Es ist schon erstaunlich: Vorhin ist von mehreren Oppositionsrednern gesagt worden, dieser Landtag müsse stärker zum Forum einer gesamtgesellschaftlichen Debatte werden. Als Beispiele sind Europa und die Gentechnik genannt worden. Es ist schon erstaunlich, dass wir bei dieser Debatte vonseiten der beiden Fraktionsvorsitzenden der Oppositionsfraktionen kein Wort zu dem Thema gehört haben, das im Augenblick die Schlagzeilen der Tageszeitungen beherrscht und das die Menschen in ungeheurer Weise bewegt, nämlich zu dem Thema, dass wir auf dem Weg zu einer Konjunkturkrise mit unabsehbaren Folgen in allen Bereichen bis hin zur Stagnation sind.
3,6 %! Überlegen Sie einmal die Folgerungen beispielsweise für Tarifverträge, die im Vertrauen auf Preisstabilität maßvoll abgeschlossen worden sind. Überlegen Sie einmal die Folgen!
das trifft doch die kleinen Leute; 3,6 % Preissteigerung frisst doch jede Rentenerhöhung, frisst doch jede Kindergelderhöhung um 30 DM unmittelbar auf. Zusatzleistungen wie Wohngelderhöhung oder BAföG-Erhöhung werden doch rundweg aufgefressen.
Zum Wachstum: Heute lesen Sie in der Zeitung, dass das Ifo-Institut gestern erklärt hat, es rechne mit einem Wachstum von 1,1 % in Deutschland. Überlegen Sie einmal: Bei uns gibt es noch verhältnismäßig bescheidene Einbrüche.
Ich werde das Ifo-Institut anschreiben und mir die Zahlen holen. Überlegen Sie einmal, was bei 1,1 % Wachstum in Deutschland allein der Beitrag von Bayern, Baden-Württemberg und Hessen ausmacht. Wir wären bei einem Minimalstwachstum. Das Ifo-Institut sagt: Wir sind am Rande der Stagnation.
Die Folge ist doch, dass die Arbeitslosigkeit steigt und nicht sinken wird. Alle Wirtschaftswissenschaftler sind sich doch einig, dass frühestens bei einem Wachstum von 2,2, 2,3 % das Wachstum in eine Erhöhung der Zahl der Arbeitsplätze umzuschlagen beginnt. Bei einem Wachstum von 1,2 % wird die Arbeitslosigkeit zunehmen. Sie werden weit mehr als die 3,5 Millionen Arbeitslose haben, die sich der Bundeskanzler vorgenommen hat und an denen er sich persönlich messen lassen wollte.
(Abg. Drexler und Abg. Schmiedel SPD: Schwarz- seher! – Abg. Drexler SPD: Jetzt redet es doch nicht herunter! Pessimismus!)
Im letzten Jahr, als das Wachstum in Deutschland 2,7 % und in Baden-Württemberg 3,8 % betrug, hatten wir in Baden-Württemberg die mit Abstand stärkste Zunahme der Beschäftigung. Sie sehen das auch an den Arbeitsmarktzahlen. Meine Damen und Herren, es ist schon der Gipfel, wenn man dann hier sagt, der Rückgang der Arbeitslosigkeit in Baden-Württemberg sei durch die Bundespolitik bedingt, und fragt: Was tut ihr eigentlich für mehr Beschäftigung? Das ist doch eine Katastrophe. Eine Katastrophe!
Zur Ökosteuer: Sie haben zu diesem Thema wortreich Stellung genommen. Keiner der beiden Redner hat gesagt, was sie am 1. Januar des nächsten Jahres tun wollen.
Keiner hat gesagt, ob Sie in diese Situation, in diese Konjunkturlage hinein noch einmal mit einer Erhöhung um 6 Pfennig kommen wollen. Ich möchte Ihnen nur sagen: Vorgestern stand in der „Welt“ – Sie werden das als Bestätigung eines Satzes Ihrer vorherigen Aussagen betrachten; ich will mich aber gleich damit auseinander setzen – wörtlich: „Die Einnahmen der Mineralölsteuer sind um 13 % zurückgegangen.“ Wenn man nun sagt: „Das wollen wir ja gerade; wir wollen ja Wirkung erzielen, darum heißt diese Steuer ja Ökosteuer; wir wollen ja erreichen, dass die Leute weniger Auto fahren und deshalb weniger Mineralöl verbrauchen“,
dann darf man nicht hingehen und argumentieren, dass man das Geld zwingend brauche und es ausschließlich in die Rentenversicherung gehe.
Sie müssen sich schon für das eine oder andere entscheiden. Sie können nicht beides als Argument bringen.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Drexler SPD – Abg. Alfred Haas CDU: Rasen für die Rente!)
Übrigens, Herr Kuhn hat gefordert – auch SPD-Politiker haben das gesagt –, man dürfe das Geld nicht für die Rente verwenden. Aber Sie sagen, wir dürften nicht mehr sagen, man solle die Ökosteuer abschaffen, weil man dann nicht mehr sagen könne, wie die Rente zu finanzieren sei.
(Unruhe und Zurufe, u. a. Abg. Drexler SPD: Doch, aber was Sie dafür machen wollen, sollten Sie sagen!)
So kann man es ja machen. Man kann sagen: „Wir beschließen jedes Jahr eine Steuererhöhung.“ Dann verwenden wir das Geld. Und wenn die Opposition das abschaffen will, fragen wir: „Wie wollt ihr es eigentlich finanzieren?“
Nein, wir wollen, dass die Steuern gesenkt und nicht immer weiter erhöht werden. Das wollen wir, und das ist für die Konjunktur notwendig.
Nächster Punkt: Die Überschriften auf den ersten Seiten der Zeitungen lauten heute: Erhöhung der Krankenkassenbeiträge auf breiter Front. Das ist doch ein Thema, das die Menschen bewegt. Wenn man heute eine Debatte im Landtag von Baden-Württemberg führt,
dass gestern die AOK Baden-Württemberg gezwungen war, ihren Beitragssatz auf 14,2 % anzuheben, dass alles unterlaufen wird, was Sie gesagt haben: Begrenzung auf 20 %, Soziallastenbegrenzung auf 40 %. Überall sind wir auf dem Weg zu weiteren Erhöhungen.
Ich komme zum absoluten Gipfel, zur Beitragserhöhung der AOK. Herr Kollege Oettinger hat einen Mann zitiert, den Sie genauso schätzen wie ich und der Ihnen näher steht als uns. Er hat gesagt: Ursache für die Beitragserhöhung ist die Bundespolitik.
Ihnen wird das Argument, dass die Vorgängerregierung für alles verantwortlich sei, deshalb bis zum Ende Ihrer Regierungszeit bleiben, weil Sie nicht so lange an der Regierung sein werden. Das muss ich sagen.
Die Arbeitnehmer in Baden-Württemberg und die Arbeitgeber in Baden-Württemberg zahlen inzwischen einen Risikostrukturausgleich von über 2 Milliarden DM an die Krankenkassen anderer Länder über den Bedarf unserer eigenen Kassen hinaus. Alle Betriebskrankenkassen in unserem Land zahlen mehr als 50 % ihrer Beitragseinnahmen in den Krankenkassenstrukturausgleich. Ich kenne Betriebskrankenkassen, die 72 % Krankenkassenstrukturausgleich zahlen und 28 % für die Bezahlung aller Gesundheits- und Krankheitsleistungen ihrer Mitglieder zur Verfügung haben. Das allein halte ich schon für pervers.