Protokoll der Sitzung vom 20.06.2002

(Abg. Kiefl CDU: So ist es!)

Das heißt also: Man kann wirklich ehrlich, offen und offensiv über richtige Organisationsstrukturen diskutieren. Wenn es aber irgendwo klappt wie in Baden-Württemberg, dann sollte man dies nicht in Abrede stellen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Walter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es verwundert mich schon, dass nach meiner Rede so getan wird, als hätten wir den alten Gegensatz konventionelle/ökologische Betriebe wieder aufgemacht. Das habe ich mit keinem Wort getan. Ich weiß nicht, ob Sie Ihre Reden vorher schreiben und dann nicht mehr abändern können, oder warum das so ist. Aber mit der Realität hat dies gar nichts zu tun. Darum geht es doch gar nicht, Kollegen. Dieser Skandal zeigt doch: Beide sind betroffen.

Uns geht es darum, zu verhindern, dass zukünftig noch mit bestimmten Stoffen umgegangen wird. Wir wollen erreichen, dass man bestimmte Stoffe eben nicht mehr einsetzt, dass es eine Agrarwende gibt, die ihren Namen verdient, damit wir bei den Verbrauchern wieder mehr Sicherheit und Vertrauen schaffen. Was hat es denn beispielsweise

genutzt, jahrzehntelang Tiermehl zu verfüttern? Es hat zu BSE geführt, und das hat das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher massiv erschüttert. Was war denn damals los? Viele haben anscheinend vergessen, was vor eineinhalb Jahren in dieser Republik los war. Die Rinderzüchter sind alle eingebrochen; so kann man sagen. Deswegen muss man einfach umdenken. Und das betrifft den konventionellen Bereich mehr.

Kollege Drautz, Sie verweisen auf den Tierschutz. Das ist ein Kriterium, nach dem immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher fragen. Sie tun ja praktisch so, als würden die konventionell wirtschaftenden Betriebe gar keinen Tierschutz praktizieren. Es geht nur darum, dass diejenigen, die ihn praktizieren, vom Staat gefördert werden und diejenigen, die ihn nicht praktizieren, vom Staat nicht mehr gefördert werden. Ich finde, das ist der richtige Weg, und das ist ein Merkmal der Agrarwende.

(Beifall bei den Grünen Abg. Hauk CDU: Aber dann streichen Sie noch die Mittel dafür!)

Machen wir doch gar nicht. Bleib doch einmal ganz ruhig!

(Zurufe von der CDU)

Herr Kollege Drautz, Sie sagen, das Leitbild des ökologischen Landbaus tauge nichts, und man stelle die konventionellen Betriebe an den Pranger. Das ist doch gar nicht wahr. 90 % der Agrarförderung geht weiterhin in den konventionellen Bereich. Wo kann man denn dann davon reden, es gehe nur um ökologischen Landbau?

Sie waren doch auch auf der Grünen Woche. Wissen Sie, was Herr Fischler gesagt hat? Sie zitieren ja auch gerne. Er sagte, Deutschland habe einen enormen Nachholbedarf im ökologischen Landbau. Wir sind da in Europa doch gar nicht vorne.

Nehmen Sie einmal in Baden-Württemberg alle Streuobstwiesen weg, die ja zum Teil von Betrieben, die sonst nicht ökologisch arbeiten, angemeldet sind. Dann sieht es mit der Bilanz in Baden-Württemberg auch nicht mehr so gut aus, wie Sie das gerne darstellen.

Deswegen mein Rat, Herr Kollege Drautz: Lassen Sie uns das gemeinsam voranbringen. Wir brauchen mehr Ökologisierung. Sie selbst praktizieren das in Ihrem Weinberg ja auch. Sonst würden die Verbraucher bald Ihren Wein auch nicht mehr kaufen. Das wissen Sie doch selbst.

