Protokoll der Sitzung vom 27.06.2001

Ein schönes Zitat. Abgesehen davon, dass ich am vergangenen Montag im „Spiegel“ gelesen habe, dass im letzten Jahr der Spritverbrauch um 13 % zurückgegangen ist – von wegen: Uhr anhalten –, hat das DIW, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, vor zwei Monaten eine Studie veröffentlicht, nach der mit der ökologischen Steuerreform im Zeitraum bis 2010 ein Anstieg der Zahl der Arbeitsplätze um bis zu 250 000 einhergehen wird. Die CO2-Emission, Stichwort Klimaschutz, soll allein bis zum Jahr 2005 um 2 bis 3 % zurückgehen. Das sind immerhin 20 bis 25 Millionen Tonnen.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Das heißt, die Ökosteuer ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sie liefert auch einen Beitrag zum Klimaschutz, ganz im Gegensatz zu Ihrer Politik.

Sie kündigen zwar ein Klimaschutzprogramm an, sagen aber nicht, woraus das bestehen soll, wie es aussehen soll, wie es finanziert werden soll. Ich habe da so eine Ahnung,

(Abg. Drexler SPD: Ja, ja! Freiwillige Vereinba- rungen!)

wie dieses Programm aussehen soll. Es wird nämlich gar keines geben.

Die Akademie für Technikfolgenabschätzung hat im Herbst letzten Jahres einen Statusbericht herausgegeben, in dem es über Baden-Württemberg wörtlich heißt:

Ein angemessener Beitrag des Landes zum Reduktionsziel der Bundesregierung ist noch nicht erkennbar. Auch lässt sich eine Entwicklung in Richtung der Zielvorgabe im Umweltplan des Landes

das heißt Reduktion der Emissionen bis 2005 auf unter 70 Millionen Tonnen im Jahr –

noch nicht feststellen.

Deutlicher lässt sich das Versagen Ihrer Politik, Herr Ministerpräsident, in einer für die Zukunft des Landes zentralen Frage kaum dokumentieren.

(Beifall bei den Grünen)

Es lässt sich nicht nur keine Reduktion feststellen, es ist tatsächlich noch viel schlimmer. Statt abzunehmen, sind die CO2-Emissionen in Baden-Württemberg im Jahre 1998 auf rund 80 Millionen Tonnen angestiegen,

(Abg. Dr. Lasotta CDU: Bundesweit!)

und das ist gegenüber dem Bezugsjahr 1990 ein Anstieg um 9 %. Da kann man fast sagen: Unser Bush heißt Teufel.

(Beifall bei den Grünen)

Sie haben in Ihrer Rede ein chinesisches Sprichwort verwendet, das heißt: „Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windmühlen.“ Sie sagten dann, Sie bauten keine Mauern, und der Kollege Kretschmann hat ergänzt: „Und schon gar keine Windmühlen!“ Da hat er Recht.

Meine Damen und Herren, wir liegen bei der Erzeugung des Stroms aus Windenergie auf dem letzten Platz unter den Flächenländern. Das kleine Hessen erzeugt fünfmal so viel Strom aus Windenergie wie wir.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Aber beim Wasser auf dem ersten!)

Bei Wasser auf dem ersten, aber das hat man halt. Windenergieanlagen kann man bauen.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das hängt vielleicht auch mit der topographischen Lage zusammen!)

Im Bereich der Windenergie arbeiten mittlerweile eineinhalbmal so viele Menschen, wie in der Atomenergieindustrie je gearbeitet haben. Wussten Sie das, Herr Pfister? Das wussten Sie wahrscheinlich nicht. Sie wussten wahrscheinlich auch nicht, dass die Menge des Stroms aus Windenergie mittlerweile ein Drittel der Menge des Stroms beträgt, den alle deutschen Atomkraftwerke zusammen erzeugen. Dass wir da auf dem letzten Platz liegen, das ist ein Trauerspiel für Baden-Württemberg.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ich kann Ihnen zu diesem Thema ein ganz anderes fernöstliches Sprichwort entgegenhalten: „Es kommt nicht darauf an, wie der Wind weht, sondern wie man die Segel setzt.“ Ihr Schiff, Herr Ministerpräsident, hat anscheinend weder Segel noch Motor.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Bei den regenerativen Energien steht das Gleiche in der Koalitionsvereinbarung wie vor fünf Jahren: Sie wollen in den nächsten zehn Jahren eine Verdoppelung. In den letzten fünf Jahren ist von Ihrer Seite nichts, aber auch gar nichts in dieser Richtung passiert. Wahrscheinlich ist dieser Satz bei der Überarbeitung einfach stehen geblieben. Es wird ja auch nichts dazu ausgeführt, außer dass Sie ausdrücklich festhalten, dass Sie für den ganzen Bereich Photovoltaik, Windenergie, Biomasse, Geothermie und Wasserkraft keine Notwendigkeit einer zusätzlichen Förderung sehen. Ich frage Sie, Herr Ministerpräsident: Wo bleibt die Initiative des Landes zum flächendeckenden Ausbau der Biomassenutzung?

