Protokoll der Sitzung vom 29.10.2003

(Abg. Ruth Weckenmann SPD: Herr Haas, seien Sie doch endlich einmal ruhig!)

Die Landräte interessiert es ja zunächst einmal gar nicht. Dem Gemeindetag ist es abgelehnt worden. Jetzt höre ich, dass es doch gemacht wird. Ich hoffe, dass es gemacht wird. Das zeigt mir aber, dass bei der Verwaltungsreform die Wirtschaftlichkeit offensichtlich überhaupt keine Rolle spielt.

(Abg. Ruth Weckenmann SPD: Überhaupt keine!)

Sonst hätte man es aufgrund dessen doch gleich machen müssen.

(Beifall bei der SPD)

Denn Sie wissen wie ich, dass es in Nordrhein-Westfalen ein Gutachten gibt, das davor warnt, alles auf die Landkreise zu übertragen, weil dies zu erheblich höheren Kosten führt.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das ist der Landes- regierung egal! Die Städte und Kommunen werden ja zahlen!)

Das Gutachten liegt ja vor.

Zur Behindertenpolitik: Herr Ministerpräsident, im Jahr der Menschen mit Behinderungen wäre es vielleicht gut gewesen, wenn Sie heute in Ihrer Regierungserklärung etwas zu diesem Thema gesagt hätten. Da gibt es zwei Punkte, auch vom Tag der Behinderten im Landtag. Erstens: Die Behinderten wollen einen regierungsunabhängigen Vertreter haben und nicht den Minister selber – was ja vielleicht auch logisch ist. Wir fragen uns zweitens nach wie vor immer noch, warum wir denn kein Gleichstellungsgesetz haben, wie es sieben andere Bundesländer haben. Das hätte man doch längst erarbeiten müssen. Aber auch dabei macht die CDU nicht mit. Das war jedoch eine zentrale Forderung des Tags der Behinderten im Landtag.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben die Langzeitarbeitslosenprogramme alle fast bis auf null heruntergefahren. Das ist eine Situation, die erschreckende Ausmaße hat. Sie wissen, dass wir im Jahr 2001 Fördermittel in Höhe von 15,6 Millionen € hatten, Mittel, die wir auch über den Europäischen Sozialfonds kofinanziert haben. Jetzt haben wir noch gerade einmal 2,5 Millionen €. Sie haben die Mittel für Langzeitarbeitslose, die in diesem Land innerhalb der Arbeitslosen insgesamt eine große Rolle spielen, innerhalb von drei Jahren um 84 % zusammengestrichen. Das ist beschäftigungspolitisch ein Skandal, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Abg. Alfred Haas CDU: Wissen Sie, dass die sowieso alle sterben nach der Forderung durch die Bundesregierung, ortsübliche Löhne zu bezahlen?)

Dann hätte uns interessiert, Herr Ministerpräsident: Wo wird denn jetzt die neue Dynamik in neuen Geschäftsfeldern gemacht? Davon habe ich überhaupt nichts gehört. Dazu gibt es zwei Bereiche. Der erste Bereich ist der Medienstandort. Darüber höre ich gar nichts mehr. Seit Ihr Haus in die B.TV-Pleite gegangen ist, spielt die Frage des Medienstandorts Baden-Württemberg keine Rolle mehr. Der Medienstandort ist aber eines der wichtigsten Themen. Dazu haben Sie nichts gesagt.

(Lachen des Ministerpräsidenten Teufel – Minister- präsident Teufel: Das ist doch unglaublich!)

Nun komme ich zum zweiten Bereich. Sie hätten neulich einmal das „manager magazin“ lesen sollen. Darin sind die fünf großen Zukunftsbereiche benannt worden. Einer davon ist die Energiedienstleistung. Das ist natürlich klar. 2 Milliarden Menschen auf der Welt haben noch überhaupt keinen Zugang zu Energie. Das heißt, da ist ein dringendes Problem vorhanden. Das können Sie weder mit den von Ihnen gewünschten Atomkraftwerken lösen, weil das Terrorismus und alles Mögliche nach sich ziehen könnte, noch werden Sie das durch Verbrennungsprozesse lösen können, weil Sie sonst das Klima vollends kaputtmachten.

(Ministerpräsident Teufel: Das ist doch unglaub- lich! – Zuruf des Abg. Schneider CDU)

Deswegen muss doch danach gefragt werden. Wir haben gute Erfindungen an unseren Forschungseinrichtungen, aber die Wertschöpfung findet in diesem Land überhaupt nicht statt. Sie findet in Bayern, in Nordrhein-Westfalen und in Kalifornien statt, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der SPD – Abg. Schmiedel SPD: Und in Japan! – Widerspruch des Ministerpräsidenten Teufel)

Ja, natürlich. – Das hat etwas damit zu tun.

Lesen Sie im Übrigen die Rede des Wirtschaftsministers, die er hier am 1. Oktober 2003 gehalten und in der er in einem beiläufigen Satz erwähnt und zugegeben hat, dass das in Baden-Württemberg ein Problem ist. Aber das hat auch etwas mit Ihrem Regierungsstil zu tun. Alles außer der Großen Wasserkraft, was alternative Energien betrifft, findet ja in Ihrer Wortwahl überhaupt nicht statt. Windenergie wird praktisch bekämpft; Solarenergie und Geothermie werden ignoriert.

Sie haben den Bau von Solarsiedlungen versprochen. Das ist ja ganz wichtig. Völlige Fehlanzeige! Das findet nicht statt.

