Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD – Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für Baden-Württemberg – Drucksache 13/4895
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allgemeine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.
(Abg. Fischer SPD: Moment, das ist doch unser Gesetzentwurf! Wir kommen deshalb doch zuerst dran! – Abg. Röhm CDU: Ich hatte mich auch schon gewundert! Bitte sehr! – Heiterkeit)
Danke. – Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich hätte sehr gerne Ihnen, Herr Röhm, als Erstem das Wort gelassen, wenn ich davon überzeugt wäre, dass Sie unserem Gesetzentwurf zustimmen. Dann könnte ich auch auf meine Ausführungen verzichten. Aber ich gehe davon aus, dass Sie noch nicht so weit sind und daher noch etwas länger brauchen.
Meine Damen und Herren, es gibt eine Umfrage des „Spiegel“, in der deutlich wird, dass 80 % der Bevölkerung ein Rauchverbot in Schulen begrüßen würden. Der Grund, weshalb 80 % der Bevölkerung dieses Rauchverbot begrüßen würden, liegt vor allem darin, dass wir alle sehr besorgt darüber sind, dass das durchschnittliche Einstiegsalter weiter sinkt. Es liegt in Deutschland mittlerweile bei 11,6 Jahren. Auch wird immer deutlicher, dass viele Schüler – gerade die jüngeren – das Rauchen im Grunde von den älteren Schülern lernen. Deswegen halten wir ein Rauchverbot in Schulen für zwingend notwendig.
Es kommt auch darauf an, dass wir den jüngeren Schülern deutlich machen, dass Rauchen nicht zum Erwachsenwerden gehört, dass Rauchen auch nicht cool ist und dass es – das ist der ganz wesentliche Punkt – enorme gesundheitsschädliche Wirkungen hat. Diese Punkte werden deutlich, wenn wir in der Öffentlichkeit eine Diskussion über die rauchfreie Schule führen.
Es gibt übrigens bereits in mehr als 90 Ländern Nichtrauchergesetze. Unter anderem – das fand ich bei meinen Recherchen ganz interessant – gibt es auch in Kuba ein Rauchverbot. Das heißt, in Kuba bleibt in öffentlichen Räumen die Havanna in Zukunft kalt.
Über acht Bundesländer haben ebenfalls bereits ein Rauchverbot in Schulen eingeführt, zum Teil mit sehr guten Erfolgen, weil das Rauchverbot dort schon etwas länger besteht. Der Städtetag und der Gemeindetag befürworten ein solches Rauchverbot. Das heißt, im Grunde besteht landauf, landab Zustimmung zu einem Rauchverbot in Schulen. Ich verstehe nicht, weshalb Sie dann immer noch Bedenkzeit benötigen und sich immer noch ein bisschen zieren.
Wir haben jetzt – ich denke, genauso wie Sie auch – eine Unterschriftenliste von einer Schule erhalten, die sich mit der dringenden Bitte an uns gewandt hat, eine gesetzliche Vorschrift zu erlassen, dass die Schulen rauchfrei sind. Die Unterschreibenden betonen extra noch einmal das, was ich vorhin gesagt habe: Es ist sehr wichtig, dass durch ein Verbot im Grunde auch in der Gesellschaft öffentlich deutlich
wird, dass Rauchen schädlich ist und dass die jüngeren Schüler eben von den älteren Schülern und auch von den Lehrern die Rauchsucht übernehmen. Das halten wir für einen großen Fehler. Deswegen ist ein Rauchverbot in Schulen aus unserer Sicht dringend notwendig.
Ich möchte nur ganz kurz noch ein Beispiel aus einer Schule in Freiburg nennen. Eine sehr große Schule in dem Stadtteil, in dem ich wohne, hat nach langen, zähen und sehr erbitterten Diskussionen ein Rauchverbot in der Schule eingeführt. In dieser Schule befindet sich auch ein Kinder- und Jugendtreff. Diesem sitze ich vor. Für uns stellte sich schließlich auch die Frage: „Wie gehen wir damit jetzt um? Wir sind ja im Gebäude der Schule.“ Wir haben auch ein Rauchverbot ausgesprochen. Am Anfang fanden dies gerade die jungen Erwachsenen, die ja auch in diesen Einrichtungen sind, nicht ganz so gut. Sie haben das Rauchverbot aber akzeptiert. Mittlerweile sagen mir meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – ich denke, das ist ein ganz wesentlicher Punkt –, dass das Rauchen abgenommen hat, dass unsere Besucher auch nicht mehr so viel vor der Einrichtung rauchen wie vor dem Erlass des Rauchverbots. Denn sie finden es absolut lästig, hinauszugehen, sich irgendwo eine Ecke zum Rauchen zu suchen. Da spielt gegenwärtig natürlich auch die Witterung eine Rolle – aber nicht nur sie. Sie finden es einfach lästig und greifen bedeutend weniger oft zur Zigarette.
