Protokoll der Sitzung vom 30.10.2003

Wir bestreiten doch gar nicht, dass man in der Rente und bei den Steuern im Grunde genommen mehr Steueranteile braucht.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Richtig! Da sind wir beieinander!)

Das wird doch von niemandem bestritten. Wer aber auf der anderen Seite die hohen Einkommen mit einem Spitzensteuersatz von nur noch 25 % belasten will, soll uns einmal erklären, wie er das alles unter einen Hut bekommt.

(Beifall bei der SPD – Abg. Gustav-Adolf Haas SPD: So ist es!)

Das ist doch der Punkt. Sonst müssen Sie sagen – hier vermisse ich bei Ihnen die Ehrlichkeit –: Wir brauchen massi

ve Steuererhöhungen, um das Herzog-Modell zu verwirklichen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Nein!)

Denn die 30 Milliarden € müssen Sie von irgendjemandem holen. Wir haben schon jetzt zu wenig Geld für die Infrastruktur, und wir haben schon jetzt zu wenig Geld für andere Dinge. Sie fordern vom Bund – so habe ich es in der gestrigen Debatte wieder mitbekommen – laufend immer mehr Geld, und das soll alles zusammenpassen.

(Zurufe von der CDU)

Sie verlangen immer mehr Geld vom Bund. Natürlich! Das hat man doch gestern gehört.

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Ja, haben Sie das noch nicht gehört? Die Landwirtschaft soll mehr Geld bekommen, und die Bundeswehrstandorte in Baden-Württemberg sollen unterstützt werden. Für alles fordern Sie mehr Geld für das Land, und dieses Geld ist nicht vorhanden.

(Zurufe von der CDU)

Gerade eben der Sozialminister bei der Rente. Es ist uns doch nicht leicht gefallen, die Erhöhung zu verschieben. Hätten wir die Rente erhöht, hätten wir das über die Steuer finanzieren müssen oder, Herr Sozialminister, die Lohnnebenkosten hätten erhöht werden müssen. Dann stehen Sie doch einmal hin und sagen Sie, wie Sie es gemacht haben. Wir haben jetzt einen Vorschlag gemacht, der für die älteren Menschen schwer zu ertragen ist. Trotzdem musste man den Vorschlag machen.

Jetzt komme ich noch einmal auf die Frage der sozialen Gerechtigkeit.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Also, jetzt ist es nicht mehr ungerecht und unsozial!)

Doch, es ist auch in diesem Fall in Bezug auf niedrige Renteneinkommen ungerecht. Es ist für Frauen mit kleinen Renten ungerecht, dass die Rentenerhöhung jetzt verschoben wird. Das wissen wir doch. Aber Sie können nach unserem System keine verschiedenartige Rentenerhöhung vornehmen. Sonst hätten wir das vielleicht gemacht.

(Abg. Alfred Haas CDU: Sie haben vorher etwas anderes versprochen! – Zuruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Nein. Es ist ungerecht, wenn Frauen, die unseren Staat aufgebaut haben – – Jetzt sage ich Ihnen einmal etwas.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Sie machen das!)

Nein. Wir haben für Frauen, die Deutschland nach dem Krieg mit aufgebaut haben, die Grundsicherung eingeführt, und Sie haben die Grundsicherung bekämpft.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU und des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

In allen Landkreisen wollen die von Ihnen gestellten Landräte die Grundsicherung abschaffen, um das einmal deutlich zu sagen.

(Zurufe von der SPD – Gegenrufe von der CDU)

Alle, Sie auch. 350 000 Frauen, die diesen Staat mit aufgebaut haben, die Trümmerfrauen mit geringen Renten, mussten zum Sozialamt laufen.

(Zurufe von der CDU)

Die Sozialdemokraten haben ihnen jetzt eine Grundsicherung verschafft,

(Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

damit sie den für sie schandhaften Gang zum Sozialamt nicht mehr antreten müssen, Herr Kollege.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU, u. a. des Abg. Schneider)

Ihr soziales Modell, Herr Landrat Schneider, lautet: Immer auf die Kleinen und die Großen entlasten. Das ist für Sie sozial gerecht.

(Zurufe von der SPD – Zuruf des Abg. Scheuer- mann CDU)

Gehen wir die Sache doch einmal ganz ruhig an und fragen, was Ihre eigenen Leute gesagt haben.

(Abg. Döpper CDU: Ganz ruhig bleiben!)

CSU-Gesundheitsexperte Horst Seehofer:

Selten hat mich etwas so schockiert wie diese Vorschläge...

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Recht hat er!)

Er vermutet sogar einen Richtungswechsel in der Sozialpolitik, wie es ihn in der Geschichte der Parteien noch nicht gegeben habe. Das sagt derjenige, der in der CDU/CSU von Sozial- und Gesundheitspolitik die meiste Ahnung hat, nämlich Horst Seehofer.

(Abg. Seimetz CDU: Donnerwetter! Lobende Wor- te!)

Norbert Blüm:

Die Vorschläge sind ein fundamentaler Angriff auf die Grundlagen unseres Sozialstaats, die über Jahrzehnte unumstritten waren.

Das habe ich vorhin nicht anders gesagt.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Und nicht mehr finan- zierbar!)

Die Welt der Angela Merkel ist nicht meine CDU. In dieser Welt bin ich nicht zu Hause.

(Oh-Rufe von der SPD – Zuruf der Abg. Dr. Inge Gräßle CDU)

Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber lehnt die Eckpunkte der Herzog-Kommission ab. Ja was ist das jetzt?

(Abg. Capezzuto SPD: Ein Durcheinander!)

Stoiber sagt, die Kopfpauschale habe außerordentliche Pferdefüße.

(Abg. Gustav-Adolf Haas SPD: Aha!)

So sei unklar, woher die 27 Milliarden € Sozialausgleich kommen sollten. Wenn wir das sagen, toben Sie herum. Hören Sie doch einmal auf den CSU-Vorsitzenden:

(Abg. Seimetz CDU: Das ist ein Beispiel dafür, dass bei uns darüber diskutiert wird!)