Ich sage Ihnen für die CDU-Fraktion ganz offen: Diese Reform beweist Handlungsfähigkeit und Mut einer Regierungskoalition, und ich glaube, dass die Dimension auch für Sie überraschend gewesen ist.
(Beifall bei der CDU – Abg. Birzele SPD: Herr Oettinger, deswegen tritt der Ministerpräsident er- neut an? – Heiterkeit bei der SPD – Zuruf des Abg. Pfister FDP/DVP)
Obwohl ich zugestehe, dass auch wir überrascht worden sind: Mir ist es lieber, einer von uns landet mit uns einen Überraschungscoup, als wenn es einer von euch gegen uns machen würde. Dieser Überraschungscoup tut der Politik, dem Landtag und Baden-Württemberg gut.
Dabei sind die Überlegungen nicht neu: Die Überlegungen nehmen Bezug auf die Verwaltungsreform und die Gebietsreform, die Ende der Sechzigerjahre und Anfang der Siebzigerjahre in diesem Haus beraten worden sind. Der Landtag hat im Oktober 1970 über die Auflösung der Regierungspräsidien beraten. Der Termin 1. Januar 1977 war vorgesehen. Aus guten Gründen hat der Landtag aber im Sommer 1973 mit breiter Mehrheit gesagt: Wir halten an der Mittelinstanz fest. Die Reschke-Kommission hat ein Gutachten vorgelegt, das die Einräumigkeit und Einhäusigkeit vorgesehen hat. Aber Anfang der Siebzigerjahre lag die Gestaltungskraft des Landtags auf dem Schwerpunkt der Gemeindegebiets- und der Kreisgebietsreform, und möglicherweise sind dann die Kräfte erlahmt. Mit der jetzt geplanten Verwaltungsreform holen wir das nach, was damals zwar geplant, aber nicht vollzogen worden ist.
Lieber Kollege Kretschmann: Natürlich gibt es in der Verwaltungslehre zwei unterschiedliche Denkmodelle. Das eine Denkmodell wird von Ihnen vorgeschlagen: zweistufig, regionale Lösung, Landesämter und Sonderbehörden. Das andere Modell wird von uns vertreten. Dieses Modell findet sich überwiegend in Deutschland – auch in Zukunft –, findet sich überwiegend auch in der Verwaltungslehre – auch in Zukunft – und hat sich, glaube ich, in Baden-Württemberg bewährt und wird jetzt durch- und fortgeführt, nämlich: dreistufiger Verwaltungsaufbau im Land Baden-Württemberg, wenige starke Ministerien, Mittelinstanzen in Bündelung und untere allgemeine Verwaltungsbehörden, in denen die Entscheidungen ebenfalls gebündelt sind.
Baden-Württemberg hat in der Verwaltung 232 000 Bedienstete. Lässt man die Lehrer, die Polizeibediensteten, die Beschäftigten bei den Hochschulen und bei der Justiz unberücksichtigt, dann hatten wir einmal knapp 70 000 Mitarbeiter, und durch drei Stelleneinsparprogramme sank diese Zahl auf unter 60 000. Wir stehen vor weiteren Stelleneinsparungen – wir haben Einsparbedarf –, aber in der herkömmlichen Struktur kann man bei der Fachverwaltung nicht mehr beliebig weitere Stellen einsparen. Wer die Aufgaben der Gesetzgebung ordentlich erfüllen und im Land Bürgernähe wahren will, der kann nicht mit weiteren Stel
leneinsparungen wie mit dem Rasenmäher über die bestehenden Strukturen mit den bestehenden Standorten, mit der bestehenden Zahl von Behörden hinweggehen. Deswegen war es konsequent, durch einen Umbau der Verwaltung im Zuge einer Verwaltungsreform den Anstoß für künftige Kostensenkungen, künftige Stelleneinsparungen bei gleich guter Aufgabenerfüllung zu geben.
Baden-Württemberg ist ein großes Flächenland. Ich glaube, dass dieses Land neben seinen obersten Landesbehörden in Stuttgart und neben der unteren allgemeinen Verwaltung, die sich in den Landratsämtern vollzieht, mit den Mittelbehörden im Land die richtigen Türme hat. Fragen Sie einmal Ihren ehemaligen Kollegen Salomon. Er wird Ihnen bestätigen: Nur durch das Regierungspräsidium, nur durch eine starke und leistungsfähige, entscheidungsverantwortliche Landesverwaltung, die nicht nur in Stuttgart, sondern auch in Freiburg, in Karlsruhe und Tübingen ist, wird dieses Land dezentral und auch entlang seiner gewachsenen Strukturen richtig geführt.