Genau das ist doch auch ein Zweck des Ganzen, den wir erreichen wollten, dass die Schülerinnen und Schüler, aber auch die jungen Erwachsenen nicht mehr so häufig rauchen, dass das Rauchen erschwert wird. Und es wird in diesen Einrichtungen durch ein Rauchverbot erschwert.
Ein weiterer Punkt, den ich noch kurz ansprechen möchte, ist der Schutz der Nichtraucher vor dem Passivrauchen. Es gibt jetzt eine Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums, die eindeutig beweist, dass das Risiko durch das Passivrauchen bisher sehr unterschätzt wird. Das Risiko ist auch für die Passivraucher deutlich höher, als man bisher angenommen hat. Auch aus diesem Grund ist es notwendig, dass wir unsere Kinder in der Schule schützen.
Ich verstehe eines nicht – das habe ich bei der Ersten Beratung auch schon gesagt –: In vielen öffentlichen Gebäuden gibt es ein Rauchverbot, aber ausgerechnet in den Gebäuden, in denen unsere Kinder die meiste Zeit des Tages verbringen, bleibt ein Rauchverbot außen vor. Ich denke, das hängt sehr stark damit zusammen, dass vielleicht auf Ihrer Seite ein bisschen mehr Schulleiter sind, die diesem Laster eventuell auch frönen.
(Widerspruch des Abg. Röhm CDU – Gegenruf des Abg. Göschel SPD: Du warst nicht persönlich ge- meint!)
Ich weiß ja nicht; man könnte auf den Verdacht kommen. Es gibt jedenfalls erbitterte Diskussionen in Kollegien zwischen rauchenden und nicht rauchenden Lehrern, aber auch zwischen rauchenden und nicht rauchenden Eltern. Die Diskussion kommt ja von daher.
Aber ich denke: Wir haben die Gesamtverantwortung für die Kinder. Deswegen halten wir ein Rauchverbot in Schulen für dringend erforderlich und sind auch nicht der Auf
fassung, dass wir uns damit noch sehr viel Zeit lassen sollten. Andere Bundesländer haben es, wie gesagt, vorgemacht. Lassen Sie uns dies doch einfach nachmachen, und lassen wir – ich möchte diesen Satz zum Schluss sagen; das habe ich bei der Ersten Beratung auch schon gesagt – in der Zukunft die Köpfe unserer Kinder in der Schule rauchen, aber nicht mehr die Zigaretten. Wir würden wirklich etwas für die Gesundheit unserer Kinder tun.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es geht in dieser Debatte eigentlich nicht um ein Pro und Kontra, was das Rauchen betrifft. Ich glaube, dass wir alle ein gemeinsames Ziel haben – da möchte ich der Frau Kollegin ausdrücklich zustimmen –, nämlich die rauchfreie Schule. Wir streiten aber dennoch um den besten, den praktikabelsten und vor allem um den ehrlichsten Weg.
dann müssen wir zuallererst feststellen, dass ein generelles Rauchverbot an Haupt- und an Realschulen nicht dazu geführt hat, dass in diesen Schulen nicht mehr geraucht wird. Die Lehrerinnen und Lehrer führen einen Kampf gegen das Rauchen, und zwar innerhalb und außerhalb des jeweiligen Schulgeländes. Ohne Unterstützung der Eltern, der Mitbürgerinnen und Mitbürger, und zwar nicht nur der leidtragenden und betroffenen Anwohner, führen diese Schulen – das hat die Zeit gezeigt – einen außerordentlich einsamen und zunächst auch aussichtslosen Kampf gegen das Rauchen.
