Protokoll der Sitzung vom 27.06.2001

Wer in der Vergangenheit bei 13 Bundesländern das Wort Leistungsanreize nur in den Mund genommen hat, hatte schon verloren. Insofern ist da ein gewisser Fortschritt erreicht worden.

Meine Damen und Herren, ich will jetzt gar nicht mehr auf die Details eingehen, sondern nur eines sagen: Der mühsame Prozess der Kompromissfindung zeigt aber auch, wie notwendig es ist, die überkommenen föderalen Strukturen aufzubrechen und sie in Richtung auf einen echten Wettbewerbsföderalismus hin weiterzuentwickeln. Mehr eigene Zuständigkeit, weniger Gemeinschaftsaufgaben, klare Trennung von Verantwortung zwischen Bund und Ländern, dafür Abgabe von Zustimmungsvorbehalten, mehr Transparenz, mehr Verantwortung, das sind die eigentlichen Ziele, um die es geht.

Im Übrigen bleiben wir dabei und will auch ich dabei bleiben: Wer die Ziele „mehr Wettbewerbsföderalismus“ oder „gerechter Finanzausgleich“ mittel- oder langfristig wirklich erreichen will, darf auch das Thema Länderneugliederung nicht mit einem Tabu belegen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Wir fusionie- ren mit Brandenburg!)

Ich will in diesem Zusammenhang gern noch eine kurze Anmerkung zu dem schwierigen Thema der Finanzbeziehungen zwischen dem Land und den Kommunen machen. Wenn es schon nicht möglich war, die Erhöhung der Einbeziehung der Finanzkraft der Kommunen in den Länderfinanzausgleich auf nunmehr 64 % zu verhindern, dann muss klar sein – das ist jedenfalls für mich klar –, dass wir unsere Kommunen damit nicht allein lassen dürfen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Aber was hier an Frechheit seitens des Kollegen Drexler und der SPD-Fraktion vonstatten gegangen ist,

(Widerspruch bei der SPD – Abg. Schmiedel SPD: Sachlich bleiben!)

ist nicht zu überbieten. Meine Damen und Herren, wollen wir doch mal die Dinge beim Namen nennen; ich glaube, Herr Oettinger hat schon darauf hingewiesen: Im Deutschen Bundestag gab es einen rot-grünen Gesetzentwurf, der bereits in erster Lesung beraten war und der vorsah, die Finanzkraft der Kommunen statt zu 50 % künftig zu 100 % in den Finanzausgleich einzubeziehen. So im Deutschen Bundestag! Und wenn Sie jetzt sagen, eine Erhöhung auf 64 % sei zu viel, dann gebe ich Ihnen ja Recht, doch wenn Sie den Schuldigen, den Buhmann suchen, dann dürfen Sie

zwar auf die Regierungsbank zeigen, aber bitte nicht auf die schwarz-gelbe Regierungsbank hier, sondern auf die rot-grüne in Berlin, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Zuruf des Abg. Schmiedel SPD)

Das Thema darf nicht auf die lange Bank geschoben werden, Herr Ministerpräsident, da sind wir uns sicherlich einig. Es wird zwar erst ab dem Jahr 2005 relevant, aber trotzdem muss es in den Dialog zwischen Land und Kommunen über andere Fragen einbezogen werden.

Die Medienausstattung und auch die Betreuung sind bereits genannt worden. Zur Medienausstattung möchte ich ein klares Wort sagen: Meine Damen und Herren, wenn das Land Baden-Württemberg – ich sage jetzt auch mal konkret: die Kultuspolitik – solche Standards vorgibt, die die Leistungsfähigkeit der Kommunen und die Möglichkeiten des kommunalen Investitionsfonds überfordern, dann wird überhaupt nichts anderes übrig bleiben, als die kommunale Finanzmasse zu erhöhen. Das ist wohl wahr. Deshalb rate ich zu einer mittleren Linie, und zwar zu einer realistischen Festsetzung der Standards der Medienausstattung,

(Ministerpräsident Teufel: Sehr richtig!)

zu einer Medienausstattung, die weder die Leistungsfähigkeit der Kommunen noch die Möglichkeiten der Finanzplanung des Landes Baden-Württemberg überfordert.

