Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 101. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie. Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen und die Gespräche einzustellen.
Urlaub für heute habe ich den Herren Abg. Rudolf Hausmann, Dieter Kleinmann und Boris Palmer erteilt.
Meine Damen und Herren, die Landeswahlleiterin hat mir mit Schreiben vom 17. Oktober 2005 mitgeteilt, dass das Mandat des ausgeschiedenen Kollegen Ulrich Maurer auf Frau Edeltraud Hollay übergegangen ist. Frau Hollay hat die Wahl angenommen und mit Wirkung vom 18. Oktober 2005 die rechtliche Stellung einer Abgeordneten des 13. Landtags von Baden-Württemberg erworben.
Frau Hollay, ich darf Sie sehr herzlich willkommen heißen und Ihnen für Ihre Arbeit als Abgeordnete viel Erfolg wünschen.
Meine Damen und Herren, Sie finden auf Ihren Tischen je eine Vorschlagsliste der Fraktion der CDU und der Fraktion der SPD für Umbesetzungen in verschiedenen Ausschüssen (Anlagen 1 und 2). – Ich stelle fest, dass Sie den vorgeschlagenen Umbesetzungen zustimmen.
Eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt Ihnen ebenfalls vor. – Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überweisungsvorschlägen zu. Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
1. Mitteilung des Innenministeriums vom 19. Oktober 2005 – Wohnungsbau 2006 – Bericht und Leitlinien zur Wohnraumförderung – Drucksache 13/4701
2. Mitteilung der Landesregierung vom 6. Oktober 2005 – Bericht des SWR über die Fusionserfahrung und über die Finanz-, Haushalts- und Personalkostenentwicklung in den Jahren 2004 bis 2007 – Drucksache 13/4763
3. Antrag der Landesregierung vom 24. Oktober 2005 – Zugehörigkeit von Herrn Minister Helmut Rau zu Organen wirtschaftlicher Unternehmen – Drucksache 13/4766
4. Mitteilung des Wirtschaftsministeriums vom 27. Oktober 2005 – Landesentwicklungsbericht Baden-Württemberg 2005 (LEB 2005) – Drucksache 13/4805
Regierungserklärung – Kinderland Baden-Württemberg – Eckpunkte für eine integrierte Bildungs- und Familienpolitik – und Aussprache
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Wir alle wissen: Kinder sind die Summe der Möglichkeiten einer Gesellschaft, der Inbegriff von Zukunft. Wenn zwei Menschen sich für ein Kind entscheiden, dann setzen sie ein Zeichen des Optimismus, aber auch der eigenen Verantwortungsbereitschaft.
Baden-Württemberg ist ein Land voller Möglichkeiten, offen für die Zukunft, geprägt von einem positiven Realismus und von Verantwortung seiner Bürgerinnen und Bürger. Die Zuversicht und die Bereitschaft zur Verantwortung sind keine leeren Worthülsen; sie machen aus, was unser Land für viele so lebenswert macht.
Die große Online-Umfrage „Perspektive Deutschland“ hat ergeben, dass 79 % der Menschen in Baden-Württemberg mit der Lebensqualität an ihrem Wohnort und in ihrem Umfeld zufrieden sind – ein besserer Wert als in jedem anderen deutschen Land.
Sicher hängt es auch mit der hohen Lebensqualität zusammen, dass Baden-Württemberg in den letzten Jahren das einzige Land in Deutschland geblieben ist, in dem die Zahl der Geburten die der Sterbefälle übersteigt.
Baden-Württemberg ist ein Wachstumsland. Dies liegt daran, dass wir einen attraktiven Arbeitsmarkt haben, dass wir Hochschulen haben, die von den Menschen aus ganz Deutschland begehrt werden. Wir haben junge und leis
tungsfähige Zuwanderer aus dem Inland und dem Ausland und begrüßen sie. Baden-Württemberg hat seit der Wiedervereinigung den stärksten Bevölkerungszuwachs im Bundesvergleich zu verzeichnen. Wir bleiben ein Wachstumsland und werden alles tun, dass auch in den nächsten Jahren die Zahl der Menschen bei uns nicht sinkt, sondern steigt.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Baden-Württemberg ist, demografisch gesehen, das jüngste aller Bundesländer. Unser Altersdurchschnitt liegt bei 40,8 Jahren. Im Bundesvergleich liegt er ein Jahr höher als bei uns.
In einer Zeit, in der überall die Folgen einer Überalterung beklagt werden, ist dies eine verhältnismäßig sehr gute Ausgangssituation. Mit diesen günstigen demografischen Eckdaten und einer ungebrochenen Attraktivität des Landes für junge Menschen ist Baden-Württemberg auf einem guten Weg, zum Kinderland Nummer 1 in Deutschland zu werden.
