Meine Damen und Herren, Sie haben dadurch einen sonst doch sehr besonnenen Menschen wie mich zu vielen Zwischenrufen herausgefordert
Aber nun zum Inhalt. Die Regierungskoalition von SPD und Grünen in Berlin hat mit dem im Bundestag in der letzten Woche verabschiedeten Gesetz das Ziel erreicht, die Interessen der Wirtschaft zu verfolgen, unseren humanitären Verpflichtungen gerecht zu werden und die neue Migrationspolitik gemeinsam mit den Menschen, den Einheimi
schen und den Zuwanderinnen und Zuwanderern, zu gestalten. Dieser Entwurf wurde von der Wirtschaft auch im Land Baden-Württemberg, beispielsweise vom Präsidenten der IHK Stuttgart, Dr. Baumann, und von den Gewerkschaften begrüßt, und zwar gerade auch aufgrund der realisierten Zielsetzung, dass die Beschäftigung und die Qualifizierung der hier lebenden Deutschen und bevorrechtigten Arbeitnehmer Vorrang vor einer Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte haben.
Ich habe Verständnis dafür, dass zwischen Bund, Ländern und Kommunen darüber gestritten wird, wer die Kosten notwendiger Integrationsmaßnahmen zu tragen hat. Ich bitte Sie aber, sich zu erinnern, dass die Regierung Kohl die Förderung der Integrationsmaßnahmen für Aussiedler drastisch reduziert hat. Die jetzige Bundesregierung hat die zur Verfügung gestellten Mittel um über 60 % erhöht, bei einer gleichzeitig gesunkenen Zahl an Aussiedlern, pro Kopf also mehr als verdoppelt. Die frühere Bundesregierung hat es abgelehnt, bei anderen Zuwanderern Kosten von Integrationskursen oder Ähnlichem zu übernehmen. Nehmen Sie deshalb bitte zur Kenntnis, dass der Bund jetzt bei den vorgesehenen Orientierungs-, Basis- und Aufbaukursen die Kosten für die Orientierungs- und Basiskurse und damit mehr als die Hälfte der Kosten solcher Integrationsmaßnahmen übernimmt.
Aufgrund eines Änderungsantrags heißt es jetzt zusätzlich: Für die Teilnahme am Integrationskurs kann unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit ein angemessener Kostenbeitrag erhoben werden. Der Entwurf eines Integrationsgesetzes der Landesregierung hingegen führte zu den Kosten aus ich zitiere :
Die Kosten für die Belegung des Integrationskurses sollen grundsätzlich vom Kursteilnehmer getragen werden.
Meine Damen und Herren, die Kosten sind jedoch nicht der eigentliche Grund für die Kontroverse, was schon daran ersichtlich wird, dass die CDU/CSU vor den abschließenden Beratungen im Deutschen Bundestag die Konsensgespräche abgelehnt hat und dass Innenminister Schönbohm aus Brandenburg eine Zustimmung zum Gesetzentwurf offensichtlich ausschließt obwohl die Forderungen Brandenburgs erfüllt wurden , weil sonst die CDU gespalten würde.
Ich kann nicht auf alle Kritikpunkte eingehen, will aber zu drei von Ministerpräsident Teufel als sehr wesentlich angeführten Stellung nehmen. Vorweg will ich jedoch darauf verweisen, dass Ministerpräsident Teufel im Bundesrat behauptet hat, dass das Gesetz die Zuwanderung nach Deutschland massiv erhöhen werde, während es ich zitiere die genau gegenläufige Tendenz in den meisten anderen EU-Staaten gebe. Diese Aussage ist in doppeltem Sinn falsch. Ich frage mich nur, warum die Landesregierung, wenn dies richtig wäre, den Bundesinnenminister so entschieden aufgefordert hat, hinsichtlich dieser Frage die Einführung des Mehrheitsprinzips in der Europäischen Union zu verhindern.
Besonders das Aufenthaltsrecht bei nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung hebt das Grundgefüge des deutschen Asylrechts aus den Angeln und wird die Bleiberechtsquote massiv erhöhen.
Abgesehen davon, dass auch diese Behauptung falsch ist, zitiere ich hierzu die Stellungnahme des Kommissariats der Deutschen Bischöfe:
Insbesondere die Berücksichtigung nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung... (kommt) den kirchlichen Forderungen entgegen.