Sie haben gesagt, Frau Künast informiere nicht richtig. Ich habe das ja schon vorhin in meinem ersten Redebeitrag erwähnt: Herr Heinrich stellt sich hin und sagt: „Sie, Künast, informiert zu spät!“ Am 27. März das hat mir heute Morgen Staatssekretär Müller am Telefon gesagt sind die Länder informiert worden gleichzeitig mit der EU. Sie sind darauf hingewiesen worden, man müsse aufpassen, dass diese Lebensmittel kontrolliert werden. Die EU wurde darauf aufmerksam gemacht, dass diese Lebensmittel nicht mehr in die EU kommen sollen. Das war eine schnelle Reaktion, Herr Drautz lange bevor sich die Wirtschaft überhaupt an Frau Künast gewandt hat.

(Abg. Drautz FDP/DVP: Aber das Fleisch gibt es heute noch!)

Herr Kollege Drautz, Sie wissen genau, wie es rechtlich in Europa oft mit dem freien Handel läuft. So einfach ist das nicht. Einerseits stellen Sie sich hin, Herr Drautz, und sagen: „Wir wollen keinen starken Staat. Wir wollen, dass nicht so viel staatlich kontrolliert wird.“ Aber andererseits soll dann doch wieder alles geregelt sein. Da müssen Sie sich einmal entscheiden.

Derselbe Widerspruch tut sich bei Ihnen auf, wenn Sie fordern, die Landwirtschaft zu regionalisieren und regionale Lebensmittel zu fördern. Dann kritisieren Sie Frau Künast, die genau das in Berlin tut. Genau das kritisieren Sie wieder und jubeln dem Kanzler zu, der angeblich gesagt haben soll: Wir brauchen wieder mehr Wettbewerb.

Man muss sich für einen Weg entscheiden, Herr Drautz. Ich glaube, es ist ein Wettbewerbsvorteil für die deutsche Landwirtschaft, wenn ihre Produkte als besonders umweltfreundlich, tiergerecht und umweltgerecht produziert in den Handel gebracht werden können.

Es ist doch klar das wissen Sie selbst : Mit unseren Strukturen, speziell hier im Südwesten, können wir doch gar nicht auf dem Weltmarkt konkurrieren. Das geht doch gar nicht; das wissen Sie. Also brauchen wir andere Merkmale. Dazu gibt es in Baden-Württemberg positive Ansätze, zum Beispiel MEKA. Das sollten wir nicht klein reden. Es ist doch gut, wenn jetzt auf Bundesebene gesagt wird: Das, was hier geschieht, müssen wir teilweise auch auf andere Bundesländer übertragen. Ich weiß nicht, was es da zu kritisieren gibt.

(Beifall der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Jetzt will ich noch etwas zur Kollegin von der CDU anmerken. Sie sagen, wir würden hier idealisieren. Gleichzeitig vergießen Sie Krokodilstränen wegen der kleinen Biobetriebe. Was wollen Sie jetzt eigentlich? Ich kann nur sagen: Ich bin nicht so romantisch veranlagt

(Abg. Dr. Lasotta CDU: Das ist ein Fehler!)

zumindest in der Politik ,

(Heiterkeit)

dass ich jetzt erwarten würde, wir würden einen Bioanteil von 20 % erreichen.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Mit Biosie- gel!)

Da halten die Bauern 50 Hühner. Glauben Sie, das funktioniert? Wie wollen wir denn einen Anteil von Biolebensmitteln von 20 % erreichen, wenn wir nicht in die Supermärkte gehen? Das erreichen wir nicht über die Naturkostläden. Also müssen wir einen anderen Weg gehen.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Die Standards herunterfahren!)

Das ist das nächste Stichwort, das ich ansprechen wollte: die Standards. Wir leben in einem vereinten Europa und in

einem Rechtsstaat. Der Ehrenvorsitzende der CDU hält nicht so viel von diesem Rechtsstaat,

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Hat der was mit Bio zu tun?)

aber vielleicht ein paar andere Mitglieder dieser Partei. Ich kann Ihnen nur sagen, Frau Kollegin: EU-rechtlich ist nichts anderes möglich, als ein Biosiegel einzuführen schließlich haben wir freien Warenverkehr , das sich nach EU-Standards richtet. Das ist der eine Teil.