Wer Freiburg, Karlsruhe und Tübingen schwächen will, der soll das konkret sagen. Ihr Modell höhlt diese großen Städte und ihre Verwaltungskraft in Baden-Württemberg aus. Dies wollen wir nicht.
Wir legen hiermit erneut ein Bekenntnis zum Land und zu seiner dezentralen Verwaltung in Freiburg, Karlsruhe und Tübingen, neben Stuttgart, ab.
Wir beraten heute Nachmittag eine Fortschreibung des Staatsvertrags mit Bayern, in dem es um die Region DonauIller geht. Der Oberrheinrat trägt unsere Handschrift, die Kooperation am Bodensee ebenso. Wenn es um die Kurpfalz geht: Mit uns ist jede grenzüberschreitende Lösung zugunsten von Mannheim und Heidelberg, dem NeckarOdenwald-Kreis und dem Rhein-Neckar-Kreis möglich. Klar ist aber, dass dabei die Blockierer – egal, wer regiert – eher in Wiesbaden und in Mainz sitzen, weil der Marktplatz der Kurpfalz nicht Ludwigshafen, sondern eher Mannheim ist.
Zu grenzüberschreitenden Lösungen auf der Grundlage von Staatsverträgen sagen wir Ja. Dies haben wir nachgewiesen und führen es fort. Wir werden es auch in Zukunft dort weiterentwickeln, wo es sinnvoll und notwendig ist.
Ihr zentraler Gedenke sind regionale Ämter und Kreise. Dabei will ich hier einwenden: Wenn man schon über die Grenzen von Regionen in Baden-Württemberg nachdenkt, sollte man bedenken, dass diese bei unseren Regionalverbänden weitgehend für die Planung bestehen. Im Verband Region Stuttgart kommen weitere Kompetenzen hinzu. In
Wahrheit sind die Grenzen unserer Regionalverbände doch wohl eher am grünen Tisch entworfen worden und entsprechen nicht den Wirtschaftsregionen, die es in Baden-Württemberg gibt. Wenn schon, denn schon: Dann hätten wir sechs, sieben oder acht Regionen in Baden-Württemberg.
Dann müssen Sie schon beantworten, warum denn Schwäbisch Hall, Crailsheim, Blaufelden, Wertheim und Bad Mergentheim in Heilbronn geführt werden sollen. Dann müssen Sie schon konkret sagen, was mit Biberach geschehen soll. Dann müssen Sie schon konkret sagen, ob Heidenheim nach Ulm und Schwäbisch Gmünd nach Stuttgart kommen soll. Ich glaube, dass die Landkreise, unsere Landratsämter und unsere Kreisstädte Bürgernähe garantieren und hoch akzeptiert sind. Wer, wie Sie, aus Sigmaringen, aus dem ländlichen Raum kommt, muss erst beantworten, ob Sigmaringen zu Konstanz, zu Friedrichshafen oder zu Balingen kommen soll, bevor er den Kreis auflöst.
Wir halten an der geltenden Konzeption, die im Ballungsraum und im ländlichen Raum über hohe Akzeptanz verfügt, ausdrücklich fest.
dann antwortet er, dass er die Strukturen der Verwaltung nicht mehr überblickt. Wer nicht etwa einen Juristen als Ratgeber hat, blickt doch, wenn er einen Bauantrag stellt, eine Emissionsgenehmigung braucht oder andere Gesetze vollziehen muss, bei dieser Vielzahl von Fachbehörden nicht mehr durch. Wir wollen aber, dass die Bürger aus eigener Kraft Vertrauen in einen überschaubaren Staat haben, in eine Verwaltung, die einfach aufgebaut ist.
Klar ist, dass die Arbeit unserer Sonderbehörden in den Bereichen Forsten, Vermessung, Flurneuordnung, Landwirtschaft und Schule, in allen Bereichen in der Vergangenheit durch tüchtige, sachkundige und fleißige Beamte, Angestellte und Arbeiter geprägt war. Darum geht es gar nicht. Die beabsichtigte Verwaltungsreform bedeutet keine Kritik an den Mitarbeitern und deren Tätigkeit. Im Gegenteil: Wir bedanken uns ausdrücklich dafür, dass die fachliche Arbeit in den Sonderbehörden in den letzten Jahren hervorragend gelaufen ist.