Der Begriff Kinderland steht nicht nur für eine kinderfreundliche Gesellschaft. Kinderland steht für ein neues Verständnis von Kindheit, von Jugend und Familie. Kinderland steht für eine Politik, die sich an den Kindern und Jugendlichen, ihren Bedürfnissen und Möglichkeiten orientiert und in der verschiedene Felder der Politik miteinander verschmelzen: Familien- und Bildungspolitik, Betreuung und Jugendarbeit, Demografie und Sozialpolitik. Wer diese Themenfelder nur sektoral betrachtet, läuft leicht Gefahr, das Wesentliche aus dem Blick zu verlieren. Nicht die einzelnen Politikfelder dürfen unseren Blick auf das Kind bestimmen, sondern die Kinder bestimmen selbst die Erfordernisse der Politik.
Deshalb betone ich heute eindeutig: Eine Politik für Kinder und Familien, eine Politik, die Familien die Entscheidung für ein Kind ermöglicht und erleichtert, braucht einen ganzheitlichen Ansatz. Bildung und Betreuung sind zwei Seiten derselben Medaille. Ein Land, das sich als Kinderland versteht, setzt auf die Zukunft. Ein Land, das sich als Kinderland versteht, gibt Kindern und Jugendlichen den Raum und die Unterstützung, die für eine gute Entwicklung und einen erfolgreichen Start ins Leben notwendig sind. Ein Land, das sich als Kinderland versteht, nimmt Kinder und Jugendliche ernst, mit ihren Stärken, ihren Schwächen, ihrer Fantasie und ihren Möglichkeiten. Ein Land, das sich als Kinderland versteht, nimmt sich auch selbst in die Pflicht. Kinderland ist nicht einfach eine bunte Spielwiese. Es geht um Gerechtigkeit, es geht um Verantwortung zwischen Alten und Jungen, zwischen Starken und Schwachen, zwischen Kinderlosen und Eltern.
Wir arbeiten am Leitbild auf dem Weg zum Kinderland Baden-Württemberg. Die Landesregierung und die Regierungsfraktionen von CDU und FDP/DVP haben das Ziel, dieses Leitbild Schritt für Schritt umzusetzen, gemeinsam mit Eltern, Schulen, Kommunen, Kirchen, Vereinen und den Verbänden der Jugendarbeit, gemeinsam mit allen Kräften unserer Gesellschaft. Ich lade Sie alle ein: Lassen Sie uns Baden-Württemberg zu einem Kinderland machen,
Unsere Ausgangslage ist dabei chancenreich. Dazu haben viele einen Beitrag zu leisten. Ich danke allen, die schon in der Vergangenheit daran mitgewirkt haben, dass BadenWürttemberg kinder- und familienfreundlich ist. Ich nenne zuallererst die Eltern selbst, die die Verantwortung für ihre Kinder ernst nehmen und ihnen eine gute Zukunft eröffnen wollen.
Ich nenne die jungen Familien mit ihrem oft bewundernswerten Talent zur eigenen Leistung, zum Organisieren dessen, was zu Hause gemacht werden kann.
Ich nenne Lehrerinnen und Lehrer, die die Neugier und Lernbereitschaft der Kinder wecken und ihnen das richtige Rüstzeug auf ihren Lebens- und Bildungsweg mitgeben.
Ich nenne Kirchen und Verbände, die zur Elternbildung beitragen und entlastende Strukturen bereitstellen.
Und ich nenne Arbeitgeber und Gewerkschaften, die Arbeitswelt – die Arbeitgeber, weil sie zukunftssichere Jobs schaffen und ein offenes Ohr für die Belange der Familien haben, und die Gewerkschaften, weil sie nicht nur die beruflichen Interessen der Arbeitnehmer vertreten, sondern sich in Baden-Württemberg auch immer mehr zum Anwalt der Familie machen. Beiden, den Arbeitgebern und den Gewerkschaften, gilt unser Dank.
Ich danke allen, die auf vielfältige Weise dazu beitragen, dass sich unsere Gesellschaft zum Kinderland entwickelt. Mein Ziel ist es, diese Kräfte zusammenzuführen, zu integrieren und weiter zu stärken.
Auf dem Weg zum Kinderland gibt es keine Patentrezepte. Es gibt unterschiedliche Ansätze, die sich aus der konkreten Lebenssituation der betroffenen Menschen ergeben können. Wir werden diese unterschiedlichen Ansätze und Wege nicht gegeneinander ausspielen, sondern wir nehmen die Wahlfreiheit der Eltern und Familien ernst.