Protokoll der Sitzung vom 17.07.2002

(Beifall bei der CDU)

Wahrscheinlich haben die wenigsten den Gesetzentwurf gelesen. Die Toilettenregelung für die Erzieherinnen ist nicht drin. Das ist aber auch das Einzige, was man dort nicht berücksichtigt hat.

Ich bin auch der festen Überzeugung, dass Sie von den kommunalen Landesverbänden eine glatte Abfuhr für diese überbürokratisierte Regelung, die Sie uns hier präsentieren, bekommen werden.

(Lachen der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Wir brauchen Freiheit und Vielfalt für die Kindeserziehung, keine Regelungswut. Da nenne ich nur das Beispiel von § 20, meine Damen und Herren. Erst einmal wird alles bis ins kleinste Detail geregelt, und in § 20 wird sozusagen ein Paragraph für die Innovation im Kindergarten eröffnet. Danach sollen dann Modellversuche und Erprobungsregelungen ermöglicht werden. Das ist Qualitätssteigerung und Qualitätsfortschritt Marke SPD. Vielen Dank. Darauf können wir verzichten.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt zwei positive Signale in diesem Beratungsprozess, der über ein Jahr gedauert hat. In der letzten Kurve ist die Tagespflege noch aufgenommen worden. Wahrscheinlich weiß der Kollege nichts davon, was das bedeutet. Deshalb hat er es nicht vorgetragen. In der letzten Kurve hat man also die Tagespflege aufgenommen. Da kann ich Ihnen sa

gen: Wenn Sie die noch in jene Statistik von 1998 einrechnen, dann sind wir nicht mehr Schlusslicht. Da kann ich Sie beruhigen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Waschen Sie sich den Schaum vom Mund, und sagen Sie, was Sie konkret wollen!)

Wir haben insgesamt 8 000 Tagesmütter in Baden-Württemberg, und die stehen bei uns im Mittelpunkt des Geschehens. Bei Ihnen sind sie Randfiguren. Das ist der große Unterschied.

(Beifall bei der CDU Glocke des Präsidenten)

Herr Haas, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Queitsch?

Bitte schön.

Frau Queitsch, bitte.

Herr Haas, geben Sie mir Recht, wenn ich Ihnen unterstelle, dass Sie zu feige waren, mit Ihrem Gesetzentwurf durch die Lande zu ziehen und ihn mit den Trägern und Einrichtungen zu diskutieren, und zwar im Gegensatz zur SPD? Wir sind durch die Lande gezogen. Sie sind hier nicht einmal in der Lage, den Entwurf schriftlich vorzulegen. Ich gehe davon aus, dass Sie mir wirklich Recht geben werden, dass Sie einfach zu feige dazu sind.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Frau Queitsch, Sie müssen sich einmal bei der Landtagsverwaltung kundig machen, wie das Gesetzgebungsverfahren in Baden-Württemberg aussieht. Da reist man nicht draußen herum, sondern man macht ein ordentliches Verfahren, geht in die Anhörung, und dann kommt es in die Beratungsgänge. Dann kriegen Sie es.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Von Ihnen haben wir nichts anderes erwartet!)

Frau Haußmann, dass Sie sich aufregen, dass Sie nichts wissen, das wundert mich überhaupt nicht. Aber Ihnen, Frau Queitsch, muss ich sagen: Ich kann Sie beruhigen. Wir sind draußen gewesen. Ich habe die sechs Punkte vorgetragen, die unsere Grundlage sind. Es sind mir ja auch Briefe geschrieben worden. Die Antworten kennen Sie aus meinen Antwortbriefen. Damit kennen Sie auch unsere Überlegungen ganz genau.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Warum sagen Sie dann nichts dazu?)

Ich muss nicht draußen herumturnen und große Versprechungen machen, die ich nicht bezahlen kann. Das haben Sie getan. Das ist der große Unterschied. Wir waren draußen, und zwar über ein Jahr lang.

(Beifall bei der CDU Abg. Ursula Haußmann SPD: Wo denn?)

Wir sind allerdings nicht mit einem fertigen Konzept hinausgegangen, sondern haben nachgefragt, wie die Wünsche sind.

