Protokoll der Sitzung vom 29.10.2003

Meine Kritik bezog sich auch auf das Verhältnis zwischen Justizministerium und Kultusministerium. Bei dieser Kritik bleibe ich auch. In der Zwischenzeit hat uns Frau Schavan einen Termin morgen in der Mittagspause angeboten.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Also!)

Genau deswegen habe ich die Kritik jetzt nicht wiederholt, weil die Ministerin uns jetzt bei ihrem Vorschlag einbeziehen will.

Das Problem ist also ausgeräumt, zumal ein Antrag der SPD von Ende September vorliegt, die Regierung zu ersuchen,

(Abg. Drexler SPD: Genau!)

unverzüglich Konsequenzen zu ziehen und dem Landtag einen Gesetzentwurf vorzulegen.

(Abg. Drexler und Abg. Zeller SPD: Ja!)

Genau dies hat sie gestern Abend getan. Ich sage Ihnen ausdrücklich – das ist unser Interesse – Verbesserungsvorschläge und Ergänzungsvorschläge zu. Wir haben bisher im Landtag von Baden-Württemberg zum Thema des Kopftuchs als einer eher mäßig demokratischen und gesellschaftspolitisch rückwärts gewandten Äußerung, als eines Zeichens, das uns nicht passt, ein großes Einvernehmen gezeigt. Dies behalten wir auch gerne bei.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Drexler SPD)

Ob wir bei dem Thema Studiengebühr ein Einvernehmen bekommen, steht noch aus.

(Abg. Drexler SPD: Nächster Tagesordnungs- punkt!)

Meine Bitte ist: Gehen Sie darauf nachher ein! Frau Vogt hat hier einen sehr erstaunlichen Vorstoß gewagt:

(Abg. Zeller SPD: Eine gute Frau!)

eine nachlaufende Studiengebühr. Ich glaube auch, dass es dazu kommt. Wenn wir in Deutschland über Studiengebühren debattieren, dürfen sie – ich sage da gerne unsere Bereitschaft zu – nicht primär der Staatskasse zugute kommen. Es geht vielmehr um die Stärkung der Schule, der Bildung und der Entwicklung der Hochschullandschaft in BadenWürttemberg.

Ich bin gespannt, ob da die Sozialdemokraten endlich springen. Bisher waren sie rückwärts gewandt. Meine Bitte ist: Springen Sie nicht nur im Landtag! Springen Sie auch im Deutschen Bundestag! Denn der Deutsche Bundestag hat sich vor der letzten Bundestagswahl eine Frechheit erlaubt: Rot und Grün haben uns im Grunde genommen verboten, Studiengebühren zu erheben. Ich fordere nicht eine deutschlandweit einheitliche Studiengebühr;

(Abg. Pfister FDP/DVP: Absolut nicht!)

ich fordere in dieser Frage die Kompetenz des Landtags.

(Abg. Pfister FDP/DVP: So ist es!)

Die anderen sollen machen, was sie wollen; wir führen nachlaufende Studiengebühren ein und stärken damit die Finanzgrundlage der Hochschulen im Land.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Pfister FDP/DVP: So einfach ist die Welt, Wolfgang!)

Handlungsfeld Nummer 3 ist die Energiepolitik. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der vergangene Sommer muss uns schon wachrütteln. Was im Sommer geschehen ist, war ein Fanal. Der Industriestandort Baden-Württemberg, der für Gesundheit, für Wertschöpfung, für Produktion, für Infrastruktur, für Nahverkehr und für alle Lebensbedingungen Strom benötigt, stand kurz vor dem Exitus. Fast wäre abgeschaltet worden. Egal, ob das eine Drohung war oder nicht: Es war knapp.

Deswegen werden wir uns um die Frage kümmern müssen: Wie sichern wir den Strom für unsere Generation, für unsere Kinder und für unsere Enkelkinder? Ich sage Ihnen gerne zu: weg mit den Scheuklappen, keine Ideologie. Wie erreichen wir, dass der Strom, der bei uns derzeit verbraucht – auch exportiert und importiert – wird, im Hightechstandort Baden-Württemberg weiterhin zur Sicherung von Arbeitsplätzen, Lebensqualität und Infrastruktur zur Verfügung steht?

Da geht es gar nicht darum, dass der Bauantrag für ein neues Kernkraftwerk, egal wo, in welchem Wahlkreis auch immer, vorliegt. Darum geht es gar nicht. Es geht zu allererst um die Frage, welche Optionen ein Bundesland hat und ob man sich Optionen auf Dauer verbaut.

Baden-Württemberg hat die Option Kohlekraft, und wir behalten sie auch bei. Baden-Württemberg hat früher als an

dere Länder gewaltige Fortschritte bei der Reduzierung von Emissionen aus der Kohleverbrennung gemacht. Wir haben bei der Gewinnung von Strom aus Kohle die Ökologie längst integriert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Klar ist aber: Importkohle kostet Geld, und jeder Kilometer auf dem Rhein und dem Neckar verschlechtert unsere Konditionen. Mannheim produziert günstiger als Esslingen; aber Mannheim produziert schlechter als Duisburg und Amsterdam. Deswegen werden wir nie allein von der Kohle abhängen dürfen. Sonst sind die, die Energiewirtschaft in Baden-Württemberg betreiben, nicht konkurrenzfähig.

Deswegen brauchen wir als Zweites Gas, eine weitere Gasleitung und mehr Kapazität. Gas muss auch für GuD und für die Gewinnung von Strom zur Verfügung stehen. Ich bin gespannt, wer dabei mitmachen wird, dass die Gasversorgung in Baden-Württemberg unternehmerisch und von der Gewinnung der Rohware her konkurrenzfähig in die Zukunft geht.

