Protokoll der Sitzung vom 27.06.2001

Deshalb erlauben Sie mir schon, zu sagen: Die Kritik der SPD, die sich ja selbst nicht etwa mehr, sondern weniger zugemutet hatte, halte ich schon, mit Verlaub, nicht nur für nicht berechtigt, sondern ein Stück weit auch für dümmlich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Fischer SPD: Wie bitte? – Abg. Drexler SPD: Wir wollen jetzt einstellen! Stellen Sie doch jetzt ein, dann können Sie den Schulen helfen!)

Aber natürlich hat Bildungspolitik immer auch eine inhaltliche Dimension. Und hier heißt unser Credo: Wir wollen den fächerübergreifenden Unterricht ausbauen, wegkommen vom 45-Minuten-Takt in den Schulen. Wir wollen verstärkt wirtschaftliche, gesellschaftliche, naturwissenschaftliche Zusammenhänge vermitteln. Wir wollen keinen Wettlauf um immer neue Inhalte und immer neue Fächer, sondern wir wollen die Konzentration auf unverzichtbares Grundlagen- und Orientierungswissen als gesichertes Fundament lebenslangen Lernens. Und ganz besonders wollen wir einen Unterricht, der mehr neugierig macht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wir wollen mehr Eigenständigkeit für die einzelne Schule – pädagogisch, organisatorisch und finanziell. Wir werden die Gestaltungsspielräume der einzelnen Schulen erweitern, zum Beispiel bei der Lehrerauswahl, aber auch bei der eigenständigen Profilierung der Schulen. Wir brauchen dazu eine stärkere Mitwirkung aller am Schulleben Beteiligten.

Wir wollen mehr Vielfalt und mehr Wettbewerb; denn Autonomie, Eigenverantwortung und Wettbewerb heißt immer auch mehr Leistung. Wir werden deshalb die Schulen in freier Trägerschaft stärken. Für das staatliche Schulwesen sind Schulen in freier Trägerschaft immer schon Alternative und Anreiz zugleich gewesen. Deshalb werden die Ergebnisse der Kommission der CDU- und der FDP/DVPFraktion rasch in die Gesetzgebung einfließen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Schließlich, meine Damen und Herren, sind wir es der jungen Generation schuldig, ihr einen schnelleren Eintritt ins Erwerbsleben zu ermöglichen. Angesichts der Notwendigkeit lebenslangen Lernens brauchen wir im Bereich der Erstausbildung einen sorgsameren Umgang mit der Zeit. Das achtjährige allgemein bildende Gymnasium kommt mit dem Schuljahr 2004. Wir werden genügend Zeit haben, die Konzeption gründlich zu erörtern, und ich bin sicher, dass wir die Bedenken der Traditionalisten in den Lehrerverbänden entkräften können.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Seimetz CDU)

Generell ist unser Ziel in der Bildungspolitik: Wir brauchen kürzere Erstausbildungszeiten, aber dafür längere Weiterbildungszeiten.

(Beifall des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Der SPD-Fraktion, lieber Kollege Drexler, kann ich nur raten, sich stärker an dem zu orientieren, was SPD-geführte Landesregierungen in Anlehnung an baden-württembergische Bildungspolitik in letzter Zeit eingeleitet haben, Stichwort verlässliche Grundschule in Niedersachsen oder erste Schritte zum achtjährigen Gymnasium in Nordrhein-Westfalen. Ich kann Ihnen nur raten: Buddeln Sie sich nicht ein in den bildungspolitischen Schützengräben, und führen Sie nicht die bildungspolitischen Schlachten der Siebzigerjahre. Die interessieren nämlich keinen mehr.

(Abg. Drexler SPD: Wer hat denn das heute ge- macht?)

Sie haben das heute gemacht,

(Abg. Drexler SPD: Was?)

indem Sie die völlig falschen Themen besetzt haben, meine Damen und Herren.

(Lachen bei der SPD)

Zu den bildungspolitischen Schlachten der Siebzigerjahre – das will ich als Beispiel ausdrücklich ansprechen – gehört die Frage der Studiengebühren.

(Abg. Drexler SPD: Das habe ich doch heute gar nicht gesagt!)

Sie haben es eben nicht angesprochen, das ist ja genau der Punkt.

(Abg. Drexler SPD: In 45 Minuten kann man auch nicht alles ansprechen!)

Ja, das ist richtig.

Ich sage Ihnen, dass das Thema einer so genannten nachlaufenden Studiengebühr noch in dieser Legislaturperiode auf den Tisch kommen wird, allerdings unter zwei Voraussetzungen: Die erste Voraussetzung ist, dass es nicht den Hauch eines sozialen Numerus clausus geben darf. Die zweite Voraussetzung ist, dass die aus solchen Gebühren auflaufenden Mittel auch an der Stelle verwendet werden müssen, an der sie aufkommen. Das heißt, diese Mittel müssen an den Hochschulen und Universitäten verbleiben.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Unter diesen zwei Voraussetzungen bin ich der Meinung, Herr Wissenschaftsminister, dass dieses Thema auf die Tagesordnung kommen muss. Ich glaube sogar, dass dies zu einer Verbesserung der Qualität unserer Hochschulen führt. Deshalb ist das ein Thema der Zukunft, das Sie von der SPD leider nicht interessiert. Deshalb sage ich: Sie müssen Ihre bildungspolitischen Überlegungen in die Zukunft richten und nicht in die Vergangenheit.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Seimetz CDU)

Immerhin räumen Teile der Opposition ein, dass die Wissenschaftspolitik der vergangenen Legislaturperiode durch eine Hochschulgesetzgebung gekennzeichnet war, die bundesweit als vorbildlich und als vorbildlich liberal angesehen wird.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Alle Gesetze, vom Hochschulmedizinreformgesetz über die Hochschulgesetze bis hin zum Studentenwerksgesetz, sind gekennzeichnet durch ein zentrales Leitmotiv: mehr Autonomie, mehr Wettbewerb, mehr Leistung.