(Abg. Schmiedel SPD: Sie haben doch gar kein Konzept! Abg. Ursula Haußmann SPD: Sie ha- ben doch noch nichts zu Ihrem Konzept gesagt! Das sind doch Sprechblasen!)

Meine Damen und Herren, ich will nur noch abschließend sagen: Sie haben auch die Überschrift geändert. Aber damit haben Sie natürlich nicht den Inhalt verändert. In diesem Gesetzentwurf ist nicht das drin, was außen draufsteht.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Unglaublich!)

Das Kind, das bei uns im Mittelpunkt steht, das stört so habe ich den Eindruck bei Ihnen eher beim ganzen Gesetzgebungsverfahren, und das Problem ist natürlich, dass sich dieser kleine Wicht nicht gesetzlich formatieren lässt. Das ist das große Problem, das Sie haben. Dieser starre Gesetzesrahmen, den Sie vorgelegt haben, ist ein starres Konzept und lässt Innovation nicht zu, sondern schnürt nur ab. Ziehen Sie den Gesetzentwurf zurück, machen Sie den Weg frei für innovative, freiheitliche und zeitgemäße Kinderbetreuungskonzepte.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erhält Frau Abg. Lösch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Seit PISA hat sich ja Gott sei Dank der Ton in der Kinderbetreuungsdiskussion ein bisschen verändert. Hat man jahrelang nur über statistische Versorgungsquoten, über den quantitativen Ausbau im Bereich der Kindertagesbetreuung gesprochen, so haben wir jetzt auch eine Diskussion über Qualität und Bedarfsgerechtigkeit.

Bei uns in Baden-Württemberg liegt beides im Argen. Wir sind nach wie vor in den Bereichen der unter Dreijährigen und der über Sechsjährigen bundesweit Schlusslicht. Die Diskussion über die Kinderbetreuung muss zwei Zielen unterworfen sein. Das eine ist der bedarfsgerechte Ausbau der Kinderbetreuung zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und das zweite ist eine Verbesserung der pädagogischen Qualität. Das heißt, wir brauchen Rahmenbedingungen in unseren Kindergärten, damit der Kindergarten seinen Aufgaben, die auch im Kinder- und Jugendhilfegesetz verankert sind Betreuung, Erziehung und Bildung , nachkommen kann. Das heißt, der Kindergarten muss zum Bildungsgarten werden.

Bildung im Kindergarten das haben wir heute Morgen anhand von PISA herauf und herunter diskutiert kann nicht heißen, dass Kinder schon Rechnen, Schreiben oder Lesen lernen sollen, sondern die Kinder sollen im Kindergarten das Lernen lernen. Das heißt, sie sollen neugierig und experimentierfreudig sein. Das heißt Bildung im Kindergarten.

In den ersten Jahren werden die Grundsteine für das zukünftige Leben gelegt. Kinder verbringen allein 4 000 Stunden im Kindergarten, bevor sie eingeschult werden. Dies müssten doch überzeugende Gründe sein, um zukünftig auch in Baden-Württemberg ein stärkeres quantitatives,

qualitatives und finanzielles Gewicht auf die Kinderbetreuung zu legen.

(Beifall bei den Grünen)

Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. So hieß es früher.

(Zuruf von der SPD: Oder: Was Häschen nicht lernt!)

Oder ein Zitat von Albert Schweitzer: „Keine Zukunft vermag gutzumachen, was wir in der Gegenwart versäumen.“

Die Kinderbetreuungspolitik der Landesregierung bleibt nach wie vor weit hinter den Realitäten zurück, die für ein heutiges familienfreundliches Baden-Württemberg eigentlich stehen müssten. Das hoch gepriesene kinderfreundliche Baden-Württemberg-Konzept der Landesregierung ist mit sage ich immer mageren 16 Millionen € pro Jahr ausgestattet. Allein die Vorstellung, dass mit diesen 16 Millionen € Programme für Kinder im Kindergartenalter, für Kleinkinder, für Schulkinder abgedeckt werden könnten, ist total absurd. In diesen 16 Millionen € sind gerade 10 % Landesförderung im Bereich der Kinderkrippen und 10 % Förderung im Bereich der Tageseltern enthalten.

