Drittens: Wir haben ein Vermögen, das heißt Wald. Knapp 30 % des Waldes in Baden-Württemberg gehören dem Staat. Wir wollen dieses Vermögen pflegen und mehren.
Es wird und muss möglich sein, dass die staatliche Forstverwaltung Teil des Landratsamtes wird, aber die Pflege des Vermögens Wald, die Wirtschaftstätigkeit weiterhin im Interesse des Landes erfolgen.
Viertens: Der Stadtkreis ist Schulträger und wird zugleich Schulaufsicht. Er hat Grundschulen und Hauptschulen und beaufsichtigt sie. Wir müssen einen sauberen Trennstrich zwischen dem Schulträger Stadtkreis und der Aufsicht im selben Gebäude ziehen. Dies muss weiterhin getrennt und sauber nachvollziehbar bleiben.
Letzter Punkt: Wir haben heute Morgen wiederholt gehört, dass der höhere Dienst unter Landesaufsicht bleiben wird, dass die Beamten von Besoldungsgruppe A 13 bis A 16 Landesbeamte bleiben und dass die Beamten der gesamten Polizei von Besoldungsgruppe A 7 bis B 3 Landesbeamte bleiben werden. Dies ist mit dem Landratsamt kein Problem. Wir werden die Herausforderung bewältigen müssen, dass der Stadtkreis, der als Gemeinde kein Januskopf ist und bisher keine staatliche Behörde war, trotzdem Dienstherr und Partner für Landesbeamte, für Polizeibeamte im Stadtkreis mit klarer Verantwortung wird.
Das sind spannende Fragen, aber sie sind lösbar. Ich erwähne das hier beispielhaft, damit Sie sehen: Wir gehen nicht blauäugig und nicht euphorisch, sondern zielstrebig und problembewusst an diese Aufgabe heran.
Der § 16 des Landesverwaltungsgesetzes ist nicht jedem bekannt. Er hat hier eine Bedeutung, auf die in den nächsten Wochen noch einzugehen sein wird. Wer die Landratsämter stärkt, wer vom Bund Aufgaben auf die Landtage übertragen bekommen will, der muss zugestehen, dass ein Teil der Aufgaben nicht für den ganzen Landkreis im Landratsamt, sondern in der Großen Kreisstadt, in der Gemeinde, in der Verwaltungsgemeinschaft für den Bürger erbracht wird. Wir gehen ausdrücklich den Vorbehaltskatalog – § 16 und § 14 – durch, damit eine nennenswerte Zahl von Aufgaben auf die Großen Kreisstädte und Gemeinden übergehen kann.
Die Justizreform verläuft parallel. Die Ministerin hat vor einer Woche einen respektablen Entwurf vorgestellt. Er besteht aus zwei Teilen: aus dem Ansatz der Privatisierung einerseits und dem einer Standortbündelung im Bereich der Gerichte andererseits. Wir bekunden der Ministerin unseren Respekt und sagen eine zügige und faire Beratung aller aufgeworfenen Fragen mit ihr und eine Entscheidung noch vor Pfingsten zu. Kursorisch sage ich: 70 bis 80 % der Vorschläge übernehmen wir, im anderen Bereich bleiben Fragen. Ich glaube, dieser Ansatz ist kollegial und legitim.
Gestatten Sie mir trotzdem zum Abschluss einen kritischen Satz. Wir sollten dafür sorgen, dass die Reform keine Gewinner hat. Denn wo es Gewinner gibt, müssen auch Verlierer sein. Der Gewinner muss der Bürger, der Steuerzahler, das Land insgesamt sein. Wir sollten eine Win-win-Situation erreichen, damit es keine Verlierer im Land gibt.
In diesem Zusammenhang, Kollege Fischer: Karlsruhe soll bei der Justizreform gewinnen. Da erhebt sich sofort die Frage: Wer wird Verlierer? Freiburg? Wir raten uns allen und auch jedem Kollegen in der Regierung: Vermeiden wir im Augenblick Standortdebatten. Führen wir Standortentscheidungen am Schluss herbei. Kümmern wir uns im Augenblick um die Struktur, um die Inhalte, um die Kosten, um das Gesetz. Die Standortentscheidungen kommen bitte am Schluss. Das gilt für alle Fragen.
Das gilt für Freiburg und Karlsruhe, aber es gilt genauso für Crailsheim und Schwäbisch Hall. Wir sollten Politik aus einem Guss machen und vermeiden, dass plötzlich der OB von Schwäbisch Hall mit dem von Crailsheim streitet und der Bürger sich wundert, wie kleinkariert Politik am Rande des Ministerrats gemacht wird.
