Protokoll der Sitzung vom 22.02.2006

Gemäß § 23 a des Aufenthaltsgesetzes hat Baden-Württemberg eine Härtefallkommission eingerichtet. Wir haben am 8. Februar 2006 im Innenausschuss die Mitglieder der Härtefallkommission gesehen und den Bericht des Vorsitzenden, Dr. Wais, gehört. Ich kann Ihnen versichern: Diese Härtefallkommission ist die unabhängigste Kommission in ganz Deutschland. Kein Regierungsmitglied ist darin vertreten, auch kein Abgeordneter. Ich weiß, Sie verweisen dann auf Herrn Abg. Hofer. Herr Hofer wird in der Härtefallkommission weitermachen, aber nicht mehr als Abgeordneter dieses Landtags.

Die Arbeit der Härtefallkommission ist hervorragend. Wenn ich die Ersuchen auf Aufenthalt, die die Härtefallkommission an das Innenministerium weitergibt, sehe und weiß, dass das Innenministerium 90 % dieser Ersuchen stattgibt, muss ich sagen: Die Arbeit ist hoch qualitativ. Ich danke der Härtefallkommission. Wir anerkennen sie. In diesem Sinne, denke ich, haben wir zwar spät – Frau Utzt, Sie haben das immer bemängelt – und vielleicht als einer der Letzten die Härtefallkommission eingerichtet. Aber damit ist sie auch die beste in Deutschland.

(Zurufe von der SPD)

Wir vom Petitionsausschuss – ich hoffe, dass ich dem nächsten Petitionsausschuss angehöre – begleiten die Härtefallkommission weiterhin.

(Abg. Birzele SPD: Kennen Sie eine andere? Ken- nen Sie eine zweite Härtefallkommission?)

Eine zweite Härtefallkommission? Wir benötigen nur eine. Sie meinen: in Deutschland.

(Heiterkeit – Beifall bei Abgeordneten der CDU)

In diesem Sinne danke ich dem Vorsitzenden für die Arbeit.

(Zurufe von der SPD)

Ja, Ihre Kritik ist ja bekannt. Aber die Härtefallkommission und die Arbeit des Petitionsausschusses sind zwei Paar Stiefel.

(Zurufe von der SPD)

Sie bemängeln die Zusammensetzung der Härtefallkommission, Frau Utzt.

(Abg. Inge Utzt SPD: Ich habe doch noch gar nichts gesagt!)

Ja, Sie haben es im Vorfeld, bei der Innenausschusssitzung, gesagt. Die Zusammensetzung, die wir haben, ist die beste.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Seimetz CDU: Sehr gut!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Utzt.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Zimmermann, ich finde es ja gut, dass Sie gleich sagen, was ich alles kritisieren werde. Ich habe aber auch noch andere Punkte.

(Zuruf des Abg. Zimmermann CDU)

An den Beginn meiner Rede will ich uneingeschränkt ein herzliches Dankeschön an die Mitglieder der Härtefallkommission richten,

(Abg. Seimetz CDU: Das ist schon einmal gut!)

die sich in sieben Sitzungen mit ca. 250 Härtefällen intensiv befasst hat.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Das waren bislang ca. 1 000 menschliche Schicksale. Ich bin mir sicher, dass die Beschäftigung mit diesen Schicksalen nicht einfach mit den Kleidern abgelegt werden kann. Ich bin mir sicher, dass es eine psychische Belastung ist, in dieser Kommission zu arbeiten.

Wie mir berichtet wurde, hat die Arbeit in der Kommission bei einigen Mitgliedern auch zu einer Veränderung der Wahrnehmung menschlichen Leids geführt. In etwa einem Viertel der bearbeiteten Fälle hat die Kommission an das Innenministerium ein Ersuchen gerichtet, eine Anordnung nach § 23 a des Aufenthaltsgesetzes zu treffen. Dem wurde in etwa 90 % entsprochen. Der Vorsitzende der Kommission hat erklärt, dass er auch über die Fälle, in denen das Innenministerium nicht den Empfehlungen der Kommission gefolgt ist, ein Gespräch mit dem Minister führen will.

Die Kommission – so mein Fazit – arbeitet selbstbewusst und verantwortungsvoll. Dafür gilt ihr nochmals mein Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP sowie der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Nun komme ich jedoch zu einigen Kritikpunkten. Dass Baden-Württemberg lange gebraucht hat, um eine Härtefallkommission zu etablieren, hat nach meiner Auffassung dazu geführt, dass es zu einer starken Ballung der Anträge gekommen ist und die Kommission jetzt vor einem großen Berg von Anträgen steht.

(Abg. Döpper CDU: Gut Ding braucht Weile!)