Wenn man sich nun das Ergebnis des Gesprächs zwischen Landesregierung und kommunalen Landesverbänden anschaut, das gestern stattgefunden hat, muss man sagen, dass auch von diesem Gespräch kein positiver Impuls für die Kinderbetreuung in Baden-Württemberg für die Zukunft ausgehen wird, und zwar aus folgenden Gründen: Zum einen hat man über die Kommunalisierung der Mittel gesprochen. Das ist eine alte Forderung. Die Trägerverbände weigern sich, der Kommunalisierung zuzustimmen, bzw. sie sind noch nicht davon überzeugt, dass die Kommunalisierung der beste Weg ist.

(Abg. Wieser CDU: Sind die Grünen nicht für die Basisdemokratie?)

Herr Wieser, eine Kommunalisierung kann nur sinnvoll sein, wenn es Qualitätsstandards auf Landesebene gibt, damit landesweit überall die gleichen Qualitätsstandards in den Kinderbetreuungseinrichtungen existieren, weil es nicht sein kann, dass ein Kindergarten in Stuttgart eine andere pädagogische Qualität hat als ein Kindergarten in Bretten oder was weiß ich wo.

(Beifall der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Zum Zweiten ist eine Deckelung der derzeitigen Mittel im Landeshaushalt vereinbart worden. Da haben sich, sage ich Ihnen, meiner Meinung nach die kommunalen Landesverbände über den Tisch ziehen lassen, weil die Landesregierung argumentiert, dass die Zahl der Kinder zurückgehe und dass man deshalb weniger Gruppen habe und daher weniger Geld brauche. So stimmt es leider nicht. Ich war am Freitag bei der Jahrestagung des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Da hat Frau Mertens vom Landesjugendamt einen Bericht über das Thema Kinderbetreuung unter dem Vorzeichen von PISA gegeben. Dort ist ganz deutlich geworden, dass man sich mit dem Argument in die Tasche gelogen hat, sinkende Kinderzahlen heiße,

dass es im Kindergarten weniger Gruppen gebe und dass man deshalb weniger Geld brauche. Denn auf der einen Seite ist es so, dass die Gruppen ohnehin zu groß sind, um dort mit der zunehmenden Zahl an auffälligen Kindern pädagogisch sinnvoll umgehen zu können. Auf der anderen Seite werden frei werdende Plätze mit unter Dreijährigen und über Sechsjährigen aufgefüllt. Deshalb sehen wir es nicht so, dass man dadurch, dass die Zahl der Kinder zwischen drei und sechs Jahren zurückgeht, Kosten sparen kann und sich die Zahl der Gruppen verringert.

Meine Damen und Herren, wir finden, dass eine Diskussion über eine sinnvolle Kinderbetreuung in Baden-Württemberg mehrere Kriterien umfassen muss. Das eine ist das Kindergartengesetz. Darüber haben wir vorhin schon diskutiert, und darauf wird man nachher in der zweiten Runde wahrscheinlich noch intensiver eingehen können. Wir brauchen ein Kinderbetreuungsgesetz, das alle Angebote für Kinder bis 14 Jahre umfasst und auch den Weg für Kooperationsmodelle öffnet.

Zweitens: Jenseits einer Novellierung des Kindergartengesetzes brauchen wir endlich eine ordentliche Reform der Erzieherinnenausbildung. Was von unserer Kultusministerin bisher vorgelegt wurde, ist ein „Reförmle“. Das hat mit einer ordentlichen Reform nichts zu tun.

Zum Dritten brauchen wir ein Kinderbetreuungskonzept aus einem Guss, das Kindertagesstätten und Schulen miteinander verzahnt, und zwar nicht nur in Sonntagsreden, sondern auch in der Realität. Wir brauchen mehr Ganztagsangebote im Bereich von Kindertageseinrichtungen, und vor allem brauchen wir eine bessere Sprachförderung.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Auf die Sprachförderung möchte ich gern etwas detaillierter eingehen. Es ist ja nicht erst seit PISA bekannt, dass Kinder vor der Einschulung über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen sollten. Gerade die Sprachförderung von Kindern nichtdeutscher Herkunft muss daher im Kindergarten im Zentrum der Bemühungen stehen. Der Kindergarten ist auch der richtige Ort, wo man die Eltern erreicht, wo man vor allem den Müttern die Möglichkeit bieten kann, die deutsche Sprache zu erlernen.