alle Zentren würden dramatische Einbrüche erleben, und alle Wohnsitzgemeinden würden drastisch besser gestellt. Wie wollen Sie da denn einen Ausgleich schaffen?
Deswegen sind die Kommunen auch gegen diesen Unsinn. Baden-Württemberg ist bisher als einziges Land für diesen Vorschlag. Alle norddeutschen CDU-regierten Länder sind dagegen. Wegen dieses Kladderadatsches bekommen die Kommunen auch in Baden-Württemberg ab 1. Januar nächsten Jahres nicht mehr Geld. Das müssen wir der Öffentlichkeit halt auch sagen.
Zur Geschichte der Verwaltungsreform, Herr Ministerpräsident, gehört auch, dass es mit der SPD 1971 einen Beschluss gab, die Regierungspräsidien aufzulösen, und zwar aus gutem Grund. Der wurde halt nicht umgesetzt. Als die SPD nicht mehr in der Regierung war, haben Sie diesen Beschluss schleunigst rückgängig gemacht, obwohl er von Walter Krause in der Kreisreform mit vertreten wurde. Wir haben gesagt: Es ist sinnvoll, die Regierungspräsidien aufzulösen. Da war schon damals ein Bruch. Sie reparieren diesen Bruch heute nicht.
Deswegen ist für uns auch die Frage, was Sie jetzt machen. Sie machen einen reinen Verschiebebahnhof. Sie lassen in den Ebenen überhaupt nichts wegfallen. Sie verschieben staatliche Behörden in die Landkreise und in die Regierungspräsidien und sagen denen: „So, jetzt macht mal eine Effizienzrendite von 20 %. Wir werden euch zunächst das ganze Geld zuschicken, und dann werden wir euch in den nächsten fünf Jahren immer weniger zuschicken.“
Jetzt frage ich mich einmal: Ein Kreistag, der das nicht schafft, wird dann doch wohl die Polizei aus seiner Kreisumlage finanzieren müssen. Darauf komme ich nachher noch einmal zurück. Anders geht es bei den Sachmitteln doch gar nicht. Ja, wie denn? Das heißt also: Die Finanzund Personalhoheit bei den Polizeidirektionen hat der Landrat. Das wollen wir einmal festhalten.
Darauf möchte ich nachher noch einmal zu sprechen kommen. Deswegen ist das ein reiner Verschiebebahnhof.
Im Übrigen kann ich sagen, nachdem Sie sich dauernd auf Herrn Professor Hesse berufen: Er hat in der „Stuttgarter Zeitung“ am 5. April in einem ausführlichen Kommentar gesagt, langfristig müsse und werde man in Richtung Zweistufigkeit gehen.
Ihr Kollege Wulff aus Niedersachsen geht genau den gleichen Weg: Regierungspräsidien kommen in diesem Fall als
Mittelinstanzen weg. Ich sage noch einmal: Ich glaube nicht, dass Sie die Gemeinde- und Kreisreform von 1971 mit dem vergleichen können, was Sie jetzt machen. Sie lassen nichts wegfallen. Sie legen nichts zusammen. Sie verteilen Ämter. Das sind im Übrigen verkleinerte Ämter. Jetzt vergrößern Sie sie wieder. Ich komme nachher noch einmal darauf zurück.
Heute lacht jeder aus der CDU-Fraktion über Herrn Bulling und sagt etwas gegen ihn. Wir haben ihn bei einer Anhörung unserer Fraktion bei uns gehabt. Er war ja, wenn ich mich richtig erinnere, ein sehr erfolgreicher Regierungspräsident.
Er sagt, es bestünden gravierende fachliche und verfassungsrechtliche Bedenken zum Beispiel gegen die Eingliederung der Polizei in die Kreise.
Verstehen Sie: Wenn ein Regierungspräsident Ihnen einmal den Rücken zudreht und eine andere Auffassung hat, dann beschimpfen Sie ihn gleich. Denken Sie doch erst einmal über das nach, was er sagt. Er könnte ja auch Recht haben, Herr Haas.
Den Vorschlag, die Land- und Stadtkreise in ihrem derzeitigen Zuschnitt zu belassen – selbst wenn man in Ihrer Gedankenwelt bliebe und sie jetzt stärken wollte –, halten wir für einen zentralen Fehler.
