Protokoll der Sitzung vom 02.06.2005

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 94. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.

Urlaub für heute habe ich Herrn Abg. Teßmer erteilt.

Dienstlich verhindert sind Frau Ministerin Dr. Schavan, Herr Minister Professor Dr. Frankenberg und Frau Staatssekretärin Lichy.

Auf Ihren Tischen finden Sie einen Vorschlag der Fraktion der CDU für eine Umbesetzung im Oberrheinrat (Anlage). Ich stelle fest, dass Sie diesem Vorschlag zustimmen. – Kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Meine Damen und Herren, Frau Kollegin Heiderose Berroth hat heute Geburtstag. Im Namen des ganzen Hauses gratuliere ich Ihnen sehr herzlich, Frau Kollegin, und wünsche Ihnen alles Gute.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich darf darauf hinweisen, dass sich die Fraktionen dahin gehend geeinigt haben, dass Punkt 10 der Tagesordnung vor Tagesordnungspunkt 8 aufgerufen wird. Kein Widerspruch? – Dann wird so verfahren.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Gegen die schleichende Aushöhlung der Bürgerrechte durch Rot-Grün – Der Vorstoß des baden-württembergischen Justizministers zur Wiederherstellung des Bankgeheimnisses – beantragt von der Fraktion der FDP/DVP

Gesamtredezeit: 40 Minuten. Redezeit für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen fünf Minuten und im Übrigen fünf Minuten je Redner.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Theurer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP/DVP-Fraktion hat diese Aktuelle Debatte beantragt, weil wir feststellen können, dass die Bürgerrechte in der Bundesrepublik Deutschland entgegen anders lautenden öffentlichen Äußerungen durch die rot-grüne Bundesregierung in den vergangenen Monaten massiv eingeschränkt worden sind.

(Lachen der Abg. Drexler und Stickelberger SPD)

Ein krasses Beispiel dafür ist die Einschränkung des Bankgeheimnisses. Im Steuerehrlichkeitsgesetz hat die rot-grüne Bundesregierung

(Abg. Drexler SPD: Habt ihr da zugestimmt? – Ge- genruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Stimmt nicht!)

Möglichkeiten geschaffen, dass nun auf automatischem Weg Steuerbehörden, aber auch andere Behörden elektronisch auf Konten zugreifen können, sie jedenfalls abfragen können und dadurch die Existenz dieser Konten mit relativ einfachen technischen Möglichkeiten nachweisen können.

Wenn man einmal in das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit hineinschaut, merkt man, welchem Geist dieses Gesetz entsprungen ist. Bürgerinnen und Bürger dieses Landes haben ihr Kapitalvermögen ins Ausland transferiert, weil sie den Standort Deutschland nicht für attraktiv genug und die effektive Steuerbelastung für zu hoch halten. Sie, meine Damen und Herren, vertreten dann die Auffassung, dies sei etwas Kriminelles, etwas Verbrecherisches. Sie bezeichnen dies als Kapitalflucht. Dabei haben Sie grundsätzliche Wirkungsmechanismen eines weltweit integrierten Kapitalmarkts überhaupt nicht begriffen. Wenn man will, dass die Menschen ihr Vermögen in unserem Land lassen, dann muss dieses Land im internationalen Steuerwettbewerb, im internationalen Standortwettbewerb attraktiv sein. Nur so kann man das erreichen.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Eine falsche Wirtschafts- und Steuerpolitik versuchen Sie durch einen Regulierungs- und Überwachungsstaat auszugleichen.

(Abg. Drexler SPD: Quatsch!)

Das heißt, Sie schränken die Bürgerrechte massiv ein. Das sorgt bei den Menschen zu Recht für Unbehagen, meine Damen und Herren.

(Widerspruch bei der SPD – Abg. Drexler SPD: Sie sind doch für die Fußfessel!)

Das Bankgeheimnis auszuhöhlen ist in jedem Fall der falsche Weg.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Deshalb begrüßen wir auch den Vorstoß unseres Justizministers, der hier als Wächter der Bürgerrechte aufgetreten ist, meine Damen und Herren,

(Beifall des Abg. Dr. Noll FDP/DVP – Lachen bei der SPD)

und im Bundesrat diese völlig falschen Vorschläge rückgängig zu machen versucht hat.