Der zweite Teil ist, dass sich Frau Künast seit ihrem Amtsantritt massiv in Brüssel dafür einsetzt, dass die Bioanforderungen europaweit angehoben und auf deutsche Standards gebracht werden. Ich denke, das ist der richtige Weg. Unterstützen Sie sie dabei! Das ist besser, als hier Dinge zu fordern, die rechtlich gar nicht machbar sind. Deswegen sind wir hier auf dem richtigen Weg.

Jetzt kommen wir aber zu einem Thema, das uns hier eigentlich ebenfalls beschäftigt, nämlich zum Verbraucherinformationsgesetz. Unter dem Eindruck von BSE hieß es plötzlich: „Verbraucherschutz das ist das zentrale Thema! Darum müssen wir uns kümmern, und da gibt es keine Abstriche.“ Nur sind diese Schwüre eineinhalb Jahre später scheinbar bei vielen schon wieder vergessen. Das zeigt jetzt beispielsweise die Debatte um das Verbraucherinformationsgesetz.

Auch Sie, Herr Kollege Stächele, haben das immer vehement gefordert meiner Ansicht nach zu Recht. Gerade nach der Erfahrung mit Birkel in Baden-Württemberg haben wir größtes Interesse daran, dass es zu einer bundesweit einheitlichen Regelung kommt.

Jetzt nenne ich Ihnen zwei wesentliche Punkte, die der Entwurf des Verbraucherinformationsgesetzes beinhaltet:

Erstens: Behörden können bei begründetem Verdacht von sich aus Ross und Reiter beim Namen nennen das ist das Neue , ohne dass die Voraussetzungen einer behördlichen Warnung bei Gefahr im Verzug erfüllt sein müssen. Das ist ein wesentlicher Fortschritt gegenüber der bisherigen Rechtslage.

Zweitens: Wenn Sie zustimmen würden, würden die Verbraucher das Recht erhalten, Zugang zu Informationen zu bekommen, die den Behörden bekannt sind. Bisher gelten in diesem Bereich noch immer die Grundsätze des Aktengeheimnisses und der Vertraulichkeit. Die Industrie ist gegen diese Änderung, weil das ein Paradigmenwechsel ist. Wir aber wollen diesen Paradigmenwechsel Sie offensichtlich nicht.

Ich frage Sie: Was ist an diesen von mir genannten Zielsetzungen falsch? Was kann man dagegen haben? Ich frage Sie: Wo leben Sie eigentlich? Wollen Sie keinen mündigen Bürger? Die Ablehnung dieses Gesetzes im Bundesrat das zeigt sich an diesen beiden Punkten ist sachlich nicht begründet.

(Beifall bei den Grünen)

Ich erläutere Ihnen das an dem aktuellen Beispiel Nitrofen, weil das heute Morgen auch unser Thema ist. Es wäre

möglich gewesen, eine differenzierte Nennung sowohl der betroffenen Produkte als auch der Hersteller vorzunehmen. Das wäre der Fortschritt gewesen.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Aber der Staatssekretär Müller hat gesagt, dass ein Verbrau- cherinformationsgesetz den Nitrofen-Skandal nicht verhindert hätte!)

Dann wäre verhindert worden, Frau Kollegin, dass die ganze Branche in Verruf gerät; dann wären tatsächlich nur die Betroffenen genannt worden, und diejenigen, die sauber gearbeitet haben, wären aus dem Schneider gewesen.

(Abg. Kiefl CDU: Wer ist denn das?)

Ich sage nur: Das würde den Firmen, die sauber arbeiten, wieder einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Genau das verhindern Sie.

(Abg. Kiefl CDU: Wir reden ja nur von denen, die sich danebenbenommen haben!)

Ich sage Ihnen, Kollege Kiefl: Der Unterschied zwischen CDU, FDP und Grünen ist ganz einfach. CDU und FDP wollen die schwarzen Schafe vor den Verbrauchern schützen.