(Beifall des Ministers Dr. Döring)

Wir müssen alle Ziele in Einklang bringen. Wir müssen unsere Finanzausstattung sehen, unser Ziel, das wir in der Finanzpolitik haben, und wir dürfen die Kommunen finanzpolitisch nicht überfordern. Wir müssen aber auch einen weiteren Schritt machen in Richtung einer besseren Medienausstattung. Es wird eine große Aufgabe sein, in Gesprächen mit den kommunalen Landesverbänden diese Dinge so zu optimieren, dass letzten Endes jeder damit zufrieden ist.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Drautz FDP/ DVP: Sehr richtig!)

Zusammenfassend will ich nur sagen: Das, was jetzt beim Länderfinanzausgleich erreicht wurde, gefährdet unser Ziel nicht, bis 2006 eine Neuverschuldung von null zu erreichen. Das bleibt trotzdem ein sehr ehrgeiziges Ziel. Wir werden deshalb weitermachen mit der Reform der öffentlichen Verwaltung, die schon in der vergangenen Legislaturperiode einen Schwerpunkt der Landespolitik dargestellt hat.

Meine Damen und Herren, ich sage es ganz offen – Kollege Oettinger weiß, dass ich das ein bisschen anders sehe als er –: Ich finde den Vorschlag des Vorsitzenden des Städtetags, Herrn Oberbürgermeister Doll, eine Verwaltungsreformkommission unter Einbeziehung externen Sachverstands zu berufen, gut, und dieser Vorschlag findet unsere Unterstützung.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Nur: Wenn dies überhaupt ein Erfolg werden soll, dann darf ein Fehler, Herr Salomon, nicht gemacht werden – und ich spreche hier aus leidvoller Erfahrung –: Es wäre völlig falsch, wenn eine solche Kommission unter dem Vorzeichen antreten würde: Welche Ebenen können gestrichen werden?

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Das ist richtig! Das war auch nicht der Punkt!)

Das ist völlig falsch. Wer so antritt und vorschlägt: „Wir streichen die Landkreise, die Regierungspräsidien oder am besten beide“, der hat schon verloren,

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Habe ich nicht ge- macht!)

der soll eine solche Reformkommission überhaupt nicht erst einberufen.

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Habe ich nicht ge- macht!)

Nein, ich will eine Reformkommission, wenn wir das machen könnten – wir müssen darüber reden –, und wenn eine solche Reformkommission eingesetzt wird, dann steht eine zentrale Aufgabe im Vordergrund, nämlich eine saubere Aufgabenkritik,

(Beifall bei der FDP/DVP)

das heißt eine saubere Diskussion über die Frage: Wer übernimmt unter Subsidiaritätsgesichtspunkten und unter Effizienzgesichtspunkten in der Zukunft diese und jene Aufgabe?

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Das ist richtig!)

Gibt es Aufgaben, die möglicherweise überflüssig sind,

(Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Genau!)

die im Sinne von Deregulierung nicht mehr notwendig sind? Oder gibt es möglicherweise Aufgaben, die an Dritte – auch an Private – übertragen werden können? Eine solche Reformkommission mit dem Auftrag einer sauberen Aufgabenkritik würde ich sehr, sehr gerne einsetzen – das gestehe ich –, und darüber müssen wir einfach noch einmal reden.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Dr. Salomon GRÜ- NE: Also!)

Lieber Kollege Günther Oettinger, wenn wir schon bei den Punkten sind, über die wir noch ein bisschen miteinander reden müssen, will ich natürlich auch das Thema Drogenpolitik aufgreifen, obwohl es jetzt gar nicht passt. Wollen wir doch einmal festhalten, durch welche drei zentralen Begriffe bisher – zu Beginn dieser Legislaturperiode – Drogenpolitik definiert worden ist: Es war der Begriff der Prävention, es war der Begriff der Therapie und der Begriff der

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE und Abg. Drexler SPD: Repression!)