Ich habe in den vergangenen Tagen der Presse entnehmen müssen, dass Bundesbank und Europäische Zentralbank schätzen, dass 50 Millionen bis 200 Millionen € Kapitalvermögen jetzt wieder ins Ausland abgeflossen sind. Ich bin gespannt, wie diese Zahlen konkret für Baden-Württemberg aussehen. Wir sind der Meinung, dass wir Kapital in unserem Land halten müssen. Wir als FDP/DVP-Fraktion sind der Meinung, dass unser Land Baden-Württemberg, aber auch Deutschland als Standort interessant sein müssen und dass es gut sein muss, die Vermögen hier zu belassen. Wir wehren uns dagegen, dass durch solche Maßnahmen eines übertriebenen Überwachungsstaats die Menschen praktisch dazu getrieben werden, ihre Bankkonten zu räumen und das Geld ins Ausland zu transferieren, meine Damen und Herren.

(Abg. Stickelberger SPD: Um Gottes willen! – Weitere Zurufe von der SPD)

Deshalb verweisen wir auf andere Lösungen, wie es sie in Österreich gibt.

Wir verstehen nicht, warum man sich jetzt darauf verlässt, Kontenabfragen machen zu können. Das konnte man früher zwar auch, aber nicht so einfach auf elektronischem Weg. Es kam offensichtlich nicht zu den befürchteten 2 000 Kontenabfragen, aber es waren immerhin 800,

(Abg. Drexler SPD: Was? Wo haben Sie denn die Zahlen her? Sie übertreiben maßlos!)

und die Frage wird sein, was in Zukunft kommt, wenn Steuer- und Sozialbehörden dann einfach auf elektronischem Weg die Abfragen vornehmen können. Wir sind der Meinung, dass das ein Trojanisches Pferd ist. Hier werden Dämme eingerissen, und das wird dem Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt nicht gut tun. Vor allem höhlt es die Bürgerrechte aus, meine Damen und Herren.

Die FDP/DVP in Baden-Württemberg ist selbstverständlich für die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Sozialbetrug. Dafür waren wir immer. Wer das in Abrede stellt, redet – mit Verlaub – Quatsch.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wir sind ganz eindeutig dafür, dass man Steuerhinterziehung und Sozialbetrug bekämpft. Dafür waren wir immer. Das wurde in Baden-Württemberg wie in ganz Deutschland auch in der Vergangenheit wirksam bekämpft. Wir sind aber dagegen, dass wir einen kompletten Überwachungsstaat bekommen,

(Abg. Drexler SPD: Was? Wo leben Sie denn?)

wo sich der Staat das Recht anmaßt, in die Bankkonten hineinzuschauen.

Deshalb frage ich Sie, warum Sie eigentlich eine Abgeltungssteuer nach österreichischem Vorbild ablehnen. Da könnte man an der Quelle bei der Bank die Steuer einzie

hen. Jeder müsste sie zahlen, niemand müsste mehr Konten abfragen, das würde praktisch die Bank für das Finanzamt erledigen. Man könnte dadurch alle Steuerkontrolleure einsparen. Der Staat hat offensichtlich sowieso kein Geld, um die entsprechenden Personalstellen zur Verfügung zu stellen. Warum machen wir dann nicht dieses einfache, schlanke und effiziente Verwaltungsmodell?

Meine Damen und Herren, wir sollten darum kämpfen, dass dieses Modell auf Bundesebene eingeführt wird. Es geht also um weniger Überwachung, um weniger gläsernen Bürger in Bezug auf das Bankkonto, um einfachere Lösungen

(Abg. Drexler SPD: Mehr Freiheit!)

und um mehr Freiheit durch eine Abgeltungssteuer nach österreichischem Vorbild. Es geht vor allem um den Schutz der Bürgerrechte durch vernünftige Lösungen. Dafür steht die FDP/DVP-Landtagsfraktion.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Drexler SPD: Die steht für gar nichts!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Schüle.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute Morgen in der Aktuellen Debatte über ein Thema, bei dem es in den vergangenen zwei, drei Wochen in unserem Lande einen gewissen öffentlichen Vorlauf gab. Nach diesem Beitrag rate ich zur verbalen Abrüstung und zur Sachlichkeit. Ich glaube, das ist dem Thema angemessen.

(Beifall bei der CDU und der SPD sowie des Abg. Dr. Witzel GRÜNE – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Der Beitrag von Herrn Theurer war sehr sachlich!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, worüber diskutieren wir heute im Kern? Es geht um das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit aus dem Jahr 2003. Dadurch bekommen einige Behörden in erleichtertem Maße die Möglichkeit, über das Bundesamt für Finanzen Kontenverbindungen abzufragen.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Hier geht es um die Bekämpfung von Steuerbetrug und die Bekämpfung von Sozialmissbrauch.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)