zugewiesene Fachpersonal nicht ausreicht, gewährt das Land einen entsprechenden finanziellen Ausgleich.
Diese Regelung entspricht exakt der Regelung im Sonderbehörden-Eingliederungsgesetz und geht über die Regelung – darauf können Sie sich ja beziehen – des Artikels 71 Abs. 3 der Landesverfassung hinaus, die ja bereits den Kostenersatz bei der Übernahme von Landesaufgaben regelt. Entsprechend wird dies für die Übertragung zusätzlicher Aufgaben von der EU- und der Bundesebene vorgesehen.
(Abg. Drexler SPD: Das ist nach der Landesver- fassung aber doch selbstverständlich! – Abg. Sti- ckelberger SPD: Das muss man doch machen! – Abg. Zeller SPD: Warum machen Sie keine Revi- sionsklausel?)
Nein, das ist ein Irrtum, Herr Kollege Drexler. Es ist nach der Landesverfassung keinesfalls selbstverständlich, dass wir uns bereit erklären, zusätzliche Kosten, die durch Aufgabenübertragung seitens der EU und des Bundes auf die Kommunen zukommen, zu übernehmen.
(Abg. Hofer FDP/DVP: Die Rechtsgrundlage muss erst noch geschaffen werden! – Abg. Drexler SPD: Wenn es Landesaufgaben sind, selbstverständlich, Herr Minister!)
Die Landesverfassung bezieht sich nur auf die Aufgabenübertragung im Landesbereich. Sie müssen sich schon einmal richtig informieren.
Herr Kollege Drexler, auch für die Opposition empfiehlt sich ab und zu ein Blick in die Landesverfassung.
Den weiter gehenden Forderungen nach einer generellen Überprüfung des finanziellen Ausgleichs nach einigen Jahren, also dieser allgemeinen Revisionsklausel, sowie nach einem Schiedsverfahren für den Fall, dass sich das Land und die kommunale Seite dabei nicht über die Notwendigkeit oder das Maß einer Anpassung des Finanzausgleichs einigen, ist die Landesregierung – ich sagte es bereits – dagegen nicht gefolgt. Denn wir sind davon überzeugt, dass die Stadt- und Landkreise in der Lage sind, die Effizienzrendite zu erwirtschaften. Außerdem soll ein Effizienzgewinn gerade durch Synergieeffekte, kürzere Verfahrensdauern und geringeren Abstimmungsaufwand erreicht werden. Eine Überprüfung kann sich daher nicht an dem jetzt einzugliedernden Personal und dem Finanzausgleich – auch dies habe ich bereits gesagt – allein orientieren. Ferner müssten sich die Stadt- und Landkreise dann auch Einsparungen in der Folge wegfallender Aufgaben anrechnen lassen.
Auch eine Schiedsklausel, meine Damen und Herren, lehnt die Landesregierung ab. Streitfragen können in der bestehenden Finanzverteilungskommission, die ja aufgrund der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs ins Leben gerufen worden ist, geklärt werden. Ein eigenes Schiedsverfahren daneben ist nicht erforderlich.
Das geht nicht so schnell, Herr Kollege Haller. Das Gesetz ist viel zu umfassend. Das müssen Sie und auch ich eben einfach durchhalten.