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Na ja, beim Studen- tenwerk?)

In der Umsetzung – das will ich gerne einräumen – hat es teilweise noch gehakt. Teile der Wissenschaftsbürokratie waren immer wieder versucht, entgegen dem Geist der Gesetze weiterzumachen mit kleinlichem Hineinregieren in die Hochschulen und Studentenwerke. Das muss aufhören und wird aufhören.

Aber gewisse Schwierigkeiten in der Umsetzung sind noch längst kein Argument gegen die Richtung unserer Hochschulreform, ganz im Gegenteil: Sie sind ein Argument dafür, die Hochschulreform entschlossen weiterzuführen, und genau dies werden wir tun.

Wir werden die Autonomie der Hochschulen weiter stärken, noch verbliebene Zustimmungsvorbehalte abbauen und die Kompetenzen der Hochschulen auch im Bau- und Gebäudebewirtschaftungsbereich stärken.

Wir wollen die anstehende Dienstrechtsreform, die eine Öffnungsklausel für die Länder hat, so ausgestalten, dass zusätzliche Leistungsanreize von ihr ausgehen. Wir wissen, dass wir zusätzliche finanzielle Spielräume brauchen, um alle Hochschulen – das betone ich bewusst – in die Lage zu versetzen, im Wettbewerb um die besten Kräfte zu bestehen.

Wenn ich „zusätzliche Leistungsanreize“ sage, dann heißt dies ganz konkret: In Zukunft muss ein guter Fachhochschulprofessor genauso viel verdienen können wie ein guter Universitätsprofessor, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Wir wollen die Chancen junger Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler verbessern. Wir wollen dazu beitragen, das Erstberufungsalter der Professoren deutlich abzusenken. Die Schaffung von Juniorprofessuren wird dies erleichtern.

Wir haben eine leistungsbezogene Mittelzuweisung eingeführt; eine regelmäßige Evaluation wird stattfinden. Warum? Wir wollen unsere Hochschulen in den Wettbewerb stellen, weil diese Hochschulen, Fakultäten und Fächer nur unter Wettbewerbsbedingungen den erstklassigen Standard erreichen werden und ausbauen werden, den wir brauchen, um auch in der Zukunft im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu sein.

Wettbewerb brauchen wir auch bei der Auswahl der Studierenden; das ist wahr. Wir brauchen einen Wettbewerb der Hochschulen um die besten Studierenden, aber auch umgekehrt einen Wettbewerb der Studierenden um die besten Hochschulen. Ich freue mich sehr, Herr Ministerpräsident, dass Sie dieses alte Anliegen in Ihrer Regierungserklärung so nachdrücklich gewürdigt haben. Wir wollen Wettbewerb und Freiheit der Wahl statt bürokratischer Zuteilung von Standorten und Chancen. Deshalb muss das bürokratische Ungetüm ZVS so schnell wie möglich verschwinden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Die Weiterentwicklung unseres Bildungswesens, die Pflege des Wissenschaftsstandorts und die Sorge für bessere Rahmenbedingungen für die Familien, das alles sind herausragende Beispiele für eine Politik der Zukunftsvorsorge, auch für eine Politik, die weit über den Tellerrand einer Legislaturperiode hinausblickt.

Vieles von dem, was wir uns da vorgenommen haben, kostet kein Geld. Reformpolitik ist nicht automatisch mit höheren Ausgaben verbunden.

(Beifall des Abg. Theurer FDP/DVP)

Aber es ist natürlich auch vieles dabei, was ohne zusätzliche Mittel nicht zu realisieren ist.

Auf der anderen Seite sind die Handlungsspielräume eng begrenzt. Denn Zukunftsvorsorge ist eben auch, nicht länger auf Kosten künftiger Generationen zu leben. Wir müssen dem Motiv der Generationengerechtigkeit in der Politik Geltung verschaffen. Eines der herausragenden Felder, auf denen man dies machen kann, ist die Haushalts- und Finanzpolitik.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Vor diesem Hintergrund ist eine Politik konsequenter Haushaltskonsolidierung eine unverzichtbare Grundlage politischen Handelns. Wir begrüßen sehr, mit welcher Deutlichkeit sich der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung dazu bekannt hat, bis zum Jahr 2006 das Ziel „Neuverschuldung null“ zu erreichen. Der Landesvorsitzende und die Landtagsfraktion der FDP/DVP haben dieses Ziel, wie Sie wissen, im Sommer 1999 in die politische Debatte eingebracht. Sie, Herr Ministerpräsident, können sich deshalb auch in kritischen Situationen auf die Unterstützung der FDP/DVP-Fraktion verlassen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs ist kein Anlass zur Euphorie. Sie ist kein leuchtendes Beispiel der Handlungsfähigkeit eines wieder erstarkten Föderalismus. Sie ist ein Kompromiss – nicht mehr und nicht weniger –, der zumindest für die Zukunft gewisse Ansätze von Leistungsanreizen enthält.

(Zuruf des Abg. Kleinmann FDP/DVP)