Das alles macht deutlich, meine Damen und Herren: Der Föderalismus gerät in ein schwieriges Fahrwasser: ein schleichender Verlust von Kompetenzen an den Bund und an Europa, schwindende Akzeptanz, ja schwindendes Verständnis beim Bürger, was wir im Parlament eigentlich so tun und lassen. Man muss sich nur, meine Damen und Herren, die Diskussion anschauen, die ausgelöst wurde, als zuerst der Bundesaußenminister und dann der Bundeskanzler, die beide den deutschen Föderalismus als Vorbild für Europa ins Auge gefasst hatten, mit ihren Vorschlägen bezüglich der Finalität Europas kamen. Bei unseren französischen und britischen Freunden ist es zu einer nahezu vollständigen Ablehnung gekommen.
Das heißt aber umgekehrt, dass der Föderalismus, wenn man ihn denn will – und wir wollen ihn –, seine Legitimationskrise überwinden muss. Das heißt, wir dürfen ihn nicht kaputtreden. Das habe ich bezüglich Ihrer Haltung beim Länderfinanzausgleich gemeint, Herr Ministerpräsident. Wir müssen den Föderalismus stärken, wo wir können, und deshalb fordere ich – das, was Herr Oettinger dazu gesagt hat, war gut – eine breit angelegte Föderalismusdebatte auch in diesem Land und insbesondere in diesem Haus.
Bayern und Hamburg haben Enquetekommissionen eingesetzt und eigene Konzepte vorgelegt. Die Herren Stoiber und Clement profilieren sich heftig. Wo bleiben eigentlich Sie in dieser Debatte, Herr Ministerpräsident? Sie haben gesagt, seit Jahren forderten Sie das Richtige. Warum weiß das nur niemand in der Öffentlichkeit? Machen Sie das hinter verschlossenen Türen?
Ich kann nur sagen, Herr Ministerpräsident: Falls Sie – ich habe das in der letzten Woche in die Debatte gebracht – doch noch als Kanzlerkandidat ran müssen, wenn Merkel nicht darf und Stoiber nicht will,
hätten Sie mit der Föderalismusdebatte ein Feld, auf dem Sie Schlagzeilen machen könnten und auch noch unsere Unterstützung hätten. Also gehen Sie voran!
Auch mit dem Thema Europa, meine Damen und Herren, muss man, finde ich, anders umgehen als bislang. Man erfährt hintenherum in einem Zeitungsartikel, dass Herr Palmer in Brüssel eine Immobilie für die Repräsentanz des Landes und der Verbände, für ein „Haus Baden-Württemberg“, sucht. Gut so, sage ich. Aber warum heimlich? Sie haben wohl Angst, dass man Ihnen Geldverschwendung vorwirft. Ich sage: nicht so kleinmütig! Aber diskutieren müssen wir das in diesem Haus, weil es für Baden-Württemberg wichtig ist, wie wir uns in Europa repräsentieren.
Es wundert einen schon, dass Baden-Württemberg mittlerweile das einzige Bundesland ist, das keinen eigenen Ausschuss hat, der sich originär mit Europafragen befasst oder Europa auch nur im Namen trägt. Das Problem des Ständigen Ausschusses kennen wir alle: Dort werden Dinge, die bereits beschlossen sind, nachträglich zur Kenntnis genommen, und das führt nicht gerade zu spannenden Debatten. Ich wünsche mir hier mehr Mut, mehr Transparenz und mehr Debatten. Wir sollten als Parlament den Mut haben, Europafragen nicht allein der Regierung zu überlassen. Es handelt sich schließlich um Fragen, die unser aller Selbstverständnis betreffen.