Nach der dritten und vierten Einsparung ist aber irgendwann die kritische Betriebsgröße nicht mehr vorhanden und erlahmt die Verwaltungskraft. Das haben wir beim Veterinärwesen doch gesehen. Ich sage ausdrücklich, dass die Verwaltung während der BSE-Krise in Baden-Württemberg
handlungsfähig war und die notwendigen Maßnahmen in diesen vielen Fällen schnell, kompetent und für den Landwirt trotzdem zumutbar vollzogen hat. Ich bin nicht sicher, ob dies mit den Fachbehörden alten Schlages in vergleichbarer Weise möglich gewesen wäre.
Ich vertraue der Verwaltungskraft unserer Landratsämter und baue darauf, dass die Landräte in der Lage sind, dem Fachmann weiterhin Spielraum, Handlungsspielraum zu lassen und ihn nicht zu erdrücken. Die Bündelung ist im Grunde genommen für die Beschleunigung der Verfahren, für die Handlungsfähigkeit und für eine Kostensenkung gut.
Die CDU-Fraktion legt auf die Effizienzrendite großen Wert. Das Ganze darf kein Nullsummenspiel sein. Deswegen werden wir mitwirken, wenn es in den nächsten Wochen darum geht – der Herr Ministerpräsident hat es ausgeführt –, den Landeshaushalt jährlich und dauerhaft um mindestens 100 Millionen € zu entlasten und im Schnitt innerhalb von fünf bis sieben Jahren eine Effizienzrendite von 20 % zu erreichen. Ich ergänze: Es darf nicht dazu führen, dass das Landratsamt die Kreisumlage bezahlt, sondern die Kostensenkung muss nachweisbar sein.
Die Eingliederung von Sonderbehörden in die Landratsämter ist der eine Weg. Das Landratsamt war schon immer eine Doppelbehörde: Es war Behörde der kommunalen Selbstverwaltung und Staatsamt zugleich. Wir hatten ein Sonderbehördeneingliederungsgesetz.
Dem hatte die SPD-Fraktion zugestimmt. Und was damals, in den Jahren 1994 und 1995, bei der Wasserwirtschaft, beim Gesundheitsamt, beim Veterinäramt nicht falsch, sondern richtig war, kann auch jetzt nur im Prinzip der richtige Gedanke, die richtige Struktur sein. Deswegen sind wir in besonderem Maße nicht auf das Abstimmungsverhalten der Grünen, sondern auf das Abstimmungsverhalten von Herrn Birzele und seinen Kollegen der damaligen SPD-Generation gespannt. Da dies damals ein Sonderbehördeneingliederungsgesetz war, legt die CDU-Fraktion auch bei dieser Verwaltungsreform
darauf Wert, dass nicht ein Vertrag mit dem Stadtkreis oder dem Landkreis, sondern ein Landesgesetz die Grundlage für die Aufgabenübertragung, für die Mitarbeiterführung und für die Kostenentwicklung sein muss. Der Landtag muss das Gesetz beraten und beschließen. Ein Vertrag wäre für uns der falsche und nicht zielführende Weg. Ich sage dies ausdrücklich, weil genau dieser Gedanke von Herrn Gönner vorgetragen worden ist.
Wir gehen in die Reform – zielstrebig, aber nicht mit Euphorie. Nehmen Sie uns ab: Wir erkennen, dass diese Reform viele Vorzüge, aber auch einige Probleme mit sich bringt. Vier davon erwähne ich heute nur beispielhaft.
Erstens: Wenn man die Landeswohlfahrtsverbände auflöst und die Aufgabenträgerschaft an die Landkreise und Stadtkreise gibt, müssen wir erreichen, dass dort, wo ein Heim ist, der Landkreis Träger wird und ein Finanzausgleich erfolgt. Es darf bei dieser Reform keine Gewinner und keine Verlierer geben. Wir brauchen eine saubere Formel dafür, dass der neue Landkreis dieser Aufgabe ohne eigene Mehrkosten gerecht werden kann.
Zweitens: Es muss und kann gelingen, dass die Polizei eingegliedert wird und trotzdem die fachliche Verantwortung für die innere Sicherheit – Polizeiarbeit in Baden-Württemberg aus einem Guss in der Verantwortung der Polizeiführung unten, in der Mitte und oben – erhalten bleibt, dass man eine Effizienzrendite im Bereich der Verwaltung erzielt, dass man Synergieeffekte weckt und trotzdem die klare Verantwortung für die innere Sicherheit bei dem Polizeiführer in Baden-Württemberg, einem Staatsbeamten, verbleibt.
Drittens: Wir haben ein Vermögen, das heißt Wald. Knapp 30 % des Waldes in Baden-Württemberg gehören dem Staat. Wir wollen dieses Vermögen pflegen und mehren.