Die CDU war überrascht und ist überzeugt, beides zugleich. Wir waren überrascht von der Dimension des Vorschlags,
und wir halten ihn für überzeugend. Wir beraten im Detail, und dieser Coup wird mit Sicherheit in den nächsten Jahren dafür sorgen, dass die Arbeitsbeziehung zwischen Land und Landratsämtern optimiert wird, dass die Aufgabenerfüllung der Gesetze des Landes, des Bundes, der Europäischen Union in Baden-Württemberg zügig und überzeugend vonstatten geht und dass diese gleich gute Aufgabenerfüllung durch unsere Frauen und Männer in den Ämtern zu einer Kostensenkung führt und eine sinkende Schuldenlast eine Effizienzrendite bringt. In diesem Sinne fordern wir Sie zu einer konstruktiven Mitberatung auf.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Warum diese Regierungserklärung heute abgegeben wurde, ist uns nach dem, was wir gehört haben, völlig schleierhaft. Wir haben überhaupt nichts Neues gehört, weder in der Föderalismusdebatte noch in der Frage Verwaltungsreform. Das einzige Neue, was wir heute gehört haben, war, welche zeitlichen Daten der Ministerpräsident dem Landtag für die Verabschiedung seines Reformwerks gesetzt hat. Etwas anderes haben wir heute nicht gehört. Trotzdem möchte ich auf einige Punkte eingehen.
Im Übrigen hat der Herr Ministerpräsident heute auch nicht erklärt, warum er diese Verwaltungsreform macht. Mit allgemeinen Begriffen hat er es umschrieben. Wenn ich nur einmal an die Polizei denke:
Wenn Polizei, Schulamt, Sozialamt, Jugendhilfe und Beratungseinrichtungen unter einem Dach sind, dann steht... einer noch besseren kommunalen Kriminalprävention nichts im Wege.
Erst neulich hat mir mal einer scherzhaft – ich will das am Anfang sagen, wo ich noch bei den Scherzen bin – gesagt: Wenn alle unter dem Dach des Landratsamts sind, also Schulamt, Sozialamt, Jugendhilfe und Beratungseinrichtungen, dann erfährt die Polizei vielleicht früher von geplanten Einbrüchen. Sie kann aber nicht hinfahren, weil der Landrat die Kollegen nicht aus dem Seminar „Gruppendynamischer Prozess und Verwaltungsreform“ weglässt.
Das ist ein Scherz. Aber so hat das jemand aus der Polizei gesagt, der es offensichtlich wissen muss. Ich wollte das nur sagen.
Ich möchte jetzt in ein paar Punkten den Vortrag des Ministerpräsidenten abarbeiten, wobei ich keine 45 Seiten, sondern nur die Schwerpunkte durchgehen werde.
Erstens: Den Staat vom Bürger her denken – das finden wir toll. Und vor allem den Satz: Der Staat muss dem Bürger vertrauen, damit der Bürger dem Staat vertraut.
Nur, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU: Warum lehnen Sie ständig unsere Begehren in diesem Landtag ab, das Quorum für Bürgerentscheide herabzusetzen, damit die Bürger in den Kommunen im Land häufiger selbstständig für Landessachen zuständig sein können? Das lehnen Sie ständig ab. Solange Sie das im Landtag machen, sind die Beteuerungen, man wolle den Bürger mehr beteiligen, für uns immer hohle Phrasen. Eine größere Beteiligung findet nicht statt.
Zweitens: den Föderalismus in Deutschland wieder beleben. Wir haben die Debatte geführt. Da waren wir alle einig. Wir haben jetzt in der elfköpfigen Verhandlungskommission der Länder allein drei Baden-Württemberger: der Herr Präsident ist als Vertreter der Präsidenten drin, der Kollege Kretschmann als Vertreter aller grünen Fraktionen, ich bin für alle sozialdemokratischen Landtagsfraktionen drin. Von elf drei. Wir gehen einmal davon aus, dass wir sehr viel von den Beschlüssen des Landtags dort umsetzen.
Es sind im Übrigen nicht nur, Herr Ministerpräsident, die Bundesregierung und die Bundestagsfraktion – im Übrigen gilt dies für die Fraktionen aller Parteien –, die wir zuerst einmal – die haben jetzt gerade andere Sorgen – auf das Thema, ich sage einmal, lupfen müssen und mit denen wir diskutieren müssen, sondern es gibt natürlich auch Ost-undWest-Diskussionen. Die neuen Bundesländer haben eine – ich sage einmal vorsichtig – „sakrische“ Angst, dass das, was man jetzt an Finanzierungssystemen und Länderfinanzausgleich und Sonderzahlungen hat, durch eine Stärkung des Föderalismus kaputtgeht. Da ist eine Wahnsinnsarbeit nötig, und möglicherweise kommen wir dann zu einem Konzept, noch lange Jahre Versprechungen machen zu müssen, damit wir dann endlich zum Schluss einen so genannten Wettbewerbsföderalismus bekommen. Es ist also nicht nur der Bund, sondern es sind auch die neuen Bundesländer.