Aber nicht nur das Verhältnis zum Bund und zu Europa bedarf der Korrektur, sondern auch hier im Land können Sie vieles ändern. Im Land bleibt ja vieles liegen. „Jetzt schaffen wir gemeinsam die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Baden-Württemberg 2020“, sagen Sie in Ihrer Regierungserklärung; das war sozusagen das Motto Ihrer Regierungserklärung. Das klingt gut, weil es weit über die Legislaturperiode hinaus weist. Die Frage ist nur, ob das auch so stimmt, ob Sie die Voraussetzungen dafür schaffen, dass unser Land im Jahr 2020 besser dasteht und die Herausforderungen meistert, die auf uns zukommen. Da aber sind meines Erachtens größte Zweifel angebracht.
An vielen Stellen Ihrer Rede, Herr Ministerpräsident, sprechen Sie von Wettbewerb und Zukunftsfähigkeit, verweigern aber Reformen, ja sogar schon das Nachdenken darüber. Ich spreche jetzt zum Thema Verwaltungsreform; es wurde schon von Herrn Oettinger und Herrn Pfister angesprochen.
Ich sehe nicht, wie Sie das Land in diesem Bereich für 2020 fit machen wollen. Sie verweigern die Debatte darüber. Und Herr Pfister, ich kann es Ihnen nicht ersparen: Die FDP macht dabei mit.
Der beste Gradmesser, ob ein Thema Relevanz hat oder nicht, sind die Reaktionen darauf, wenn man es einmal anspricht. Als ich neulich in einem Pressegespräch ein paar Vorschläge zu diesem Thema gemacht habe – der wesentliche Vorschlag war, eine Expertenkommission einzusetzen – und dabei einen Vorschlag Ihres Parteikollegen Doll aufgegriffen habe, gab es ein heftiges,
lautstarkes und bis heute nicht abgeebbtes Echo. Das zeigt doch, dass dies ein Stoff ist, ein Thema, bei dem man etwas tun muss. Herr Drexler fand es spontan gut.
Er hat gesagt, ich hätte Recht. Herr Döring hat auch gesagt: „Salomon hat Recht.“ Der Witz ist nur: Sie haben einen Koalitionsvertrag abgeschlossen, in dem dazu nichts steht. Wo waren Sie denn da? Wo war denn der Döring? War er in Japan, oder war er sonst wo? Sie haben da nichts gemacht.
(Abg. Walter GRÜNE: Im Festzelt war er! – Abg. Hofer FDP/DVP: Haben Sie in Berlin alles im Koalitionsvertrag geregelt?)
Jetzt stellen Sie sich hin und sagen, man müsse das diskutieren, aber in der Koalitionsvereinbarung steht dazu nichts.
Zur Sache selbst: Unsere Gesellschaft verändert sich rasend schnell, und bei dem Versuch, im Wettbewerb der Regionen und Länder zu bestehen, wie Sie ja immer sagen, spielt es natürlich schon eine Rolle, wie die Verwaltung eines Bundeslandes organisiert ist, ob ihr Aufbau stimmt, ob die adäquate Erfüllung der Aufgaben an die richtige Gebietskulisse geknüpft ist, ob damit die Aufgaben am wirtschaftlichsten, am effizientesten, oder auch ob sie möglichst bürgernah und schließlich demokratisch legitimiert erfüllt werden – und auch in der Art und Weise, dass sich die Bürgerinnen und Bürger darin wiederfinden können.
Damit ist es auch klar: „Bürgernah“ heißt für mich, dass wir eine Debatte führen, bei der eine wichtige Überschrift immer heißen muss: „Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung“.
Damit bin ich voll bei Ihnen, Herr Pfister. Wir führen hier – und für diesen Hinweis war ich dankbar – keine Abschaffungsdebatte.
