Protokoll der Sitzung vom 20.06.2002

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Ohne die Spritzerei hätte es Nitrofen doch gar nicht gegeben!)

Moment, ich komme darauf, Herr Palmer. Stellen wir einmal fest, was bis jetzt ist. Ich gehe auf die Wissenschaftlichkeit ein, die von einigen, unter anderem von Ihnen, Herr Teßmer, angesprochen worden ist. Bis jetzt hat dieser Skandal wieder einmal eine große Aufregung erzeugt, die

in keinerlei Verhältnis zu den gesundheitlichen Gefahren steht. Herr Präsident, ich darf die Aussage, die Sie, Herr Teßmer, der Bayerischen Staatskanzlei und Stoiber untergejubelt haben, zitieren,

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

damit wir wissenschaftlich sauber bleiben.

Helmut Greim, der Giftexperte der Europäischen Union, der das Institut für Toxikologie und Umwelthygiene der TU München leitet usw. ersparen Sie mir jetzt alle Aufzählungen , hat diese Aussagen gemacht, die aber für uns alle gar nicht neu sind. Ich wiederhole, was ich von diesem Pult aus schon einige Male dargestellt habe:

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Es gibt einen Grenzwert, der festgelegt wird, weil er messbar ist. Bis dorthin können wir das technisch feststellen. Das ist ein technischer Wert. Dann gibt es einen Höchstwert, der hundert- oder tausendfach über dem Grenzwert liegen kann. Ab dieser Grenze wird es dann gesundheitsgefährdend. Dieses muss man immer sagen. Ich habe auch schon von diesem Pult aus einige Male auf diesen Sachverhalt hingewiesen.

(Abg. Teßmer SPD meldet sich zu einer Zwischen- frage.)

Herr Kollege Teßmer, lassen Sie mich diesen Gedanken zu Ende führen. Wir können hinterher alle Fragen diskutieren.

Wir sollten dem Verbraucher immer wieder diese Information geben, welcher Unterschied zwischen Grenzwert und Höchstwert besteht, damit diese wahnsinnige Aufregung, die völlig unbegründet ist, weil sie ich sage es noch einmal in keinerlei Verhältnis zur gesundheitlichen Gefahr steht, vermieden werden kann.

Wieder einmal ist natürlich Vertrauen vergiftet. Das ist klar. Wieder einmal ist Glaubwürdigkeit verloren gegangen. Das ist auch klar. Wieder einmal kostet das Ganze die Betriebe und den Staat ein Heidengeld. Wieder einmal wird Image systematisch zerkratzt und zerfetzt wenn man manche Kommentare liest , was über den Tag hinaus allen schadet, nicht nur den Ökobetrieben. Ich bedauere die Ökobetriebe, aber das alles schadet wieder der ganzen Landwirtschaft. Und wieder einmal werden tausend Schwüre geleistet, dass wir in Zukunft alles besser machen, und wieder einmal gaukelt man den Bürgern vor, es gäbe eine hundertprozentige Sicherheit, die es niemals geben wird, denn man tut gerade so, als gäbe es keine Lumpen oder Gauner oder auch nur Gedankenlose oder Schlamper oder Kriminelle.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wo liegt nun das Problem?

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Kiefl, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Teßmer?

Bitte schön, Herr Teßmer.

Herr Kiefl, ich danke Ihnen für diese Ausführungen. Aber habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie sagen, der Grenzwert sei die untere messbare Grenze was übrigens bei Nitrofen nicht ganz stimmt; das kann man noch feiner messen ,...

In der Zwischenzeit, ja.

... und erst das Hundertfache sei gesundheitsschädlich?

Oder das Tausendfache.

Stimmen Sie mir da zu? Es hat geheißen: Dieser Grenzwert ist das, was man gerade noch zumuten kann. Er schade auch der Gesundheit nicht. Er ist übrigens für einen 35-jährigen Mann entwickelt worden und nicht für Kinder. Das muss man auch wissen.

Ich frage Sie jetzt noch einmal ganz direkt: Glauben Sie nicht, dass sich der Verbraucher oder die Verbraucherin darauf verlassen können müssen, dass der Grenzwert eingehalten wird und nicht die hundertfache Erhöhung, die zwar auch noch nicht schaden soll, die aber halt den Grenzwert hundertfach überschreitet? Wenn wir das verniedlichen, wie Sie es eben ein bisschen gemacht haben: Schaden wir damit nicht dem Vertrauen?

Vielen Dank, Herr Kollege Teßmer. Das ist eine gute Frage.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Jetzt wollen wir aber auch eine gute Antwort! Die sind Sie uns schuldig!)