Nach wie vor bedauere ich, dass kein Vertreter von Flüchtlingsorganisationen in die Härtefallkommission berufen worden ist. Ihre Kompetenz und ihre Einbindung in die Entscheidungen der Kommission wären sicher ausgesprochen hilfreich.

(Zuruf des Abg. Zimmermann CDU)

Ich kritisiere, dass der Vorsitzende der Härtefallkommission die weitere Bearbeitung ablehnen muss, wenn sich der Ausländer zum Zeitpunkt der Eingabe außerhalb des Bundesgebiets befindet. Flüchtlinge, bei denen die Kommission voraussichtlich positiv entschieden hätte und die in der Zwischenzeit abgeschoben worden sind oder auf mehr oder weniger sanften Druck freiwillig ausgereist sind, haben eben Pech gehabt.

(Abg. Zimmermann CDU: Alle, die einen Antrag gestellt haben, wurden zurückgestellt!)

Was soll ich den Befürwortern der Aufenthaltsgenehmigung jener Frau sagen, die nach einer Vergewaltigung schwer traumatisiert ist, die in Übereinstimmung mit rechtsstaatlichen Grundsätzen ins Kosovo abgeschoben wurde, im Petitionsverfahren keine Chance hat, weil die Abschiebung rechtsstaatlich in Ordnung war, und nun kein Härtefall mehr sein kann, weil sie nicht mehr im Bundesgebiet ist? Auch dieser Frau hätte geholfen werden können, wenn die Landesregierung bei der Einsetzung der Kommission nicht so zögerlich gewesen wäre.

(Abg. Zimmermann CDU: Seit zwei Jahren stellen wir diese Fälle zurück! Frau Utzt, das wissen Sie!)

Ich kritisiere, dass Sozialhilfebezug in der Regel ein Ausschlussgrund ist, heißt es doch in § 23 a des Aufenthaltsgesetzes:

Die Anordnung kann im Einzelfall unter Berücksichtigung des Umstandes erfolgen, ob der Lebensunterhalt des Ausländers gesichert ist …

„… kann im Einzelfall“ sagt das Bundesgesetz. Die Verordnung des Landes sieht Sozialhilfebezug in der Regel als Ausschlussgrund an.

Nicht einzusehen ist, dass bei einer positiven Entscheidung die Aufenthaltserlaubnis in der Regel nur für zwei Jahre ausgesprochen wird, die Betroffenen also weiterhin mit einem hohen Grad an Unsicherheit leben müssen – wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, und wann wird sie in eine Niederlassungserlaubnis münden? –, zumal das Land derzeit bei der Erteilung von Niederlassungserlaubnissen für Muslime, auch wenn alle Voraussetzungen gegeben sind, recht zögerlich ist, um nicht zu sagen: Das Land blockiert an dieser Stelle.

Die Arbeit der Kommission würde erheblich erleichtert, wenn sich dieses Parlament darauf verständigt hätte, sich bei der Innenministerkonferenz im Dezember für eine Altfallregelung einzusetzen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Kinder, die hier geboren sind – und wir wissen aus der Statistik, die uns vorgelegt worden ist, dass ein großer Teil der Altfälle Kinder sind, die hier geboren wurden, die hier zur Schule gehen, mit Eltern, die hier eine Arbeitsstelle gefunden haben, die integriert sind –, gelten bei uns als Ausländer und leben unter dem Damoklesschwert, ausgewiesen zu werden.

Einige Kollegen der Regierungsfraktionen haben sich in ihren Wahlkreisen für eine Altfallregelung ausgesprochen, Frau Fauser kürzlich in einer öffentlichen Sitzung des Innenausschusses. Es ist mir daher unverständlich, warum wir nicht einvernehmlich zu einer entsprechenden Regelung kommen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn es Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der derzeitigen Regierungsfraktionen, schwer fällt, einem SPD-Antrag zuzustimmen, dann beantragen Sie es doch selbst. Wir hätten in diesem Fall keine Berührungsängste.

(Beifall bei der SPD)

Zum Schluss noch eine Anmerkung. Ich bin dankbar dafür, dass die rot-grüne Bundesregierung durch das Zuwanderungsgesetz die Möglichkeit einer Härtefallkommission geschaffen hat und dass wir diese Möglichkeit in BadenWürttemberg inzwischen umgesetzt haben. Die Notwendigkeit, eine solche Kommission einzurichten, ist aber gleichzeitig ein Armutszeugnis für einen Rechtsstaat, der humanitäre Gesichtspunkte nur durch eine Ausnahmeregelung er

möglicht. Ein kluger Kopf hat kürzlich gesagt: „Die Härtefallregelung ist Methadon in unserem Rechtsstaat.“

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen. Sie haben Ihre Redezeit bereits weit überschritten.

Ein letzter Satz, Frau Präsidentin.