Ich sage aber auch hier deutlich: Die Reform des Föderalismus hat das Ziel, die Rechte der Länder und ihrer Parlamente zu stärken und nicht die Rechte der Ministerpräsidenten. Ich sage auch das ganz deutlich. Das ist Sinn und Zweck der Föderalismusreform.
Jetzt kommen wir zu dem Punkt „Kommunen stärken“. Auch Herr Oettinger hat darüber gesprochen. Diese These scheint mir wegen der Blockadepolitik der CDU etwas heuchlerisch zu sein. Wir haben jetzt zuerst einmal einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Kommunen an mehr Steuern von 200 Millionen, in den kommenden Jahren immerhin im Bereich von 2,7 Milliarden, beteiligt hätte. Das haben CDU und FDP im Bundesrat abgelehnt. Das ist gestorben.
Ich komme gleich auf die Gewerbesteuerumlage. Da haben Sie ganz schlechte Karten, Herr Kollege. Da ist BadenWürttemberg das einzige Bundesland – –
Das Zweite war die Entlastung in Höhe von 800 Millionen € durch den Fluthilfe-Fonds. Das hilft konkret.
Und dann gibt es noch das kommunale Investitionsprogramm mit 7,5 Milliarden €, das jetzt auch auf den Weg gebracht wurde.
Jetzt kommen wir zu den Gemeindefinanzen. Wir haben vorgesehen, dass wir ab 1. Januar 2004 eine Gemeindefinanzreform mit dauerhaft verbreiterten Einnahmen im Gewerbesteuerbereich für die Kommunen haben. Dies fällt jetzt flach. Die CDU blockiert, weil sie einen innerparteilichen Streit hat, ob sie das BDI-Modell – das heißt einen Aufschlag auf Einkommen- und Lohnsteuer – oder die Gewerbesteuerumlage bevorzugen soll. Deswegen wird das ab 1. Januar nicht kommen. Wir haben mindestens ein Jahr weitere Steuerausfälle bei den Kommunen. Und dann reden Sie von der Stärkung der kommunalen Finanzkraft, Herr Ministerpräsident!
Jetzt zu Ihrem Vorschlag: Sie sagen, die Gewerbesteuer solle wegfallen, es solle einen Aufschlag auf die Einkommensteuer der Bürgerinnen und Bürger geben. Im Übrigen will das weder der baden-württembergische Städtetag noch der Deutsche Städtetag; alle Städte und Kommunen wollen eine Verbreiterung der Gewerbesteuer. Ist auch klar. Sie sagen nämlich überhaupt nichts dazu, wie die Steuerausfälle gedeckt werden sollen. Entweder schlagen Sie jetzt im Grunde genommen auf die normalen Einkommen- und Lohnsteuerbeträge einen Betrag für die Kommunen drauf. Dann gibt es eine Steuererhöhung für alle zur Entlastung des Gewerbes im Bereich der Städte. Oder Sie senken die Einkommensteuerquote ab. Dann haben Bund und Land gewaltige Ausfälle. Dann müssen Sie sagen, woher das Geld kommt. Hier ist also nicht alles durchdacht. Die Städte wollen das nicht.
Im Übrigen sage ich: Nach dem Vorschlag – das sagen die Städte – würde der Beitrag der Wirtschaft für die Finanzierung der kommunalen Haushalte von 52 % auf 36 % sinken und der Anteil der Lohn- und Einkommensteuer von 47 % auf 63 % steigen. Sie belasten also mit Ihrem Vorschlag. Das ist eine Steuererhöhung für die normalen Bürger zur Entlastung des Gewerbes und der Kommune. Da werden wir nicht mitmachen.
Zweitens, Herr Ministerpräsident: Die Gewerbesteuer wird am Ort des Unternehmens erhoben, die Einkommensteuer dagegen am Wohnort des Steuerpflichtigen. Stellen Sie sich das jetzt einmal nicht nur bei Stuttgart, Mannheim und den anderen großen Städten vor, sondern auch bei den Mittelstädten. Stellen Sie sich vor, was für einen dramatischen Einkommensverlust die hätten, wenn Sie die Einkommensteuer und die Lohnsteuer am Wohnort erheben würden. Wir wissen doch, wie viele Tausende von Einpendlern wir hier zu den Arbeitsplätzen haben. Die Stadt Stuttgart und
alle Zentren würden dramatische Einbrüche erleben, und alle Wohnsitzgemeinden würden drastisch besser gestellt. Wie wollen Sie da denn einen Ausgleich schaffen?