Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will erst einmal ein bisschen mit Geschichtsunterricht beginnen, Frau Haußmann.
(Abg. Wieser CDU: Sehr gut! – Abg. Alfred Haas CDU: Beim Herrn Schmiedel! – Oh-Rufe von der SPD – Abg. Wintruff SPD: Oberlehrer! – Gegenruf des Abg. Hauk CDU: Das ist notwendig!)
Lahnstein, Seehofer. Bei den Lahnstein-Kompromissen 1992 war ein gewisser Herr Dreßler beteiligt. Die Lahnstein-Kompromisse 1992 wurden mit 75 % Mehrheit im Deutschen Bundestag befürwortet. Da war wohl auch die eine oder andere SPD-Stimme dabei.
Das heißt, wir haben damals ein Gesundheitswesen auf den Weg gebracht, das seinerzeit richtungweisend war.
Da waren Sie an Bord. Klinken Sie sich also bitte heute nicht aus und sagen nicht: „Für das, was in den vergangenen Jahren war, können wir nichts.“ Sie können etwas für die letzten vier Jahre. Dafür können Sie sehr viel, denn da ist nichts passiert.
Erlauben Sie mir ferner eine fachliche Korrektur. Sie haben gesagt, es gebe Ausnahmeregelungen für Krankenhäuser, die willig seien, die neuen Gesetze mitzumachen. Sie wissen, dass es in Baden-Württemberg Krankenhäuser gibt, die, selbst wenn sie wollten, nicht mitmachen könnten. Dazu gehören zum Beispiel unsere Zentren für Psychiatrie. Dort gibt es keine DRGs. Also können die auch nicht mitmachen und bekommen auch keine 0,8 % Erhöhung. Über diese Krankenhäuser reden wir.
Es gibt weiterhin die geriatrischen Krankenhäuser im Land Baden-Württemberg, auf die wir sehr stolz sind. Für diese gibt es ebenfalls keine DRGs.
Die einzige Ausnahme ist die Beteiligung an den DRGs. Die DRGs kommen für diese Krankenhäuser nicht infrage. Alle andere Ausnahmen – das ist geprüft – treffen auf BadenWürttemberg nicht zu. Das heißt: Hören Sie auf, von Ausnahmen zu sprechen, die es nicht gibt. Unsere Krankenhäuser haben ein Problem. Die Krankenschwestern und die Krankenpfleger – liebe Frau Haußmann, Ihre Kolleginnen und Kollegen – werden Ihnen wirklich für das danken, was da aus Berlin kommt.
Der Herr Minister hat betont: Wir haben mehrmals darauf hingewiesen, welche Möglichkeiten das System bietet. Sie richten jetzt eine Expertenkommission ein, um – ähnlich wie bei Hartz –
intern bei der linken SPD-Gruppe und bei den Gewerkschaften dafür zu werben, dass das notwendige Schritte sind. Ich will Ihnen etwas sagen: Expertengutachten gibt es im Gesundheitswesen so viele wie in keinem anderen Sozialversicherungsbereich.
aus der linken Ecke und auch aus unserer Ecke. Sie brauchen kein Gutachten. Auch die WHO – sie ist nicht verdächtig, der CDU nahe zu stehen –, auch die Weltgesundheitsorganisation hat Ihnen den Weg gewiesen. Sie hat nämlich gesagt, dass eine Verbesserung der gesamtdeutschen Situation nur dann möglich ist, wenn man den Patienten als mündigen Patienten begreift und der Patient selbst mitmacht.
Der Patient selbst ist der Schlüssel. Genau das war unser Konzept, das wir Ihnen auch vor der Bundestagswahl vorgestellt hatten. Der Patient selbst ist der Schlüssel. Aber dazu muss man natürlich in der Lage sein, den Patienten als mündigen Verbraucher wahrzunehmen und ihm zuzutrauen, dass er von Wahlrechten und von Optionen Gebrauch macht.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Sehr gut! – Abg. Blenke CDU: Mehr Wettbewerb!)
Jetzt will ich Ihnen noch ein Argument liefern, zu dem Sie mir einmal einen Gegenbeweis antreten müssten: Bei der Riester-Rente setzen Sie auf den mündigen Verbraucher – 30 Millionen Bundesbürger sind betroffen – und sagen, die Leute sollten ihre Rente selber in die Hand nehmen. Da trauen Sie es den Leuten zu. Aber bei der gesetzlichen Krankenversicherung lassen Sie nicht den kleinsten Spielraum zu. Ich weiß, Sie würden gern, aber ver.di lässt Sie nicht. Das ist das wahre Problem an der ganzen Geschichte.
Eine weitere Anmerkung: Frau Lösch hat vorhin von einer Notoperation gesprochen. Frau Lösch, dieses Vorschaltgesetz hat bei den Patientinnen und Patienten sowie bei den
Beschäftigten einen ganz anderen Eindruck hinterlassen; es ist nämlich keine Notoperation, sondern Science-Fiction, denn Sie frieren einen todkranken Patienten ein in der Hoffnung, dass Sie in 5 Jahren eine Therapie finden, um ihn aus dem Schockzustand wieder aufzuwecken. Ich bin gespannt, wie die Reformen aussehen. Ich bin wirklich gespannt.
Ein letztes Wort: Der Minister, der hier sitzt – und das haben ihm alle Parteien bestätigt –, kämpft mit Vehemenz dafür, dass die Pflege in der Gesellschaft wieder die Wertigkeit bekommt, die sie braucht, und dass junge Menschen auch die Pflege als Beruf begreifen, der Sinn macht und der Werterfüllung bringt.
Erklären Sie mir einmal, warum wir eine Imagekampagne machen, wenn Sie diese Imagekampagne mit einem einzigen Vorschaltgesetz über Nacht kaputtmachen!
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Wie- ser CDU: Die fünf Minuten haben sich gelohnt, Herr Präsident!)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war eine Offenbarung, was Sie hier von sich gegeben haben: nur Kritik.
Genau so stelle ich mir verantwortliche Politik vor: Wenn die Regierung, wie jetzt in diesem Fall, unumgängliche Maßnahmen ergreifen muss – das lag auch den Beschlüssen von Lahnstein zugrunde –, muss es einen breiten gesellschaftlichen Konsens geben.
(Abg. Alfred Haas CDU: Wieso haben Sie das nicht vor der Bundestagswahl gesagt? Das ist das Pro- blem!)
Aber bei Ihnen ist das überhaupt nicht möglich; das hat sich heute wieder bestätigt. Sie werden so weitermachen, bis die Wahl in Hessen vorbei ist, und Sie werden so weitermachen, bis die Wahl in Niedersachsen vorbei ist, und bis dahin werden die Menschen noch mehr politikverdrossen sein und sagen: Können die denn das nicht regeln? Was ich heute von Ihnen gehört habe, war wirklich unter aller Kanone.
Ausgerechnet die Partei, die den Krankenschwestern und Krankenpflegern die Nacht- und Feiertagszuschläge kürzen wollte,