Denken Sie einmal darüber nach, ob alle Landkreise in der Lage sind, das, was Sie ihnen jetzt zumuten, tatsächlich zu machen.
Im Übrigen: Was passiert denn eigentlich, wenn Sie wirklich Ihre Bürgernähe gestalten – daran werden wir ja ganz stark mitarbeiten – und so viel wie möglich von den Landratsämtern nach unten delegieren, von den Führerscheinstellen bis zu anderen Aufgaben der Landratsämter? Dann hat das Landratsamt immer weniger kommunale Aufgaben. Dies gilt besonders in der Region Stuttgart, weil Sie hier andere Aufgaben auf die Region verlagert haben. Dann hat der Landrat vielleicht noch einen zehnprozentigen Anteil an kommunalen Aufgaben, und der Rest von 90 % ist staatlich. Ist das dann eigentlich noch der Landrat, den Sie im Kopf haben? Ist er überhaupt noch durch den Kreistag wählbar, wenn das Verhältnis 90 : 10 sein wird? Da haben Sie sich überhaupt noch keine Gedanken gemacht, Herr Hofer.
Es gibt einen schönen Spruch von George Bernard Shaw, Herr Ministerpräsident. Er hat gesagt: Die besten Reformer, die die Welt je gesehen hat, sind die, die bei sich selbst anfangen.
Der Landesverband der Baden-Württembergischen Industrie hat es Ende März auch deutlich gesagt: Auffällig sei zudem, dass die Verwaltungsreform zwar alle Verwaltungs
ebenen einschließe und eine Verschlankung der Ministerialebene vorsehe, dass jedoch eine durchaus sinnvolle Zusammenlegung von Ministerien nicht vorgesehen sei. – Bei sich selber fängt man also überhaupt nicht an. Das ist ein großer Bruch in Ihrer Argumentation.
Wir haben den Vorschlag gemacht, von zehn auf acht Ministerien zu gehen. Was sagt nun dazu Ihr Herr Hesse? Ich zitiere ihn wiederum – man muss ihn ja ganz zitieren, wenn man ihn zitiert –:
Ich denke, dass die Landesregierung gut beraten wäre, weiter zu gehen, schon um als Vorbild zu wirken. Dabei habe ich wenigstens zwei Kandidaten im Blick: die Zusammenführung von Kultus- und Wirtschaftsministerium...
habe ich „Wirtschaftsministerium“ gesagt?; das Wirtschaftsministerium wäre noch viel größer; aber da erschrickt Herr Döring; er hat schon den Saal verlassen –
... Wissenschaftsministerium sowie die Übertragung der Aufgabenbereiche des Ministeriums für den Ländlichen Raum auf andere Häuser.
Er hat in den letzten Sommerferien wieder eine Reduzierung der Ministerien gefordert, ist aber dann vor der CDU eingeknickt.
Sie berufen sich auf den Koalitionsvertrag. Aber dann können Sie nicht dauernd in den Sommerferien herumreisen und sagen, Sie wollten weniger Ministerien. Dann machen Sie es doch endlich einmal! Die Zeitungsleute können die Artikel vom letzten Jahr schon wieder für dieses Jahr schreiben; denn das kommt in den großen Sommerferien natürlich wieder. Das ist schon klar.
Jetzt, Herr Ministerpräsident, kommt immer die Frage: Wann haben Sie sich eigentlich in Spaichingen entschlossen, diese Verwaltungsreform zu machen? Im Januar hatten wir hier eine große Debatte. Anschließend der Ministerpräsident: Daran ist überhaupt nicht gedacht. Der Kollege von der CDU – wo ist er? –
hat dazu gesprochen und gesagt: Wir brauchen sie überhaupt nicht, bei uns ist doch alles in Ordnung.
Man könnte über ein paar Sachen nachdenken; aber wir brauchen das alles nicht. Einen Monat später hatten wir genau das Gleiche.
Wie schön, dass sich Ihre Minister vor Ihrem überraschenden Schlag, eine Verwaltungsreform zu machen, geäußert haben.
Ich will Ihnen einfach einmal sagen, was die Minister so alles gesagt haben, bevor sie wussten, was Sie sich in Spaichingen ausgedacht haben. Das ist schön und gehört auch zur Geschichte.