Ich komme zu einem Punkt, verehrter Herr Kollege Haller, lieber Kollege Haas, der, glaube ich, für den Erfolg dieser Verwaltungsreform auch von großer Bedeutung ist, nämlich zum Thema „Kooperationen zwischen Landratsämtern und Stadtkreisen“. Sie werden nun auch zur gemeinsamen Erfüllung staatlicher Aufgaben möglich sein. Die Stadt- und Landkreise konnten Kooperationen bisher nur zur gemeinsamen Erledigung kommunaler Aufgaben eingehen. Sie erhalten nunmehr mit dem neuen § 13 a des Landesverwaltungsgesetzes die Möglichkeit, nach eigener Gestaltung staatliche Aufgaben gemeinsam zu erfüllen.
Diese neuen Kooperationsformen bedeuten keine Verlagerung oder Konzentration von Zuständigkeiten. An der Einräumigkeit der Verwaltung ändert sich dadurch nichts. Sie ermöglichen vielmehr den Einsatz von qualifiziertem Fach
personal in Kompetenzzentren für mehrere Kreise. Sparpotenziale ergeben sich beispielsweise auch durch den gemeinsamen Einsatz teurer Geräte. Ich möchte deshalb auch heute – und ich glaube, im Namen des ganzen hohen Hauses – an die Landräte, an die Oberbürgermeisterinnen, an die Oberbürgermeister appellieren:
Nutzen Sie, meine Damen und Herren im kommunalen Bereich, verstärkt diese neue Möglichkeit von Kooperationen, um Synergien zu steigern, Kosten zu senken und dennoch die Qualität der Leistungen zu halten!
beispielsweise auch in der Schulverwaltung, sind solche Kooperationen aus meiner Sicht nahezu zwingend.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, auf einen Punkt eingehen, der auch in der Diskussion im Vorfeld dieser heutigen Ersten Beratung schon eine große Rolle gespielt hat, wofür ich auch Verständnis hatte. Es ist das Thema Aufgabenkritik. Die Aufgabenkritik, also die Frage, die uns alle umtreibt, bei der aber, Herr Kollege Drexler – ich habe es eingangs schon gesagt –, noch niemand in Deutschland, auch Herr Clement nicht, auch SPD-Regierungen in anderen Ländern nicht, den großen Durchbruch geschafft hat, das Thema Aufgabenabbau gehen wir in der Weise an, dass wir sagen: Die Aufgabenkritik muss denknotwendigerweise der strukturellen Bereinigung folgen.
Nein, warten Sie ab. – Die Landesregierung lässt im Übrigen keinen Zweifel daran, dass staatliche Aufgaben auch nach der Verabschiedung des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes in einem gemeinsamen Vorhaben mit der kommunalen Seite einer umfassenden Aufgabenkritik unterzogen werden müssen. In dieses Vorhaben müssen gerade auch die Aufgaben einbezogen werden, die bisher von den unteren Sonderbehörden wahrgenommen wurden. Mit der Neuordnung der Verwaltungsstruktur durch dieses Gesetz werden ja die Voraussetzungen geschaffen, auf deren Grundlage die sich nun anschließende Aufgabenkritik auch tatsächlich hoffentlich zählbaren und nachhaltigen Erfolg verspricht.
Ich weise aber, weil uns dieses Thema ja schon lange beschäftigt und uns aufreibt, auch noch einmal darauf hin: Man darf sich über die Schwierigkeit der ganzen Problematik auch keinen Illusionen hingeben. Es wäre der entschei
dende Erfolg, wenn es uns gelänge, bei diesem ganzen Segment im Unterschied zu allen anderen in Deutschland, die dabei bisher ja auch immer nichts Habhaftes zustande gebracht haben, endlich einmal auf die Erfolgsspur zu kommen.
Herr Kollege Stickelberger, ich weise darauf hin, dass auch dieser Gesetzentwurf bereits zahlreiche Maßnahmen enthält, die eindeutig unter die Kategorie Aufgabenkritik fallen. So umfasst der Entwurf signifikante Ansätze zur Senkung von Standards und außerdem rund 20 Aufgaben, die bisher von den Landratsämtern und den Stadtkreisen als unteren Verwaltungsbehörden und künftig auch von den Großen Kreisstädten und Verwaltungsgemeinschaften wahrgenommen werden.