Das wurde so interpretiert. – Auf die Frage, wie das denn aussehen könnte, kann man sagen: „Wo sind denn die Aufgaben? Wie erledigt man das?“ Das waren aber Planspiele. Ich habe keine Abschaffungsdebatte geführt, ich habe nur gesagt: „Herr Doll hat Recht. Wir haben da ein Problem. Wir brauchen eine Expertenkommission. Wir müssen uns hinsetzen.“
Nachdem ich Herrn Oettinger zugehört habe, was er über die Regierungspräsidien gesagt hat – – Ich als Freiburger habe mit Sven von Ungern-Sternberg kein Problem. Wir kennen uns lange und gut, wir tauschen uns auch aus. Es geht ja nicht um die Person. Aber man braucht auch in Freiburg keinen Statthalter der Regierung vor Ort. Man muss auch nicht mehr mit der Postkutsche von Freiburg nach Stuttgart fahren. Das kann man im Zeitalter moderner Kommunikationen anders machen. Deshalb dürfen die Re
Das heißt: Ich bin mir sicher, dass, wenn wir diese Debatte ernsthaft führen, das Ergebnis langfristig sicher nicht die Einführung einer weiteren Verwaltungsebene sein kann.
Meine Damen und Herren, wir wollen eine Debatte führen, und wir sollten sie ergebnisoffen führen. Diese Debatte sollten wir gemeinsam führen, und deshalb bitte ich Herrn Pfister, sich noch einmal mit dem Koalitionspartner zu verständigen, damit wir diese Kommission dann gemeinsam einsetzen.
Das ist das Thema Ökologie. Ich will noch einmal eines wiederholen. Herr Ministerpräsident, Sie haben gesagt:
Wenn man sich den Bereich des nachhaltigen ökologischen Wirtschaftens anschaut und prüft, wie Sie die natürlichen Lebensgrundlagen hier im Land bewahren wollen, muss man leider sagen: Sie sagen es nicht, und wahrscheinlich interessiert es Sie auch nicht sonderlich. So hart muss ich das leider formulieren. Sie sagen zwar geradezu lyrisch:
... die Ökonomisierung der Gesellschaft muss ihre Grenzen dort finden, wo es um den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen... geht.
Herr Ministerpräsident, jetzt will ich klar sagen: Sie haben einen Bereich, eine Passage in Ihrer Rede gehabt, wo es um die zwei Themenbereiche aus dem großen Bereich der Biotechnologie ging, um die Präimplantationsdiagnostik und um die Forschung an embryonalen Stammzellen. Dort haben Sie eine bemerkenswert nachdenkliche Position formuliert, die ich in weiten Teilen teilen kann. Ich muss aber gleichzeitig sagen: Diese Nachdenklichkeit zieht sich durch den anderen Teil Ihrer Rede gerade im Bereich des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen nicht. Das muss man auch einmal deutlich sagen.
Nachdem ich gehört habe, was Herr Oettinger heute Morgen formuliert hat, kann ich – für Experten, die wissen, was KIF und KUF ist – sagen: Die Umwelt kam bei Herrn Oettinger heute in dem U von KUF vor, das heißt nämlich: kommunaler Umweltfonds. Ansonsten kam sie nicht vor, und das ist etwas arg dürftig.
Zum Thema Ökosteuer ist ja schon vieles gesagt worden. Sie schwingen diese Ökosteuer zu einem Grundübel auf.
Sie sagen: „Wir kämpfen gegen diese ungerechte Ökosteuer, solange es sie gibt.“ Fast möchte man hinzufügen: zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Sie sagen weiter: „Der Versuch, die Bewegungsfreiheit der Bürger durch Zwangsabgaben einzuschränken, ist ungefähr so intelligent wie der Versuch, Zeit zu sparen, indem man die Uhr anhält.“
Ein schönes Zitat. Abgesehen davon, dass ich am vergangenen Montag im „Spiegel“ gelesen habe, dass im letzten Jahr der Spritverbrauch um 13 % zurückgegangen ist – von wegen: Uhr anhalten –, hat das DIW, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, vor zwei Monaten eine Studie veröffentlicht, nach der mit der ökologischen Steuerreform im Zeitraum bis 2010 ein Anstieg der Zahl der Arbeitsplätze um bis zu 250 000 einhergehen wird. Die CO2-Emission, Stichwort Klimaschutz, soll allein bis zum Jahr 2005 um 2 bis 3 % zurückgehen. Das sind immerhin 20 bis 25 Millionen Tonnen.