Langsam, langsam! Das ist eine sehr gute Frage, Frau Kollegin Haußmann. Denn aus diesem Grund hat man Nitrofen ja verboten, und das bereits vor 20 Jahren bzw. in den neuen Bundesländern vor 10 Jahren.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Also, was wollen Sie denn dann?)

Aber jetzt kommt es: Wo liegt denn das Problem bei diesem ganzen Skandal? Problem Nummer 1 ist: Der Apparat hat versagt. Das wissen in der Zwischenzeit alle. Das sagen selbst Ihre Parteifreunde, zum Beispiel Herr Farthmann. Ich formuliere es so: Das Krisenmanagement der Frau Verbraucherministerin Künast

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Ist gut!)

hat versagt. Sie hat es ganz einfach verpatzt. Es hat nicht funktioniert. Es hat hinten und vorn nicht funktioniert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU Abg. Walter GRÜNE: Sag einmal! Zurufe der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE und Teßmer SPD)

Frau Künast konnte ihrer Verantwortung in diesem Zusammenhang nicht gerecht werden. Das ist das Erste.

(Abg. Teßmer SPD: An welcher Stelle? Abg. Ur- sula Haußmann SPD: Sagen Sie doch mal ein kon- kretes Beispiel! Abg. Walter GRÜNE: Was hätte sie denn tun sollen?)

Herr Kollege Walter, ich sage es gleich. Das Zweite, warum das scheitern musste, war: Die Weichenstellung der Agrarpolitik und der Verbraucherschutzpolitik durch Frau Künast ist falsch. Sie ist einfach in der ideologischen Ecke stecken geblieben und kommt daher nicht weiter.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Jetzt, Frau Haußmann, schön der Reihe nach. Jetzt komme ich zum Apparat.

(Abg. Walter GRÜNE: Können Sie da auch einmal ein Beispiel bringen?)

Ja, ich bringe es jetzt. Jetzt dazu, wo der Apparat versagt hat.

(Abg. Walter GRÜNE: Der „Apparat“!)

Ja, gut. Sie ist ja Chefin dieses Apparats. Wären Informationen beachtet worden, die bekannt waren, dann hätte es den Skandal nicht gegeben. Wären die Informationen geflossen, wären sofortige Meldungen erfolgt, wäre der Datenaustausch auch zwischen den staatlichen Behörden vorgenommen worden, dann hätte es keinen Skandal gegeben.

(Zuruf des Abg. Birzele SPD)

Und jetzt Folgendes: Es ist nämlich wirklich nur das verpatzte Krisenmanagement der Frau Künast. Denn die Kontrollen, meine Damen und Herren, müssen irgendwie gut funktioniert haben. Stellen wir uns vor: Nitrofen ist seit 20 Jahren verboten, und man findet das. Da muss irgendwo noch ein vernünftiges Programm da sein, denn man hat ja nicht nach diesem Stoff gesucht.

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Aber wo liegt jetzt das Problem? Das Problem liegt darin: In dem Moment, als man wusste, es ist Nitrofen da wie auch immer es da hineingekommen ist, ist ganz egal , wusste jeder, nachdem es seit 20 Jahren verboten ist: Es handelt sich um einen Gesetzesverstoß, es handelt sich um einen klaren Gesetzesbruch.

(Abg. Drautz FDP/DVP: Der nicht in Baden-Würt- temberg war!)

Das ist etwas ganz anderes als beispielsweise das mit dem HQZ, Herr Kollege Walter. Aber die ganzen Informationen sind in den Amtsstuben versickert. Ich habe niemanden gehört, der den Gesetzesverstoß kritisiert oder nach einer entsprechenden Feststellung und Kritik gehandelt hätte. Dies ist das große Problem.

Da kommt wiederum die Chefin ins Spiel, meine Damen und Herren. Die Chefin, Frau Künast, hat nach dem Bericht von Frau von Wedel vom Bundesrechnungshof gesagt das Zitat habe ich noch sinngemäß im Kopf, selbst wenn ich es nicht ganz genau hinbringe : Sie habe vom Acker bis auf den Teller alles im Griff sinngemäß, das kann man aber nachlesen , und sie werde dafür sorgen, dass bei irgendeiner Gefahr, auch wenn nur der Verdacht einer Gefahr bestehe, die Telefonate oder Faxe sofort sie die Frau Ministerin an ihrem Schreibtisch erreichten.

(Abg. Teßmer SPD: Dann muss sie es auch von den Ländern kriegen!)

Jetzt passen Sie auf, Herr Kollege Teßmer: Das war aber bekannt. Warum hat sie denn nicht mit ihren Erlassen

(Abg. Teßmer SPD: Aber Sie sind doch bei den Ländern!)