Aus diesem Grund, meine Damen und Herren, sollten wir uns in Bälde – und ich bin gerne bereit, mit Ihnen darüber nachzudenken – darüber unterhalten, welche zusätzlichen Sanktions- und Bestrafungsmechanismen den Schulen an die Hand gegeben werden müssen, damit sie das Rauchverbot auch entsprechend durchsetzen können.
Nun zu den Gymnasien und den beruflichen Schulen. Mit dem Einrichten so genannter Raucherecken außerhalb – das ist das Entscheidende; da gebe ich Ihnen ausdrücklich Recht – des jeweiligen Schulgebäudes, nicht innerhalb, wobei man niemandem das Passivrauchen, das so gesundheitsschädlich ist, zumutet, wird an allen Schulen deutlich, dass das Rauchen etwas ist, wovor die Mehrheit geschützt werden muss – da gebe ich Ihnen völlig Recht –, denn es ist nicht gesund. Rauchende Schüler und Lehrer werden damit bei der Ausübung einer ungesunden Tätigkeit im wahrsten Sinne des Wortes auf ihre Plätze verwiesen. Sie werden so behandelt – und das ist für mich entscheidend –, wie unsere rauchenden Mitbürger sonst in der Öffentlichkeit auch behandelt werden, sei es in öffentlichen Einrichtungen wie Bahnhöfen oder in der Gastronomie. Es ist aus meiner Sicht
selbstverständlich, dass dies nur an einem etwas abseits gelegenen Ort außerhalb des Schulgebäudes möglich ist. Dieser Ort muss aber einsehbar bleiben, damit man noch handeln kann. Dadurch ist und bleibt die Schule ein schützenswerter Raum, aber keiner, der die Spannungen, die Probleme und Widersprüche, die es in der Gesellschaft gibt, einfach vor der Tür lassen kann.
Verheerende Wirkungen gehen auch vom Fernsehen – da sind wir uns einig – und von Computern aus. Trotzdem verbannen wir sie nicht aus den Schulen. Wir wissen auch, welche Gefahren von einem übermäßigen Genuss von Süßigkeiten ausgehen. Wir kennen die Übergewichtsproblematik. Aber auch die Süßigkeiten verbannen wir nicht aus der Schule.
(Abg. Margot Queitsch SPD: Das ist schon ein bisschen arg weit hergeholt! – Gegenruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Nein, das ist richtig!)
Wir klären auf, und zwar in allen diesen Belangen, die ich angedeutet habe. Wir klären auf in Sachen Medienmissbrauch, wir klären auf in Sachen Süßigkeiten essen, und wir klären vor allem auf in Sachen Rauchen. Wenn man davon spricht, dass größere und erwachsene Schüler ein schlechtes Vorbild beim Rauchen sein können, dann setzen wir auch auf das positive Vorbild, das Schüler sein können. Unterschätzen wir bitte nicht die Zahl der jungen Menschen, die unter ihresgleichen angesehen sind, nicht weil sie rauchen, sondern weil sie sportlich sind, weil sie intelligent sind, weil sie wortgewandt sind und dennoch nicht rauchen.
Ich glaube, wir haben ein Riesenproblem. Um die Jungen mache ich mir persönlich keine Sorgen, aber um die Mädchen. Ich hoffe, dass wir endlich so weit kommen, dass die Mädchen es nicht länger als ein Zeichen der Emanzipation betrachten, wenn sie rauchen,
Ich verstehe Ihre Sorge. Aber ein totales Verbot führt häufig – und das ist meine Sorge – zum Wegschauen, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
Stellen Sie sich einmal ein großes Berufsschulzentrum vor, einen Riesencampus. Wie, bitte schön, soll an diesen Schulen ein Rauchverbot durchgesetzt werden? Da ist es doch besser, man sagt: Im Gebäude ist es verboten. Draußen können Raucherecken eingerichtet werden, damit niemandem das passive Mitrauchen zugemutet wird.
Aus diesem Grunde glaube ich, dass wir Absprachen vor Ort treffen müssen, und das wollen wir übertragen auf alle öffentlichen Gebäude im Land, auf alle Behörden. Im Gebäude wird nicht geraucht. Vor Ort werden Entscheidungen getroffen, sodass diejenigen, die ihrer Sucht noch frönen müssen, dieser Sucht nachgehen können.