Sie haben großspurig ein Landesprogramm für erneuerbare Energien und ein Programm zur Förderung der Brennstoffzelle angekündigt. Nun haben wir einige Holzhackschnitzelanlagen. Das ist eigentlich nur ein politisches Feigenblatt.

Sie halten an der Kernenergie fest, Herr Ministerpräsident. Das ist die falsche Richtung. Schauen Sie sich das einmal in der Weltwirtschaft an. Wenn Sie Kernenergie wollen, dann ist im Grunde genommen eigentlich Frau Schavan dran. Dann soll sie in ihrem Wahlkreis ein neues Kernkraftwerk bauen, und die Entsorgung machen wir dann in Ihrem Wahlkreis in Spaichingen.

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD)

Dann können wir einmal über Ihren Vorschlag reden.

(Abg. Alfred Haas CDU: Sie wissen noch nicht einmal, wo der Ministerpräsident seinen Wahlkreis hat!)

Nun, Herr Ministerpräsident, komme ich zum Bürokratieabbau. Es gibt eine bundesweite Kommission für Kerntechnik, meine sehr verehrten Damen und Herren. Der Herr Ministerpräsident hat eine eigene Kommission gegründet. Sie kostet uns jedes Jahr 500 000 €. Diese Kommission wird überhaupt nicht gebraucht.

(Zurufe von der SPD)

Ich meine die Internationale Länderkommission Kerntechnik. Die haben Sie mit Hessen und Bayern zusammen als eine Art Angriff auf Rot-Grün in Berlin gegründet. Sie kostet uns jährlich eine halbe Million Euro.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Die ganze Kommission kann man auflösen. Sie hat auch nichts zur Klärung der Atomunfälle in Baden-Württemberg

beigetragen. Lösen Sie doch diese Institution auf. Das wäre ein Beitrag zum Bürokratieabbau.

(Beifall bei der FDP/DVP und den Grünen – Abg. Capezzuto SPD: Das Geld fehlt uns wieder an den Schulen!)

Sie haben überhaupt nichts zu Ganztagsschulen gesagt. Das ist mir aufgefallen. Das ist doch das größte Programm, das es überhaupt gibt, mit 538 Millionen €, die der Bund zur Verfügung stellt. In Ihrem Ministerium liegen Hunderte von Anträgen von Städten, die Ganztagsschulen bauen und betreiben wollen, weil nach PISA klar ist: Unsere Kinder müssen länger in die Schulen gehen.

(Abg. Schneider CDU: Falsch!)

Diese Anträge werden gar nicht bearbeitet. Das Land Baden-Württemberg hat noch kein Geld abgerufen.

(Zuruf des Abg. Schneider CDU – Abg. Zeller SPD: Im Gegensatz zu anderen Ländern! So ist es!)

Da lachen Sie. Erkundigen Sie sich doch einmal. Doch, es stimmt: Eine Schule hat Mittel abgerufen. Für das Begabtengymnasium in Schwäbisch Gmünd sind Mittel abgerufen worden.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Das ist aber das Einzige. Das spricht ja auch schon Bände. Da schaffen Sie ein Gymnasium für 120 Begabte und lösen die Beratungsstellen in den Städten auf, obwohl der gesamte Elternverband der Begabten dagegen ist, dass man so etwas macht. Wir haben auch nicht nur 120 Begabte in Baden-Württemberg, sondern erheblich mehr. Diese müssen wir zusammen mit den anderen Kindern normal fördern. Das wäre die richtige Politik.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

Was für Konsequenzen hat das Land denn aus PISA gezogen?

(Zuruf des Abg. Hillebrand CDU – Gegenruf von der SPD)

Keine! Etwas über 19 % – ein Fünftel – aller Kinder mit 15 Jahren in Baden-Württemberg können nicht richtig lesen oder verstehen das, was sie lesen, nicht.

(Zuruf des Abg. Herrmann CDU)

Das ist doch ein Alarmzeichen trotz Ihres zweiten Platzes in der Bundesliga. Dagegen muss man doch etwas machen.

(Zuruf des Abg. Röhm CDU)

Was haben Sie gemacht, um die Sprachkompetenzförderung im Kindergarten zu verankern? Die Sprachförderung erfolgt nun auf freiwilliger Basis. Da sind all die Kinder, um die es bei der Einschulung eigentlich geht, nicht dabei. So etwas muss man im Schulgesetz verpflichtend regeln.

(Beifall bei der SPD)

Warum haben Sie das nicht im Schulgesetz geregelt? Weil Sie das drei Jahre lang über Ihre Landesstiftung finanzieren wollen. Wie ist die Finanzierung dann anschließend? Sie sind nicht bereit, diese 5 Millionen €, die ganz wichtig sind, in den unteren Bereich, in den Kindergarten zu geben. Eine völlige Fehlanlage. Deswegen meine Bitte: Machen Sie es anders, verpflichtend im Schulgesetz, langfristig angelegt, damit unsere Kinder dann mit sechs Jahren alle auf dem gleichen Sprachkompetenzstand sind.

(Abg. Alfred Haas CDU: Wo sollen wir dann bitte das Geld streichen?)

Wo das Geld streichen? Dann streichen Sie doch bitte schön diese unselige Kampagne „Wir können alles. Außer Hochdeutsch.“ mit 7 Millionen € pro Jahr. Dann könnten Sie Sprachstandsdiagnose bezahlen.