Repression. – Nachlesen in den Koalitionsvereinbarungen, Herr Kollege, nicht den indischen Affen spielen. – Zum ersten Mal ist ein vierter Begriff hinzugekommen, nämlich der Begriff der Überlebenshilfen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Jetzt, Herr Kollege Oettinger, mache ich Ihnen einen Vorschlag. Es geht um die Frage: Wie kann diese Überlebenshilfe am besten organisiert werden, wie soll sie umgesetzt werden?

(Abg. Drexler SPD: Machen Sie es doch mit uns! Nicht Affe spielen!)

Das ist die Frage, um die es geht. Ich mache Ihnen den Vorschlag, Herr Oettinger: Wir machen eine gemeinsame Anhörung. Wir laden dazu zum Beispiel Vertreter der Landesärztekammer Baden-Württemberg, der Bundesärztekammer, der kommunalen Spitzenverbände, der Jungen Union und auch der südbadischen CDU ein,

(Beifall bei der FDP/DVP)

und das Ergebnis übernehmen wir dann. Damit bin ich voll einverstanden. Sie werden feststellen, dass das Ergebnis sehr eindeutig sein wird.

(Abg. Drexler SPD: Das macht er doch nicht! Das Spiel kennen wir seit fünf Jahren!)

Insofern setze ich darauf, dass die Frage, wie Überlebenshilfe definiert wird, eine Frage sein wird, die unter Einbezug der Spezialisten und der Fachleute und der Betroffenen noch in dieser Legislaturperiode neu auf die Tagesordnung kommt.

(Abg. Drexler SPD: Ich frage mich bloß, wo die indischen Affen hier sitzen!)

Die Verwaltungsreform bleibt eine Daueraufgabe. Ich habe das gesagt. Wir müssen auf dem Weg weitergehen, mit einer verbesserten Ausstattung, mit Informations- und Kommunikationstechnik und der Einführung neuer Steuerungsinstrumente dafür zu sorgen, dass die notwendigen Leistungen öffentlicher Verwaltung effizienter und kostengünstiger erbracht werden können. Ich war überrascht – das will ich gern zugeben –, welche Probleme im Zusammenhang mit den neuen Steuerungsinstrumenten plötzlich aufgetaucht sind. Aber es bleibt dabei: Verwaltungsreform, neue Steuerungsinstrumente, mehr Einsatz von IuK, größere Effizienz – das ist alles eine unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Strategie der Haushaltskonsolidierung.

Meine Damen und Herren, Politik heißt, zu sparen und zu gestalten. Politik heißt, zu sparen, möglichst intelligent zu sparen, Politik heißt aber auch, zu gestalten. Dass wir trotz dieses Konsolidierungskurses gewisse Spielräume für zusätzliche Investitionen haben, verdanken wir nicht ausschließlich, aber zu einem großen Teil den Erlösen aus der Veräußerung von Landesbeteiligungen an wirtschaftlichen Unternehmen. Wer immer über Zukunftsoffensiven spricht, muss wissen, dass hier der entscheidende Hebel dafür gegeben ist, dass auch in Zeiten, in denen haushaltsmäßig konsolidiert werden muss, noch Mittel für Investitionen freigeschaufelt werden können.

Bei dem Verlangen nach Privatisierung stehen für uns deshalb immer zwei Gesichtspunkte im Vordergrund. Das eine ist das Ordnungspolitische: Nicht der Staat soll wachsen, sondern die Wirtschaft. Das Zweite ist: Wenn wir Vermögen des Landes haben und dieses umwidmen, dieses einer anderen Verwendung zuführen, dann sollten wir es einer Verwendung zuführen, die den höchsten materiellen und immateriellen Produktivitätsfortschritt mit sich bringt, der nur denkbar ist. Oder anders ausgedrückt, meine Damen und Herren: Es gibt keine bessere Investition als die in Bildung, Ausbildung, Wissenschaft, Forschung und neue Technologien. Damit helfen wir unserer jungen Generation am besten.