Als Drittes brauchen wir erneuerbare Energien und da vor allen Dingen die Große Wasserkraft.

(Abg. Fleischer CDU: So ist es!)

Ich bin gespannt, ob die Große Wasserkraft, wenn Berlin schon die Einspeisung von erneuerbarer Energie subventioniert, die faire Chance zum Wettbewerb am Hochrhein erhält. Das wäre für Baden-Württemberg und für die Energiewirtschaft im Land ein ganz wichtiger und großer Schritt zur Stärkung und zur Überlebensfähigkeit.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Drexler SPD: Das ist ein Problem!)

Last, not least die Kernenergie. Ich glaube nicht, dass das nächste Kernkraftwerk in Deutschland gebaut wird. Aber ich bin sicher: Es kommt zu entsprechenden neuen Baumaßnahmen auf unserem Kontinent. Es gibt eine neue Generation von Kerntechnologie, „Common Project“ genannt – Framatome und Siemens. Das heißt, es wird in Europa garantiert zur Produktion von neuen Kernenergieanlagen kommen. Die Frage ist nur, wo. Es kommt in den nächsten 20 Jahren garantiert auch zum Bau von Kernkraftanlagen durch die deutsche Energiewirtschaft,

(Abg. Pfister FDP/DVP: Die Frage ist nur, wo!)

und dabei wird von Eon, von RWE und vielleicht von der EnBW investiert. Die Frage ist nur, wo. Die Frage ist nur: Wer will die Arbeitsplätze, wer will die Steuerkraft, und wo soll die Wertschöpfung sein?

Es wird auch klar sein, dass wir unseren Strom noch in 30 Jahren auch aus Kernkraft beziehen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Die Frage ist nur: Kommt er aus Tschechien, aus Polen, aus Frankreich, oder ist die Wertschöpfung auch in Deutschland? Ich bitte nur: Bewahren wir uns für Ihre und unsere Nachfolger in 10, 15 Jahren die Option – nicht „verbrannte

Erde“ – auf eine sichere nächste Generation von Kernkraft – für Arbeitsplätze, für Wertschöpfung, für Steuerkraft auch in Baden-Württemberg. Baden-Württemberg muss dabei sein, wenn die Kernkraft in Europa eine neue Dimension, eine neue Generation, eine neue Chance bekommt.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Handlungsfeld Nummer 4: Finanzplatz Baden-Württemberg. Meine Damen und Herren, Deutschland steht vor der Gefahr, dass sein Bankenwesen zweit- oder drittklassig wird. Das Bankenwesen wird von England, London, von den USA, New York, und von anderen dominiert. Die deutschen Banken fallen zurück. In Baden-Württemberg haben wir nicht viele deutsche Banken. Wir haben die Volks- und Raiffeisenbanken, unsere Partner, wir haben die Sparkassen, für die wir als Gesetzgeber verantwortlich sind, und wir haben die Landesbank mit der in sie integrierten BWBank.

Ich spreche der Regierung im Nachhinein meinen Respekt aus und sage: Es war richtig, dass die große regionale Privatbank, die BW-Bank, nicht verkauft worden ist, dass man auch gegenüber dem Vorstand hingestanden ist, dass man diese Privatbank im Land gehalten hat und dass sie hier im Land mit und neben der Landesbank Baden-Württemberg Finanzdienstleistungen betreibt, die für Mittelstand, Industrie und Privatkunden in den nächsten Jahren für die Bildung von Eigen- und Fremdkapital überlebensnotwendig sind.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Ich glaube, dass Mittelstandspolitik primär auch den Namen LBBW und BW-Bank tragen muss. Deswegen müssen wir alles dafür tun, dass die Landesbank Baden-Württemberg beim neuen Rating nicht von Triple-A dorthin fällt, wohin die Bayerische Landesbank und die WestLB gefallen sind, sondern sich im Wettbewerb der Öffentlich-Rechtlichen als beste Landesbank behaupten kann.

(Abg. Fleischer CDU: So ist es!)

Dies hat auch sehr viel mit unserer Haushaltspolitik zu tun. Wenn für Baden-Württemberg das Triple-A bleibt, hat die Landesbank eine Chance. Wenn Baden-Württemberg im Rating zurückfällt, stehen die Chancen schlechter als zuvor. Wir müssen alles dafür tun – Geschäftsstrategie, Kundenbindung, Risikocontrolling –, auch in den Gremien, im Verwaltungsrat – Sie sind dort vertreten –, in der Gewährträgerversammlung, dass die Landesbank und die Sparkassen auf gutem Weg leistungsfähig sind und nicht, wie viele andere deutsche Banken, in die Zweitklassigkeit zurückfallen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Noll FDP/ DVP)

Auch das Bausparwesen ist ein Faktor, wenn es um den Finanzplatz Baden-Württemberg geht. Schauen Sie sich einmal unsere Bausparkassen an – sie stehen in einem ganz harten Wettbewerb –, und vergleichen Sie Bausparprämie, Eigenheimzulage und anderes. Ich behaupte: Wenn die Entwicklung gestoppt wird, dass die Mehrzahl der Bürger eine

Chance auf Bildung von Wohneigentum hat, wenn der Erwerb von Immobilien nicht mehr öffentlich gefördert wird, dann wird das Bausparwesen in Baden-Württemberg auf einem schlechten Kurs sein.

Wir sollten gemeinsam alles dafür tun, dass die Bausparkassen und nicht die Lebensversicherer – nicht nur Allianz und Generali – die Grundlage für die Alterssicherung sind und dass damit auch zigtausend Arbeitsplätze – in Ludwigsburg, in Schwäbisch Hall, in Karlsruhe, in Stuttgart, in ganz Baden-Württemberg – in dieser entscheidenden Dienstleistungsbranche nahe an der Politik überlebensfähig sind.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)