Wir werden auch versuchen, über einen Ombudsmann für Bürokratieabbau weitere Erfolge zu erzielen. An diesen Ombudsmann – so ist es vorgesehen – sollen sich Bürger, Unternehmen, Verbände und Organisationen wenden können.
Meine Damen und Herren, ich will noch auf einen weiteren Punkt hinweisen. Die Kommunen können durch das dem Reformvorhaben angeschlossene Standardbefreiungsgesetz von kommunalbelastenden landesrechtlichen Standards abweichen. Der Handlungsspielraum der kommunalen Selbstverwaltung ist wegen der von den Kommunen zu beachtenden Personal-, Sach- und Verfahrensstandards erheblich beeinträchtigt. Dem begegnen wir mit dem Gesetz zur Befreiung von kommunalbelastenden Standards, also diesem Standardbefreiungsgesetz als Bestandteil des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes.
Mit einer Experimentierklausel wird den Kommunen die Möglichkeit eröffnet, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben von kommunalbelastenden landesrechtlichen Standards abzuweichen, wenn der Zweck auch auf andere Art und Weise als durch die Erfüllung solcher Vorgaben sichergestellt ist.
Vor Ort können so kostensparende oder alternative Regelungen von Lebenssachverhalten gefunden werden, die dem Sinn der Vorgaben ebenso entsprechen oder ihn besser erfüllen.
Meine Damen und Herren, alle Erfahrungen zeigen, dass man bei diesem Thema, das uns, wie gesagt, ja schon lange beschäftigt und bei dem wir alle unglücklich darüber sind, dass man bisher nicht mehr erreicht hat, meistens über solche Experimentierklauseln am Schluss noch am ehesten zu praktischen Erfolgen kam.
Dann, meine Damen und Herren, zu einem weiteren Punkt. Es ist mir wichtig, mich auch ausführlich zu Personalfragen zu äußern. Die Reform erfasst insgesamt rund 20 000 Beschäftigte. Von der Eingliederung der unteren Sonderbehörden in die Kreise sind rund 12 000 Beschäftigte betrof
fen. Davon entfallen rund 7 100 Stellen auf Beamte, Angestellte und Arbeiter sowie fast 4 900 so genannte Sachmittelstellen auf Waldarbeiter und Straßenwärter. Die Beamtinnen und Beamten des höheren Dienstes und die vergleichbaren Angestellten auf weiteren insgesamt rund 1 150 Stellen werden künftig ebenfalls den Landratsämtern zugeordnet. Sie bleiben aber wie alle Beamten des Vollzugsdienstes der Polizei Beschäftigte des Landes. Von den unteren und den höheren Sonderbehörden sowie den Landesoberbehörden wechseln rund 7 000 Beschäftigte zu den Regierungspräsidien.
Die personalvertretungsrechtliche Beteiligung ist auch in der Übergangsphase sichergestellt. Die Aufhebung von Dienststellen kann für die betroffenen Beschäftigten erhebliche persönliche Folgen haben, beispielsweise hinsichtlich Ort und Art ihrer weiteren Beschäftigung. Daneben stellen sich Fragen der Integration in die aufnehmende Dienststelle, die eine personalvertretungsrechtliche Beteiligung erfordern können. Die Beschäftigten der einzugliedernden Dienststellen, deren Personalvertretungen mit der Auflösung der Dienststelle untergehen, sollen daher bei den neuen Dienststellen während der Übergangsphase bis zur nächsten Personalratswahl durch Übergangspersonalräte vertreten werden, die neben die bereits vorhandenen Personalräte der aufnehmenden Dienststelle treten. Aufgrund der Anhörungsergebnisse wurden die Regelungen für diese Übergangspersonalräte nochmals verbessert.
