Protokoll der Sitzung vom 29.10.2003

(Unruhe)

Da unterscheidet sich übrigens meine Meinung auch klar von Ihrer, Kollege Oettinger.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Warum haben Sie den De- mographiefaktor herausgeworfen?)

Ich glaube, dass das Problem der Lohnnebenkosten bei uns sehr viel gravierender ist als das der Steuern.

Was sagt Herr Teufel in dieser Situation? Teufel sagt in dieser Situation, eine Nullrunde sei nicht möglich, die Leute hätten 45 Jahre eingezahlt, man dürfe dies nicht einfach nach Belieben ändern – als würde man so etwas nach Belieben tun.

(Zuruf des Abg. Schneider CDU)

Was ist das für eine Botschaft? Das ist die Botschaft an die Rentnerinnen und Rentner: Euch darf gar nichts passieren!

(Abg. Drexler SPD: So ist es!)

Ihr habt 45 Jahre eingezahlt, das ist der Generationenvertrag.

(Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Sie fördern damit diesen Mythos, den die Leute natürlich zum großen Teil glauben: Sie zahlen in die Rentenkasse ein, und das ist die Einzahlung für die Rente, die sie später bekommen. Jeder weiß, dass das nicht stimmt. Die jetzt Aktiven zahlen denen, die jetzt in Rente sind, die Rente, aber nicht den späteren Rentnern.

(Zuruf des Abg. Schneider CDU)

Diesen Mythos fördern Sie durch eine solche unverantwortliche Rede.

(Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

Außerdem sagen Sie in Ihrer Regierungserklärung noch: Wir haben nicht zu viele ältere Menschen, wir haben zu wenig Kinder.

(Zuruf von der FDP/DVP: Das stimmt doch!)

Das ist so aber falsch. Wir haben zu wenig Kinder, wir werden aber auch alle sehr viel älter, und wir werden sehr viele alte Menschen haben. Das ist der Kern des demographischen Problems.

(Lebhafte Unruhe)

Da darf man doch nicht einfach sagen: Wir haben zu wenig Kinder.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Drexler SPD: So ist es! Natürlich ist das so!)

Selbst wenn wir genügend Kinder hätten, hätten wir ähnlich große Probleme.

(Abg. Drexler SPD: Zwar nicht so stark, aber das Problem wäre da!)

Das ist doch nun wirklich das kleine Einmaleins der Rentendiskussion.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zurufe der Abg. Drexler SPD und Scheuermann CDU)

1990 gab es 20 Millionen Menschen über 60 Jahre in Deutschland, 2001 waren es 24 Millionen, und 2030 werden es 34 Millionen sein. Und die Zahl der über 80-Jährigen wird sich verdoppeln. Wenn Sie mit Ihrer Alles-Unheilkommt-aus-Berlin-Masche sagen,

(Anhaltende Unruhe)

die Rentenschwierigkeiten seien von der Bundesregierung verursacht, streuen Sie den Leuten Sand in die Augen, weil sie glauben, wenn eine andere Regierung käme, hätten wir überhaupt keine Probleme mehr.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Drexler SPD: Und man hätte mehr Kinder!)

Das ist das, was ich meine.

(Minister Dr. Repnik: Glauben Sie das, was Sie hier sagen?)

Dieser Politikstil kann in Zukunft nicht mehr funktionieren: dass wir Dinge, die jeder von uns weiß, nicht sagen, sondern nur in einer vordergründigen Polemik die Verantwortlichkeiten auf eine andere Ebene schieben.

Es war der Professor Miegel – –

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Kretschmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Repnik?

Wenn es unbedingt sein muss.

Bitte schön, Herr Repnik.

Herr Kretschmann, nur eine Frage: Halten Sie es für Polemik, wenn der Ministerpräsident sagt: „Wir haben zu wenig Kinder“? Ist das Polemik?

Unser Problem in der demographischen – –

(Zurufe von der SPD: Frage!)

Die Frage ist: Ist die Aussage, dass wir zu wenig Kinder haben, dass die Kinderzahl zurückgegangen ist, Polemik? Haben wir nicht wirklich zu wenig Kinder? Und ist es Polemik, wenn man so etwas auch sagt?

(Abg. Dr. Repnik CDU: Also! Danke! – Abg. Drexler SPD: Das hat er auch nicht kritisiert! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Nicht aufgepasst! – Gegenruf des Abg. Dr. Repnik CDU: Natürlich ha- be ich aufgepasst!)

Das, was Sie sagen, ist nicht richtig.

Selbstverständlich haben wir zu wenig Kinder. Aber die höhere Lebenserwartung, von der wir alle profitieren – zumindest statistisch –, führt dazu, dass wir auch dann die demographischen Probleme hätten, wenn wir jetzt mehr Kinder hätten. Das ist genau das Problem.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Drexler SPD: Hät- ten! – Abg. Dr. Repnik CDU: Sie haben gesagt, es sei Polemik, zu sagen, wir hätten zu wenig Kinder!)

Das ist überhaupt keine Polemik. Ich habe kritisiert, dass man hier mit Halbwahrheiten vor die Bevölkerung tritt, sie verunsichert und glauben macht, das Problem sei irgendwie lösbar, wenn jemand anders in Berlin an die Regierung komme.

Natürlich brauchen wir eine kinderfreundliche Politik. Natürlich müssen wir durch unsere Politik wieder Leute ermutigen, sich fortzupflanzen; das ist gar keine Frage.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Allerdings halte ich es auch für verstiegen, zu behaupten – wie Sie gesagt haben, Herr Ministerpräsident –, dass wir

dafür sorgen könnten, dass die Leute Kinder zeugen. Das steht immer noch in ihrer eigenen Entscheidung.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Heiterkeit und Unruhe – Abg. Pfister FDP/DVP: Das möchte ich genauer wissen!)