(Beifall bei den Grünen)

Die Bundesregierung hat gerade die Biomasseverordnung verabschiedet. Gerade Baden-Württemberg hat in diesem Bereich riesige Chancen in der Forst- und der Landwirt

schaft. Ich sehe nicht, dass hier etwas geschieht. Das Land Nordrhein-Westfalen beteiligt sich an der Realisierung von 50 Solarsiedlungen. Sie wollen Demonstrationsanlagen fördern. Ich frage Sie, Herr Ministerpräsident: Ja, was wollen Sie denn demonstrieren? Darüber sind wir doch schon längst hinaus. Jetzt muss etwas gemacht werden, jetzt brauchen wir keine Demonstrationsanlagen mehr.

(Beifall bei den Grünen)

Bei der Nutzung der Erdwärme, der Geothermie, hat Baden-Württemberg ebenfalls riesige Chancen. Sie werden aber überhaupt nicht genutzt. Herr Ministerpräsident, noch in diesem Jahr tritt die neue Energiesparverordnung der Bundesregierung in Kraft. Wo bleibt die Initiative des Landes, die die Chancen, die in dieser Initiative für die Umwelt und das Handwerk stecken, nutzt und die die Architekten, die Bauingenieure, die Handwerker, die Gemeinden und die privaten Bauherren beispielsweise durch die Einrichtung eines Instituts für ökologisches und Energie sparendes Bauen endlich auf diese Situation vorbereitet? Nichts, Fehlanzeige. Alles, was in diesem Land zum Thema Energiewende stattfindet, ist vom Bund initiiert. Die Voraussetzungen für ein erfolgreiches 2020 werden nicht in Stuttgart geschaffen, sondern einzig und allein durch die umfangreichen Förderprogramme der Bundesregierung seit 1998. Das ist traurig.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Andere wichtige Bereiche der Umweltpolitik und der Umweltvorsorge kommen weder in der Koalitionsvereinbarung noch in Ihrer Regierungserklärung vor. Die Thematik des zunehmenden Landschaftsverbrauchs und der Landschaftszerschneidung und das, was man dagegen tun könnte, wird schlichtweg ignoriert. In diesem Land werden jeden Tag 11 Hektar unwiderruflich versiegelt, zubetoniert; die sind weg. Wenn man das einmal auf Ihr Referenzjahr 2020 hochrechnet, Herr Ministerpräsident, so ergibt sich, dass wir eine Fläche von 30 mal 30 Kilometer zubauen. Das heißt, 900 Quadratkilometer gehen unwiderruflich verloren. Ich lese und höre dazu nichts –

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

außer indirekt, wenn ich mir nämlich Ihre Verkehrspolitik anschaue. Ich kann mir vorstellen, dass wir, wenn Ihre Verkehrspolitik realisiert würde, nicht über 11, sondern wahrscheinlich über 20 Hektar am Tag reden würden. Bei Ihnen kommt Verkehrspolitik nach wie vor hauptsächlich als Straßenbaupolitik vor.

(Abg. Scheuermann CDU: Das ist aber nicht wahr!)

Herr Scheuermann, zum Bundesverkehrswegeplan hat die Landesregierung sage und schreibe 422 Straßenbauprojekte angemeldet

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Ja, die sind auch notwendig!)

und ganze 9 Schienenbauprojekte –

(Abg. Walter GRÜNE: So ist es! – Zurufe der Abg. Scheuermann und Pfisterer CDU)

422 : 9. Die Straßenbauprojekte entsprechen der Hälfte aller angemeldeten, bereits planfestgestellten Projekte in ganz Deutschland – das haben Sie, Herr Ministerpräsident, ausgeführt; hört, hört! –,

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

und das auf knapp 10 % der Fläche der Bundesrepublik. Da kann doch irgendetwas nicht stimmen. Nicht auszudenken, wenn das alles realisiert würde.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Pfisterer CDU)

Sie rühmen sich, meine Herren von der CDU, mit Ihren planfestgestellten Straßen.

(Zurufe der Abg. Walter GRÜNE und Scheuer- mann CDU)

Aber ich kann nur sagen: Aus dem Fleiß der baden-württembergischen Straßenbauverwaltung kann man keinen Anspruch auf Finanzierung durch den Bund ableiten. Umgekehrt wundert es einen dann auch nicht, dass man mit dem Stellenabbau in der Landesverwaltung nicht vorankommt.

Sie haben vom Bund im Schnitt der letzten drei Jahre für den Fernstraßenbau in Baden-Württemberg das Gleiche bekommen wie im Schnitt der Neunzigerjahre, als der Bundesverkehrsminister noch Wissmann hieß. Das heißt, die Behauptung, Sie würden hier benachteiligt, trifft nicht zu. Das, was Sie wollen, sind Wunschschlösser, Wolkenkuckucksheime.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Der Ausbau des Schienennetzes kommt bei Ihnen hauptsächlich als Stuttgart 21 vor. Für Stuttgart 21 werden Landesmittel in Milliardenhöhe gebunden, Mittel, die in der Fläche fehlen. Wir finden keinerlei Aussagen, wie man Baden-Württemberg zum Bahnland machen will. Das Thema ÖPNV – –

(Abg. Scheuermann CDU: 35 % mehr Nahver- kehr! 20 % mehr Fahrgäste!)