In der Anhörung wurden auch Vorschläge gemacht, wie den Auswirkungen der Verwaltungsreform auf die Vertretung der weiblichen Beschäftigten bei den Regierungspräsidien begegnet werden kann. Dies betrifft insbesondere die zukünftige Vertretung der Frauen aus den Bereichen der Oberschulämter und der Landespolizeidirektionen. Die Landesregierung wird diese Vorschläge im Rahmen der beabsichtigten Novellierung des Gesetzes zur Förderung der beruflichen Chancen für Frauen und der Vereinbarung von Familie und Beruf im öffentlichen Dienst des Landes Baden-Württemberg aufgreifen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Fischer und Abg. Stickelberger SPD: Aufgreifen!)
Die Reform berücksichtigt die Belange der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir nehmen diese Belange auch sehr ernst. Auf die sozialverträgliche Umsetzung der Maßnahmen wird daher ein besonderes Augenmerk gelegt. Deshalb werden die entsprechenden Regelungen aus dem Sonderbehörden-Eingliederungsgesetz von 1994 sowie die Grundsätze der Landesregierung zur sozialverträglichen Umsetzung der Neuordnung von Behörden aus dem Jahr 1997 grundsätzlich angewandt. Die kommunalen Landesverbände wurden bereits frühzeitig ausdrücklich gebeten – wir erwarten dies auch –, bei ihren Mitgliedern, insbesondere den Land- und den Stadtkreisen, darauf hinzuwirken, bei Stellenbesetzungen von der Reform betroffene Beschäftigte des Landes mit gleicher Eignung vorrangig zu berücksichtigen.
Meine Damen und Herren, die zu den Kreisen wechselnden Beschäftigten werden ihren Besitzstand behalten. Keine Mitarbeiterin und kein Mitarbeiter muss eine reformbedingte Kündigung befürchten.
Betriebsbedingte Kündigungen sind theoretisch nur möglich, wenn die Annahme eines zumutbaren Arbeitsplatzes abgelehnt wird. Die Lohnsicherung und die Anwendung des Tarifvertrags über den Rationalisierungsschutz werden durch besondere Regelungen sichergestellt. Der Besitzstand umfasst auch die Beibehaltung der wöchentlichen Arbeitszeit, die beim Land am Tag vor dem Wechsel vereinbart war. Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände hat zwar die Kündigung ihrer Tarifverträge noch in diesem Jahr in den Raum gestellt.
Auch unter dem Eindruck der Gespräche, die ich mit den Präsidenten der kommunalen Landesverbände geführt habe, vertritt die Landesregierung aber die Auffassung, dass allen Arbeitnehmern, die zu den Kreisen wechseln, die Arbeitsbedingungen anzubieten sind, die beim Land arbeitsvertraglich am Tag vor der Übernahme gegolten haben.
Wir nehmen auch auf besondere Interessen Rücksicht. Ist künftig etwa mehr Mobilität erforderlich, darf diese einen vertretbaren Umfang nicht übersteigen. Die Landesregierung ist bemüht, Härtefälle im Rahmen ihrer Möglichkeiten auszuschließen und auf räumlich ausgewogene, die familiären und sonstigen Interessen der einzelnen Beschäftigten berücksichtigende Lösungen zu achten.
Da Teilzeitbeschäftigte, in der Regel Frauen, besonders betroffen sein können, sind die personalverwaltenden Stellen gehalten, für diese vorrangig eine Unterbringung bei einer Dienststelle in Wohnortnähe anzustreben.
Gleiches gilt für schwerbehinderte Beschäftigte. Die kommunalen Landesverbände wurden auch auf ihre Verpflichtung und die Verantwortung ihrer Mitglieder hingewiesen, für Beschäftigte, die aus familiären oder anderen Gründen räumlich gebunden sind, nach befriedigenden Lösungen zu suchen.
Der Zeitpunkt des Personalübergangs ist an den Zeitpunkt des Aufgabenübergangs am 1. Januar 2005 geknüpft. Ein Wechsel zu einem Stadt- oder Landkreis mit dem Anspruch der Übernahme kann in der Regel nur bis zum 1. Januar 2005 erfolgen. Ausnahmen davon, das heißt der Übergang zu einem späteren Zeitpunkt, sind in besonders begründeten sozialen Härtefällen bis längstens 30. Juni 2005 möglich. Dies sicherten die Geschäftsführer des Landkreistags und des Städtetags jüngst nochmals schriftlich für die kommunale Seite zu.