Ich zitiere zusätzlich aus der heutigen Presseerklärung des Bischofs der Evangelischen Landeskirche in Baden, Dr. Fischer:
Die Anerkennung der so genannten nichtstaatlichen und geschlechtsspezifischen Verfolgung sei ein längst überfälliger Schritt Deutschlands zur Anpassung seiner Rechtslage an die übliche Praxis in den anderen EUStaaten.
Zweiter Punkt: Ministerpräsident Teufel kritisiert scharf die Aufnahme einer Härtefallklausel. Auch hierzu die Stellungnahme des Kommissariats der Deutschen Bischöfe:
Insbesondere... die Aufnahme einer Härtefallklausel § 25 Abs. 4 a (kommt) den kirchlichen Forderungen entgegen.
Dritter Kritikpunkt: Nachzugsalter. Hierzu Ministerpräsident Teufel bei der damaligen Debatte im Bundesrat:
Die Reduzierung des Nachzugsalters auf 14 Jahre beim Kindernachzug... ist leider auch nur Theorie. In Wahrheit verbirgt sich dahinter eine Lockerung. Im Ermessensweg bleibt der Nachzug bis zum 18. Lebensjahr möglich. Außerdem werden bedeutende Gruppen von der Herabsetzung des Nachzugsalters von vornherein ausgenommen: Kinder, die zusammen mit ihren Eltern einreisen,
Kinder von Höchstqualifizierten und von Zuwanderern nach dem Punktesystem, Kinder von Asylberechtigten und von Inhabern des kleinen Asyls.
Lassen Sie mich dazu sarkastisch bemerken: Es ist erfreulich, dass er wenigstens nicht den pränatalen Zuzug fordert.
Es ist festzustellen, dass Ministerpräsident Teufel mit dieser Forderung allein auf weiter Flur steht. Selbstverständlich ist es positiv, wenn die Kinder möglichst frühzeitig in die Bundesrepublik Deutschland kommen, den Kindergarten besuchen und möglichst früh deutsche Sprachkenntnisse erwerben. Aber, Herr Ministerpräsident heute Morgen wurde das angesprochen : Dann müssten Sie eine Kindergartenpflicht fordern.
Im Übrigen soll nicht verkannt werden auch das bitte ich zu berücksichtigen , dass es teilweise sehr nachvollziehbare Gründe gibt, warum Eltern ihre Kinder zunächst in der ausländischen Heimat lassen. Wir haben das heute Morgen debattiert: fehlende Ganztagsbetreuungsangebote, verlässliche Halbtagsschule und Ähnliches.
Aber so, wie das Problem von der CDU/CSU geschildert wird, gewinnt man einen völlig falschen Eindruck über die Größe des Problems.
Nach der Kindergeldstatistik betrifft diese Frage das konnten Sie letzthin in einer Sendung des SWR von Herrn Meier-Braun erfahren maximal 12 000 Kinder und Jugendliche im gesamten Deutschland und nur 3 000 in Baden-Württemberg. Dabei muss man noch berücksichtigen, dass alle Kindergeldbezugsberechtigten inbegriffen sind, auch wenn sie über dem Nachzugsalter sind wenn sie zum Beispiel dort eine Ausbildung absolvieren.
Demgegenüber haben die Kirchen ursprünglich eine Erhöhung des Nachzugsalters auf 18 Jahre eingefordert. Zu der jetzt getroffenen Regelung zitiere ich die Stellungnahme des Kommissariats der Deutschen Bischöfe:
Allerdings ist das Gesetz auch aus kirchlicher Sicht nicht frei von Mängeln, und es lässt sich nicht leugnen, dass es im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens einige Rückschritte gegeben hat. Besonders bedauerlich ist die Absenkung des Nachzugsalters für Kinder von 14 auf 12 Jahre. Es ist zu hoffen, dass in der Praxis die Möglichkeiten, die der zugleich geschaffene Ausnahmetatbestand bietet, familien- und kinderfreundlich genutzt werden.
Meine Damen und Herren, ich stelle zu diesen Beispielen fest: Die Regierungskoalition in Berlin bemüht sich, den Forderungen der Kirchen nachzukommen, und wird genau dafür von Ministerpräsident Teufel massiv kritisiert.
Ich kann nicht nachvollziehen, wie Sie, Herr Ministerpräsident, als gläubiger Katholik und als Landesvorsitzender der Christlich-Demokratischen Union die aus kirchlicher Verantwortung gestellten Forderungen so brüsk zurückweisen können.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen Zuruf von der SPD: Heuchlerisch! Familien- feindlich!)